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Flexible und reproduzierbare Preformherstellung - Herzog ...

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13. Chemnitzer Textiltechnik Tagung März 2012<br />

<strong>Flexible</strong> <strong>und</strong> reporduzierbare <strong>Preformherstellung</strong> mittels<br />

Flechttechnik<br />

Dipl.-Ing. (FH) Guido Grave<br />

Dr. Janpeter Horn<br />

August <strong>Herzog</strong> Maschinenfabrik GmbH & Co.KG,<br />

Deutschland<br />

g.grave@herzog-online.com<br />

Abstract<br />

Die Radialflechttechnik ist heute Industriestandard bei der <strong>Preformherstellung</strong> mittels<br />

Flechten. Dabei sind bi- <strong>und</strong> triaxiale Strukturen im Einsatz.<br />

Entwicklungsschwerpunkte sind nunmehr die Reproduzierbarkeit, Flexibilisierung,<br />

Autonomisierung <strong>und</strong> Automatisierung des gesamten Prozesses. Verschiedene<br />

Möglichkeiten der Kernzuführung <strong>und</strong> des Handlings sind mittlerweile im Einsatz.<br />

Auch eine Erhöhung der Autonomie ist möglich. Ferner lassen neue Maschinen- <strong>und</strong><br />

Führungskonzepte das Umflechten geschlossener <strong>und</strong> komplexer Rahmen <strong>und</strong><br />

Bauteile zu. Sie erlauben insbesondere bei Flug- <strong>und</strong> Fahrzeugen neue<br />

Konstruktionsmöglichkeiten.<br />

1 Einleitung Flechttechnologie<br />

1.1 Anwendung der Flechttechnik in der <strong>Preformherstellung</strong><br />

Ein großer Teil der modernen Verb<strong>und</strong>bauverfahren nutzen Fasern als Zugglieder.<br />

Liegen diese Fasern als Garn vor, bieten sich sämtliche klassischen textilen<br />

Fertigungsverfahren zur Herstellung von ganzen oder partiellen Halbzeugen an. Am<br />

bekanntesten <strong>und</strong> weit verbreitet sind hier Gelege <strong>und</strong> Gewebe für flächige Bauteile.<br />

Sollen aber lineare Bauteile erstellt werden, steht die Flechttechnologie im<br />

Vordergr<strong>und</strong>. Mit ihr können gerade <strong>und</strong> räumlich gekrümmte Linearbauteile erstellt<br />

werden. Durch die flexible Fertigungstechnik können Faserwinkel angepasst,<br />

Konturen integriert <strong>und</strong> Durchmesserveränderungen realisiert werden.<br />

Da die Fasern ungeb<strong>und</strong>en schlaff sind, wird für eine endkonturnahe Preform auf<br />

Kerne geflochten. Die Kerne können aus unterschiedlichen Materialien bestehen <strong>und</strong><br />

werden - je nach Konzept - im Bauteil zur Strukturverstärkung belassen oder nach<br />

dem Aushärten zur Gewichtsreduzierung entfernt.<br />

1.2 Einführung Flechttechnik<br />

Bei dem Vorgang des Flechtens handelt es sich um das regelmäßige Verkreuzen<br />

mehrerer Stränge aus biegsamem Materialen. Beispiele manuell gefertigter<br />

Geflechte wurden schon weit vor Christi Geburt datiert. Mitte des 18ten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

entstanden zeitgleich in den Regionen Manchester <strong>und</strong> Barmen die ersten<br />

Flechtmaschinen.<br />

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13. Chemnitzer Textiltechnik Tagung [Vortragsblock]<br />

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Abb. 1: Schema R<strong>und</strong>flechten / Overbraiding<br />

Wurden zuerst Naturfasern verflochten, so können heute mit modernen<br />

Flechtmaschinen alle Chemiefasern <strong>und</strong> Drähte verarbeitet werden. Sprödes<br />

