Raubtierakzeptanz in der Schweiz: Erkenntnisse aus ... - Waldwissen
Raubtierakzeptanz in der Schweiz: Erkenntnisse aus ... - Waldwissen
Raubtierakzeptanz in der Schweiz: Erkenntnisse aus ... - Waldwissen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
For. Snow Landsc. Res. 76, 1/2: 285–300 (2001)<br />
<strong>Raubtierakzeptanz</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>:<br />
<strong>Erkenntnisse</strong> <strong>aus</strong> e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ungsumfrage zu Wald und Natur<br />
Stephan Wild-Eck 1 und Willi Zimmermann 2<br />
1 WSL Eidg. Forschungsanstalt, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, Switzerland<br />
stephan.wild@wsl.ch<br />
2 Professur Forstpolitik und Forstökonomie ETH Zentrum, CH-8092 Zürich, Switzerland<br />
willi.zimmermann@fowi.ethz.ch<br />
Abstract<br />
Acceptance of predators <strong>in</strong> Switzerland: F<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs from an op<strong>in</strong>ion poll of the Swiss population on<br />
attitudes to nature and forests<br />
Public perceptions of the immigration of such predators as the bear, wolf and lynx were <strong>in</strong>vestigated<br />
by the Swiss Agency for the Environment, Forests and Landscapes (SAFEL) us<strong>in</strong>g an<br />
op<strong>in</strong>ion poll. In the present work the context of this op<strong>in</strong>ion poll, the strategies for data collection<br />
as well as the results concern<strong>in</strong>g the acceptance of predators <strong>in</strong> Switzerland are presented. One<br />
ma<strong>in</strong> f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g is that, <strong>in</strong> Switzerland, public acceptance of the lynx is much higher than it is of bears<br />
and wolves. Another f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g is that ol<strong>der</strong> people tend to be above average <strong>in</strong> reject<strong>in</strong>g the<br />
presence of predators <strong>in</strong> Switzerland, as are the politically conservative and women. Based on the<br />
empirical results, at the end of the article further topics for research, as well as new questions, are<br />
suggested.<br />
Keywords: lynx, bear, wolf, predators, attitudes, acceptance, telephone survey, Switzerland<br />
1 E<strong>in</strong>leitung<br />
Im Rahmen e<strong>in</strong>es Forschungsauftrages des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft<br />
(BUWAL) haben die Professur Forstpolitik und Forstökonomie <strong>der</strong> ETH Zürich und das<br />
Institut für Soziologie <strong>der</strong> Universität Bern im Herbst 1997 e<strong>in</strong>e repräsentativ angelegte<br />
Telefonbefragung zum Thema «Gesellschaftliche Ansprüche an den <strong>Schweiz</strong>er Wald» durchgeführt<br />
(BUWAL 1999). Dabei wurden <strong>in</strong>sgesamt über 100 Fragen zu ganz verschiedenen<br />
wald- und umweltrelevanten Themenbereichen gestellt. Die Palette <strong>der</strong> berücksichtigten<br />
Themen reichte von allgeme<strong>in</strong>en Fragen zur Umwelt, über die <strong>in</strong>dividuelle Waldnutzung, bis<br />
h<strong>in</strong> zu <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufung von konkreten forstpolitischen Massnahmen. Weitere E<strong>in</strong>zelergebnisse<br />
<strong>aus</strong> dem Projekt, auf dem dieser Beitrag basiert, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> zwei BUWAL-Bullet<strong>in</strong>s<br />
veröffentlicht (FRANZEN et al. 1998, ZIMMERMANN et al. 1999).<br />
Innerhalb e<strong>in</strong>es Fragenkomplexes, <strong>der</strong> sich mit den Ansichten <strong>der</strong> Befragten zur Jagd, zu<br />
Naturschutzreservaten und zum Lebensraum Wald im Allgeme<strong>in</strong>en beschäftigte, wurden die<br />
Interviewten auch mit e<strong>in</strong>er dreiteiligen Frage zu wild lebenden Raubtieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
konfrontiert. Konkret wurde danach gefragt, «ob <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> Wildtiere wie <strong>der</strong> Luchs,<br />
<strong>der</strong> Wolf o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bär bei ihrer E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung geduldet werden sollen». Die Antwortmöglichkeiten<br />
wurden gleichzeitig auf «ich b<strong>in</strong> für die Duldung», «ich b<strong>in</strong> dagegen» sowie «ich<br />
habe mir noch ke<strong>in</strong> Urteil gebildet» e<strong>in</strong>geschränkt. Aufgrund des Laienstatus <strong>der</strong> nach<br />
Zufallspr<strong>in</strong>zip <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Wohnbevölkerung über 18 Jahren <strong>aus</strong>gewählten befragten<br />
Personen, musste die Frage wenig differenziert gehalten werden. Damit kann e<strong>in</strong> generelles<br />
