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zeichen - Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.

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Djamila Boumekik<br />

Reden wir miteinander!<br />

Statt Sarrazins Spaltung brauchen wir Aufmerksamkeit, Anerkennung<br />

und Wertschätzung füreinander, schreibt die Neuköllner Stadtteilmutter<br />

Djamila Boumekik in ihrem Beitrag für das <strong>zeichen</strong>.<br />

Wir müssen uns Zeit nehmen, um mit unseren Kindern zu reden.<br />

Diese Erfahrung mache ich an der Elbeschule in Berlin-Neukölln,<br />

wo ich als Mutter ein interkulturelles Café mitbetreibe. Die Jugendlichen<br />

erzählen mir ihre Träume von der Zukunft: „Ich werde<br />

Feuerwehrmann!“ – „Ja,“ sage ich, „Feuerwehrmann ist super,<br />

aber Du kannst auch etwas anderes werden, nicht nur das.“<br />

– Und dann kommt häufig eine negative Einschätzung: „Das<br />

schaffen wir gar nicht, wir kommen sowieso nicht aufs Gymnasium.“<br />

Dann ist es unsere Aufgabe, die Kinder zu ermutigen.<br />

„Mein Sohn ist auf dem Gymnasium. Das schaffst Du bestimmt.“<br />

Durch meine Familienbesuche als Stadtteilmutter weiß ich,<br />

dass es zuhause bei vielen Jugendlichen an Kommunikation<br />

fehlt. Sie brauchen Aufmerksamkeit, Anerkennung, Wertschätzung.<br />

Wenn das nicht von den Eltern kommt, müssen wir in den<br />

Schulen umso mehr tun. Ich erlebe es immer wieder, dass mir<br />

dann die Kinder ihre Eltern ins interkulturelle Café schicken:<br />

„Es gibt da eine tolle Frau, Mama, bitte, gehst Du da mal hin?“<br />

Wir müssen MigrantInnen auch als LehrerInnen in die Schulen<br />

bringen. Für die Jugendlichen ist es zum Beispiel eine wichtige<br />

Erfahrung, wenn ich als arabischstämmige Frau mit Kopftuch<br />

am Sexualkundeunterricht teilnehme. Wenn ich ihnen erzähle,<br />

wie ich das erste Mal verliebt war und wie ich mir meinen Prince<br />

Charming vorgestellt habe. Die Jugendlichen sind dann ganz<br />

überrascht, dass eine Frau mit Kopftuch so etwas sagt! Sie trauen<br />

sich dann auch selbst, von ihren Hoffnungen und Wünschen zu<br />

sprechen. So kann der kulturelle Hintergrund von MigrantInnen<br />

überzeugend und motivierend für Jugendliche sein.<br />

Mehr Austausch<br />

Ich engagiere mich in einer arabisch-deutsch-türkischen Spielgruppe<br />

für Kleinkinder und deren Eltern. Das ist keine Kita, sondern<br />

unser Ziel ist es, mit den Eltern über Bildung und Erziehung<br />

ins Gespräch zu kommen, während wir mit den Kindern spielen.<br />

Im Moment sind nur Kinder arabischer und türkischer Herkunft<br />

12<br />

Thema<br />

in der Gruppe. Aber ich versuche auch deutsche Kinder zu erreichen,<br />

damit sie nicht in einer anderen Welt leben. Mir ist die<br />

Mischung sehr wichtig.<br />

Meine Kinder haben ganz selbstverständlich mit christlichen<br />

Kindern Geburtstag gefeiert, sie sind zusammen im Sportverein,<br />

sie übernachten beieinander. Das ist heute viel weniger geworden.<br />

Die Abgeschlossenheit wurde stärker nach dem 11. September<br />

2001, auf beiden Seiten. Das Sarrazin-Buch trägt dazu bei.<br />

Es generalisiert und schürt Ängste, die von den Medien noch<br />

verstärkt werden.<br />

Es ist, als hätte Sarrazin grünes Licht gegeben: Auf einmal<br />

hat sich die Stimmung gedreht, Ausländer und Muslime werden<br />

angefeindet. Migranten, so heißt es, wollen nur staatliche<br />

Unterstützung abgreifen, sie sind dumm, sie können dies nicht,<br />

sie können das nicht. Statt wie Sarrazin die Probleme zu generalisieren,<br />

sollten wir versuchen, sie präzise zu beschreiben, um<br />

dann den Menschen zu helfen.<br />

Es ist falsch, den Jugendlichen zu sagen: „Ihr seid nichts. Ihr<br />

seid kriminell. Ihr seid überhaupt nicht gebildet und Eure Eltern<br />

auch nicht.“ Sie haben alle Kompetenzen, sie haben alle Fähigkeiten!<br />

Du bist nicht musikalisch? Aber Du kannst wunderbar<br />

Theater spielen. Du sprichst nicht so gut Deutsch? Dafür bist<br />

Du eine tolle Fußballerin.<br />

Natürlich gibt es unfreundliche MigrantInnen, und es gibt<br />

unhöfliche Deutsche. Es gibt einen Nachbarn, der nicht gut ist<br />

– der andere ist besser. Lassen wir uns von den Ängsten nicht<br />

beherrschen. Reden wir miteinander. Einfach normal leben, vor<br />

Ort sein, fragen.<br />

Djamila Boumekik, Jahrgang 1962, Sekretärin, arbeitet als Stadtteilmutter<br />

in Berlin-Neukölln. Eike Stegen, Mitarbeiter im ASF-Projektbereich<br />

Interkulturlität hat ihren Beitrag aufgezeichnet.

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