bei uns - Evangelische Klarenbach-Kirchengemeinde
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Das evangelische Heimatmagazin Ihres Kirchenkreises | Sommer 2012<br />
Eigener Gottesdienst<br />
Jugendliche bereiten „Night<br />
Church“ in Gerresheim vor<br />
Seite 4<br />
Digitaler Segen<br />
Menschen segnen im<br />
Internet – geht das?<br />
Seite 6<br />
<strong>bei</strong> <strong>uns</strong><br />
Lauter Nachbar<br />
Acht Geschichten zum<br />
Zu- und Weghören<br />
Seite 10<br />
in Düsseldorf
Foto: thomaS Götz<br />
Liebe Leserin, lieber Leser, Ein Job ohne Langeweile<br />
Kirche bildet in der Verwaltung aus<br />
im Sommer findet das Leben eher draußen<br />
statt. Bei hoffentlich schönem Wetter.Wenn<br />
die Sonne scheint, bringt sie ein ganz besonderes<br />
Lebensgefühl hervor, das sich nur im<br />
Sommer einstellt: weltoffen heiter. Das<br />
sorgt zum Beispiel für einen frischen Blick<br />
auf all das, was um das eigene Wohnhaus<br />
herum geschieht. Da treffen sich dann Nachbarn<br />
häufiger, weil sie unterwegs sind nicht<br />
nur zum Einkaufen, sondern auch zum Freibad<br />
oder in den Schrebergarten oder zum<br />
Park. Gerade im Sommer gibt es ein feineres<br />
Gespür für Nachbarschaft.<br />
Das hat auch <strong>uns</strong> beflügelt, einmal nach<br />
links und nach rechts zu schauen. Da stießen<br />
wir an der Schützenstraße in Düsseldorfs<br />
Innenstadt auf eine ganz besondere<br />
Nachbarschaft, die <strong>Kirchengemeinde</strong>, Multiple-Sklerose-Erkrankte<br />
und Schülerin nen<br />
und Schüler der Paul-Klee-Grundschule gemeinsam<br />
leben. Darüber berichten wir auf<br />
Seite 16 dieser Ausgabe von „<strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in<br />
Düsseldorf“.<br />
Und was das Lebensgefühl betrifft: Lesen<br />
Sie den besinnlichen Text von Superintendentin<br />
Henrike Tetz. Er setzt Sie auf die<br />
Spur der Lebenslust des Sommers, seine<br />
Üppigkeit und die Freiheit des Herzens.<br />
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer.<br />
Ihr<br />
Dr. Ulrich Erker-Sonnabend,<br />
Leiter der <strong>Evangelische</strong>n<br />
Pressestelle Düsseldorf<br />
2 <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf | Sommer 2012<br />
Foto: UwE SchaFFmEiStER<br />
Wenn die 17-jährige Alexandra<br />
Berger (links) und die 23-jährige<br />
rebecca Grzemba (rechts) gefragt<br />
werden, wo sie denn ar<strong>bei</strong>ten, ern ten<br />
sie manches Mal ungläubige Blicke.<br />
„Bei der Kirche. In der Verwaltung“,<br />
so die Antwort der <strong>bei</strong>den jungen<br />
Frauen. Vielen ist nicht klar, dass<br />
die Kirche eine Verwaltung hat und<br />
dass in ihr ausgebildet wird.<br />
Insgesamt acht Ausbildungsplätze bietet der Kirchenkreis Düsseldorf in<br />
verschiedenen Bereichen an – darunter auch die Ausbildung zum/zur<br />
Immobilienkaufmann/-frau oder zum/zur Bilanzbuchhalter/-in. Die Auszubildenden<br />
lernen in der Verwaltung, aber auch im Blockunterricht der Berufsschule<br />
sowie in Lehrgängen, die besonders auf die kirchlichen Belange der<br />
Verwaltung abgestellt sind. Wer möchte, kann sich auch auf die kommunale<br />
Prüfung vorbereiten und hat am Ende der Ausbildung die Befähigung, in <strong>bei</strong>den<br />
Verwaltungen zu ar<strong>bei</strong>ten – in der kirchlichen wie in der kommunalen.<br />
Die Übernahmechancen nach einer kirchlichen Verwaltungsausbildung seien<br />
gut, sagt Catrin Boecker. Die referentin der Geschäftsführung im Kirchenkreis<br />
betont: „Wir haben Nachwuchsbedarf.“ Darüber freut sich auch Alexandra<br />
Berger. Der Büroberuf mache ihr Spaß, sagt sie. Ihr Tipp an zukünftige Bewerberinnen<br />
und Bewerber: „Sie sollten offen sein für Neues und nicht denken,<br />
dass ein Bürojob langweilig ist. Es gibt immer etwas zu tun.“<br />
Informationen gibt Uwe Michalzik, Sachgebietsleiter für das Personal <strong>bei</strong>m<br />
Kirchenkreis Düsseldorf, Tel. 0211 95757-403, E-Mail: uwe.michalzik@<br />
evdus.de<br />
Kompetent in der Seelsorge<br />
Kirchenkreis platziert Dienste deutlicher<br />
Für Menschen, die an einer weit fortgeschrittenen<br />
Erkrankung leiden und die eine begrenzte Lebenserwartung<br />
haben, will das derzeit in Düsseldorf<br />
entstehende Netz palliativer Versorgung da sein.<br />
Die evangelischen <strong>Kirchengemeinde</strong>n sollen sich<br />
da<strong>bei</strong> als verlässliche Partner einbringen. Das hat<br />
die Synode (leitende Versammlung) des Kirchenkreises<br />
Düsseldorf auf ihrer Frühjahrstagung<br />
entschieden.<br />
Der Kirchenkreis hat sich mit der Seelsorge<br />
für Sterbende und deren Angehörige beschäftigt.<br />
Unter dem Titel „Kompetenznetz Seelsorge“<br />
wurde auf der Synode zudem ein Heft vorgestellt,<br />
das die besonderen Kompetenzen von Pfarrerinnen<br />
und Pfarrern benennt, die sie durch Zusatzqualifikationen<br />
erworben haben. Das reicht<br />
von der Krisenintervention über die Mediation<br />
und Supervision bis hin zur besonderen Auseinandersetzung<br />
mit der „Kultur des Sterbens“ und<br />
auch der geistlichen Begleitung.<br />
www.evdus.de/seelsorge.html<br />
Foto: SERGEJ LEPKE
Der Sommer ist da, <strong>uns</strong>er Leben findet wieder draußen<br />
statt: in den Parks und auf den Plätzen, in Gärten und<br />
auf Balkonen, auf dem Ausflugsdampfer oder dem<br />
Fahrradsattel.<br />
Kaum jemanden hält es im Haus, wenn die Sonne <strong>uns</strong><br />
mit ihrer Wärme nach draußen lockt und die Natur ihre<br />
Pracht entfaltet. Manchmal senkt sich sogar eine geradezu<br />
südliche Stimmung auf die Stadt und macht das<br />
Leben freundlich und heiter. Dann ist die Gelegenheit da<br />
und der Augenblick richtig, auch dem eigenen Herzen<br />
Ausgang zu geben.<br />
„Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben<br />
Sommerzeit an deines Gottes Gaben“, heißt es in einem<br />
der bekanntesten Kirchenlieder von Paul Gerhardt.<br />
Offensichtlich brauchen wir ein wenig Ermutigung, um<br />
das zu tun. Das scheint jedenfalls die Erfahrung von Paul<br />
Gerhardt gewesen zu sein. Denn er beginnt sein Lied mit<br />
einer Selbstermunterung: „Geh aus, mein Herz“!<br />
Seinem eigenen Herzen Ausgang zu geben, ist nicht<br />
selbstverständlich. Vielleicht braucht es ein wenig<br />
Überwindung, das Eigene und Vertraute zu verlassen,<br />
um sich auf die Suche nach der Lebensfreude zu machen,<br />
die außerhalb von <strong>uns</strong> zu finden ist.<br />
Diese Lebensfreude kann sich am sommerlichen<br />
Schauspiel der Natur entzünden, an einem kulinarischen<br />
<strong>bei</strong> <strong>uns</strong>: Lebensfreude<br />
Lebensfreude stellt sich ein, wenn sich Menschen in der Natur begegnen und in einem neuen Licht sehen<br />
Wenn im Sommer das Herz aufgeht<br />
Jetzt findet das Leben wieder unter freiem Himmel statt. Da stellt sich ein besonderes Lebensgefühl ein<br />
heimatkirche<br />
Genuss oder einem Musikstück. Sie kann auch entstehen,<br />
wenn wir Menschen kennen- und schätzen lernen<br />
oder alte Bekannte in einem überraschenden und<br />
freundlichen neuen Licht sehen.<br />
Ein Herz, das Ausgang hat, wird nicht unverändert<br />
wieder heimkommen, sondern wird an Erfahrungen<br />
