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Peter Haas Das letzte Floss zum Niederrhein

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<strong>Peter</strong> <strong>Haas</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>letzte</strong> <strong>Floss</strong> <strong>zum</strong> <strong>Niederrhein</strong><br />

Eine alte Tradition lebte noch einmal auf<br />

von W E R N E R B Ö C K I N G<br />

Als der Ruhrorter Bürgerverein im Sommer 1988 seine Einladung verschickte,<br />

die zu einer Floßbesichtigung aufforderte, da waren sich viele Rheinanwohner im<br />

Klaren darüber, dass sie so etwas in absehbarer Zeit nie mehr zu sehen bekommen<br />

würden. Aus Anlass der 700-Jahrfeier der Stadt Düsseldorf wurde von 15 Flößern ein<br />

110m langes und 20 m breites Floß in Mainz-Kastel, wo schon die Römer ihre Schiffe<br />

Abb. 1 <strong>Das</strong> 110m lange<br />

Frankenfloß treibt talabwärts<br />

auf die Homberg-<br />

Ruhrorter Brücke zu.<br />

Rechts oben Homberg.<br />

Schiffe bauten, aus<br />

vielen Einzelstämmen<br />

zusammengesetzt.<br />

Es sollte zu der großen<br />

Schiffsparade<br />

auf der Düsseldorfer<br />

Reede die Attraktion<br />

bilden, und es wurde<br />

dann später in vier<br />

Etappen nach Düsseldorf<br />

geschleppt.<br />

Am 14. August 1988 hatte man das Floß in Ruhrort erwartet, wo es dem größten<br />

Binnenhafen Europas ebenfalls seine Aufwartung machte. Oberbürgermeister Josef<br />

Krings der Stadt Duisburg begrüßte die Floßfahrer bei ihrer Ankunft aus dem Hafenmeisterhaus<br />

am Ruhrorter Hafenmund. Vor 20 Jahren wurde das <strong>letzte</strong> Floß den<br />

Rhein herunter gebracht, und es war dies mit Sicherheit die aller<strong>letzte</strong> Möglichkeit,<br />

ein Rheinfloß in dieser Größenordnung in Fahrt zu erleben. An diesem historischen<br />

Floß waren rund 400 Festmeter Holz verarbeitet.<br />

Abb. 2 Die Frankenflößer<br />

auf ihrem Werk stehend:<br />

nach der Arbeit das Vergnügen.<br />

Landung in<br />

Ruhrort<br />

1


Abb. 5 Floßmodellausschnitt<br />

mit<br />

Steuerstuhl. Kopfständer<br />

und Ruderanlage<br />

nebst Kniestückansatz<br />

im RheinMuseum Koblenz<br />

Abb.3<br />

Ein Floß aus Schwarzwaldtannen wird zusammengestellt. Vor<br />

1942.<br />

In früheren Jahrhunderten waren die 500 m langen<br />

sogenannten "Holländerflöße" wie schwimmende<br />

Festungen mit mehreren hundert Menschen als<br />

Besatzung "auf sich schwimmend" den Rhein herunter<br />

unterwegs, um in Dordrecht oder am "Rottdam",<br />

dem heutigen Rotterdam, zu landen. Als die<br />

Niederlande Kolonialmacht wurden, bauten sie eine<br />

riesige Schiffsarmada, um den Gewürzhandel mit<br />

den neu erworbenen Kolonien aufrecht zu erhalten.<br />

Dazu wurden Unmengen Baumholz benötigt, das in<br />

dem flachen Land, über 4 m unter dem Meeresspiegel<br />

gelegen, nicht aufzutreiben war.<br />

Abb.4 "Holländerfloß" nach einem Modell im Rhein-Museum Koblenz.<br />

Hier waren die reichen<br />

Bestände des Franken-,<br />

Oden- und<br />

Schwarzwald es gefragt.<br />

Diese wurden in<br />

jener Zeit in einer<br />

Weise ausgebeutet<br />

wie nie davor und nie<br />

mehr danach. Auch<br />

wurden die großen Seestädte der belgischen, niederländischen und der deutschen<br />