Material wie Carbon erfordert dabei ein besonderes Know-how in der<br />

Maschinenkonstruktion.<br />

Die Radialflechtmaschinen der Firma August <strong>Herzog</strong> Maschinenfabrik wurden<br />

speziell für die Verarbeitung von Carbon entwickelte <strong>und</strong> optimiert. Durch die radiale<br />

Bauform <strong>und</strong> das Garnträgerdesign wird der Filamentbruch gegenüber<br />

konventionellen Flechtmaschinen deutlich vermindert. Als positiver Nebeneffekt<br />

ergibt sich aus der geringeren Bautiefe der Maschine eine größere Flexibilität für<br />

gekrümmte Bauteile. [1]<br />

Die beste Ausnutzung der Fasern wird dann erreicht, wenn die Garne<br />

kraftflussgerecht eingebracht werden.<br />

Beim Flechten gibt es drei Einbringungsmöglichkeiten. Die eigentlichen Flechtfäden<br />

laufen von den Garnträgern ab <strong>und</strong> können theoretisch annähernd zwischen 0° <strong>und</strong><br />

90° abgelegt werden. Wobei in der Praxis eher zwischen 20° bis 80° angewendet<br />

wird. Ein Geflecht nur aus Flechtfäden wird auch biaxiales Geflecht genannt. Werden<br />

zusätzlich noch sogenannte Zettelfäden oder 0°-Fäden eingeführt, spricht man von<br />

einem triaxialen Geflecht. Die Zettelfäden werden durch Bohrungen in den<br />

Flügelrädern geführt <strong>und</strong> werden von den Flechtfäden in der Geflechtslage<br />

abgeb<strong>und</strong>en. Durch diesen Verb<strong>und</strong> erlangt ein triaxiales Geflecht komplett andere<br />

Charakteristika als ein biaxiales Geflecht. Letzte Einbringungsmöglichkeit ist das<br />

sogenannte Seelmaterial. Hier wird das Material unter der Geflechtslage vor dem<br />

Aushärten nur durch Reibung fixiert. Dabei kommen neben Fasern auch Halbzeuge<br />

zum Einsatz. [2]<br />

Der Geflechtswinkel ergibt sich aus der Geschwindigkeitsrelation von Flügelrädern<br />

<strong>und</strong> Abzugseinheit. Werden nur Schläuche oder Litzen als Halbzeug produziert, kann<br />

ein Endlosabzug über Scheiben erfolgen. Bei endkonturnahen Formen wird auf einen<br />

Kern geflochten. Für die Führung diese Kerns gibt es unterschiedliche System wie<br />

z.B. Roboter, Kranportale oder Linearführungen.<br />

Eine weitere Einflussnahme auf die Geflechtsstruktur kann durch die Besetzung der<br />

Maschine erreicht werden. Jede Flechtmaschine hat eine maximale Anzahl von<br />

Garnträgern, mit der sie betrieben werden kann. Kann zwar man ohne bauliche<br />

Veränderung nicht mehr Fäden verarbeiten, ist es aber möglich, durch das<br />

Weglassen oder das Umordnen der Klöppelfolge unterschiedliche Strukturen zu<br />

erzielen. Neben Eigenschaften wie der Drapierfähigkeit gilt es hier insbesondere die<br />

Ondulation der Faserstränge zu berücksichtigen. Betrachtet man einen einzelnen<br />

Roving im Geflecht, so verläuft er regelmäßig über <strong>und</strong> unter den gegenläufigen


13. Chemnitzer Textiltechnik Tagung März 2012<br />

Rovings. Dieser Verlauf bedeutet eine Abweichung von der optimalen geradlinigen<br />

Ausrichtung. Die heute gebräuchlichste Besetzung – deshalb auch normale<br />

Besetzung genannt – führt zu einer zweiflechtigen Bindung. Ein Entfernen von 50%<br />

der Garne führt zu einer sogenannten halben Besetzung mit einer einflechtigen<br />

Bindung, die die Ondulation verschärft. Allerdings kann durch ein geschicktes<br />