Bild davon ermittelt werden, wie die breite Bevölkerung über den natürlichen Vorstoss <strong>der</strong><br />
genannten Tiere <strong>in</strong> unser Land beziehungsweise <strong>der</strong>en Ausbreitung <strong>in</strong> unserem Land denkt.<br />
285
286 Stephan Wild-Eck, Willi Zimmermann<br />
Die Fragen waren gezielt auf die Duldung e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>ter Raubtiere und nicht auf <strong>der</strong>en<br />
Wie<strong>der</strong>ansiedlung <strong>aus</strong>gerichtet. Ob sich die Befragten dieser Unterscheidung bewusst<br />
waren, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Durch die Tatsache, dass während des<br />
Pretests und <strong>der</strong> Interviews von den Interviewenden ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>wände gegen die gewählte<br />
Formulierung «Duldung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung» zu verzeichnen waren, kann jedoch geschlossen<br />
werden, dass für die breite Bevölkerung die erwähnte Differenzierung unbedeutend ist<br />
respektive sich <strong>aus</strong>serhalb <strong>der</strong> vorhandenen Denkmuster bef<strong>in</strong>det. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Die<br />
Antworten auf die gestellten Fragen s<strong>in</strong>d Indikatoren dafür, ob es <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> – <strong>in</strong>skünftig<br />
– Luchse, Bären respektive Wölfe haben darf.<br />
Im Rahmen dieses Artikels sollen Ergebnisse präsentiert und <strong>in</strong>terpretiert werden, die<br />
sich aufgrund <strong>der</strong> erwähnten <strong>in</strong>haltlichen Frage zu den Wildtieren <strong>in</strong> Verknüpfung mit weiteren<br />
<strong>in</strong>haltlichen sowie soziodemographischen Merkmalen (Merkmalen <strong>der</strong> Person) ergeben.<br />
Trotz <strong>der</strong> Beschränkung auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige <strong>in</strong>haltliche Frage ergeben sich verschiedene<br />
s<strong>in</strong>nvolle Analysemöglichkeiten, welche zu Erkenntnis br<strong>in</strong>genden Befunden führen.<br />
2 Methode<br />
Die bereits erwähnte gesamtschweizerische Telefonumfrage (zum E<strong>in</strong>satz und zu unterschiedlichen<br />
Formen von Befragungen vgl. WILD-ECK 2001a), auf welcher <strong>der</strong> vorliegende<br />
Artikel aufbaut, wurde von den am Projekt beteiligten Forschungs<strong>in</strong>stituten <strong>in</strong> Eigenregie<br />
im Telefonlabor des Instituts für Sozial- und Präventivmediz<strong>in</strong> <strong>der</strong> Universität Bern durchgeführt.<br />
Zwischen Anfang September und Ende November 1997 s<strong>in</strong>d 2018 Personen telefonisch<br />
befragt worden. Die durchschnittliche Dauer für das gesamte Interview betrug 32<br />
M<strong>in</strong>uten (FRANZEN et al. 1998b, ZIMMERMANN et al. 1998).<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Mehrsprachigkeit <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> ist die ganze Umfrage dreisprachig –<br />
deutsch, französisch und italienisch – konzipiert und durchgeführt worden (Tab. 1).<br />
Tab. 1. Durchgeführte Interviews nach Sprache (nach FRANZEN et al. 1998b).<br />
Sprache Anzahl durchgeführter Interviews<br />
Deutsch 1422<br />
Französisch 411<br />
Italienisch 185<br />
Gesamt: 2018<br />
Grundgesamtheit <strong>der</strong> Studie bildete die ständige Wohnbevölkerung <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> ab 18<br />
Jahren. Es wurden jedoch diejenigen Personen <strong>aus</strong>geklammert, bei denen sich aufgrund von<br />
Verständigungsschwierigkeiten <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> drei Landessprachen e<strong>in</strong> Interview durchführen<br />
liess.<br />
Die Stichproben<strong>aus</strong>wahl basierte auf dem aktuellsten Telefonbuch <strong>der</strong> Swisscom. Aus<br />
diesem Verzeichnis wurden zufällig Adressen gezogen. Mit dieser ersten Auswahl wurde<br />
e<strong>in</strong>e zufällige H<strong>aus</strong>halts<strong>aus</strong>wahl für die angestrebte Grundgesamtheit ermittelt. In e<strong>in</strong>er<br />
zweiten Auswahl wurde mittels <strong>der</strong> sogenannten Geburtstagsmethode e<strong>in</strong>e Zufalls<strong>aus</strong>wahl<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>aus</strong>gewählten H<strong>aus</strong>halte durchgeführt. Es wurde diejenige im H<strong>aus</strong>halt<br />
lebende Person befragt, die zur Grundgesamtheit zählt und zuletzt Geburtstag hatte (vgl.<br />
DIEKMANN 1995). 1<br />
1 Auf die grössenbed<strong>in</strong>gte Überrepräsentierung des Tess<strong>in</strong>s und die anschliessende Rückgewichtung<br />
soll hier nicht näher e<strong>in</strong>gegangen werden, son<strong>der</strong>n es sei verwiesen auf FRANZEN et al. (1998b).
