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Die Ästhetik der Brücken - PCI-Augsburg GmbH

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Branchenköpfe pci aktuell Bautechnik 1 a/ch _ april 2012 39<br />

<strong>Brücken</strong>entwerfer Dr. christian Menn<br />

<strong>Die</strong> <strong>Ästhetik</strong> <strong>der</strong> <strong>Brücken</strong>:<br />

<strong>Die</strong> Leidenschaft eines Ingenieurs<br />

Der Bauingenieur und ehemalige professor <strong>der</strong> eth Zürich Dr. christian Menn gilt als <strong>der</strong> be-<br />

deutendste schweizer <strong>Brücken</strong>bauer <strong>der</strong> gegenwart. Mit seinen inzwischen 85 lebensjahren<br />

verfügt er über 55 Jahre <strong>Brücken</strong>bauerfahrung. immer wie<strong>der</strong> gelang es ihm, mit seinen ent-<br />

würfen national und international Beachtung zu finden und Maßstäbe zu setzen. Zu seinen<br />

bekanntesten Bauwerken gehören die 678 Meter lange gantertalbrücke, die Bunker hill Bridge in<br />

Boston sowie die sunnibergbrücke bei klosters.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: herr Dr. Menn, sie gehören zu den bedeutendsten<br />

<strong>Brücken</strong>konstrukteuren unserer Zeit. Wie sind sie eigentlich zu<br />

diesem Beruf gekommen?<br />

Dr. Christian Menn: schon mein Vater war Bauingenieur. nach<br />

<strong>der</strong> Matura entschloss ich mich zögernd, auch Bauingenieurwesen<br />

zu studieren. nach zwei Jahren propädeutikum und zwei<br />

Jahren echter Berufsausbildung war ich Dipl.-ing. eth. nach<br />

ersten praktischen gehversuchen in <strong>der</strong> Baupraxis kehrte ich als<br />

assistent an die eidgenössische technische hochschule (eth)<br />

zurück. nach meiner promotion erhielt ich in einer pariser Bauunternehmung<br />

die gelegenheit, ein Detailprojekt für ein kleines<br />

Bauwerk des italienischen Bauingenieurs pier luigi nervi<br />

auszuarbeiten. anschließend konnte ich bereits mit den ersten<br />

aufträgen für <strong>Brücken</strong> ein kleines ingenieurbüro in chur eröffnen.<br />

Zu dieser Zeit bauten die kantone Waadt und graubünden<br />

die ersten nationalstraßen. so konnte ich vor an<strong>der</strong>en wertvolle<br />

erfahrungen im <strong>Brücken</strong>bau sammeln. 1972 erhielt ich an <strong>der</strong><br />

eth eine professur für Baustatik und konstruktion, blieb aber<br />

weiter als entwerfer, Berater und prüfexperte im <strong>Brücken</strong>bau<br />

tätig.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: Welche entwürfe sind für den erfolg ihres Büros,<br />

die geschichte des <strong>Brücken</strong>baus o<strong>der</strong> auch für ihre persönliche<br />

entwicklung wichtig gewesen?<br />

Dr. Menn: Während in den 1960/70er-Jahren in <strong>der</strong> schweiz<br />

und in Deutschland fast nur vorgespannte Balkenbrücken<br />

gebaut wurden, faszinierten mich vor allem Bogenbrücken –<br />

statisch-konstruktiv, aber auch aufgrund ihrer kreativen Möglichkeiten.<br />

Mit einem relativ kleinen team konnten wir auf <strong>der</strong><br />

san-Bernardino-route in nur zehn Jahren einige beachtenswerte<br />

Bogenbrücken projektieren. 1970 gewannen wir dann<br />

mit einem großen Berner ingenieurbüro den Wettbewerb für die<br />

Felsenaubrücke – die wichtigste autobahnbrücke im schweizerischen<br />

nationalstraßennetz.<br />

Mit einem Beratervertrag in Boston/usa erhielt ich auch den<br />

auftrag, einen entwurf für eine umstrittene Brücke über den<br />

charles river zu erarbeiten. Mein Vorschlag, den ich auch als<br />

Modell vorstellte, fand breite Zustimmung. heute ist die nach<br />

meinen entwürfen gebaute Bunker hill Bridge (Zakim Bridge)<br />

ein Wahrzeichen Bostons.<br />

Der schweizer Dr. christian Menn schrieb mit seinen vielfältigen entwürfen <strong>Brücken</strong>geschichte. unten: <strong>Die</strong> sunniberg-Brücke:<br />

eine von ihm entworfene, unglaublich leicht wirkende schrägseilbrücke in <strong>der</strong> nähe klosters-serneus (graubünden/ch).<br />

sunnibergbrücke


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Branchenköpfe pci aktuell Bautechnik 1 a/ch _ april 2012 41<br />

ganterbrücke<br />

Faszinierend war die sunnibergbrücke in klosters. Bei dem<br />

umfahrungsprojekt wurde ein dreistelliger Millionenbetrag für<br />

den landschaftsschutz aufgewendet. Folglich durfte die talquerende<br />

Brücke die landschaft nicht beeinträchtigen. Mein<br />

Vorschlag sah für die 500 Meter lange und 60 Meter hohe<br />

Brücke ein innovatives, mehrfeldriges schrägkabeltragwerk<br />

vor. heute ist sie fast zu einem Markenzeichen <strong>der</strong> Ferienorte<br />

klosters und Davos geworden.<br />

aktuell arbeite ich zusammen mit drei ingenieurbüros an <strong>der</strong><br />

