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Hüftgelenkprothese - bei der Kaiserswerther Diakonie

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Endoprothetik:<br />

Der Begriff Endoprothetik setzt sich zusammen aus den griechischen Worten „Endo“<br />

für „Innen“, „pro“ für „anstatt“ und „Thesis“ für „setzen“. Mit Endoprothesen<br />

bezeichnet man also Implantate, die degenerativ o<strong>der</strong> durch Verletzungen zerstörte,<br />

Gelenke ersetzen. Endoprothesenimplantationen gehören zu den erfolgreichsten<br />

operativen Verfahren. Im Laufe <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte haben sich die Prozeduren<br />

durch Weiterentwicklung <strong>der</strong> Implantate und <strong>der</strong> OP-Verfahren zu einem hohen<br />

Standard weiterentwickelt. Die Qualität hat sich hierdurch wesentlich verbessert. Die<br />

Kliniken, welche Endoprothesenimplantationen vornehmen müssen sich, gesetzlich<br />

gefor<strong>der</strong>t, an Qualitätssicherungsverfahren beteiligen. Sie geben die Anzahlen und<br />

Qualitätsindikatoren <strong>der</strong> Operationen an eine zentrale Meldestelle weiter. Die<br />

Auswertungen <strong>der</strong> Daten werden im Internet veröffentlicht.<br />

Weitere Qualitätsverbesserungen sind durch die freiwillige Teilnahme an einem<br />

Endoprothesenregister „EPRD“® und durch Zertifizierungsmaßnahmen „Endocert“®<br />

zu erwarten. Die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Florence Nightingale<br />

Krankenhauses beteiligt sich an <strong>bei</strong>den Verfahren.<br />

Hüftendoprothesen:<br />

Die Hüftendoprothetik wird seit den 70-ger Jahren des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts in immer<br />

größeren Stückzahlen durchgeführt. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland mehr als<br />

200.000 Hüftendoprothesen implantiert.<br />

Eine Endoprothese setzt sich mindestens aus drei Komponenten zusammen.<br />

Pfanne, Kopf und Schaft. Bei <strong>der</strong> Primärimplantation werden alle Komponenten von<br />

einem Hersteller geliefert. Bei Revisionseingriffen werden die Implantate, wenn<br />

erfor<strong>der</strong>lich, von verschiedenen Herstellern zu einem System zusammengefügt, je<br />

nach medizinischer Anfor<strong>der</strong>ung.<br />

Es gibt eine Vielzahl von Implantatherstellern, unterschiedlicher Implantate und<br />

Philosophien. Die Entscheidung, welches Implantat verwendet wird unterliegt <strong>der</strong><br />

medizinischen Leitung <strong>der</strong> jeweiligen Abteilung. Die wesentlichen Kriterien<br />

hinsichtlich <strong>der</strong> Implantatwahl sind:<br />

- das Verankerungsprinzip<br />

- die Materialpaarung<br />

- das Implantatdesign<br />

- <strong>der</strong> Preis des Implantates<br />

Endoprothesen können zementfrei, hybrid o<strong>der</strong> zementiert eingebaut werden. Das<br />

Verankerungsprinzip <strong>der</strong> zementfreien Implantate ist das „Press-Fit“ Verfahren. Das<br />

Knochenlager für die Pfannenkomponente im Becken und den Schaft im<br />

Oberschenkelknochen wird minimal unterhalb <strong>der</strong> Außendurchmesser <strong>der</strong> Implantate<br />

augeraspelt und das jeweilige Implantat mit Hammerschlägen bis zum festen Sitz<br />

implantiert. Die Größe des Implantates und die Position wird durch vorheriges<br />

Ausmessen am Röntgenbild ermittelt. Voraussetzung für eine sichere Verankerung<br />

ist eine gute Knochenqualität. Die chronologische Altersgrenze für die Entscheidung<br />

zementfrei o<strong>der</strong> zementiert wurde zwischenzeitlich aufgegeben. In <strong>der</strong> Regel


entscheidet <strong>der</strong> Operateur über die für den Patienten geeignetste<br />