For. Snow Landsc. Res. 76, 1/2 (2001)<br />
Aufgrund dieses Verfahrens hatten es Personen <strong>aus</strong> kle<strong>in</strong>en H<strong>aus</strong>halten leichter, <strong>in</strong> die<br />
Stichprobe zu gelangen als Personen <strong>aus</strong> grossen H<strong>aus</strong>halten. Diese Verzerrung wird jedoch<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel dadurch relativiert respektive kompensiert, dass Menschen <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en H<strong>aus</strong>halten<br />
telefonisch schwieriger zu erreichen s<strong>in</strong>d. Auf e<strong>in</strong>e Gewichtung <strong>der</strong> H<strong>aus</strong>halte wurde<br />
deshalb verzichtet. Gleichzeitig hat sich bei e<strong>in</strong>er Überprüfung von Gewichtungseffekten<br />
auf die Stichprobenparameter gezeigt, dass sich das ungewichtete Sample besser mit den<br />
angestrebten statistischen Vergleichszahlen <strong>der</strong> Grundgesamtheit deckt als e<strong>in</strong> nach H<strong>aus</strong>haltsgrösse<br />
gewichteter Datensatz (FRANZEN et al. 1998b).<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>aus</strong>gewählten Stichprobe mussten von anfänglich 3700 Adressen (Bruttostichprobe)<br />
733 Adressen <strong>aus</strong> stichprobenneutralen Gründen (z. B. Geschäftsadresse, Anschluss<br />
nicht <strong>in</strong> Betrieb, Verständigungsprobleme <strong>in</strong> Interviewsprachen) elim<strong>in</strong>iert werden. Mit den<br />
verbleibenden 2967 Adressen konnten 2018 Interviews durchgeführt werden, was e<strong>in</strong>er Ausschöpfung<br />
von 68,0% entspricht. Die Ausschöpfungsquote von 68% kann im Vergleich mit<br />
an<strong>der</strong>en entsprechenden Untersuchungen (z. B. <strong>Schweiz</strong>er Umweltsurvey 1994, DIEKMANN<br />
und FRANZEN 1995) als hoch bezeichnet werden. E<strong>in</strong>e hohe Ausschöpfung bildet die<br />
primäre Grundlage für die Qualität <strong>der</strong> anschliessend gemachten repräsentativen Befunde.<br />
Beim Vergleich <strong>der</strong> Stichprobe mit <strong>der</strong> amtlichen Statistik zeigt sich grundsätzlich, dass<br />
die Stichprobe die angestrebte Grundgesamtheit sehr gut wie<strong>der</strong>gibt (Tab. 2).<br />
Tab. 2.Vergleich zentraler Variablen <strong>der</strong> Stichprobe mit <strong>der</strong> offiziellen Statistik (Bundesamt für Statistik<br />
1997; nach FRANZEN et al. 1998b).<br />
Variable Ausprägung BUWAL-Studie Statistisches Jahrbuch<br />
Geschlecht Männer 48,3% 48,15%<br />
Frauen 51,7% 51,85%<br />
Alter 20–39 Jahre 39,3% 39,6%<br />
40–64 Jahre 43,3% 40,9%<br />
65 und älter 17,4% 19,5%<br />
Zivilstand Ledig 29,7% 26,4%<br />
Verheiratet 55,2% 59,6%<br />
Geschieden 8,3% 6,5%<br />
Verwitwet 6,8% 7,5%<br />
H<strong>aus</strong>haltsgrösse 1 Person 24,3% 32,4%<br />
2 Personen 37,1% 31,7%<br />
3 Personen 14,7% 14,9%<br />
4 Personen 16,3% 14,5%<br />
5 Personen und mehr 7,6% 6,5%<br />
Da die Stichprobe die anvisierte Wohnbevölkerung über 18 Jahren sehr genau wie<strong>der</strong>gibt<br />
und die Ausschöpfung vergleichsweise hoch ist, zeichnen die zu erwartenden Ergebnisse e<strong>in</strong><br />
repräsentatives Bild. Der Stichprobenumfang von rund 2000 Interviewten für die Gesamtstichprobe<br />
verspricht dabei e<strong>in</strong>e Messgenauigkeit <strong>der</strong> Ergebnisse von ±2,2% (FRANZEN<br />