Verlegung <strong>der</strong> grimselstraße sowie an <strong>der</strong> 350 Meter weit gespannten<br />

schrägkabelbrücke über den grimselsee. es ist die<br />

höchstgelegene kabelbrücke mit <strong>der</strong> größten spannweite in<br />

<strong>der</strong> schweiz – und das unter den rauen klimatischen Verhältnissen<br />

des gebirges. ein äußerst spannendes projekt.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: Verän<strong>der</strong>n sich die Möglichkeiten im <strong>Brücken</strong>bau<br />

heute noch genauso rasant wie vor 30 Jahren?<br />

Dr. Menn: nein, die technik des <strong>Brücken</strong>baus ist heute bereits<br />

auf einem sehr hohen niveau. <strong>Die</strong> anfor<strong>der</strong>ungen an tragsicherheit,<br />

Dauerhaftigkeit und gebrauchstauglichkeit lassen sich bei<br />

einwandfreier projektierung und ausführung zuverlässig erfüllen.<br />

Doch es kommt auch immer wie<strong>der</strong> zu Fehlern, weil einfache<br />

probleme nicht erkannt o<strong>der</strong> bagatellisiert werden o<strong>der</strong><br />

auch, weil unausgereifte, neue ideen falsch eingesetzt werden.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: Für die Zukunft rechnen viele mit steigenden aufwendungen<br />

für den <strong>Brücken</strong>erhalt. gleichzeitig könnte sich die<br />

neubautätigkeit verringern – wie schätzen sie die situation für<br />

die nächsten Jahrzehnte ein?<br />

Dr. Menn: ein einwandfrei projektiertes und ausgeführtes <strong>Brücken</strong>tragwerk<br />

erreicht heute eine unterhaltsfreie nutzungsdauer<br />

von 75 bis 100 Jahren. in dieser Zeit verän<strong>der</strong>t sich meist die<br />

Verkehrsstruktur (Verkehrsintensität und Fahrzeuggewicht) so<br />

stark, dass die Brücke verbreitert und/o<strong>der</strong> verstärkt werden<br />

muss. es wäre unsinnig, <strong>Brücken</strong> für eine längere nutzungsdauer<br />

zu bauen.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: klimaforscher warnen vor extremwettern. Müssen<br />

sich die <strong>Brücken</strong> zukünftig daran anpassen – o<strong>der</strong> sind sie bereits<br />

für solche extremwetterereignisse ausgelegt?<br />

Dr. Menn: Wir bemessen <strong>Brücken</strong> heute für naturereignisse<br />

mit einer eintrittswahrscheinlichkeit von 1.000 Jahren. es gibt<br />

allerdings viele bestehende <strong>Brücken</strong>, die entsprechenden erdbebenereignissen<br />

nicht standhalten würden.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: Was ist die wichtigste entwicklung im <strong>Brücken</strong>bau<br />

<strong>der</strong> letzten zehn Jahre?<br />

crestawaldbrücke<br />

Dr. Menn: in den vergangenen zehn Jahren sind die <strong>Brücken</strong> einerseits<br />

robuster gebaut worden, und an<strong>der</strong>erseits lassen sich<br />

heute die unterhaltskosten mit einem einwandfreien, dauerhaften<br />

korrosionsschutz <strong>der</strong> Bewehrung beträchtlich senken. es<br />

ist heute auch möglich, mit einem dünnen, abriebfesten Belag<br />

bei einem schwingungsunempfindlichen tragwerk kosten zu<br />

reduzieren und verkehrsbehin<strong>der</strong>nde Belagserneuerungen um<br />

Jahre hinauszuschieben.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: Das vorherrschende Material beim <strong>Brücken</strong>bau ist<br />

Beton. Wird sich daran in Zukunft etwas än<strong>der</strong>n – o<strong>der</strong> ist hier<br />

keine gleich- o<strong>der</strong> höherwertige alternative in sicht?<br />

Dr. Menn: Beton ist ein hervorragen<strong>der</strong> Baustoff, für den auch<br />

eine ausreichende Dauerhaftigkeit gewährleistet werden kann.<br />

heute lassen sich allerdings auch Baustoffe mit speziellen eigenschaften<br />

herstellen, die sehr gut für reparaturen und Verstärkungen<br />

geeignet sind, jedoch nicht als Massenbaustoff für<br />

große tragwerke.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: in welchem land <strong>der</strong> Welt entstehen ihres Wissens<br />

eigentlich zurzeit die meisten neuen <strong>Brücken</strong>?<br />

Dr. Menn: nach meinem Wissen in china.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: <strong>Brücken</strong> werden immer höher, breiter und länger.<br />

gibt es da keine bauphysikalischen grenzen?<br />

Dr. Menn: <strong>Die</strong> länge o<strong>der</strong> Breite ist gar nicht so entscheidend,<br />

die spannweite ist beim <strong>Brücken</strong>bau <strong>der</strong> wichtigste rekordparameter.<br />

Der aktuelle spannweitenrekord beträgt 2.000 Meter<br />

bei einer hängebrücke in Japan. es sind aber noch größere<br />

spannweiten denkbar. höhenrekorde sind spektakulär, aber mit<br />

geringerem aufwand erreichbar. in china gibt es <strong>Brücken</strong>, die<br />

deutlich über 400 Meter hoch sind.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: herr Dr. Menn, sie beschäftigen sich so lange mit<br />

dem <strong>Brücken</strong>bau, welche Brücke liegt ihnen beson<strong>der</strong>s am<br />

herzen?<br />

Dr. Menn: Beson<strong>der</strong>s fasziniert hat mich <strong>der</strong> Bau <strong>der</strong> Brücke in<br />

Boston. auch wenn sie ein paar visuelle Mängel aufweist und<br />

auch konstruktiv nicht perfekt ist.<br />

<strong>PCI</strong> aktuell: Wir danken ihnen für das gespräch.<br />

laY holcim

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