Die Stimmen der Arbeiterinnen - Christliche Initiative Romero eV
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Gewerkschaften in Moldawien<br />
<strong>Die</strong> moldauische Gewerkschaftslandschaft ist gespalten.<br />
Während <strong>der</strong> Gewerkschaftsverband CSRM vor allem in <strong>der</strong><br />
Schwerindustrie stark ist, wird die Leichtindustrie, zu <strong>der</strong><br />
auch die Bekleidungsindustrie gehört, von <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />
„Solidaritate” betreut.<br />
Im Unterschied zu CSRM, wo man versuchte, das westliche<br />
Modell einer freien Gewerkschaftsbewegung zu reproduzieren,<br />
entschied sich Solidaritate für ein Dreiermodell,<br />
indem man versucht, zwischen den Interessen <strong>der</strong> ArbeiterInnen,<br />
<strong>der</strong> Arbeitgeber und <strong>der</strong> Regierung zu vermitteln.<br />
Was für einen westlichen Beobachter merkwürdig erscheinen<br />
mag, ist, dass es selbst Firmeninhabern erlaubt ist,<br />
Mitglied von Solidaritate zu sein. Alexandra Can, Geschäfts-<br />
und Gewerkschaftsführerin ihres Betriebes in einer<br />
Person, vergleicht ihre Erfahrungen mit Gewerkschaften<br />
aus <strong>der</strong> Zeit des Sozialismus mit <strong>der</strong> Arbeitsweise von Solidaritate<br />
heute: „Wir haben die Beziehung zwischen Administration<br />
und Arbeitern klar definiert. Vermittler ist die<br />
Gewerkschaft. Sie versteht sehr gut, welche Rechte und<br />
welche Pflichten sie hat. Sie beschäftigt sich mit <strong>der</strong> Organisierung<br />
<strong>der</strong> Leute, sorgt für Disziplin, erklärt, dass nur<br />
durch Produzieren das Unternehmen wachsen kann. Das<br />
macht sie auch zu Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Administration.” <strong>Die</strong><br />
Gewerkschaft ist – mit an<strong>der</strong>en Worten – für Produktionsorganisation<br />
und das Sozialleben <strong>der</strong> ArbeiterInnen verantwortlich<br />
und kooperiert eng mit dem Management.<br />
Der CSRM-Verband kritisiert energisch die Privilegien, die<br />
Solidaritate von <strong>der</strong> Regierung zugestanden bekam, während<br />
er selbst massiven Repressionen ausgesetzt ist. CSRM-<br />
Vizepräsident Vsevolod Barbaneagra berichtet von schweren<br />
Angriffen auf seine Gewerkschaft. „Auch versucht die<br />
Regierung momentan unsere Mitglie<strong>der</strong> zur Solidaritate zu<br />
lotsen. Das wollen wir verhin<strong>der</strong>n. Gestern schickte <strong>der</strong><br />
Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) in Brüssel einen Brief<br />
an Premierminister Vasile Tarlev, in dem sie uns unterstützt.”<br />
Davon, dass die Interessen <strong>der</strong> NäherInnen in Moldawien<br />
durch die Gewerkschaften effektiv vertreten werden, kann<br />
keine Rede sein.<br />
Frauen-NGOs<br />
Der Begriff Nichtregierungsorganisation (NGO) ist in Moldawien<br />
etwas Neues. Erste zaghafte Gründungsversuche<br />
gab es in verschiedenen Bereichen, doch die werden von<br />
<strong>der</strong> Administration kritisch beäugt. Wir trafen Irina Martiniuc<br />
von „Frauen Moldawiens” in ihrem Büro, einem Kin<strong>der</strong>gartenhinterzimmer<br />
etwas außerhalb <strong>der</strong> Stadt. Dort<br />
finden sowohl die Beratung, als auch Seminare zu Arbeitsrechten<br />
und Berufsorientierung statt. Hier kommen Frauen<br />
hin, die ihren Job verloren haben. Oft seien dies auch<br />
<strong>Arbeiterinnen</strong> <strong>der</strong> Bekleidungsindustrie. <strong>Die</strong>se Frauen haben<br />
keine Erfahrung beim Verhandeln mit den Arbeitgebern,<br />
was häufig zu Problemen mit den Arbeitsverträgen führt.<br />
So sagt sie: „In unseren Seminaren analysieren wir Arbeitsverträge.<br />
Einige private Textilunternehmen z.B. schreiben<br />
sehr schwierige Formulierungen in die Verträge, in denen<br />
weitgehende Pflichten verklausuliert sind. Oft verstehen<br />
die Frauen die Details nicht. So entwerfen wir Beispielverträge,<br />
damit die Frauen die Problematik begreifen.”<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
<strong>Die</strong> Arbeitsgesetze des Landes entsprechen den meisten<br />
IAO-Konventionen und gehen teilweise sogar darüber<br />
hinaus. Nur: sie werden in <strong>der</strong> Regel nicht beachtet. Viele<br />
ArbeiterInnen kennen ihre Rechte nicht und sind es auch<br />
nicht gewohnt sie einzufor<strong>der</strong>n. Das liegt vor allem daran,<br />
dass kämpferische Gewerkschaften kaum Zugang zur<br />
Bekleidungsindustrie haben und dass es noch keine starke<br />
unabhängige Frauenbewegung gibt. Unter den wenigen<br />
Frauengruppen beschäftigt sich nur eine mit den Bedingungen<br />
in <strong>der</strong> Bekleidungsindustrie. <strong>Die</strong> Schwierigkeit ist,<br />
dass die Zivilgesellschaft in Moldawien gerade erst<br />
erwacht. Öffentlicher Wi<strong>der</strong>stand und zivilgesellschaftliche<br />
Aktionen waren in <strong>der</strong> Sowjetunion verboten. Eine Kultur,<br />
in <strong>der</strong> eine dynamische Zivilgesellschaft blühen kann, entsteht<br />
erst. Sie wird dadurch behin<strong>der</strong>t, dass es an finanziellen<br />
Mitteln für <strong>Initiative</strong>n zu arbeitsweltlichen Problemlagen<br />
fehlt.