Verankerungsvariante. Implantate für die zementfreie Implantation sind fast<br />

ausnahmslos aus Titan gefertigt. Titan wird in seiner Eigenschaft als „osteokonduktiv“<br />

bezeichnet. Dies bedeutet, das <strong>der</strong> Knochen an das Implantat heranwächst und<br />

somit für eine stabilen Verankerung <strong>der</strong> Endoprothese sorgt.<br />

Die zementierte Verankerung wird seit den 60-ger Jahren des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

durchgeführt. Der Englän<strong>der</strong> John Charnley übertrug die „Zementierung“ aus <strong>der</strong><br />

Zahnheilkunde in die Orthopädie. Für seine wissenschaftlichen Verdienste wurde ihm<br />

später von Queen Elisabeth II. <strong>der</strong> Titel „Sir“ verliehen. Knochenzement ist im<br />

eigentlichen Sinne kein Zement. Hier wird eher das Vorgehen mit <strong>der</strong><br />

Zementiertechnik des Hausbaus verglichen, idem die Freiräume zwischen den zu<br />

verbindenden Materialen mit einer Substanz ausgefüllt werden und somit eine innige<br />

Verbindung hergestellt wird. Der medizinische „Knochenzement“ ist ein<br />

Zweikomponentenkunststoff – Methylmetacrylat, <strong>der</strong> kurz vor <strong>der</strong> Implantation aus 2<br />

Substanzen gemischt wird. Der Knochenzement dringt in die Knochenbälkchen ein<br />

und verzahnt sich dort. Auf Seiten des metallischen Implantates führen physikalische<br />

Vorgänge zu einer festen Verbindung, sodass das Implantat fest verankert ist. Die<br />

Zementierung einer Endoprothese erfolgt dort, wo die Festigkeit des Knochens keine<br />

zementfreie „Press-Fit“ Technik zulässt o<strong>der</strong> köcherne Defekte mit Zement ausgefüllt<br />

werden müssen.<br />

Bei <strong>der</strong> hybriden Verankerungstechnik wird ein Teil <strong>der</strong> Komponenten zementiert, <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e Teil zementfixiert. Dies kann eine zementfreie Pfanne und einen zementierten<br />

Schaft bedeuten und vice versa.<br />

Es gibt keine medizinischen Studien, welche die Überlegenheit <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Verankerungstechnik nachweisen. Jede Methode hat ihre Vor- und<br />

Nachteile, sodass auch von den wissenschaftlichen Gesellschaften keine einheitlich<br />

durchgehende Lehrmeinung vertreten werden kann.<br />

Bleibt noch die Frage <strong>der</strong> Gleitpaarung. Unter Gleitpaarung versteht man den<br />

Kontakt <strong>der</strong> feststehenden Pfanne und des mobilen Hüftkopfes. Jede Bewegung<br />

bedingt Abrieb, wo<strong>bei</strong> in <strong>der</strong> Regel <strong>der</strong> weichere Gleitpartner abreibt. Abrieb ist ein<br />

Faktor einer möglichen Lockerung des Implantates. Abreibpartikel können zum<br />

Abbau des angrenzenden Knochens führen und somit die Stabile Verankerung des<br />

Implantates gefährden. In den letzten Jahren hat die Industrie die Materialien <strong>der</strong><br />

Endoprothesen wesentlich verbessert, sodass <strong>der</strong> Abrieb reduziert werden konnte.<br />

Hochvernetzte Polyäthylene sollen den Abrieb deutlich verringern.<br />

Als Gleitpartner kommen Kunststoff (Polyäthylen) mit Metall o<strong>der</strong> Keramik in Frage<br />

o<strong>der</strong> Keramik mit Keramik. Metall/Metall Gleitpaarungen sind <strong>der</strong>zeit deutlich auf dem<br />

Rückzug. Golden Standard stellt die Polyäthylen/Keramik Gleitpaarung dar.<br />

Keramik/Keramik ist wesentlich günstiger hinsichtlich des Abriebverhaltens, hat aber<br />

als Nachteil, dass eine sehr exakte Positionierung <strong>der</strong> Komponenten erfor<strong>der</strong>lich ist<br />

und <strong>bei</strong> Stürzen auf die Hüfte die Keramikkomponenten brechen können.<br />