Küste mit tausenden und abertausenden von Pfählen fundamentiert und befestigt,<br />

bevor man Bauten in das wabernde Erdreich setzte. Hierzu schreibt Paul L. Walser<br />

in seinem Buch "Amsterdam", Seite 14: ,,1521 erläßt Kaiser Karl V., der in Gent geboren<br />

wurde, eine folgenreiche Verordnung: die bisher üblichen leichten Holzhäuser<br />

müssen wegen der Brandgefahr durch Steinbauten ersetzt werden. Die Errichtung<br />

von steinernen Wohnhäusern erfordert eine langwierige, mühsame Bodenbehandlung.<br />

Der schlammige Baugrund muss zunächst zu einem tragenden Fundament<br />

2


gemacht werden. Dafür sind Pfähle nötig, Baumstämme, Mastbäume, anfänglich Erlen,<br />

dann Fichtenstämme.<br />

Mit einem Rammbock, an dem vier bis sieben Dutzend Arbeiter ziehen, werden diese<br />

Bäume in den Boden getrieben. Pro Stamm dauert das bis zu drei Stunden. Amsterdam<br />

wird zu einem ,umgekehrten Mastenwald' . Die Pfähle haben eine Länge bis zu<br />

18 m. Man treibt sie so lange in den Boden, bis sie - unter der Morastschicht und<br />

dem Grundwasser - im festen Sandgrund stecken. Zuerst wird dem Bauplatz soviel<br />

Wasser wie möglich entzogen. Die Stämme werden dicht nebeneinander eingerammt.<br />

Den Beton, der sich für Fundamente eignet, gibt es nicht.<br />

Für die gewöhnlichen Häuser braucht es rund 40 Pfähle, für die vornehmeren wesentlich<br />

mehr, das heutige Palais auf dem Damm steht auf 13.659 Stämmen! Nachdem<br />

die Pfähle eingeschlagen sind, wird der noch emporragende Rest auf gleicher<br />

Höhe abgesägt. Auf einer Lage von mehreren Brettern kann schließlich mit dem<br />

Mauerwerk begonnen werden. Schon im 16. Jahrhundert ist hier der Baugrund oft<br />

viel teurer und kostbarer als das Haus selbst. Amsterdam zeigt daher bereits zu dieser<br />

Zeit ausgesprochen moderne Aspekte. Ein Fichtenstamm für das untergründige<br />

Pfahlwerk kostet fast einen Reichstaler." - So steht der Amsterdamer Hauptbahnhof<br />

auf 40.000 Stämmen aus dem Frankenwald.<br />

Abb.6<br />

Floßdetail mit den symbolischen ,Lappen'<br />

im Hintergrund. Rechts Schlepper<br />

,Martinus'.<br />

<strong>Das</strong> zeigt uns die ganze Problematik<br />

jener Zeit, als man bei uns ganze<br />

Wälder rodete und regelrechten<br />

Raubbau des Geldes wegen betrieb,<br />

wie es uns Heutigen unvorstellbar<br />

wäre. Aber die Zeiten waren<br />

halt so und nicht anders, und<br />

der Eisenschiffbau und die Eisenrohre<br />

waren noch nicht für diese<br />

Zwecke erfunden. Aus diesem Grunde blühte das Floßgeschäft in jener Zeit. Nicht<br />

umsonst nannte man diese oftmals mit 800 Männern bestückten "Holländerflöße"<br />

auch .“Kapitalfloß", wurde doch der wöchentliche Aufwand für ein solches Floß mit<br />

1800 Gulden veranschlagt. Zwei solcher Kapital-Flöße gingen in der Regel einmal im<br />

Jahr bis nach Holland, und ein Floß-Baas, der das Geld vorzuschießen hatte, war ein<br />

reicher Mann.<br />

Ein Floß war eine schwimmende Lage von nebeneinander verbundenen Holzstämmen,<br />

die den rechtwinkeligen Floßboden bildeten. Hierauf wurden <strong>zum</strong>eist weitere<br />

Lagen von Stämmen geschichtet, um ein Floß rentabel zu gestalten. Ein Floß wurde<br />

auf dem Wasserwege, <strong>zum</strong>eist talwärts, befördert. Frühere große Flöße, trieben auf<br />

sich, wurden also nur durch Menschenkraft bewegt und in der Strömung gehalten.<br />