Weglassen auch wieder eine zweiflechtige Bindung erreicht werden.<br />

Abb. 2: Geflechtsbindungen<br />

Eine Entschärfung kann durch eine Maschinenmodifikation erreicht werden. Mit<br />

zusätzlichen Einschnitten in den Flügelrädern können z.B. vierflechtige Bindungen<br />

erzeugt werden. Dadurch vermindert sich die Ondulation. Fast gänzlich vermieden<br />

werden kann man diese Störgröße mit dem sogenannten UD- oder „no-crimp“<br />

Flechten.<br />

1.3 Vergleich gegenüber anderen Verfahren<br />

Geflechte decken durch Ihre spezifischen Eigenschaften einen begrenzten<br />

Einsatzbereich von Halbzeugkonturen ab. Der Einsatz für Flächenkonturen ist nicht<br />

sinnvoll, hat aber in der Vergangenheit für vermeintlich schlechte Kennwerte<br />

gesorgt. Wirtschaftlich interessant sind grade <strong>und</strong> räumlich gekrümmte<br />

Linearbauteile. Durch die endkonturnahe Ablage werden die Fasern im<br />

kraftflussgerechten Winkel abgelegt. Nach statischer Auslegung können die<br />

Querschnitte angepasst oder auch zur Integration von Anbauteilen variiert werden.<br />

Bei solchen Bauteilen kommt alternativ nur noch das Wickeln oder der manuelle<br />

Aufbau aus Gewebezuschnitten in Frage.<br />

Das manuelle Aufbauen von Preforms bietet die größte Flexibilität <strong>und</strong> wird bei<br />

Einzelstücken <strong>und</strong> Kleinstserien immer eine Berechtigung behalten. Grade diese<br />

Flexibilität <strong>und</strong> der Faktor Mensch bilden aber auch die größte Störgröße für die<br />

Reproduzierbarkeit der Preforms. Hinzu kommen hohe Kosten durch den hohen<br />

Zeitaufwand für den Materialauftrag <strong>und</strong> große Verschnittmengen beim Material .<br />

Das Wickeln bietet den Vorteil, dass auch ein Nassauftrag der Fasern möglich ist.<br />

Wobei bei einigen modernen Wickelanlagen der Trend wieder zu Trockenfasern<br />

geht, da mit Nassfasern die Geschwindigkeit nicht weiter gesteigert werden kann. Ist<br />

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13. Chemnitzer Textiltechnik Tagung [Vortragsblock]<br />

die Verlegegeschwindigkeit des Einzelrovings beim Wickeln deutlich höher, so kann<br />

doch mit der Flechtmaschine aufgr<strong>und</strong> der großen Klöppelzahlen eine deutlich<br />

höhere Materialmenge verarbeitet werden. Mit dem UD Flechten können ähnliche<br />

Flächenstrukturen wie beim Wickeln geschaffen werden, zusätzlich können mit dem<br />

Flechten unterschiedliche bi- oder triaxiale Gewebestrukturen geschaffen werden.<br />

Durch das kontinuierliche Abbinden der Fasern untereinander wird im Schadensfall<br />

eine Delamination örtlich begrenzt <strong>und</strong> das gefürchtete verdeckte Ausbreiten eines<br />

Schadens verhindert.<br />

1.4 Rolle / Position von <strong>Herzog</strong><br />

Die August <strong>Herzog</strong> Maschinenfabrik baut seit über 150 Jahren Flechtmaschinen <strong>und</strong><br />

Flechtereizubehör. Die Maschinen werden weltweit vertrieben <strong>und</strong> decken mit über<br />

500 unterschiedlichen Maschinentypen alle Bereiche der Flechterei ab. So findet<br />

man zum Beispiel in der Medizintechnik solche feinen Geflechte, dass sie mit dem<br />

bloßen Auge nur noch schwer zu erkennen sind. Soll hingegen eine Ölplattform im<br />

