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Kein Geld? - GEW

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BILDUNGSPOLITIK<br />

E &W: Wenn man die Hauptschule abgeschafft<br />

hat, heißt das noch nicht, dass der<br />

Hauptschulabschluss wegfällt.<br />

Baumert: Letztlich ist immer die Frage<br />

entscheidend, welche Kompetenz hinter<br />

einem Abschluss steht. Die Entkoppelung<br />

von Kompetenz und Zertifikat<br />

kann eine gewisse Zeit gutgehen, wenn<br />

die Abnehmer im Vertrauen auf das Zertifikat<br />

nicht genau auf die Qualifikation<br />

schauen. In zukunftsfähigen Berufen ist<br />

das jedoch längst nicht mehr der Fall.<br />

Dieses Problem löst man nicht mit einem<br />

einheitlichen Abschluss, sondern nur<br />

mit verbesserter Schulbildung für alle<br />

Heranwachsenden, die beim Erwerb der<br />

Basiskompetenzen scheitern und dennoch<br />

einen Abschluss erhalten. Für den<br />

Ausbildungserfolg zählt die Kompetenz.<br />

E &W: Wie können Politik und Schule leistungsschwächere<br />

Schüler besser fördern, sodass<br />

sie nicht als Hartz IV-Empfänger enden?<br />

Baumert: Der Anspruch der Bildungspolitik<br />

und aller Lehrenden muss doch<br />

sein, die gesamte nachwachsende Generation<br />

zur gesellschaftlichen Teilhabe zu<br />

befähigen. Gleichzeitig muss man sich<br />

klarmachen, dass es immer eine relativ<br />

kleine Gruppe junger Menschen geben<br />

wird, etwa zwischen drei und vier Prozent<br />

des Altersjahrgangs, die dauerhafter<br />

Fürsorge bedürfen. Das Problem:<br />

Der Anteil leistungsschwacher Jugendlicher<br />

liegt in Deutschland nicht bei vier<br />

Prozent, sondern bei einem Vielfachen.<br />

Deshalb muss es für diese Gruppe eine<br />

kontinuierliche, biografisch orientierte,<br />

individuelle Förderung geben – und<br />

zwar so früh wie möglich.<br />

E &W: Ganz konkret: Wie lässt sich Bildungsarmut<br />

vermindern?<br />

Baumert: Es gibt keine durchschlagende<br />

Einzelmaßnahme. Verlangt sind kontinuierliche<br />

Aufmerksamkeit für Entwicklungsrisiken<br />

und auftretende Schwierigkeiten<br />

sowie schnelle Hilfe ohne Zuständigkeitsprobleme.<br />

In der Verantwortung<br />

stehen Kinder- und Familienhilfe ebenso<br />

wie die Krippe, der Kindergarten und die<br />

Schule. Für wirksame Hilfen sind zusätzliche,<br />

oft individuelle Betreuungs- und<br />

Lernzeiten sowie zusätzliche, auch unterschiedliche<br />

Personalressourcen notwendig.<br />

Bei einem begrenzten Budget ist das<br />

nur durch finanzielle Umverteilung und<br />

ungleiche Ausstattung der Bildungseinrichtungen<br />

je nach Bedarf vorstellbar. Alle<br />

Maßnahmen, die Mittel mit der Gießkanne<br />

verteilen, sind kontraproduktiv.<br />

Interview: Helga Haas-Rietschel,<br />

Redakteurin der „Erziehung und Wissenschaft“<br />

30 Erziehung und Wissenschaft 10/2010<br />

Testlauf<br />

Saarland plant drastische Einschnitte im öffentlichen Dienst<br />

Derzeit brodelt es unter den Lehrkräften<br />

im Saarland. Die Gewerkschaften<br />

des öffentlichen Dienstes befürchten,<br />

dass die Landesregierung kräftig am<br />

Personaletat sparen werde, damit das<br />

Land seine Verpflichtungen aus der<br />

Schuldenbremse (s. unten) einhalten<br />

kann. Geplant ist u.a., die Eingangsbesoldung<br />

im gehobenen und höheren<br />

Dienst ab 2011 zu senken.<br />

Die Schuldenbremse nötigt<br />

das Saarland, sein strukturelles<br />

Haushaltsdefizit, das<br />

in diesem Jahr bei 800 Millionen<br />

Euro liegt, bis 2020<br />

auf Null zu reduzieren.<br />

Konkret: Ab dem Haushaltsjahr 2011<br />

müssen deshalb pro Jahr 80 Millionen<br />

Euro eingespart werden. Falls dies nicht<br />

gelingt, entzieht der Bund dem Land die<br />

Strukturhilfen (Sonderzuweisungen) in<br />

Höhe von 265 Millionen Euro. Für 2011<br />

ist nach den Plänen der Landesregierung<br />

ein Sparbeitrag des öffentlichen Dienstes,<br />

der 40 Prozent des Gesamthaushalts<br />

ausmacht, von 30 Millionen Euro<br />

einkalkuliert. <strong>Geld</strong> einsparen will die Jamaika-Regierungskoalition<br />