und Eindrücken reicher sein. Vielleicht werden wir so<br />
nicht nur die Schönheit und Gaben anderer entdeckt haben,<br />
sondern werden auch einen neuen, wertschätzenden<br />
Blick auf <strong>uns</strong> selbst und <strong>uns</strong>ere eigenen Gaben werfen.<br />
Der Sommer mit seiner Üppigkeit und seinem hellen<br />
Sonnenlicht scheint die richtige Jahreszeit zu sein, um<br />
das aus zuprobieren: <strong>uns</strong>er Herz freizulassen und weitherzig<br />
zu leben, damit wir <strong>uns</strong> an der Fülle der Gaben<br />
Gottes freuen und sehen, welche Pracht sie in <strong>uns</strong>erem<br />
Leben entfalten.<br />
Götz<br />
Pfarrerin Henrike Tetz<br />
ist Superintendentin<br />
thomaS<br />
des <strong>Evangelische</strong>n<br />
Kirchenkreises Düsseldorf Foto:<br />
Foto: KzEnon | FoToLIA<br />
Sommer 2012 | <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf 3
„Hallo, Luther“ zu Halloween<br />
Jugendliche laden zur „Night Church“ ein – den Gottesdienst organisieren sie selbst<br />
Tobias Malchin, Svenja Arntz, Mandy Bade, Jonas Gehrke (von links) bereiten Gottesdienste für Jugendliche vor<br />
Manchmal ist das Geheimnis des Glaubens, eine Antwort zu<br />
haben, bevor überhaupt die Frage gestellt ist. So ist es auch<br />
<strong>bei</strong> Tobias Malchin. Glaube ist für den 17-Jährigen etwas, das<br />
einfach da ist. Denn über Gott sagt er: „Den gibt’s bestimmt.“<br />
Ein scheinbar einfacher Satz, der jedoch die Grundüberzeugung<br />
zeigt, die Tobias mit seinen Mitstreitern teilt.<br />
Tobias organisiert mit anderen Jugendlichen für die<br />
<strong>Evangelische</strong> <strong>Kirchengemeinde</strong> Gerresheim regelmäßig<br />
Gottesdienste am Abend. Die Zielgruppe: Jugendliche<br />
zwi schen 13 und 15 Jahren, grundsätzlich aber auch offen<br />
für alle. „Night Church“ nennen sie das Projekt, weil der<br />
Gottesdienst, anders als Kirche sonst, nicht sonntagmorgens<br />
stattfindet, sondern abends, und manchmal bis in die<br />
Nacht hineinreicht.<br />
Die jungen Leute sind vor vier Jahren damit an den Start<br />
gegangen. Die 20-jährige Svenja Arntz gehört wie Tobias zum<br />
harten Kern von zehn Jugendlichen, die sich regelmäßig<br />
treffen. Insgesamt sind etwa 25 Jugendliche im Team. Vier<br />
Gottesdienste im Jahr bereiten sie vor, treffen sich im<br />
Vorfeld und legen Thema, Musik und die Aufgaben fest.<br />
Die Jugendlichen organisieren mittlerweile alles völlig frei.<br />
Zum Reformationstag am 31. Oktober zum Beispiel eine<br />
Night Church unter dem Titel „Hallo, Luther“ – in Anspielung<br />
auf Halloween. Pfarrer, Jugendreferent und andere Helfer<br />
stehen hinter ihnen, wenn es mal nötig sein sollte. Die<br />
Abläufe haben sich eingespielt. In der Organisation sind die<br />
Jugendlichen souverän. Im Glauben sind sie noch Suchende.<br />
Keiner von ihnen hat fertige Antworten parat. Mitstreiter<br />
Jonas Gehrke räumt ein, dass <strong>bei</strong> ihm „der Glaube nicht so<br />
eine große Rolle spielt“. Dennoch ist der 16-Jährige im Team.<br />
4 <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf | Sommer 2012<br />
Das ist vielleicht eines der Erfolgsgeheimnisse der Night<br />
Church: Die Gottesdienstbesucher können sich mit „denen da<br />
vorn“, die die Predigt halten – oder sie auch mal als Sketch<br />
spielen – identifizieren. Es entsteht ein Gefühl der Gemeinsamkeit,<br />
sowohl unter den Organisierenden als auch zwischen<br />
ihnen und den Besuchern.<br />
Die Basis ist die Religion. Das sind laut Jonas, „die Werte,<br />
zum Beispiel die Zehn Gebote“. Das hat aber unter den<br />
Jugendlichen noch Raum, sich zu entfalten. Eine Abgrenzung<br />
zu traditionellen Gottesdiensten ist dem Night-Church-<br />
Team da<strong>bei</strong> nicht wichtig. Nur eine Kleinigkeit bemängelt<br />
Mandy Bade: „Manchmal fehlt mir ein wenig der Humor“,<br />
sagt die 16-Jährige. Den wollen die Jugendlichen sich aber<br />
in ihre abendlichen Gottesdienste holen. DÉSIRÉE LINDE<br />
Die nächste Night Church findet am 31. oktober im<br />
Ge meindehaus an der Gustav-Adolf-Kirche in Gerresheim,<br />
Hardenbergstraße 3, statt. Beginn: 19 Uhr. Im Anschluss<br />
gibt es Snacks, Getränke und Musik. Infos <strong>bei</strong> Facebook,<br />
Suchbegriff „Night Church“.<br />
Foto: SERGEJ LEPKE
Foto: SERGEJ LEPKE<br />
Dosen und Postkarten für den Glauben<br />
Mit ungewöhnlichen Aktionen will Nils Davidovic, Leiter der evangelischen Jugendkirche, zum Nachdenken anregen<br />
„Beten ist vergleichbar mit dem Moment im Basketball, in<br />
dem der Ball deine Hand verlässt“, sagt Nils Davidovic. Ein<br />
Moment, der voll sei von Bangen, Hoffen, Wünschen und<br />
Wollen. Er hat sich dieses Beispiel von einem Pfarrer aus<br />
einem amerikanischen Film geborgt. „Das ist Beten, egal ob<br />
man die Hände faltet, niederkniet oder eben auf dem Spielfeld<br />
steht“, sagt Nils Davidovic.<br />
Dass er ein solches Bild verwendet, ist typisch für den<br />
30-jährigen Sozial ar<strong>bei</strong>ter, der die Jugendkirche der <strong>Evangelische</strong>n<br />
Kirche Düsseldorf leitet. Oft benutzt er sprachliche<br />
Bilder, die anderen Bereichen als der Kirche entliehen sind.<br />
Bilder, die schmunzeln lassen, mal verwirren, irritieren<br />
oder vielleicht auch provozieren. Sie alle haben gemein,<br />
dass sie Aufmerksamkeit erregen. „Das ist aber nur der ers te<br />
Schritt“, sagt der Sozial ar<strong>bei</strong>ter. „Jugendliche sollen in Kontakt<br />
mit der Kirche kommen und über Glaubensinhalte<br />
nachdenken.“<br />
Zu Weihnachten zum Beispiel. 48 000 Postkarten ließ<br />
Davidovic in Kneipen verteilen. Das Motiv darauf: ein<br />
kleines Baby mit weißem Bart und roter Zipfelmütze und<br />
dazu die Frage „Happy Birthday Weihnachtsmann?“.<br />
heimatkirche<br />
Zu Ostern erzählt die Jugendkirche mit einer Bildergeschichte<br />
nach Art von Ikea-Bauanleitungen vom Tod Jesu am Kreuz<br />
und seiner Auf erstehung: Strichmännchen als Jünger, Abendmahlstisch,<br />
Holzbalken für das Kreuz, der Stein, der vor<br />
das Grab Jesu gelegt wird.<br />
Zu Himmelfahrt waren Davidovic und Jugendliche in der<br />
Innenstadt und an der Uni unterwegs. Sie haben 960 Dosen<br />
mit Energiedrinks verteilt. Die Aufschrift: „Wer glaubt, dem<br />
wachsen Flügel“.<br />
All diese Aktionen sind das Ergebnis vieler Treffen mit<br />
Jugendlichen, dem Feedback von Lehrern, die Ideen im<br />
Unterricht vorgestellt haben, und der Zusammenar<strong>bei</strong>t mit<br />
einer Werbeagentur. Dass dafür Slogans genutzt werden, die<br />
auf bekannte Marken anspielen, sieht Davidovic nicht als<br />
Problem. Ebenso seien die Aktionen keine platte „Werbung<br />
für den Glauben.“ Davidovic: „Es geht erst einmal nur darum,<br />
die Jugendlichen neugierig zu machen.“ Und das scheint zu<br />
funktionieren. An der Uni habe etwa ein Student <strong>bei</strong> der<br />
Himmelfahrtsaktion gesagt: „Das ist ja super, mal zu erfahren,<br />
was genau an dem Tag gefeiert wird.“ DÉSIRÉE LINDE<br />
www.jugendkirche-duesseldorf.de<br />
Nils Davidovic ist mit Julia Breitenstein<br />
in der Altstadt unterwegs. Die <strong>bei</strong>den<br />
verteilen den Energydrink „Wolkentaxi“<br />
und machen auf die evangelische<br />