Meer gesichert werden, kann ein geflochtenes Seil mit einem Durchmesser von bis<br />

zu 300 mm eine Last von 2.000 Tonnen <strong>und</strong> mehr tragen.<br />

Auch wenn <strong>Herzog</strong> selbst keine Flechtprodukte herstellt, bietet uns das breite<br />

Anwendungsspektrum unserer K<strong>und</strong>en einen unfassenden Einblick in die<br />

Flechttechnik. Um eine technische optimale Maschine zu bauen sind wir auf die enge<br />

Zusammenarbeit mit den Nutzern angewiesen.<br />

Gleiches gilt für den relativ jungen Bereich der <strong>Preformherstellung</strong> für<br />

Faserverb<strong>und</strong>bauteile. Neben den kommerziellen Nutzern arbeiten wir eng mit<br />

Forschungseinrichtungen, Hochschulen <strong>und</strong> auch den Garnherstellern zusammen.<br />

<strong>Herzog</strong> strebt in allen Bereichen der Flechtmaschinenherstellung die weltweite<br />

Technologie- <strong>und</strong> Marktführerschaft an. Im Bereich der Carbonflechtern haben wir<br />

diese mit vielen Entwicklungen unter Beweis gestellt:<br />

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• Erster kommerziell serientauglicher 3D Flechter für Carbon<br />

• Speziell für Carbon optimierte Klöppel / Garnträger<br />

• Serientaugliche Einführung der 2 ½ D Flechttechnik mit Radialflechtern<br />

• Neuentwicklung von für Carbonfasern optimierten Ablaufgattern <strong>und</strong><br />

Spulmaschinen<br />

• Neuentwicklung von Klöppeln zur Direktaufnahme von Carbon<br />

Herstellercopsen<br />

Abb. 3: Radialflechter RF 1/144-100


13. Chemnitzer Textiltechnik Tagung März 2012<br />

Heute findet sich bei allen namhaften Forschungseinrichtungen <strong>und</strong> Herstellern – die<br />

sich mit den Flechten beschäftigen – <strong>Herzog</strong> Flechtmaschinen.<br />

2 Aktuelle Entwicklungsschwerpunkte / Industrialisierung<br />

2.1 Kosten<br />

Überzeugen die Preforms in technischer Hinsicht, so ist für eine Umsetzung in<br />

größerer Serie Kostenneutralität oder noch besser Kosteneinsparung gegenüber<br />

herkömmlichen Produktionsverfahren wirtschaftlich erstrebenswert.<br />

Dabei darf - für eine objektive Betrachtung - nicht nur der einzelne textile<br />

Fertigungsschritt betrachtet werden, sondern es muss der gesamte<br />

Fertigungsprozess bewertet werden. Dies ist eine komplexe <strong>und</strong> schwierige Aufgabe.<br />

So ist z.B. bei der Umstellung der Seitenleitwerksschalen der Airbus Serie von Metall<br />

auf Faserverb<strong>und</strong> ein technisch neues Bauteil entstanden. Positiv bei den Kosten<br />

wirkte sich aus, dass die Rippenstrukturen auf der Innenseite integriert sind <strong>und</strong> nicht<br />

mehr nachträglich gebohrt <strong>und</strong> vernietet werden müssen.<br />

Als Einzelkomponente im Prozess bietet das Flechten eine hohe<br />

Produktionsgeschwindigkeit <strong>und</strong> geringen Materialverschnitt, bei kompakten<br />

Maschinenmaßen.<br />

2.2 Höhere Autonomie<br />

Der hohen Produktionsgeschwindigkeit steht negativ gegenüber, daß Flechten kein<br />

Endlosprozess ist. Mit der endlichen Spulengröße ist ein regelmäßiges Wechseln der<br />

Garnträger notwendig. Neben der Stillstandszeit, schlagen hier vor allen die<br />

Personalkosten zu Buche, da der Wechsel von Hand erfolgt.<br />

Der erste Ansatz ist eine Vergrößerung des Spulvolumens. Dazu wurde von <strong>Herzog</strong><br />

ein Klöppel entwickelt, mit dem direkt 2 kg Copse verarbeitet werden können. Neben<br />

der höheren Laufzeit, entfallen ebenfalls die Kosten für den sonst üblichen<br />