et al. 1998b): Bei Teilstichproben erhöht sich <strong>der</strong> mögliche Messfehler mit abnehmen<strong>der</strong><br />
Gruppengrösse. Für die relativ kle<strong>in</strong>e Stichprobe <strong>der</strong> italienischsprachigen <strong>Schweiz</strong> (n=183)<br />
ist die Fehlermarge beispielsweise bei ±7%.<br />
287
288 Stephan Wild-Eck, Willi Zimmermann<br />
3 Ergebnisse<br />
3.1 Allgeme<strong>in</strong>e Akzeptanz von Raubtieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Als Erstes <strong>in</strong>teressiert das generelle Urteil <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Wohnbevölkerung zur Duldung<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gewan<strong>der</strong>ten Raubtiere Luchs, Bär und Wolf. Aus Tabelle 3 kann zunächst entnommen<br />
werden, dass weniger als 10% <strong>der</strong> Bevölkerung ke<strong>in</strong> Urteil abgegeben hat. Die weit<strong>aus</strong><br />
überwiegende Mehrheit fühlt sich h<strong>in</strong>gegen kompetent genug, e<strong>in</strong>e eigene Ansicht zu äussern.<br />
Ebenso wird ersichtlich, dass sich bei allen genannten Tieren mehr Befragte für als<br />
gegen e<strong>in</strong>e Duldung <strong>aus</strong>sprechen. H<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Tierarten s<strong>in</strong>d jedoch erhebliche<br />
Unterschiede festzustellen. Am deutlichsten fällt das wohlwollende Urteil beim Luchs<br />
<strong>aus</strong>, für dessen Duldung sprechen sich mehr als viermal so viele Personen <strong>aus</strong> als für dessen<br />
Rückweisung.<br />
Während beim Luchs klare Mehrheitsverhältnisse zu registrieren s<strong>in</strong>d, zeigt sich bei Bär<br />
und Wolf e<strong>in</strong> weniger e<strong>in</strong>deutiges Bild. Bei Bär und Wolf s<strong>in</strong>d wie beim Luchs mehr zustimmende<br />
Urteile zu zählen als ablehnende, doch liegen die Verhältnisse von Zustimmung zu<br />
Ablehnung mit 1,58 (Wolf) respektive 1,30 (Bär) viel näher bei e<strong>in</strong>er Pattsituation als beim<br />
Luchs.<br />
Tab. 3. Ansicht <strong>der</strong> schweizerischen Bevölkerung zur Duldung von Luchs, Bär und Wolf. * Ratio =<br />
Verhältnis von Duldung zu Nichtduldung<br />
Variable Für Duldung gegen Duldung (noch) ohne Me<strong>in</strong>ung Ratio *<br />
Luchs 74% 18% 8% 4,11<br />
Bär 52% 40% 8% 1,30<br />
Wolf 57% 36% 7% 1,58<br />
Die repräsentativen Bevölkerungsantworten zeigen auf, dass sich rund die Hälfte <strong>der</strong><br />
Bevölkerung für, knapp e<strong>in</strong> Sechstel gegen die Duldung sämtlicher Wildtiere <strong>aus</strong>spricht<br />
(Tab. 4). Dies bedeutet unter an<strong>der</strong>em, dass fast vier von zehn Personen Unterscheidungen<br />
zwischen den verschiedenen Raubtieren machen, was <strong>der</strong>en Duldung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> anbetrifft.<br />
Dabei ist am häufigsten das Antwortmuster anzutreffen, dass zwar <strong>der</strong> Luchs geduldet<br />
werden soll, Bär und Wolf jedoch nicht. Insgesamt kann somit von e<strong>in</strong>em differenzierten<br />
Urteil <strong>der</strong> Bevölkerung h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Duldung verschiedener Raubtierarten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong> <strong>aus</strong>gegangen werden.<br />
Tab. 4. Häufigste Antwortmuster zu den drei genannten Wildtieren (Luchs, Bär und Wolf) <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung<br />