Später, als der Schiffsverkehr zunahm, wurden Flöße auch talwärts geschleppt. Zur<br />

Verbindung der Baumstämme dienten Zengel und Wieden.<br />

Zengel waren gerade gewachsene Buchen- oder Fichtenstämmchen von etwa 8-12<br />

cm Durchmesser und etwa 10m Länge. An zwei sich gegenüberliegenden Stellen<br />

abgeplattet, wurden sie mit Drahtstiften oder eisernen Nägeln quer über die End- und<br />

Toppenden der Floßstämme genagelt oder gebunden.<br />

3


Wieden (Wied) waren junge, dünne, paarweise<br />

zusammengedrehte Tannen- und Haselnußstämmchen,<br />

die bei den vom Neckar kommenden<br />

Flößen wie Zengel angewandt und mit<br />

Klammern über die Stämme befestigt wurden.<br />

Pitschen hingegen waren Wied- oder Seilstücke,<br />

die zur größeren Sicherheit quer über die genagelten<br />

Stellen der Zengel gespannt und mit jedem<br />

Ende mittels einer starken, geschmiedeten Klammer<br />

auf den Stämmen befestigt wurden.<br />

Abb. 7 Floßbindung über die20 m-Breite hinweg<br />

Stelzenblöcke oder Jochhölzerwaren vorn und<br />

hinten am Floß quer auf etwa 1 ,40 m hohe Bretterstöße<br />

aufgelegte Tannenstämme von ungefähr<br />

22 cm Dicke, die durch schwere Wieden und<br />

Sprießen fest mit dem Floßboden (dem Grund) verbunden waren. - Forken waren eiserne,<br />

um ihre Achse drehbare Gabeln, die in gewissen Abständen in die Stelzenblöcke<br />

eingelassen waren. In den Forken ruhten schwebend die Lappen oder Ruder,<br />

mit denen ein Floß gesteuert wurde.<br />

Ein Lappen war ein etwa 16 m langes<br />

Rundholz, an dessen wassergetauchtem<br />

Ende die Lappendiele aufgeschraubt<br />

war, das eigentliche Ruderblatt.<br />

Abb.9<br />

Floß-Lappenbrücke mit den zwei Lappenbäumen.<br />

Abb.8<br />

Floßende mit Lappenbock und Lappen (Ruder-<br />

oder Steuerblätter, die früher sehr viel<br />

zahlreicher waren).<br />

Dann waren da die Pinnen, je zwei zwischen<br />

den Forken in den Stelzenblock eingelassene,<br />

eng beieinander stehende kräftige<br />

Buchen- oder Eichenholzzapfen, durch<br />

die die Ankertaue liefen. Den ganzen Aufbau<br />

der Stelzenblöcke nebst Zubehör<br />

nannte man Joch.<br />

Die Lappenbrücke lag dicht hinter dem Joch, die aus dicht beieinander gereihten Dielen<br />

bestand. Auf ihr bewegten sich die Knechte hin und her, um die Lappenruder zu<br />

handhaben. 25 m vom Joch entfernt war ein schwerer Tannenstamm quer über die<br />

Floßbreite mit dem Floßgrund mittels Tauen befestigt, die Bietung. Hieran waren die<br />

ganzen Fahranker befestigt. Diese Fahranker dienten gleicherweise dem Steuern als<br />

auch dem abendlichen Länden des Floßes. Über der Bietung lagen leichte Tannenhölzer,<br />

die sogenannten Eselhölzer. Um das von Bietung und Eselhölzern gebildete<br />

Kreuz wurde das obere Ende eines jeden Taues mehrfach geschlungen und durch<br />

die Pinnen gezogen. Zu einem jeden Tau gehörte ein Ankernachen. Die Nachen hingen<br />

am Floßachterteil seitlich an Back- und an Steuerbord. Die langen Taue wurden<br />

4


in den Nachen untergebracht. An jedem Ende war ein fast zentnerschwerer Anker<br />

befestigt.<br />

Die Hundsmaue hieß eine etwa 50 m vom vorderen Joch entfernte Bietung. Sie diente<br />