Umspulprozess. Technisch als Versuchsstand realisiert, fehlen bis heute<br />

Serienprodukte, welche die gestiegenen Investitionskosten rechtfertigen.<br />

Da mit steigender Spulengröße die Flügelraddrehzahl sinkt, ist der zweite Ansatz ein<br />

automatischer Wechsel der Spulen oder Klöppel. Gibt es schon eine Vielzahl von<br />

Ansätzen, rechtfertigen die Investitionskosten bei den heutigen Stückzahlen aber<br />

noch keine Umsetzung. Als Kompromiss bietet sich ein Klöppel mit<br />

Schnellwechselhalter an. Der eigentliche Tausch auf der Maschine erfolgt immer<br />

noch manuell, aber die Stillstandszeit wird deutlich reduziert, da das zeitintensivere<br />

Einfädeln außerhalb der Maschine stattfindet.<br />

Abb. 4: <strong>Herzog</strong> Schnellwechselsystem<br />

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13. Chemnitzer Textiltechnik Tagung [Vortragsblock]<br />

2.3 Reproduzierbarkeit / Qualitätssicherung<br />

Leichtbau bedeutet auch, dass kein überflüssiges Material zum Einsatz kommt.<br />

Deshalb besteht die Bestrebung, die Sicherheitsfaktoren auf der Materialseite so<br />

klein wie möglich zu halten. Gleichzeitig werden immer mehr Bauteile in Funktionen<br />

eingesetzt, bei denen ein Versagen zu großen menschlichen / finanziellen Schäden<br />

führen kann. Die Sicherstellung von Reproduzierbarkeit <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

Fehlererkennung nehmen dementsprechend einen großen Anteil bei Serienlösungen<br />

ein.<br />

Die Flechtmaschine hat gegenüber den manuellen Legeverfahren den Vorteil der<br />

Automatisierung. Um das Fehlen einzelner Rovings zu verhindern sind alle<br />

Ablaufstellen mit Einzelfadenüberwachungen ausgestattet. Diese System verhindert<br />

ein Start, falls eine Spule nicht besetzt wurde oder aber stoppt die Maschine bei<br />

Materialende oder Fadenriss. Der Flechtwinkel ergibt sich aus den<br />

Geschwindigkeiten von Flügelrädern <strong>und</strong> Abzug <strong>und</strong> gegebenenfalls der Kernform.<br />

Die Programmierung erfolgt in der Regel über eine SPS <strong>und</strong> kann auf Wunsch mit<br />

fehlersicherer SPS <strong>und</strong> mit Datenspeicherung zur Dokumentation ausgeführt<br />

werden.<br />

Zur Optimierung der Reproduzierbarkeit, gibt es zwei große Schwerpunkte.<br />

Einerseits die Minderung von Faserschädigung <strong>und</strong> anderseits die automatische<br />

Erkennung von Fehlern.<br />

Faserschädigung des Garns kann beim Flechtprozess an vier Stellen auftreten.<br />

Größtes Optimierungspotential findet sich beim Umspulvorgang. Ablaufgatter <strong>und</strong><br />

Spulmaschine sollten auf die Besonderheiten der Fasern ausgelegt sein. Zweiter<br />

Punkt ist der Klöppel <strong>und</strong> das Spannungssystem desselben. Im Spannungsfeld<br />

Volumen, Faserschädigung <strong>und</strong> Kosten, gilt es die größtmöglichen<br />

Fadenführungsradien bei großen Volumen zu realisieren. Weitere Schädigungen<br />

entstehen beim Kontakt der Rovings untereinander. Dieses kann durch geschickte<br />

Anregung der freien Rovings minimiert werden. Zusätzlich ist es erstrebenswert, die<br />