Die Entscheidung über die Auswahl des Implantates und die Gleitpaarung trifft <strong>der</strong><br />

Operateur im Gespräch mit dem Patienten und im Hinblick auf die medizinischen<br />

Voraussetzungen und die Anfor<strong>der</strong>ungen an das Implantat.<br />

Da die Materialwahl und die Fragen <strong>der</strong> Gleitpaarungen mehr o<strong>der</strong> weniger geklärt<br />

sind, hat sich <strong>der</strong> Fokus auf das Design und die Größe <strong>der</strong> Implantate verlagert.


Kurzschaftprothesen sind im Gespräch und in <strong>der</strong> Anwendung. Die Bezeichnung<br />

„Kurzschaft“ ist nicht exakt definiert. Die Philosophie hinter den Kurzschäften ist,<br />

weniger Knochensubstanz zu opfern, um für eventuelle Revisionsoperationen eine<br />

bessere Ausgangssituation zu haben. Das Design des Schaftes und seine Länge<br />

entscheiden über die feste und dauerhafte Verankerung im Oberschenkelknochen.<br />

Die Erfahrungen mit den Kurzschaftprothesen sind noch nicht ausreichend lang, um<br />

abschließend ein Urteil abzugeben. Erkennbar ist, dass einige Modell wie<strong>der</strong> vom<br />

Markt verschwunden sind. Fazit einer Publikation im „Der Orthopäde“ 12.2011: Ob<br />

Kurzschaftsysteme wirklich besser sind, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu sagen.<br />

Den reinen Oberflächenersatz, die „Kappenprothesen, hat es bereits in den 50-ger<br />

Jahren (Judet-Kappe) und in den 80-ger Jahren (Wagner-Kappe) gegeben. Alle<br />

Systeme versagten und wurden verlassen. Aus England kam Ende <strong>der</strong> 90-ger Jahre<br />

erneut ein Kappensystem auf den Markt. Neuere Modelle aus den USA scheiterten<br />

und führten zu einer <strong>der</strong> größten Rückrufaktionen für Endoprothesen. Probleme<br />

entstanden <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Implantation, einer erhöhten Frakturgefährdung und dem Abrieb<br />

<strong>der</strong> Metall/Metall Gleitpaarung. Zur Zeit ist nicht erkennbar, dass sich das Thema<br />

Oberflächenersatz des Hüftgelenkes dauerhaft durchsetzen kann.<br />

Die minimal-invasiven Op-Technik (MIS – minimal invasive surgery) wurde vor<br />

einigen Jahren aus den USA kommend in Deutschland eingeführt. 2 Vorteile wurden<br />

in den Vor<strong>der</strong>grund gestellt. 1. Schonung <strong>der</strong> Muskulatur und 2. kürzere<br />

Hautincisionen. Ab wann ein Verfahren als MIS Methode gewertet werden kann, ist<br />

bisher nicht definiert worden. Viele Operateure haben in <strong>der</strong> Vergangenheit bereits<br />

sehr kurze Hautincisionen durchgeführt. Die Schonung <strong>der</strong> hüftumfassenden<br />

Muskulatur sollte immer eingehalten werden. Eine Reihe von Studien untersuchte<br />

und verglich die konventionelle Technik mit dem MIS Verfahren. Bis zur 6. post OP-<br />

Woche gab es Vorteile <strong>der</strong> MIS Gruppe. Die Komplikationen lagen auf gleichem<br />

Niveau, die OP – Zeit war länger als <strong>bei</strong> <strong>der</strong> konventionellen Methode. Als Fazit<br />

wurde gezogen, dass die Beobachtungszeiträume <strong>der</strong>zeit noch zu kurz sind, um Vor-<br />

und Nachteile sinnvoll gegeneinan<strong>der</strong> abzuwägen.<br />

Knieendoprothetik:<br />

Das Kniegelenk zeichnet sich durch eine im Vergleich mit dem Hüftgelenk, welches<br />

ein Nussgelenk darstellt und somit gut knöchern geführt ist, schwierige Kinematik<br />

aus. Es ist ein „überschlagenes Vielgelenk“ mit Stabilisierung durch Bän<strong>der</strong>, Sehnen<br />

und Muskulatur. Demzufolge war die Entwicklung künstlicher Kniegelenk<br />

aufwendiger. Heute stehen eine Vielzahl unterschiedlicher System zur Verfügung, die<br />

