budoka - Dachverband für Budotechniken Nordrhein-Westfalen e.V.
budoka - Dachverband für Budotechniken Nordrhein-Westfalen e.V.
budoka - Dachverband für Budotechniken Nordrhein-Westfalen e.V.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
AIKIDO Im Dojo<br />
weiter und weiter, bis der Gast<br />
rief: „Das Glas ist voll. Mehr<br />
geht doch nicht hinein!“ „Ja“,<br />
entgegnete darauf der Zenmeister,<br />
„genauso voll ist dein Kopf.<br />
Wenn du jemals etwas über<br />
Zen begreifen willst, musst du<br />
lernen, deinen Geist erst mal zu<br />
leeren.“<br />
Leerer Geist bedeutet,<br />
sich mit nichts befassen, aber<br />
hellwach sein, ungetrübte<br />
Aufmerksamkeit bei optimaler<br />
Konzentration. Im Zen wird<br />
der leere Geist oft mit einem<br />
Spiegel verglichen. Er reflektiert<br />
immer nur das, was wir<br />
ihm zeigen. So sollte es auch<br />
beim Keiko sein. Der aufmerksame<br />
Schüler reflektiert seinen<br />
Meister. Und dieser sieht an<br />
seinem Schüler, was bei diesem<br />
angekommen ist, korrigiert, wo<br />
notwendig, verfeinert, wo die<br />
Technik noch sehr grob ist. Es<br />
ist der gegenseitige, nicht notwendigerweise<br />
verbale Dialog<br />
zwischen Schüler und Meister,<br />
Meister und Schüler.<br />
Shoshin - Anfängergeist<br />
Zm Schluss noch ein<br />
weiterer Begriff, den Meister<br />
Shimizu Kenji gern im Training<br />
verwendet: „Ihr müsst mit<br />
„Shoshin“ trainieren“, betont<br />
er immer wieder. Es ist der<br />
Anfängergeist, mit dem wir<br />
trainieren sollen. Ein Anfänger<br />
wird sich im Ernstfall irgendwie<br />
verteidigen und Aktionen so<br />
ausführen, wie sie ihm gerade<br />
in den Sinn kommen. Da er<br />
über keine Techniken verfügt,<br />
wird er unvoreingenommen und<br />
spontan handeln. Allerdings ist<br />
die Wahrscheinlichkeit groß,<br />
dass er mangels eingeübter<br />
Techniken unterliegen wird.<br />
Ein perfekter Meister (im<br />
Iro Kokoro-Grad) sollte dagegen<br />
die Techniken soweit verinnerlicht<br />
haben, dass er ohne<br />
über die anzuwendende Technik<br />
nachzudenken, situationsangemessen<br />
reagieren kann. Damit<br />
gleicht seine Kampfweise der<br />
des Anfängers in ihrer ursprünglichen,<br />
unvoreingenommenen<br />
Art. Nicht auf der Stufe der Yudansha<br />
(1. bis 4. Dan), sondern<br />
erst auf der Stufe der Kodansha<br />
(8. bis 10. Dan) im japanischen<br />
Sinne dürfte dies erreicht sein.<br />
Der Anfänger, Mudansha,<br />
lernt erst mal nur die Form, wie<br />
er sich bewegen soll, wie die<br />
Technik ausgeführt werden soll.<br />
Erst mit dem Shodan steigt er in<br />
das eigentliche Training ein.Wir<br />
kennen in den Kampfkünsten<br />
zehn Dan-Grade. Eine schöne<br />
Metapher <strong>für</strong> den Stand der<br />
Entwicklung zum jeweiligen<br />
Dan-Grad gibt ein bekannter<br />
Zyklus von zehn Tuschezeichnungen<br />
des berühmten Abts<br />
vom Daitokuji-Kloster in Kyoto<br />
und Tokaiji bei Edo (später<br />
Tokio) und Maler, Takuan Soho<br />
(1573 - 1645):<br />
Im ersten Bild sieht man<br />
einen Bauern auf der Suche<br />
nach seinem Ochsen (Symbol<br />
buddhistischer Lehren und<br />
Erleuchtung). Von diesem gibt<br />
es jedoch keine Spur (er steht<br />
am Anfang des Weges).<br />
Im zweiten Bild hat der<br />
Bauer Spuren des Ochsen an<br />
einem Bach gefunden (er hat<br />
Material oder Lehrer gefunden,<br />
die ihm weiter helfen können).<br />
Im dritten Bild erblickt er<br />
den Ochsen, der hinter einem<br />
Strauch versteckt ist (er hat die<br />
Lehre teilweise verstanden).<br />
Im vierten Bild versucht er<br />
nun den Ochsen einzufangen,<br />
der sich störrisch dagegen wehrt<br />
(eine weitere Phase der Auseinandersetzung<br />
mit der Materie).<br />
Im fünften Bild führt er den<br />
wütend schnaubenden Ochsen<br />
am Strick (ihn beherrschen<br />
heißt noch nicht, ihn verstanden<br />
zu haben).<br />
Im sechsten Bild sitzt der<br />
Bauer Flöte spielend auf dem<br />
Ochsen (die Mühen und Anstrengungen<br />
sind vergessen).<br />
Im siebten Bild sitzt der<br />
Bauer neben Strick und Peitsche<br />
vor seiner Hütte. Der Ochse<br />
ist nicht mehr zu sehen (die<br />
Abhängigkeit vom Denken in<br />
Worten, Kategorien und Formen<br />
ist überwunden).<br />
Im achten Bild ist nur ein<br />
leerer Kreis (Mushin) zu sehen.<br />
Im neunten Bild sehen wir<br />
ein Stilleben: blühender Zweig,<br />
Gräser, Erde ... (alle Erschei-<br />
nungen sind, wie sie sind. Die<br />
höchste Stufe ist erreicht. Es<br />
gibt keine geistige Abhängigkeit<br />
mehr von Wort, Kategorie,<br />
Form oder Leere).<br />
Im zehnten Bild geht der<br />
Bauer barfüßig und in Lumpen<br />
gekleidet über einen Markt<br />
(ein vollendeter Zenmeister hat<br />
seinen Weg gefunden).<br />
Viele Kampfkunstübende<br />
sehen im Erreichen des 1. Dan-<br />
Grades das Ziel. Es ist erst der<br />
Anfang auf dem Weg. Das sollte<br />
uns jedoch nicht entmutigen<br />
sondern ermuntern, im Sinne<br />
der Zeichnungen von Takuan<br />
unseren Weg zu finden. Viele<br />
werden den Weg nicht bis<br />
zum Ende gehen wollen oder<br />
bis zum Ende gehen können.<br />
Aber sie sollten zumindest eine<br />
Vorstellung davon haben, wie<br />
der Weg im Idealfall aussehen<br />
sollte.<br />
MG<br />
30 9/2007 der <strong>budoka</strong><br />
Nafuda<br />
www.aikido-nrw.de