Jugendkirche aufmerksam<br />
Sommer 2012 | <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf 5
FoTo: PrIVAT<br />
„Alles, was Modem hat,<br />
lobe den Herrn“<br />
Kirche, so betont sie immer wieder, möchte nahe <strong>bei</strong><br />
den Menschen sein. Aber wenn schon gut neun von<br />
zehn der eigenen Mitglieder nicht da sind, wo Kirche<br />
im Sinne von Gottes- und Gemeindehaus ist, dann muss sie<br />
da sein, wo die Menschen wirklich sind. Und das wäre unter<br />
anderem die Welt der digitalen Medien, in und mit denen –<br />
über die Generationen hinweg – nachweislich immer mehr<br />
Menschen immer mehr Zeit verbringen.<br />
Und natürlich bemüht sich Kirche, dort zu sein mit Internetportalen,<br />
virtuellen Gottesdiensten, digitalen Seelsorgeformaten<br />
und vielem mehr. Die Bedeutung dieser kirchlichen<br />
„Orte“ wird immer wesentlicher. Längst sind sie nicht mehr<br />
nur mediale Werbehilfen kirchlicher Öffentlichkeits ar<strong>bei</strong>t<br />
für die „eigentlichen“ Angebote wie den Sonntagsgottesdienst<br />
oder eine gemeindliche Projektgruppe, sondern eigenständige<br />
Formate zeitgenössischer Christentumspraxis –<br />
Tendenz: steigend.<br />
Aber geht <strong>bei</strong> dieser rasanten Entwicklung nicht auch<br />
etwas verloren? Kann man im Internet wirklich zusammen<br />
Gottesdienst feiern? Kann per Chat wirklich seelsorgliche<br />
Begegnung stattfinden? Sind wesentliche Dimensionen religiöser<br />
Praxis so überhaupt zu gestalten?<br />
Viele stellen grundsätzlich die Frage: Funktionieren<br />
un sere altbekannten liturgischen Traditionen und Formate<br />
in digitaler Fassung? Oder sind das Erfahrungsgehalte<br />
zweiter Ordnung, die in „eigentlicher Fassung“ nur im „ echten“<br />
Leben zu haben sind?<br />
6 <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf | Sommer 2012<br />
Über den Segen im digitalen Zeitalter<br />
Prof. Dr. Gotthard Fermor ist Direktor<br />
des Pädagogisch-Theologischen Instituts<br />
der <strong>Evangelische</strong>n Kirche im Rheinland<br />
in Bonn und lehrt Gemeindepädagogik<br />
und Diakonie an der <strong>Evangelische</strong>n<br />
Fachhochschule in Bochum<br />
Testen wir diese Frage am Beispiel des Segens: Segen im<br />
Internet – geht das, wirkt das, ist er echt?<br />
Zunächst möchte ich diese Frage klar positiv beantworten.<br />
Aber ja, Segen ist echt in jeder Mail, die ein „Gott segne dich“<br />
oder „God bless you“ enthält. Ebenso in Internetgottesdiensten,<br />
in denen Segen gespendet wird, in interaktiven<br />
Web-Andachten (ein echtes Erlebnis!), in Foren und Sammlungen<br />
mit Segenssprüchen. Ja, selbst in Computerspielen<br />
und virtuellen Welten wie „Second Life“, in der ein Avatar<br />
im Talar Segen zuspricht.<br />
„Avatar im Talar“? Ja, es gibt Pfarrer, die auch im Computerspiel<br />
durch eine von ihnen geschaffene künstliche Person<br />
segensreich wirken wollen. Kritiker fragen: Wird hier nicht<br />
eine Grenze überschritten? Ist mit dem Segen im Spiel<br />
zu spielen? Geht hier die Echtheit des Segens nicht end gültig<br />
verloren?<br />
Was die Echtheit betrifft: Dass Segen digital vermittelt wird,<br />
macht ihn nicht unecht. Denn alles in der Schöpfung ist ja bis<br />
in die kleinsten Teilchen auch elektronische Reaktion, Energie.<br />
Der Kosmos besteht aus Wellen und Zahlen – das ist Schöpfungswirklichkeit.<br />
Im Computer ist es konzentrierte, rechnende<br />
und kombinierende, eben computerisierende Wirklichkeit.<br />
Ja, auch der Computer ist ein Stück Schöpfung. Und zwar<br />
eine kräftig wirkende Schöpfung. In dem Wort „virtuell“<br />
steckt die virtus, die Kraft. Virtuell heißt: Es wirkt kräftig<br />
und ist nicht nur Schein. Es ist auf seine Weise echt.<br />
Und, ich wies schon darauf hin, natürlich entfalten sich<br />
Segenskräfte auch über den PC: Die Internetseelsorge ist ein<br />
überaus segensreiches neues Wirkungsgebiet mit vielen Vorteilen,<br />
zum Beispiel dem der niederschwelligen Anonymität.<br />
Dieses Ar<strong>bei</strong>tsfeld der Kirche wächst enorm und entfaltet so<br />
beträchtlichen Segen.<br />
Und auch dies ist klar: Segen braucht immer schon Medien.<br />
Das Wort, die Geste, Rituale. Elektronische Medien kann und<br />
sollte man von ihrem Potenzial der Segensvermittlung nicht<br />
ausschließen.<br />
Und doch sind kritische Fragen berechtigt. Die erste betrifft<br />
die Grenzenlosigkeit des Internets. Denn wir müssen genau<br />
hinschauen: Medien sind nicht einfach <strong>uns</strong>chuldige Transportmittel.<br />
Gerade das Internet hat es quasi-metaphysisch ganz
schön in sich: Es ist immer für <strong>uns</strong> da, „schläft und schlummert<br />
nicht“, kennt keine Grenzen, immer komme ich in Kontakt,<br />
kann mich vernetzen. Das Internet hat, wenn man so will,<br />
geradezu transzendenzähnliche Attribute. Der Philosoph<br />
Hartmut Böhme nennt es daher auch provokant die „technische<br />
Form Gottes“. Aber wenn es diese Attribute auf sich<br />
zieht, die Sehnsucht nach Transzendenz an sich bindet und<br />
doch nur ein Stück Schöpfung ist, dann muss man fragen:<br />
Drohen die Menschen dadurch nicht gerade den Blick für<br />
die eigentliche Transzendenz zu verlieren, weil sie verwechselt,<br />
nicht mehr erkannt wird? Und umgekehrt: Wird es<br />
dann, wenn etwas Irdisch-Endliches etwas Unendliches an<br />
sich haben soll, nicht geradezu dämonisch, wie der Theologe<br />
Paul Tillich das genannt hätte? Wenn das Internet mehr soll,<br />
als es wirklich kann, ist es bestimmt kein Segen. So lässt sich<br />
die erste kritische Rückfrage beantworten, die die Grenzenlosigkeit<br />
des Internets betrifft.<br />
Die zweite Frage betrifft seine Grenzen: Auch hier darf<br />
man vom Internet nicht zu viel erwarten. Das Internet kann<br />
nicht das bieten, was wir die Aura der Körperlichkeit nennen,<br />
also eine Energie, die mit <strong>uns</strong>eren leiblichen Bedingungen<br />
zusammenhängt. Jeder kennt das schale Körpergefühl nach<br />
Stunden vor dem Bildschirm.<br />
Ein PC atmet nicht, wie wir atmen. Wir müssen daher an<br />
dem Unterschied von Modem und Odem festhalten. Der Computer<br />
rechnet, Segen wird zum Rechenprozess. Doch gerade<br />
der Segen ist ja im Prinzip immer unberechenbar, unverfügbar<br />
an seine Quelle in Gott rückgebunden. Der Segen im Internet<br />
hat da seine Grenze, wo es um Kopräsenz in einem Raum<br />
geht: Im Gottesdienstraum sind Segnender und Segenempfangende<br />
in einem Raum <strong>bei</strong>einander, das ist eine andere<br />
Aura. Und dort können noch andere Sinne, wie die leiblichen<br />
Gesten der Berührung, erfahren werden. Beim Abendmahl ist<br />
diese Grenze dann überdeutlich erreicht. Daher sollten wir<br />
beachten: Die digitale Kommunikation ist eine wunderbare<br />
Ergänzung der analogen, sie kann sie aber nicht ersetzen.<br />
Eine dritte kritische Bemerkung zu digitalen Welten:<br />
Wir stimmen zu schnell <strong>uns</strong>erer eigenen Verdinglichung zu,<br />
wenn wir dem Computer als zentraler Kommunikationsform<br />
<strong>uns</strong>erer Gesellschaft den Raum geben, den er schon hat.<br />
Medien sind nie <strong>uns</strong>chuldig, sondern reden in ihrer Eigenart<br />
