11.01.2013 Aufrufe

zeichen - Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.

zeichen - Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.

zeichen - Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Keno Kunkel<br />

Gerechtigkeit und Recht<br />

schaffen<br />

Als ASF-Freiwilliger in Saint-Étienne habe ich zusammen mit<br />

meiner Mitfreiwilligen Leonie Jegen in dem Projekt Entraide<br />

Pierre Valdo als „Animateur“ Flüchtlinge durch Sozialarbeit und<br />

Freizeitangebote unterstützt.<br />

Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihr Heimatland verlassen:<br />

Sie sind auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen,<br />

nach neuen Perspektiven oder weil sie verfolgt werden und<br />

sich in großer Gefahr befinden. Die Flüchtlinge, mit denen ich<br />

während meines Freiwilligendienstes im französischen Saint-<br />

Entienne gearbeitet habe, hatten ganz unterschiedliche Herkunftsgeschichten.<br />

Einige erzählten uns davon, andere aber<br />

wiederum sprachen nie darüber. Manchen war ihr Schicksal<br />

auf den Körper gezeichnet.<br />

Sichtbare Spuren von Folter<br />

Wir begleiteten einen jungen Mann aus dem Kongo, dessen<br />

Asylverfahren gerade eröffnet wurde ,in die rechtsmedizinische<br />

Abteilung eines Krankenhauses zu einer ärztlichen Untersuchung.<br />

In dem kargen Untersuchungsraum saßen wir einem<br />

älteren Arzt gegenüber, der für seine rassistischen Äußerungen<br />

und sein herablassendes Verhalten gegenüber AsylbewerberInnen<br />

bekannt war. Der Kongolese erzählte von seinen Verletzungen,<br />

die er nach der Festnahme bei einer oppositionellen<br />

Demonstration in Kinshasa erlitten hatte. Er sollte sein T-Shirt<br />

ausziehen und seine Narben auf der Brust zeigen. Der Anblick<br />

schockierte mich. Neben einigen Schnitten zeigte er auf ein<br />

Rechteck auf seiner rechten Brust: ungefähr 30 kleine, in geometrischer<br />

Form angeordnete Narben. Den Begriff für das Folterinstrument,<br />

mit dem ihm diese Wunden zugefügt worden<br />

waren, konnte ich aufgrund noch mangelnder Französischkenntnisse<br />

nicht verstehen. Die Qualen, die dieser junge Mann,<br />

der vielleicht gerade mal fünf Jahre älter war als ich, erleiden<br />

musste und die Tatsache, dass er diese nun als Beweis für ein<br />

Anrecht auf Asyl präsentieren musste, erfüllten mich mit Wut.<br />

22<br />

Thema<br />

Jeden Mittwoch wird im Flüchtlingsprojekt „Entraide Pierre Valdo“ in<br />

Saint-Étienne ein Programm für Kinder organisiert.<br />

Koch- und Kinder-„Ateliers“<br />

Mein Freiwilligendienst in Frankreich war aber nicht nur von<br />

solchen schockierenden Erfahrungen geprägt. Wir, meine Mitfreiwillige<br />

Leonie und ich, waren in unserem Projekt im Team<br />

der „Animateuere“ und haben zusammen mit unseren französischen<br />

Kollegen ein Programm bestehend aus Sprachkursen,<br />

Hausaufgabenbetreuung, Ausflügen und verschiedenen<br />

so genannten „Ateliers“ für die BewohnerInnen von Asylbewerberunterkünften<br />

angeboten. Heitere Stunden während des<br />

Kochateliers, bei dem Spezialitäten aus den Heimatländern der<br />

Bewohner gekocht wurden, hoben die Stimmung wieder an. Bereichernd<br />

waren die vielen Stunden mit den Kindern – während<br />

der Hausaufgabenbetreuung, den Ausflügen und dem Zirkusatelier.<br />

Positiv überrascht haben mich dabei vor allem die Französischkenntnisse<br />

der Kinder. Sie profitieren davon, dass es in<br />

Frankreich für Kinder ab dem 3. Lebensjahr unentgeltlich eine<br />

Vorschule gibt. So lernen sie sehr schnell und früh Französisch.<br />

Menschen mit Migrationsgeschichte bin ich aber keinesfalls<br />

nur während meiner Arbeit im Projekt begegnet. Frankreich ist<br />

ein Einwanderungsland und in Saint-Etienne ist dies besonders<br />

sichtbar. Das Stadtbild ist geprägt von Halal-Fleischereien, Imbissbuden<br />

und arabischen Kulturvereinen. Der Direktor meines<br />

Projektes und zahlreiche Mitarbeiter haben Wurzeln in Nordafrika.<br />

So habe ich aus dem einjährigen Aufenthalt in Frankreich<br />

mit ASF einen großen Erfahrungsschatz und Einblick in<br />

verschiedene Kulturen mit nach Deutschland nehmen dürfen.<br />

Gleichzeitig habe ich aber erfahren müssen, wie ungleich die<br />

Rechte der Einzelnen in der Welt verteilt sind.<br />

Keno Kunkel, Jahrgang 1990, war bis August 2010 als<br />

ASF-Freiwilliger in St. Etienne in Frankreich.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!