Rovings durch entsprechende Schlichte zu stabilisieren. Letzte Einflüsse kommen<br />

von Umlenkungen, wie Flechtringen, Anpresshilfen oder Kern. Neben<br />

entsprechender Oberflächengestaltung gibt es Ansätze durch Vibration, die Reibung<br />

zu reduzieren. Die Quantifizierung der Faserschädigung online beim Flechten ist<br />

momentan noch nicht realisierbar. Insbesondere die produktionsbedingten<br />

Vibrationen erschweren eine optische Detektion von gebrochenen Filamenten.<br />

Deshalb ist eine saubere Ausgestaltung aller Maschinenkomponenten zwingend<br />

erforderlich.<br />

Weiter Produktionsfehler, wie z.B. Spannungsunterschiede einzelner Klöppel, falsche<br />

Kernposition oder ähnliches, führen zu einer visuellen Abweichung. Die<br />

entsprechende optischen Erkennungstechnik steht für statische Anwendungen in<br />

guter Qualität zur Verfügung. Die aktuellen Forschungsbemühungen richten sich auf<br />

die Umsetzung im laufenden Flechtprozess. Die Herausforderung ist es hier so nah<br />

wie möglich an den Flechtpunkt zu kommen, da ein einmal abgeb<strong>und</strong>ener<br />

Flechtfehler nicht zu korrigieren ist. Deshalb ist offen, ob eine solche online<br />

Überwachung zu vertretbaren Kosten zu realisieren ist, oder man günstiger mit<br />

eventuellen Ausschussteilen bei einer Nachprüfung produzieren kann.<br />

2.4 Simulation<br />

Um neue Fertigungsverfahren insbesondere in der Automobilwelt einzuführen, ist<br />

eine Simulation der Bauteile <strong>und</strong> ihrer Eigenschaften erwünscht. Dies gehört nicht zu<br />

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13. Chemnitzer Textiltechnik Tagung März 2012<br />

<strong>Herzog</strong>s Kompetenzen. Dazu gibt es aber an mehreren Instituten schon<br />

erfolgversprechende Ansätze <strong>und</strong> Lösungen.<br />

2.5 Flexibilisierung<br />

Eine wiederkehrende Anwenderforderung ist die flexible Produktionseinheit. Eine<br />

Flechtmaschine kann einen bestimmten Garnanzahl <strong>und</strong> über ihre Ausführung eine<br />

Bandbreite von Garnstärken verarbeiten. Für die Bauteilherstellung sind neben dem<br />

eigentlichen Flechter besonders das Kernhandling <strong>und</strong> Lösungen für das An- <strong>und</strong><br />

Abflechten entscheidend. Zusätzlich können noch andere textile Verfahren integriert<br />

werden <strong>und</strong> wie im Beispiel EADS IW mit einem zweiten Flechter zu einer<br />

Produktionszelle kombiniert werden. [3]<br />

Abb. 5: Produktionszelle EADS IW Stade mit 2 Radialflechtern RF 1/144-100<br />

Durch den modularen Aufbau können einfach unterschiedliche Bauteilradien<br />

realisiert werden. Je nach Bauteilanforderungen können weitere Fertigungsmodule in<br />

die Zelle aufgenommen werden.<br />

Ein alternatives Konzept ist von der Firma Wesp Mechantronics (www.wesp-bv.com)<br />

entwickelt worden. Basierend auf einer teilbaren Flechtmaschine wird diese mit<br />

einem Roboter über die Kerne geführt. Dadurch entsteht eine äußerst flexible<br />

Fertigungseinheit. Die Flechtköpfe können als ganzes gewechselt werden, was den<br />

einfachen Wechsel von Klöppelzahlen, Materialen <strong>und</strong> Besetzungen ermöglicht.<br />

Positiver Nebeneffekt ist das die Stillstandszeit der Produktionszelle deutlich<br />

reduziert wird. [4]<br />

Abb. 5: Produktionskonzept WESP Mechatronics BV / teilbarer Flechtrumpf<br />

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13. Chemnitzer Textiltechnik Tagung [Vortragsblock]<br />