immer mit. „The medium is the message“ – so formulierte es<br />
der Medientheoretiker Marshall McLuhan. Es hat noch nie<br />
ein Medium gegeben, das so laut selbst mitgeredet hat wie<br />
das Internet. Ein Medium ist seinem Wesen nach etwas<br />
Vermittelndes und insofern die Mitte, Medium zwischen<br />
Kommunikationspartnern. Das Internet mit seinen Eigenarten<br />
stellt sich selbst grenzwertig stark in den Mittelpunkt.<br />
Es verändert <strong>uns</strong>ere Kommunikationsformen beträchtlich.<br />
Segens- und verlustreich. Wer schreibt denn noch einen<br />
Brief mit der Hand?<br />
Kirchliche Praxis sollte sich daher für <strong>bei</strong>des einsetzen:<br />
lernen und erfahren, was Segen zwischen ko-präsenten, also<br />
leiblich anwesenden Menschen in einem Raum spirituell<br />
bedeuten kann, und den kirchlichen Raum der digital-medialen<br />
Inszenierung des Segens weiter eröffnen. Falsche Alternativen<br />
oder gar Konkurrenzen sind sicher nicht segensreich<br />
für das Anliegen, <strong>bei</strong> den Menschen sein zu wollen.<br />
Kritisch wird es dann allerdings, wenn das Erste kaum<br />
noch erfahren wird, wenn <strong>bei</strong>spielsweise die digitale Sozialisation<br />
im religiösen Bereich die ko-präsente zu verdrängen<br />
droht. Entscheidend wird es sein, die verschiedenen Formate<br />
von Christentumspraxis gelingend aufeinander beziehen<br />
zu können. Das ist das gemeinsame Feld von kirchlicher<br />
Bildungs- und Medienar<strong>bei</strong>t.<br />
Kehren wir zur Ausgangsfrage zurück: Kann Gott auch<br />
„in, mit und unter“ digitalen Medien Segen stiften? Aber<br />
sicher! Die Wirklichkeit des segnenden Gottes ist unverfügbar<br />
und mit keinem Medium „echter“ oder besser zu bezeugen<br />
und zu symbolisieren. Gott der Schöpfer will die Vielfalt<br />
der Medien, um segnend zu wirken, aber wir sollten sie als<br />
das sehen, was sie sind: als Medien, ohne Gottesattribute.<br />
Den Computer sollten wir so wenig anbeten wie eine Hostie.<br />
Und dann können wir es in aller Freiheit so sagen, wie es der<br />
Bochumer Medientheologe Bernd Beuscher einmal in einem<br />
Bonmot gefasst hat: „Alles was Modem hat, lobe den Herrn!“<br />
Und das Original singen wir aus guten Gründen auch gleichzeitig<br />
weiter: „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“ Der<br />
Segen kann sich <strong>uns</strong> auf <strong>bei</strong>den Wegen vermitteln, das ist<br />
Gottes Sache und <strong>uns</strong>ere Medien sind nur Medien.<br />
ILLUSTrATIoN: VEroNIQUE SToHrEr<br />
Sommer 2012 | <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf 7
Sanfter Segen<br />
In der Bilker Friedenskirche feiern Kleinkinder Gottesdienst<br />
Carlotta wird bald zwei Jahre alt, und sie ist wahrscheinlich jetzt schon<br />
eine fleißigere Gottesdienstbesucherin als viele Erwachsene. Mit ihrem<br />
Vater Lars Jansen besucht sie einmal im Monat die Krabbelgottesdienste<br />
am Freitagnachmittag in der Friedenskirche.<br />
Pfarrer Christoph Sterl hat diese Gottesdienstform für Kinder bis sechs<br />
Jahre im Dezember 2009 eingeführt. Damals fragten ihn Eltern, deren<br />
Kinder nicht in konfessionelle Kindergärten gingen, ob es möglich wäre,<br />
dem Nachwuchs Kirche, Glauben und Gott näherzubringen. Seitdem ist<br />
der Kreis der Gottesdienstbesucher stetig gewachsen. Sechs Familien<br />
waren es zu Beginn, heute kommen manchmal 30 Familien.<br />
Der Gottesdienst für die Kleinen findet bewusst in der Kirche und nicht<br />
im Gemeindehaus statt. „Ich möchte damit vermitteln, dass alle Menschen,<br />
egal welchen Alters, in der Kirche ihren Platz haben“, sagt Pfarrer Sterl. Einen<br />
Talar trägt der Pfarrer zu den Krabbelgottesdiensten nicht. Auch mit seiner<br />
normalen Kleidung möchte er deutlich machen: Hier ist jeder willkommen.<br />
Die Atmosphäre in der Kirche wirkt schon auf die Kleinsten. Es ist<br />
ruhig während der halben Stunde Gottesdienst. Diesmal geht es um das<br />
Thema Taufe. Carlotta sitzt auf dem Schoß ihres Vaters und beobachtet<br />
konzentriert, was passiert. Als die Kinder vorab ausgeteilte Wasserflaschen<br />
in das Taufbecken leeren dürfen, nähert sie sich dem Geschehen vorsichtig.<br />
„Carlotta ist eher zurückhaltend“, sagt ihr Vater Lars Jansen. Sie erlebt<br />
den Gottesdienst mit wachen Sinnen, bleibt aber beobachtend im Hintergrund.<br />
Trotzdem mache es ihr immer Spaß, zur Friedenskirche zu gehen,<br />
weiß Lars Jansen. Er hat sich mit seiner Frau dafür entschieden, Carlotta<br />
schon früh mit der Kirche vertraut zu machen. „Wir wollen ihr ein<br />
Bewusstsein für die Werte <strong>uns</strong>erer Gesellschaft vermitteln.“<br />
Jeder Gottesdienst für die Kleinsten sei bisher etwas Besonderes ge wesen.<br />
Und auch an diesem Nachmittag werden die Kinder neue Erinnerungen<br />
mit nach Hause nehmen. An das Segnen mit dem Wasserkreuz, das Verena<br />
auf die Hände zeichnet oder an die kleine Petra, die Pfarrer Sterls Beispiel<br />
folgend jedem Besucher zum Segen einmal schnell und ganz sanft die<br />
Hände auf den Kopf legt. KATJA POHL<br />
Pfarrer Christoph Sterl segnet Kinder im Krabbelalter. Auch die kleine Carlotta<br />
8 <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf | Sommer 2012<br />
Foto: SERGEJ LEPKE<br />
Foto: SERGEJ LEPKE<br />
Pfarrer Christoph<br />
Sterl von der Friedens-<br />
<strong>Kirchengemeinde</strong> in<br />
Bilk lädt zu Krabbelgottesdiensten<br />
ein<br />
Nachgefragt<br />
Kinder nehmen etwas mit<br />
Wer nimmt aus den Krabbelgottesdiens-<br />
ten mehr mit? Die Eltern oder die Kinder?<br />
Ich bin versucht zu sagen, dass die Eltern<br />
eher profitieren. Wir helfen ihnen, den<br />
Kindern den Glauben zu vermitteln. Sie<br />
erhalten Anregungen für Lieder und Gebete,<br />
die mit Bewegungen einhergehen,<br />
die den Kindern <strong>bei</strong>m Mitmachen Spaß<br />
bringen. Die Kinder nehmen aus den<br />
Gottesdiensten aber auch etwas mit.<br />
Ihre Gefühle werden angesprochen. Sie<br />
nähern sich der Kirche ungezwungen,<br />
spüren, dass es einen ort gibt, an dem<br />
sie angenommen werden. Das verstehe<br />
ich unter evangelisch sein. Dass wir alle<br />
in die Kirche gehören. Wir sind Menschen,<br />
die Gott begegnen – ohne Hierarchie.<br />
Wie gestalten Sie die Krabbelgottes-<br />
dienste?<br />
Wir machen viel mit Bewegungen, besonders<br />
<strong>bei</strong> den Liedern. Jeder Gottesdienst<br />
steht unter einem Motto. Fester Bestandteil<br />
ist das Vater<strong>uns</strong>er. Damit zeigen wir<br />
den Kindern, dass es in der Kirche rituale<br />
gibt. Ein Krabbelgottesdienst ist ein richtiger<br />
Gottesdienst, auch wenn an <strong>uns</strong>erem<br />
Altar heute ein selbst gemachter regenbogen<br />
lehnt und die Kinder auf dem<br />
Boden sitzen dürfen, wenn sie möchten.<br />
Wie sehen die Eltern die Gottesdienste?<br />
Ich glaube, die Eltern sehen diese halben<br />
Stunden als Hilfestellung, um den Kindern<br />
einen Einblick in ihre religion und ihr<br />
christliches Verständnis zu geben.<br />
Die nächsten Krabbelgottesdienste<br />
finden am 6. Juli und am 14. September<br />
statt. Beginn: 16 Uhr in der Frie denskirche,<br />
Florastraße 55, Unterbilk/Bilk.