<strong>zum</strong> Festsetzen der Drahtstränge des Schleppdampfers. Es gab den Hundanker,<br />

den Lochanker und den Kopfanker. Einen Floßteil von 220 m Länge und 9 m Breite<br />

nannte man Flügel (siehe Abb. 4). Er enthielt etwa 400 Stämme. Der Flügel bestand<br />

aus zwei Mainflößen (auch Mainstücke genannt). Sieben solcher Flügel bildeten ein<br />

größtzulässiges Rheinfloß von 220 m Länge und 63 m Breite. Auf dem Main war ein<br />

Holländerfloß nur aus hartem Holz. Es war nicht länger als 90 m und nicht breiter als<br />

11 m. Ein Weichholzfloß hieß auf dem Main Weißfloß. Es war 130 m lang und 11 m<br />

breit. Dann gab es noch das Weißfloß mit Oberlast, ebenfalls aus weichem Holz, aber<br />

mit losen Stämmen oberlastig beladen. Hingegen waren Schollen kleine Flöße<br />

auf der Strecke Basel-Mannheim.<br />

Der Boden eines Floßes bestand aus 7 bis 10 nebeneinander genagelten Tannenstämmen<br />

von 12 bis 20 cm Durchmesser. Etwa 30 solcher mit Wied zusammengebundener<br />

Böden ergaben ein Bodenstück. Eine Eichenkoppel war etwa 20 m lang<br />

und 8 m breit. Sie enthielt 16 bis 20 beschlagene oder runde Eichen, zwischen zwei<br />

Abb.10 Die Floßküche<br />

Tragtannen eingespannt. Flott<br />

waren schwimmende, Senk<br />

im Wasser untergehende Eichenstämme,<br />

die das Floß unter<br />

Wasser trugen.<br />

Die Floßbemannung bestand<br />

aus dem Floßführer oder<br />

Meister, dem Koch, den Ankerknechten<br />

(gelernte Flößer),<br />

den ,Bankleuten', die zur Verstärkung<br />

auf der Gebirgsstrecke von Rüdesheim bis hinter die ,Bank' bei St. Goar herangezogen<br />

wurden, und alsdann den Vorderleuten,<br />

den ,Kosaken', die bei ,auf sich' (also ungeschleppt)<br />

treibenden Flößen die vorderen Lappen<br />

zu bedienen hatten. Dann kam im Gebirge noch<br />

der Lotse an Bord, wie auf Schiffen auch. Dem<br />

Floß voraus fuhr der Wahrschaunachen mit der<br />

rot-weiß gewürfelten Flagge aufgesetzt, der ein<br />

Floß ankündigte und die Schiffs- und Pontonbrücken<br />

veranlasste, die Joche<br />

Abb.11<br />

Der Wahrschaunachen mit der gewürfelten Signalflagge.<br />

Der Nachen fuhr dem Floß um fast eine Stunde voraus, um<br />

die Schiffahrt und die Pontonbrücken zu wahrschauen, auf<br />

das folgende Floß vorzubereiten.<br />

auszufahren und die Fahrrinne freizugeben, denn<br />

diese Floßungeheuer damaliger Zeit brauchten<br />

Platz in der Hauptfahrrinne. Dem hatte sich alles<br />

unterzuordnen.<br />

Die Flößerei unterlag dem Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der<br />

Flößerei vom 15. Juni 1895 (Flößereigesetz). Der Floß herr war der Eigentümer des<br />

5


gesamten Floßholzes, also der Kapitalgeber. Ein Frachtflößer war der Unternehmer<br />

(= Frachtführer, der die Beförderung eines Floßes für dessen Eigentümer übernahm,<br />

indem er sie selbst ausführte oder einem anderen Floßführer übertrug). Floßmeister<br />

oder Floßführer war, wer für einen Floßherrn oder einen Frachtflößer ein Floß auf<br />

Binnengewässern führte.<br />

<strong>Das</strong> Nostalgiefloß aus dem Frankenwald<br />

In der glücklichsten Zeit der Flößerei, während des 18. Jahrhunderts, wurden große<br />

Waldbestände gefällt und sind nach Holland geflößt worden. <strong>Das</strong> jetzige kleine Floß,<br />

das dem <strong>Niederrhein</strong> nochmals die Ehre gab, stammte aus dem Frankenwald. Hier<br />

sind noch Fachleute zu finden, die das Flößerhandwerk aus dem ,efef' kennen und<br />

die es sich nicht nehmen ließen, diesen Auftrag der Stadt Düsseldorf nochmals auszuführen.<br />