<strong>bei</strong> korrekter Indikationsstellung hohe Erfolgsquoten aufweisen. Man unterscheidet:<br />

1. Schlittenendoprothesen<br />

a. medial(innen)<br />

b. lateral (aussen)<br />

2. Oberflächenersätze<br />

a. nicht gekoppelt<br />

b. teilgekoppelt<br />

c. gekoppelt


Welches Modell zur Anwendung kommt, richtet sich nach dem Grad und <strong>der</strong><br />

Lokalisation <strong>der</strong> Arthrose. Das Kniegelenk lässt sich in drei Abschnitte unterteilen,<br />

medial (innen), lateral (aussen) und retropatellar (hinter <strong>der</strong> Kniescheibe). Ist nur <strong>der</strong><br />

innere o<strong>der</strong> äußere Abschnitt betroffen, kann eine Schlittenendoprothese implantiert<br />

werden. Laterale Schlittenendoprothesen sind eher die Ausnahme. Voraussetzung<br />

ist ein intaktes vor<strong>der</strong>es Kreuzband.<br />

Sind 2 und mehr Abschnitte befallen kommen Oberflächenersätze zur Anwendung.<br />

Der weit aus größte Teil wird „nicht-gekoppelt“ o<strong>der</strong> „non-constrained“ implantiert.<br />

Bestehen gravierende Instabilitäten durch gelockerte Seitenbän<strong>der</strong> werden<br />

teilgekoppelte (semi-constrained) o<strong>der</strong> gekoppelte (constrained) Implantate<br />

verwendet. Ziel ist es, den Knochenverlust so gering wie möglich zu halten. Bei<br />

ungekoppelten Implantaten werden über definierte Schnittblöcke lediglich wenige<br />

millimeterdünne Knochenscheiben von den Gelenkflächen entfernt. Der geringe<br />

Knochenverlust gewährt die Möglichkeit, <strong>bei</strong> eventuell gelockerten Implantaten<br />

problemlos ein neues Implantat fest zu verankern.<br />

Bei <strong>der</strong> Fixierung <strong>der</strong> Implantate hat sich die Zementiertechnik durchgesetzt, weil sie<br />

eine höhere Primärstabilität nach dem Einbau gewährleistet und im Revisionsfall <strong>der</strong><br />

Zement recht einfach zu entfernen ist.<br />

Die Kniescheibenrückfläche wird immer seltener ersetzt, da man durch Studien zur<br />

Erkenntnis gelangt ist, dass bereits <strong>der</strong> Ersatz des Kniescheibengleitlagers auf <strong>der</strong><br />

Oberschenkelseite ausreicht, um eine Beschwerdefreiheit zu erreichen. Ein<br />

gelockertes Implantat hinter <strong>der</strong> Kniescheibe zu behandeln, ist zudem technisch<br />

schwierig.<br />

Die Schlussfolgerung, welche wir für unsere Klinik und die tägliche Ar<strong>bei</strong>t gezogen<br />

haben:<br />

1. patientenorientierte Auswahl <strong>der</strong> Fixierungsmethode – zementfrei, zementiert,<br />

hybrid<br />

2. bewährte Implantatsysteme<br />

3. erprobte und im langjährigen Verlauf erfolgreiche Gleitpaarungen<br />

4. standardisierte Zugänge mit Hautincisionen so klein wie möglich, aber auch so<br />

groß wie erfor<strong>der</strong>lich<br />

5. Beteiligung an den Qualitätssicherungssystemen, AQUA/BQS®, Endocert®,<br />

Endoprothesenzentrum®<br />

Quelle: Der Orthopäde, Band 40, Heft 12, Dezember 2011

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