Foto: thomaS Götz<br />
Ferienchor in Derendorf<br />
Freitag, 3., 10. und 17. august, 20 Uhr<br />
setzt sich Dirk Ströter, Kantor der Kreuz-<strong>Kirchengemeinde</strong> in Derendorf, ein. Er bietet an<br />
drei Freitagen im August einen Ferienchor an – in der Kreuzkirche, Collenbachstraße 10.<br />
Die erar<strong>bei</strong>teten Werke aus verschiedenen Stilrichtungen können sonntags im Gottesdienst<br />
gesungen werden. Die Proben bauen nicht aufeinander auf, deswegen ist es<br />
möglich, sie einzeln zu besuchen.<br />
Teilnahme kostenlos, www.kreuzkirche-duesseldorf.de<br />
Von Flossis und Chamaden<br />
Sonntag, 9. September, 15 Uhr<br />
Sommerliche Orgelkonzerte<br />
mittwochs, bis 12. September, jeweils 18.30 Uhr<br />
Immer wieder mittwochs kommen Freunde der orgelmusik auf ihre Kosten <strong>bei</strong> den<br />
„Sommerlichen orgelkonzerten“ in der evangelischen Neanderkirche, Bolkerstraße 36.<br />
organisten aus den evangelischen <strong>Kirchengemeinde</strong>n der Landeshauptstadt, darunter<br />
auch Gastorganisten wie Anna Somogyi, Christian Barthen und oskar Gottlieb Blarr<br />
spielen klassische und moderne Werke auf der orgel der Neanderkirche.<br />
Eintritt frei, www.neanderkirche.de<br />
Mehr evangelische Kirchenmusik in Düsseldorf unter www.evdus.de, Programmheft unter Tel. 0800 0818283<br />
heimatleben<br />
„Flossis“, so heißen die gelben, grünen, roten und blauen Kletterer im Düsseldorfer<br />
Medienhafen. Das K<strong>uns</strong>twerk ziert so manche Postkarte der Stadt Düsseldorf. Und<br />
„Chamaden“, auch spanische Trompeten genannt, sind Trompetenregister in orgeln –<br />
zum Beispiel in der Beckerath-orgel der Friedenskirche. Mehr über Flossis und Chamaden<br />
erfahren Familien mit Kindern ab fünf Jahren <strong>bei</strong> einem rundgang durch Unterbilk<br />
unter dem Titel: „Wir erkunden den Hafen und die orgel der Friedenskirche und machen<br />
ein Picknick.“ Treffpunkt ist vor dem Hotel Hyatt im Hafen, Speditionsstraße 19.<br />
Teilnahme zwischen 10 und 20 Euro, www.friedenskirche.eu<br />
Foto: anDREaS PEtERSEn Auch ohne ausgebildete Stimme oder musikalische Erfahrung im Chor singen? Dafür<br />
Lunch-Time-Orgel<br />
mittwochs, 12.30 Uhr<br />
In der Mittagspause eine halbe Stunde <strong>bei</strong> orgelmusik entspannen – dazu lädt die<br />
Lunch-Time-orgel jeden Mittwoch in die Johanneskirche am Martin-Luther-Platz 39 ein.<br />
Besucher können Cappuccino oder Apfelschorle aus dem Café im Foyer trinken oder<br />
sich einen eigenen Imbiss mitbringen. organist Wolfgang Abendroth spielt Werke<br />
verschiedener Komponisten.<br />
Eintritt frei, www.johanneskirche.org<br />
Foto: UwE StEinbRich/PixELio.DE<br />
Foto: thomaS Götz<br />
Sommer 2012 | <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf 9
Lieber<br />
Nachbar –<br />
lauter<br />
Nachbar<br />
10 <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf | Sommer 2012<br />
✣ Texte: Simone Becker, Lina Unterbörsch<br />
Fotos: Markus J. Feger<br />
Still ruht der Hof.<br />
Doch wie lange noch?<br />
Wenn es richtig heiß<br />
wird, verlagert sich das<br />
Leben nach draußen.<br />
Und durchs offene Fenster<br />
bekommt man von den<br />
Nachbarn oft mehr<br />
mit, als einem lieb ist.<br />
Acht Geschichten zum<br />
Mit- und Weghören
Monolog einer Beschwerde<br />
Was fällt dem K. ein, schon wieder<br />
sonntagmorgens um acht den Rasen zu<br />
mähen? Hat man denn nicht einmal im<br />
eigenen Heim seine Ruhe? Gestern erst<br />
die Grillparty von B. bis spät in die Nacht –<br />
und jetzt das. Na wartet, euch zeig ich’s!<br />
Meine Hecke muss schließlich auch mal<br />
wieder geschnitten werden – mit der<br />
Motor-Kettensäge! Natürlich könnte ich<br />
auch rübergehen, freundlich fragen, ob<br />
nicht vielleicht, unter Umständen, wenn’s<br />
Ihnen nichts ausmacht, B. nur einen kleinen<br />
Tick leiser sein könnte – oder K. den<br />
Rasen mal an einem Samstag mähen<br />
kann. Aber ich bin doch nicht blöd. Die<br />
machen sich am Ende nur lustig über<br />
mich, ich wäre spießig oder so. Ich ruf am<br />
besten gleich das Ordnungsamt an. Sollen<br />
die sich damit rumärgern. Schließlich ist<br />
es nicht meine Schuld, dass die Nachbarn<br />
andauernd die Ruhe stören ... Oh, jetzt hat<br />
der K. doch tatsächlich den Rasenmäher<br />
aus gestellt. Na, ist auch ein bisschen mickrig,<br />
sein Rasen. Dann ruf ich heute nicht<br />
mehr an. Aber nächstes Mal werde ich<br />
mich bestimmt beschweren. Und zwar<br />
direkt. Hoffentlich kommt B. nicht<br />
vorher wieder auf die Idee, mich zu<br />
seiner Grillparty einladen zu wollen.<br />
Mama, wo steckst du?<br />
„Mama!“ Der Wind weht ein schrilles<br />
Stimmchen in die dritte Etage hinauf.<br />
„Mama, Mama, Mama!“ Es ist Sonntagmor<br />
gen, der Tag hat noch nicht richtig<br />
an gefangen. Aber der kleine Jan, drei<br />
Jahre alt, steht schon unten im Garten des<br />
Nach barhauses und erfreut sich an seinem<br />
Feuerwehrauto – und an seinem Lieblingswort<br />
„Mama“. „Kinder haben das Recht<br />
zu spielen“, lautet Artikel 31 der UN-Konvention<br />
für Kinderrechte. In der Regel<br />
zu jeder Tageszeit und auch in jeder<br />
Laut stärke. „Kinderlärm ist kein Umweltschaden“,<br />
stellte auch der Bundes tag fest<br />
und stimmte einer Gesetzes änderung zu,<br />
die Anwohner klagen gegen Kinderlärm<br />
künftig den Boden entziehen soll. Richtig<br />
so. Schließ lich würden die meisten<br />
Menschen zustimmen, dass es besser ist,<br />
wenn Kinder sich <strong>bei</strong> schönem Wetter<br />
draußen austoben, anstatt be wegungsgehemmt<br />
vor dem Fernseher oder am<br />
Computer zu sitzen. Und das gilt wohl<br />
auch für einen Sonntagmorgen. Und<br />
für Jan im Nachbargarten. Auch<br />
wenn’s schwerfällt … – „Mamamamamaaaaaaaaaaa“,<br />
quiekt er und das lang<br />
gezogene A am Ende des Wortes hüpft<br />
in seiner Kehle, als er mit Propellerarmen<br />
durch den heimischen Garten rast. Ich<br />
schiebe meinen Kopf seufzend unter das<br />
Kissen. „Liebe Mama von Jan“, denke ich,<br />
„wo um Himmels willen steckst du?“<br />
Sommer 2012 | <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf 11
Unliebsame Urlaubsgrüße<br />
An Urlaub denkt die 70-Jährige nicht,<br />
wenn sie ein Flugzeug hört. Vielmehr<br />
daran, eine Pause im Gespräch zu<br />
machen, wenn sie im Sommer mit<br />
jemandem auf ihrer Terrasse sitzt oder<br />
draußen telefoniert. Denn einer der<br />
größten Flughäfen Deutschlands liegt<br />
nur wenige Kilome ter entfernt von<br />
ihrem Zuhause im Düssel dorfer<br />
Stadtteil Lohausen. Seit mehr als<br />
60 Jahren erträgt sie nun den Flug -<br />
lärm. Früher waren die Maschinen<br />
noch lauter, erinnert sie sich. Dafür<br />
fliegen sie nun häufiger – vor allem<br />
im Sommer. Besonders morgens und<br />
abends ist es schlimm, wenn gegen<br />
fünf Uhr der Flughafen zum Leben erwacht<br />
oder wenn im Vierminutentakt<br />
die Flieger auf- und absteigen. Und<br />
wenn der Wind von Osten her weht,<br />