Floßmeister Emil Hümmrich-Welt, 62 Jahre alt, ist einer der <strong>letzte</strong>n Spezialisten<br />

auf diesem Gebiet. Zurück ging dieses Handwerk, als die Schiffahrt sich stärker<br />

entwickelte und diesen Großflößen nur noch wenig Manövriermöglichkeit auf dem<br />

Strom verblieb. Aber auch der Eisenbahn- und der Straßenbau trugen erheblich dazu<br />

bei. <strong>Das</strong> <strong>letzte</strong>, 170 m lange Rheinfloß wurde im Sommer 1968 zu Tal geschleppt.<br />

Seit 1971 ist die allgemeine Floßordnung ad acta gelegt und besitzt keine Gültigkeit<br />

mehr. Für dieses <strong>letzte</strong> Floß war eine Sondergenehmigung erforderlich. Die Wasserund<br />

Schiffahrtsdirektionen in Mainz und Münster hatten das Unternehmen abzusegnen.<br />

Dann erst konnten zehn floßerfahrene Männer aus dem Kreis Kronach ans<br />

Werk gehen. Wie schon in früheren besseren Zeiten, so wurde auch jetzt Mainz-<br />

Kastel (Sitz alter Werften) als Verbundort ausgewählt, wo man die 329 Fichten zu einem<br />

Floß fügte.<br />

Dann konnte das Abenteuer beginnen: über Kamp-Bornhofen, Koblenz, Bonn und<br />

Köln schleppte man das Floß nach Düsseldorf. Die Flagge mit dem Wappenadler der<br />

ehemaligen preußischen Rheinprovinz wehte am Mast. Direktor Albrecht Menke,<br />

Vorstandsmitglied der Provinzial-Versicherungsanstalten der Rheinprovinz, übergab<br />

sie in Koblenz, um damit an den preußischen Abschnitt der rheinischen Geschichte<br />

zu erinnern. "Die Provinzial, die hier vielleicht <strong>zum</strong> <strong>letzte</strong>n Male in ihrer über<br />

150jährigen Geschichte ein Rheinfloß versichert hat, ist Koblenz wie Düsseldorf verbunden",<br />

meinte Albrecht Menke bei der Übergabe, "denn beide waren einst Hauptstädte<br />

der Rheinprovinz."<br />

Auch diesem <strong>letzte</strong>n Floß fuhr der Wahrschaunachen mit der rot-weiß-gewürfelten<br />

Wahrschauflagge im Topp voraus, um den historischen Vorbildern treu zu bleiben.<br />

Dabei kam es vor, dass jüngere Schiffsführer, der Situation unkundig, über Funk anfragten,<br />

was für ein seltsames Fahrzeug ihnen da entgegen komme. So schnell ändern<br />

sich die Zeiten. Geschleppt wurde das <strong>letzte</strong> Floß von der "Martinus" aus Trechtingen,<br />

während die aus Duisburg stammende, 600 PS starke "Jupiter" seitlich dirigierte<br />

(siehe Abb. 1).<br />

Natürlich war die Floßhütte nach alten Vorbildern ebenso errichtet wie die dahinter<br />

liegende Küche (siehe Abb. 10). Man schlief auf der Strohschütte und ließ sich von<br />

der Frau der Floßmeisters, Herta Hümmrich, mit derber Hausmannskost verwöhnen,<br />

denn beim Anlanden und Ablegen wurde Muskelkraft noch gefragt. Mit den<br />

Schorstangen musste man sich von den Untiefen lösen, um freies Fahrwasser zu<br />

gewinnen. Feuerwerk und Böllerschüsse begleiteten dieses flaggengeschmückte<br />

Floß, und die Menschen säumten die Stromufer, winkten und lachten und dachten an<br />

längst vergangene Tage, wo diese Bilder noch <strong>zum</strong> Stromalltag gehörten und es keines<br />

Winkens bedurfte.<br />

Am 11. August erreichte das Floß den Düsseldorfer Hafen. Nahezu fünfzehntausend<br />