2.6 Anwendungsbeispiele<br />

Verglichen mit konventionellen Verfahren ist Flechten ein Nischenprodukt. Die erste<br />

explizit für Carbon Serienteile von <strong>Herzog</strong> ausgelieferte Flechtmaschine stammt aus<br />

dem Jahr 1991. Hiermit wurden noch bis vor kurzen Samerstangen für den<br />

Flugzeugbau erstellt. Ebenfalls werden seit langen Propellerblätter für Turboprop<br />

Maschinen geflochten. Bekanntestes Beispiel im Automobilbereich sind die BMW M6<br />

Stoßfängerträger, geflochten auf einer <strong>Herzog</strong> RF 1/144-100. Weitere Anwendungen<br />

sind die Herstellung von faserverstärkten Profilen durch Geflechts-Pultrusion, die<br />

vollautomatisierte Produktion von Fahrradrahmen oder der Einsatz im Segelsport.<br />

3 Ausblick<br />

Bei allen bisherigen Anwendungen handelt es sich bisher um Kleinserien. Dabei ist<br />

der Flechtprozess oft nur ein Teil der Herausforderung. Momentan unternimmt man<br />

insbesondere in der Automobilindustrie große Anstrengungen neue Bauteile /<br />

Fertigungsverfahren serienreif für große Stückzahlen zu machen. Das Flechten ist<br />

bei einigen dieser Konzepte die Gr<strong>und</strong>lage für die <strong>Preformherstellung</strong>. Die unter<br />

Punkt 2 genannten Aufgaben müssen für jedes Bauteil individuell als Pflicht<br />

erarbeitet werden. Die Kür wird in der Automatisierung von Ansetzen, Abschneiden<br />

<strong>und</strong> Umkehren der Einzelrovings liegen. Mit Lösung dieser Herausforderung ist dann<br />

die automatische Bestückung einfach zu realisieren.<br />

Zusammenfassung<br />

Das Flechten bietet für spezifische Einsatzgebiete eine kostengünstige <strong>und</strong> sicher<br />

<strong>reproduzierbare</strong> Fertigungslösung der <strong>Preformherstellung</strong>. Hierbei liegt der<br />

Schwerpunkt in linearen Strukturen. Erprobt <strong>und</strong> schon vielfältig in Kleinserien<br />

eingesetzt, ist der nächste Schritt die Realisierung für Großserien. Dabei stehen das<br />

Handling vor <strong>und</strong> nach dem Flechten sowie die Kombination mit weiteren textilen<br />

Verfahren im Vordergr<strong>und</strong>. Die steigende Nachfrage aus dem Bereich Automotive<br />

<strong>und</strong> Aviation bieten viele interessante Chancen für die Zulieferindustrie.<br />

Literatur<br />

[1] Andreas Geßler, Dr. Jürgen Brandt, Franz Maidl, Christoph Breu, Dr. Janpeter<br />

Horn, Herbert Schneider, Neue Entwicklungen bei der Fertigung von<br />

Kohlenstofffaserpreforms mit der R<strong>und</strong>flechttechnik, DGLR Tagung, Deutsche<br />

Gesellschaft für Luft– <strong>und</strong> Raumfahrt, 2004.<br />

[2] Guido Grave, Flechttechnologie bietet Lösungen für den automatisierten<br />

Leichtbau von morgen: Nichts ist leichter als ein geflochtenes Teil, Industrie<br />

Anzeiger 33/2011, S. 22<br />

[3] Ginger Gardiner, EADS Innovation Works pursues qualification of Braided<br />

Frames for the A350-1000 fuselage and develops Fiber Patch Preforming for<br />

complex local reinforcements, High-Performance Composites, Ausgabe<br />

January 2012 / Vol. 20 / No. 1<br />

[4] Guido Grave, Marc Giebels, Haro van Panhuys, Braid technologies for light<br />

weight structures, Korea Workshop Lehrstuhl für Carbon Composites, München<br />

2011<br />

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