dann hört die 70-Jährige die Maschinen<br />
den ganzen Tag. Da hilft es auch nichts,<br />
die Fenster zu schließen. Mancher<br />
Besuch blieb so schon aus. Und viele<br />
Nachbarn, die es sich leisten konnten,<br />
sind mittlerweile weggezogen. Doch<br />
für die Düsseldorferin kommt das<br />
nicht infrage. Schließlich ist das ihre<br />
Heimat: „Ich liebe meinen Garten,<br />
ich liebe mein Zuhause und ich<br />
liebe meinen Stadtteil“, sagt sie,<br />
„so, wie er nun einmal ist.“<br />
12 <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf | Sommer 2012<br />
Traumreise nach Paris<br />
Es ist ein unverwechselbarer Klang,<br />
der sich durch die Häuserschluchten<br />
des Innenstadtviertels schlängelt. Eine<br />
Mi schung aus Fanfaren-, Orgel- und<br />
Klarinettentönen, typisch für das<br />
Akkor deon. Immer lauter wird die<br />
Musik, kriecht die Häuserfassaden<br />
hoch, dringt in jedes Fenster ein und<br />
breitet sich im Zimmer aus. Walzer,<br />
vielleicht eine Mu sette – französische<br />
Volksmusik. Für einen kurzen Moment<br />
erscheint ein Bild vor dem inneren<br />
Auge: Ich bin in Paris, im Künstlerviertel<br />
Montmartre. Ein kleines Bistro<br />
mit roter Markise und Blick auf den<br />
Platz, ein Café au lait, eine charmante<br />
Beglei tung, ein Akkordeon spieler mit<br />
schwarzer Bas kenmütze und rotem<br />
Halstuch schlen dert von Tisch zu Tisch<br />
... Pling, pling, pling, prallen Münzen<br />
auf den Asphalt. Das Geräusch bringt<br />
mich in die Realität zurück. Die Nachbarn<br />
von gegen über honorieren die<br />
Mühe des Akkordeon spielers, der soeben<br />
um die Straßenecke biegt. Schnell<br />
sammelt der Mann die Münzen auf.<br />
Dann beginnt er von Neuem sein Spiel,<br />
zieht seines Weges, zieht die Musik<br />
aus den Häusern wieder heraus.<br />
Fremde werden Freunde<br />
Der Schiedsrichter pfeift ab, das Spiel<br />
ist vor<strong>bei</strong>. Die Fernsehkameras zeigen<br />
den Freudentaumel der Sieger mannschaft,<br />
die Nachbarn nebenan jubeln<br />
mit. Nun lassen sich die Minuten zählen,<br />
bis das ers te Hupen von ferne<br />
durch das offene Fenster dringt. Und<br />
da ist es auch schon: Auf „Tüüt“ folgt<br />
„Mööp“, anschließend „Nötnöt“. Immer<br />
wieder. Wie es sich für einen Auto-<br />
korso gehört. Was irgendwann einmal<br />
als spontane Aktion nach einem ge-<br />
wonnenen Finale begann, ist heute<br />
ein fester Brauch nach Spielen <strong>bei</strong> einer<br />
Fußballmeisterschaft geworden. Und<br />
da längst nicht nur Deutsch land seine<br />
Mannschaft feiert, wenn sie gewinnt,<br />
herrscht in einem Fußball som mer<br />
mittlerweile allabendlich der Ausnahmezustand.<br />
Das Auto wird zur Partyzentrale<br />
– zum Leidwesen derer, die<br />
mit ihren Gefühls bekundungen etwas<br />
zurückhalten der sind. Die anderen<br />
feiern: Deutsche, Türken, Deutsch-<br />
türken, Russen, Kroaten, Spanier. Alt<br />
mit Jung. Ferrari- mit Fiat fahrern. Aus<br />
Fremden werden Freunde. An Schlaf ist<br />
in der nächsten Stunde nicht zu denken.
Akte der Liebe<br />
Als meine Freundin Mellie in ihre<br />
neue Wohnung einzog, wunderbar<br />
zentral in der Stadt gelegen, unkten<br />
viele Freun de: Das wird bestimmt<br />
laut werden! „Pah“, erwiderte sie, „das<br />
stört mich nicht.“ Und so war es auch.<br />
Zunächst. Aber als der Sommer heranrückte<br />
und damit auch die Zeit offener<br />
Fenster, bemerkte sie, dass es nicht<br />
nur die Menschen auf der Straße „da<br />
unten“ gab, sondern auch die lärmenden<br />
Menschen im Haus gegenüber.<br />
Vor allem diesen einen Nachbarn.<br />
Sein Fenster stand jetzt Tag und Nacht<br />
offen. Und heraus drang Abend für<br />
Abend ein eindeutiges Stöhnen und<br />
Keuchen. „Total peinlich“, sagte Mellie<br />
oft, mit hochrotem Kopf. Irgendwann<br />
beschloss sie, keine unfreiwillige<br />
Zeugin dieser Akte der Liebe mehr<br />
sein zu wollen. Aber irgendwo im Haus<br />
gegenüber klingeln und fragen: „Sind<br />
Sie derjenige, der immer …?“ Nein,<br />
das konnte sie nicht. Also nahm sie<br />
ein großes Stück Pappe und schrieb<br />
darauf: „Hallo Nachbar. Ich kann Sie<br />
(leider) durch ihr offenes Fenster gut<br />
hören. Das will ich aber nicht. Können<br />
Sie bitte in romantischen Momenten<br />
das Fenster schließen? DANKE!“ Das<br />
klebte sie an ihre Fensterscheibe, sodass<br />
es von gegen über gut zu lesen war.<br />
Glücklich und in froher Erwartung begann<br />
sie zum ersten Mal seit Wochen<br />
wieder ihren Feierabend zu genießen.<br />
Doch schon am nächsten Abend sah sie<br />
das Fenster erneut sperrangelweit offen<br />
stehen. Darauf ein Stück Pappe: „Tut<br />
mir leid, aber es ist einfach zu warm.“<br />
Irrtum im Innenhof<br />
Ich mag es, in lauen Sommernächten<br />
mit einem Glas Wein und einem guten<br />
Buch am offenen Küchenfenster zu<br />
sitzen. Ich genieße die Ruhe im<br />
Hinterhof. So wie heute. „Wie schön,<br />
dass du da bist!“, schallt es plötzlich zu<br />
mir herüber. Aha, offenbar bekommt<br />
irgendjemand Besuch. Aber wer? Der<br />
Mann in der Wohnung rechts gegenüber,<br />
zweiter Balkon von oben? Ich<br />
konzentriere mich auf mein Buch.<br />
„... da haben wir diesen traditionellen<br />
griechischen Tanz getanzt, wie hieß er<br />
noch gleich?“, tönt nach nur wenigen<br />
Buchseiten eine Frauenstimme. Jetzt<br />
sag bloß nicht „Sirtaki“, denke ich.<br />
Das ist ein K<strong>uns</strong>ttanz! Erfunden in den<br />
Sechzigerjahren! – „Ach ja, Sirtaki!“,<br />
höre ich prompt. Knurrend muss ich<br />
mein Besserwissen herunterschlucken.<br />
Munter schwadroniert die Frau weiter:<br />
„Wie schön all die weißen Tempel im<br />
antiken Griechenland ausgesehen<br />
haben müssen!“ – Die waren bunt! –<br />
„Wie doof die am Flughafen sind, weil<br />
sie mir die Nagel feile weggenommen<br />
haben.“ – Das hätte sie doch wissen<br />
können! – Wütend schlage ich mein<br />
Buch zu und knipse das Licht aus. Ich<br />
bin zum Schweigen verdammt. Oder<br />
sollte ich vielleicht …? „Das ist ja alles<br />
so ein Quatsch, den ihr redet!“, rufe ich<br />
in die Dunkelheit hinein. Das Gespräch<br />
erstirbt. Flüstern. Gelächter. Eine<br />
Balkontür drüben schließt sich hörbar.<br />
Geschafft. Jetzt gehe ich schlafen.<br />
Murmelnde Pilger<br />
An die Nächte seiner Kindheit in der<br />
kleinen Zollsiedlung am Rande des<br />
niederrheinischen Dorfs Broekhuysen<br />
erinnert sich der 63-Jährige noch gut.<br />
Damals, in den Fünfzigerjahren, bestand<br />
die Siedlung aus gerade einmal<br />
fünf Häusern direkt an der Bundesstraße<br />
221. Tausende von Pilgern zogen<br />
auf dieser Straße jedes Jahr zu Fuß in<br />
Richtung Norden, um im 20 Kilometer<br />
entfernten Marienwallfahrtsort Kevelaer<br />
zu beten. Und im Sommer, wenn es<br />
heiß war, liefen die Menschen, die aus<br />
Mönchengladbach oder sogar Aachen<br />
stammten, auch gerne nachts. In der<br />
kleinen Zollsiedlung lag er dann im<br />
Bett und lauschte im Halbschlaf den<br />