Menschen säumten Ufer und Kaimauer, winkten und klatschten und waren begierig,<br />

6


selber einmal an Bord zu dürfen. <strong>Das</strong> geschah nach der Begrüßung durch den<br />

Stadtdirektor. Am 13. August war nochmals "Floß der offenen Planke", wo abermals<br />

hunderttausende von Menschen sich drängten und applaudierten und von den Ufern<br />

und von den Rheinbrücken einem Schauspiel zusahen, dem man heute solche nostalgische<br />

Bedeutung beimaß. Die Flößer aus dem Frankenwald standen voll im<br />

Blickpunkt des Geschehens, um die 700-Jahrfeier der Stadt Düsseldorf zu verschönen.<br />

<strong>Das</strong> dürfte ihnen voll gelungen sein; zudem hatten sie diese Anerkennung auch<br />

verdient.<br />

Endstation Duisburg-Ruhrort<br />

Am nächsten Tag fuhr man talwärts bis Duisburg-Ruhrort, ließ sich, das Schleppboot<br />

zu Berg weisend, talwärts unter der Homberg-Ruhrorter Rheinbrücke treiben (siehe<br />

Abb. 1) bis in Höhe der Mühlenweide, wo bereits 5000 Schaulustige warteten, um<br />

dann erneut geschleppt in den Ruhrorter Hafenmund einzufahren. An der gerade neu<br />

fertig gestellten Kaimauer in Höhe der historischen Schifferbörse (Neubau nach dem<br />

Kriege) wurden die Poller belegt und die Gangway ausgefahren. Die Besichtigungen<br />

konnten auch hier durch die vielen Menschen fortgesetzt werden, die bunt gekleidet<br />

bei herrlichem Sonnenschein dichtgedrängt die Mole säumten, <strong>zum</strong>al auch noch der<br />

Schuber "Franz Haniel14", ein modernes Rhein-See-Schiff sowie ein alter Eimerketten-Bagger<br />

zu besichtigen waren.<br />

Die 400 Festmeter Holz gingen anschließend in ein hiesiges Sägewerk, wo sie zu<br />

Brettern verarbeitet wurden. <strong>Das</strong> mit Sicherheit <strong>letzte</strong> Floß auf dem Rhein hatte die<br />

Menschen noch einmal an eine große Vergangenheit erinnert. An ein altes Handwerk,<br />

das zutiefst mit dem Strom und mit der Schiffahrt verbunden war und in damaliger<br />

Zeit vielen Menschen Arbeit und Brot verschaffte.<br />

In früherer Zeit nahmen die Floßknechte in Dordrecht nach dem Auseinandernehmen<br />

des Floßes nochmals eine deftige Mahlzeit ein. Dann erhielten sie einen Wanderstock<br />

und traten per pedes die Rückreise an, nachdem ihnen der vereinbarte Lohn<br />

gezahlt war. In die mitgeführte Floßjacht packte man alle wertvollen Gerätschaften,<br />

die wieder gebraucht wurden; packte die für die nächste Reise wieder benötigten<br />

Viktualien zu und schickte die Jacht zu Berg an den Ausgangspunkt zurück. Im<br />

Schlepp führte die Jacht die Ankernachen mit allen Ankern und Tauen. Ein Teil der<br />

Meisterknechte reiste mit der Jacht. Andere, die dringend im Oberland gebraucht<br />

wurden, fuhren mit der Postkutsche. Waren die Wasser- und Preisbedingungen<br />

günstig, konnte es passieren, dass zwei oder gar drei solcher großen Holländerflöße<br />

das Jahr über talwärts geschickt wurden, da der Holzverbrauch in den Niederlanden<br />

stets groß war.<br />

Unsere Flößer aus dem Frankenwald im Jahre 1988 (siehe Abb. 2) hatten es da<br />

schon weitaus günstiger getroffen: sie packten und luden alles, was sie wieder benötigten,<br />

auf einen Lastwagen, und fuhren geruhsam in ihre Heimat zurück.<br />

Quelle: Beiträge zur Rheinkunde 1991<br />

Rheinmuseum Koblenz<br />

**************<br />

<strong>Peter</strong> <strong>Haas</strong> 2009<br />

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