durch folgende<br />

Maßnahmen:<br />

● Nullrunde für Beamte und Versorgungsempfänger,<br />

das Gleiche wird als<br />

Ergebnis der Tarifrunde im Frühjahr<br />

kommenden Jahres für die Tarifbeschäftigten<br />

erwartet;<br />

● Einführung einer Kostendämpfungspauschale<br />

in der Beihilfe mit sozialer<br />

Staffelung;<br />

● geringere Eingangsbesoldung im gehobenen<br />

und höheren Dienst um eine<br />

Stufe für zwei Jahre;<br />

● einjährige Wiederbesetzungssperre<br />

bei freiwerdenden Stellen (Ausnahme:<br />

Lehrkräfte, Polizei, Justizvollzug, Finanzbeamte,<br />

Richter);<br />

● Halbierung des Beförderungsbudgets<br />

von zwei auf eine Million.<br />

Der Plan, die Eingangsbesoldung im gehobenen<br />

und höheren Dienst abzusenken,<br />

trifft fast ausschließlich Lehrerinnen<br />

und Lehrer. Grund- und Hauptschullehrkräfte,<br />

bisher nach Besoldungsgruppe<br />

A12 eingestellt, sollen ab<br />

2011 nach A11 eingruppiert, Lehrkräfte<br />

an Realschulen, Gymnasien, Förderschulen<br />

und beruflichen Schulen sollen<br />

nach A12 statt nach A13 besoldet werden.<br />

Die Absenkung war ursprünglich<br />

für eine Dauer von drei Jahren geplant;<br />

nach Beratungen im Kabinett sind jetzt<br />

zwei Jahre anvisiert. Die Sparmaßnahmen<br />

sollen über eine Änderung des saarländischen<br />

Besoldungsgesetzes, d.h.<br />

mit der Verabschiedung des Landeshaushalts<br />

2011 Anfang Dezember beschlossen<br />

worden. Für die Versorgung<br />

der Schulen mit ausgebildeten Lehrkräften<br />

ist das ein verheerendes Signal: Man<br />

erwartet einen deutlichen Bewerberrückgang<br />

für den Schuldienst. Gerade<br />

in den Mangelfächern sowie im berufsbildenden<br />

Bereich wird geeignetes<br />

Personal künftig schwer zu finden sein.<br />

Viele Referendare haben bereits angekündigt,<br />

dass sie im nächsten Jahr in<br />

andere Bundesländer abwandern wollen.<br />

Der grüne Bildungsminister Klaus<br />

Kessler bestätigte gegenüber E&W,essei<br />

richtig, dass es von Seiten des Finanzministeriums<br />

einen Prüfantrag gebe, wie<br />

viel sich im Personaletat des öffentlichen<br />

Dienstes einsparen ließe, wenn<br />

man die Einstiegsgehälter im Lehrerberuf<br />

absenke. Beschlossen sei aber noch<br />

nichts. Für die derzeit beschäftigten<br />

Lehrerkräfte soll sich nach Angaben<br />

Kesslers am bestehenden Gehalts- und<br />

Besoldungsgefüge nichts ändern. Man<br />

muss jedoch kein Prophet sein, um zu<br />

erkennen, dass das Saarland mit diesen<br />

drastischen Einschnitten einen Testlauf<br />

probt. Zumindest für jene Bundesländer,<br />

die aufgrund der Schuldenbremse<br />

zu immensen Haushaltskürzungen gezwungen<br />

sind. Mittelfristig sieht die<br />

<strong>GEW</strong> Saarland nur eine Lösung: Die<br />

Schuldenbremse muss weg und die Einnahmeseite<br />

der Landeshaushalte verbessert<br />

werden.<br />

Willi Schirra, Geschäftsführer<br />

der <strong>GEW</strong> Saarland<br />

Schuldenbremse<br />

Die Schuldenbremse ist Anfang 2009 von der<br />

Föderalismuskommission beschlossen und danach<br />

im Grundgesetz verankert worden. Die Folge:<br />

Der Bund darf sich ab 2016 nur mit 0,35 Prozent<br />

des Bruttoinlandsproduktes (BIP) pro Jahr<br />

neu verschulden. Die Bundesländer sind verpflichtet,<br />

bis 2020 bei der Nettokreditaufnahme<br />

die Null-Prozent-Marke zu erreichen. Das zwingt<br />

die Länder bereits im kommenden Jahr zu massiven<br />

Einsparungen. Strukturschwache wie das<br />

Saarland erhalten Sonderzuweisungen. hari

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