Geräuschen, die von der Straße in die<br />
Zimmer drangen. Mur melnd, fast wie<br />
in Trance, beständig den Rosenkranz<br />
betend, zogen die Grup pen vor<strong>bei</strong>. Wie<br />
das Rauschen von Wellen klang es für<br />
den Jungen damals, wenn der monotone<br />
Singsang <strong>bei</strong>m Herannahen der<br />
Pilger anschwoll – und wieder abebbte,<br />
wenn sie fortzogen. Er fragte sich:<br />
Woher kommen all die Menschen?<br />
Für was werden sie beten, wenn sie am<br />
Ziel sind? Heute wohnt der 63-Jährige<br />
nicht mehr in der kleinen nieder rhei -<br />
ni schen Zollsiedlung. Und die Pilger<br />
neh men mittlerweile den Bus oder das<br />
Au to. Das nächtliche Rauschen auf<br />
der B 221 ist ein anderes geworden.<br />
Sommer 2012 | <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf 13
Sehnsucht nach „mehr“ Eine Frau in der Lebensmitte entdeckt ihre<br />
Spiritualität neu und möchte diese in ihrer <strong>Kirchengemeinde</strong> leben<br />
Wie so viele Frauen meines Alters (48) beschäftige<br />
auch ich mich mit Spiritualität. Ich möchte meiner<br />
Spiritualität Ausdruck geben, habe aber noch keinen<br />
Weg gefunden, der genau zu mir passt. Zwar gehöre<br />
ich einer evangelischen Gemeinde an und besuche ab<br />
und zu die Got tes dienste, doch sie kommen mir reichlich<br />
verkopft vor. In einer Gruppe meditiere ich nach<br />
buddhisti schen Metho den, aber so ganz ist das auch<br />
nicht meine Welt. Seit Kur zem besuche ich eine privat<br />
initiierte Gruppe, die sich mit Texten christlicher<br />
Mystikerinnen und Mystiker beschäftigt und dazu<br />
eigene Übungen macht. Hier fühle ich mich am ehesten<br />
zu Hause, würde aber eine spirituelle Hei mat auch<br />
gerne in der Kirche finden, zumal meine Kin der über<br />
den Kin der gottesdienst und anderes dort aktiv sind.<br />
Welche Mög lichkeiten gibt es da noch?<br />
So wie Ihnen geht es vielen Menschen, ganz besonders,<br />
wenn sie an einem bestimmten Punkt entdecken, dass es<br />
in ihnen eine ungestillte Sehnsucht nach dem „Mehr“ gibt,<br />
nach dem, was sich eben nicht in Äußerlichkeiten und erst<br />
recht nicht in formellen Richtigkeiten ausdrückt. Dorothee<br />
Sölle hat den Spruch geprägt: „Es muss doch mehr als alles<br />
geben ...“ Damit hat sie vielen Menschen aus dem Herzen<br />
gesprochen.<br />
Ich verstehe gut, was Sie mit den verkopften Gottesdiensten<br />
meinen und kann Ihr Dilemma nachvollziehen,<br />
dass Sie sich in der buddhistischen Welt auch nicht ganz zu<br />
Hause fühlen. Viele Menschen, gerade in ihrer Lebensmitte,<br />
entdecken ihren Hun ger und Durst nach dem, was trägt,<br />
nach dem, was satt macht und Durst stillt – nachhaltig und<br />
verbindlich. Es ist gut und heilsam, an eigene Wurzeln und<br />
eigene Ressourcen anzuknüpfen.<br />
Wenn Sie eine Gruppe gefunden haben, in der Sie sich<br />
spirituell aufgehoben fühlen, so ist das ein großes Geschenk.<br />
Die Mystik ist ein Ort der Heimat und der Verbundenheit,<br />
da<strong>bei</strong> subjektiv sehr verschieden und vielschichtig. Manche<br />
verbinden mit Mystik eine weltfremde Innenschau, aber<br />
<strong>bei</strong> näherem Hinschauen ist das, was Mystik ausmacht, die<br />
Reise nach Innen und Außen zugleich. Es gibt kaum einen<br />
14 <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf | Sommer 2012<br />
Mystiker oder eine Mystikerin, der oder die nur im eigenen<br />
stillen Kämmerlein vor sich hin meditiert hat. Vielmehr sind<br />
die meisten erfüllt von einer Sehnsucht, das, was sie als<br />
Schatz für sich entdeckt haben, anderen mitzuteilen und in<br />
der Welt wirksam zu werden.<br />
Vielleicht überlegen Sie in Ihrer „Mystikgruppe“, welche<br />
Kontaktmöglichkeiten es zur evangeli schen Gemeinde geben<br />
könnte. Es ist sicher eine gute Möglichkeit, das Gespräch mit<br />
Ihrem Gemeindepfarrer aufzunehmen. Ich rate Ihnen, möglichst<br />
aufrichtig von sich selbst und Ihrer spirituellen Suchbewegung<br />
zu erzählen. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit,<br />
die privat initiierte „Mystikgruppe“ an das Angebot der <strong>Kirchengemeinde</strong><br />
anzubinden, vielleicht können Sie aus den<br />
Erfahrungen dieser Gruppe heraus Gleichgesinnte finden.<br />
Möglicherweise schreiben Sie einen Artikel für den Gemeindebrief,<br />
in dem Sie über das berichten, was Sie <strong>bei</strong> den Mystikern<br />
so fasziniert. Ich bin überzeugt, dass die Kirchen<br />
Menschen wie Sie dringend nötig haben, gerade weil es <strong>bei</strong><br />
der Mystik um eine Bewegung nach innen und nach außen<br />
zugleich geht. Die Mystik lebt von der Erfahrung, Gott unmittelbar<br />
zu begegnen. Genau diese Erfahrung suchen viel e<br />
Menschen, die nur noch am Rand der Kirche ihren Platz<br />
finden, weil Theologie und Kirche zu wenig Raum für diese<br />
Unmittelbarkeit anbieten.<br />
Diese Direktheit und Intensität ermöglichen ein erlebbares<br />
Ein gebundensein in das große Ganze, eine Kraft,<br />
die nur schwer beschreibbar ist, heilig, nicht zu beweisen<br />
und trotzdem ganz real. Vertrauen Sie auf Ihre Erfahrung,<br />
Teil des großen Geheimnisses zu sein. Sie sind ja schon<br />
auf Ihrem Weg und da<strong>bei</strong> nicht allein!<br />
Foto: anDRE zELcK<br />
Julia Strecker ist Pfarrerin. Als systemische<br />
Familien- und Paartherapeutin führt sie eine<br />
eigene Praxis. www.juliastrecker.de
Foto: S. FiSchER VERLaG<br />
Foto: moLDEn VERLaG<br />
IMPRESSUM<br />
Spurensuche Landkarten des Lebens<br />
Woher kommen wir? Wo stehen wir? Wie wurden wir zu dem, was wir sind? In<br />
ihrem Buch „Landkarten des Lebens“ gehen ZDF-Modera torin Gundula Gause und<br />
der Autor rainer Wälde auf Spurensuche in den Tälern und Schluchten des Lebens.<br />
Es entfaltet sich eine Landkarte zweier Menschen, die ihren Weg gefunden haben,<br />
auch indem sie der Weisheit des Philosophen Sören Kierkegaard gefolgt sind: „Das<br />
Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden.“<br />
Gundula Gause und Rainer Wälde: Landkarten des Lebens. Wie wir werden, was wir<br />
sind, adeo Verlag, 16,99 Euro<br />
Generationen Eine deutsche Vita<br />
Um eine gute Geschichte zu finden, braucht man nicht immer weit zu reisen.<br />
Manchmal reicht ein langes Gespräch in vertrauter Nähe, etwa mit dem eigenen<br />
Vater. Die mehrfach ausgezeichnete Journalistin Katja Thimm hat das getan. Und<br />
ihr Vater, Jahrgang 1931, fing an zu erzählen: von der alptraumhaften Flucht<br />
während des Zweiten Weltkriegs aus den Masuren, von seinen Ar<strong>bei</strong>tseinsätzen<br />
in der jungen DDr und von sechs Jahren Zuchthaus. Thimm, gebürtige Kölnerin,<br />
schreibt sensibel, eindringlich. Sie zeigt, wie einzigartig das Leben ihres Vaters<br />
ist – und typisch für eine ganze Generation deutscher Kriegskinder. Ihr Buch wurde<br />
im Mai mit dem <strong>Evangelische</strong>n Buchpreis 2012 ausgezeichnet.<br />
Katja Thimm: Vatertage. Eine deutsche Geschichte, S. Fischer, 18,95 Euro<br />
Abschied in zeiten der trauer<br />
Kinder erleben den Tod anders als Erwachsene, Männer trauern oft ganz anders<br />
als Frauen. Im „Hausbuch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds“<br />
werden auf 144 Seiten Möglichkeiten beschrieben, wie Eltern und Kinder den<br />
Trauerprozess gemeinsam gestalten können – zum Beispiel nach einer Scheidung<br />
oder nach dem Tod eines Familienmitglieds. Die Autorin ist Trauerbegleiterin und<br />
Gründerin von „Lavia“, einem Institut für Trauerbegleitung in Gelsenkirchen.<br />
Mechthild Schroeter-Rupieper: „Für immer anders. Das Hausbuch für Familien in<br />
Zeiten der Trauer und des Abschieds“, Schwabenverlag, 24,90 Euro<br />
Weltuntergang Von der Sintflut bis 2012<br />
In den meisten religionen gibt es Weltuntergangsszenarien. Auch <strong>bei</strong> den Mayas, die<br />
nach Meinung vieler für den 21. Dezember 2012 den Untergang der Erde vorhergesagt<br />
haben. Der Kulturhistoriker und Völkerkundler Heinrich Dosedla wirft in<br />
seinem Buch „orakel, Seher, Visionäre“ einen Blick auf alte Schöpfungs- und Endzeitmythen<br />
der Menschheitskulturen. Der Autor hat viele Forschungsjahre <strong>bei</strong> Schamanen<br />
und Medizinmännern verbracht und ist mit orakel- und Wahrsagetechniken vertraut.<br />
Heinrich Dosedla: Orakel, Seher, Visionäre. Weltuntergänge von der Sintflut bis 2012,<br />
Molden Verlag, 24,95 Euro<br />
heimatpflege<br />
<strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf ist das evangelische heimatmagazin des <strong>Evangelische</strong>n Kirchenkreises Düsseldorf Verlag und Herausgeber medienverband der <strong>Evangelische</strong>n<br />
Kirche im Rheinland gGmbh, Kaiserswerther Straße 450, 40474 Düsseldorf Verantwortlich Regionalseiten (2–5, 8–9, 16): Dr. Ulrich Erker-Sonnabend, Leiter <strong>Evangelische</strong><br />
Pressestelle Düsseldorf, bastionstraße 6, 40213 Düsseldorf. mantelseiten (1, 6–7, 10–13, 14–15): Volker Göttsche, chefredakteur medienverband Redaktion thomas<br />
becker, Ulrike Paas Gestaltung michél Schier Kontakt <strong>Evangelische</strong> Pressestelle, tel. 0211 95757-781 E-Mail presse@evdus.de Druck Set Point Schiff & Kamp Gmbh,<br />
moerser Straße 70, 47475 Kamp-Lintfort <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf erscheint vierteljährlich, die nächste ausgabe im September 2012<br />
Foto: aDEo VERLaG<br />
Foto: SchwabEnVERLaG<br />
Sommer 2012 | <strong>bei</strong> <strong>uns</strong> in Düsseldorf 15
Wer sich kennt, der hilft sich<br />
Johannes-<strong>Kirchengemeinde</strong> setzt positive Impulse in der Schützenstraße<br />
Karin Bauer von Obstfelder (links) und Gerti basteln Stabpuppen im Gemeindehaus<br />
Seit elf Jahren ist Dörte Kiel Gemeindepädagogin in der Johannes-<strong>Kirchengemeinde</strong><br />
in der Innenstadt von Düsseldorf. Sie hat keine leichte Aufgabe<br />
übernommen. Vor allem seit sich die Drogenszene vom Hauptbahnhof in<br />
die Straßen rechts und links der Schützenstraße verlagert hat, ziehen Alt eingesessene<br />
fort, im Stadtteil häufen sich Probleme.<br />
In dieser bedrückenden Situation wird das Gemeindezentrum in der<br />
Schützen straße 56 für verbleibende Bewohner aus der Nachbarschaft zu einer<br />
Fluchtburg. Doch für Dörte Kiel ist es keine Lösung, dass sich die Gemeinde<br />
abschottet. Im Gegenteil: Die Gemeindepädagogin wird nicht müde, mit einer<br />
Vielzahl neuer und attraktiver Impulse der negativen sozialen Entwicklung<br />
zu begegnen. Dörte Kiel holt zunehmend neue Gruppen und qualifizierte<br />
Mitstreiter in das Zentrum.<br />
So haben die Multiple-Sklerose-Gesellschaft und die Johannes-<strong>Kirchengemeinde</strong><br />
hier ihr Quartier. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss wurden<br />
dafür eigens umgebaut. MS-Kranke finden hier nicht nur Beratung und<br />
Beistand, sondern werden durch einen Plausch mit den Mitgliedern der<br />
Kirchen gemeinde von ihrem Schicksal abgelenkt, freuen sich auf ein gemeinsames<br />
Frühstück oder kochen im Kochclub-Team internationale Gerichte.<br />
Aber nicht nur der Kochlöffel, sondern auch der Malpinsel wird<br />
geschwungen. Petra Walter, freischaffende Künstlerin und K<strong>uns</strong>ttherapeutin<br />
aus Gerresheim, bietet ein Projekt mit dem Titel „Kreatives Gestalten für<br />
Menschen mit und ohne körperliche Einschränkungen“ an. Alle 14 Tage<br />
ex perimentieren die Teilnehmer mit Farben, malen K<strong>uns</strong>twerke, die in Ausstellungen<br />
gezeigt werden. Dazu Petra Walter: „Bilder sind Spuren, Ausdruck<br />
<strong>uns</strong>eres Lebens, <strong>uns</strong>erer Entwicklung. Die vielseitigen Ar<strong>bei</strong>ten hinterlassen<br />
Spuren im Leben jedes Einzelnen, geben Stimmungen wieder und ermutigen<br />
zum gemeinsamen Tun – mit und trotz MS.“<br />
Seit Januar 2009 hat die Gruppe den Namen „MalGruppe LebensSpur“.<br />
Eine Spur führte jüngst von der benachbarten Paul-Klee-Grundschule ins<br />
Gemeindezentrum. Jeweils donnerstags kommen zehn Kinder aus aller Herren<br />
Länder hierhin und zaubern unter Anleitung von Senioren – sogenannte „Netzwerker“<br />
– Stab puppen. Mit diesen aus einfachen Materialien hergestellten Puppen<br />
spielen Jung und Alt Theater und haben sogar ein Märchensingspiel erar<strong>bei</strong>tet,<br />
das gerade seine erste öffentliche Aufführung erlebt hat. HELGA HOLZ<br />
Foto: SERGEJ LEPKE<br />
Nachbarschaftshilfe<br />
Verständnis wächst<br />
„Wer sich kennt, der hilft sich“, beschreibt<br />
die Gemeindepädagogin Dörte<br />
Kiel die von ihr entwickelte Form<br />
der kirchlichen Stadtteilar<strong>bei</strong>t und<br />
Nachbarschaftshilfe.<br />
Im Gemeindezentrum der Johan nes-<br />
<strong>Kirchengemeinde</strong> in Düsseldorf gelingt<br />
<strong>bei</strong>spielhaft die Zusammenar<strong>bei</strong>t<br />
zwischen Gemeindegliedern, Mitgliedern<br />
der Multiple-Sklerose-Gesellschaft<br />
sowie Schülerinnen und Schülern<br />
der in direkter Nachbarschaft lie-<br />
genden Paul-Klee-Grundschule samt<br />
deren Eltern.<br />
Durch eine Vielzahl lehrreicher,<br />
geselliger oder künstlerischer Aktivitäten<br />
wächst das Verständnis füreinander,<br />
schwinden Vorurteile. Das unbefangene<br />
Miteinander von Jung und<br />
Alt, von MS-Kranken und Gesunden,<br />
von Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte<br />
wird zur Normalität.<br />
Nach den erfolgreichen Schritten<br />
bisher ist das nächste Projekt, das<br />
mithilfe von Kollekten und Spenden<br />
verwirklicht werden soll, ein Café an<br />
der belebten Kölner Straße als Treffpunkt<br />
im Stadtteil. Anja Hepp, K<strong>uns</strong>thistorikerin<br />
und bereits ehrenamtliche<br />
Mitar<strong>bei</strong>terin im Gemeindezentrum<br />
Schützenstraße, wird es als künftige<br />
Quartiermanagerin leiten.<br />
Johannes-<strong>Kirchengemeinde</strong> Gemeindezentrum,<br />
Schützenstraße 56,<br />
Tel. 0211 354222, E-Mail: d.kiel@<br />
gmx.de, Sprechstunde: mittwochs<br />
von 10 bis 12 Uhr.<br />
TITELFoTo: MArINA ZLoCHIN/FoToLIA