Antwortkomb<strong>in</strong>ation Anzahl Nennungen Anteil an allen Nennungen<br />
Für Duldung aller Wildtiere 931 46,7%<br />
Gegen Duldung aller Wildtiere 312 15,6%<br />
Für Duldung Luchs, gegen Bär und Wolf 272 13,7%<br />
Für Duldung Luchs und Wolf, gegen Bär 122 6,1%<br />
Ke<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung bei allen Wildtieren 74 3,7%<br />
Übrige Antwortkomb<strong>in</strong>ationen 284 14,2%
For. Snow Landsc. Res. 76, 1/2 (2001)<br />
Gleichzeitig ist festzustellen, dass sich alle möglichen Antwortmuster f<strong>in</strong>den lassen, beispielsweise<br />
auch, dass die Duldung des Luchses abgelehnt wird, Wolf und Bär jedoch willkommen<br />
se<strong>in</strong> sollen. Obwohl e<strong>in</strong>e grosse Vielfalt an Antwortkomb<strong>in</strong>ationen festzustellen<br />
ist, s<strong>in</strong>d die generelle Zustimmung zu sämtlichen erwähnten Raubtieren und die beson<strong>der</strong>e<br />
Akzeptanz des Luchses deutlich das häufigste Muster <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung.<br />
3.2 E<strong>in</strong>stellungen e<strong>in</strong>zelner Bevölkerungsgruppen<br />
Nach <strong>der</strong> Darstellung des generellen Urteils <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung stellt sich nun die Frage,<br />
welche Personengruppen sich denn beson<strong>der</strong>s raubtierfreundlich beziehungsweise -skeptisch<br />
zeigen. In Tabelle 5 s<strong>in</strong>d die Befunde <strong>aus</strong> e<strong>in</strong>er multivariaten Analyse (logistische<br />
Regression) angeführt.<br />
Tab. 5. Zusammenhang zwischen den soziodemographischen Merkmalen und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung gegenüber<br />
<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>ansiedlung von Luchs, Bär und Wolf (logistische Regression). Mit e<strong>in</strong>em * s<strong>in</strong>d Effekte<br />
gekennzeichnet, die für e<strong>in</strong>en Zusammenhang e<strong>in</strong>e Irrtumswahrsche<strong>in</strong>lichkeit von 5% o<strong>der</strong> weniger<br />
<strong>aus</strong>weisen, Effekte mit ** weisen e<strong>in</strong>e Irrtumswahrsche<strong>in</strong>lichkeit
290 Stephan Wild-Eck, Willi Zimmermann<br />
E<strong>in</strong> erster Befund zeigt auf, dass Frauen <strong>der</strong> Duldung sämtlicher berücksichtigter Wildtiere<br />
signifikant zurückhalten<strong>der</strong> gegenüberstehen als Männer. 2 In konkreten Zahlen lässt<br />
sich dies für den Bären folgen<strong>der</strong>massen beschreiben: Während unter den Männern auf acht<br />
die Duldung befürwortende Stimmen nur fünf ablehnende kommen, halten sich bei den<br />
Frauen zustimmende und ablehnende <strong>in</strong> etwa die Waage (Tab. 6). Im Allgeme<strong>in</strong>en befürworten<br />
die Männer e<strong>in</strong>e Rückkehr o<strong>der</strong> Anwesenheit <strong>der</strong> Raubtiere positiver als die Frauen.<br />
We<strong>der</strong> die <strong>aus</strong>gewerteten Ergebnisse noch die vorhandenen Daten liefern e<strong>in</strong>e <strong>aus</strong>reichende<br />
Erklärung für diese unterschiedliche E<strong>in</strong>stellung. Es ist zu erwarten, dass hier mit<br />
spezifischen und vermehrt qualitativen Interviews, wie sie beispielsweise bei WILD-ECK<br />
(2001b) zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Eidg. Forschungsanstalt WSL durchgeführt o<strong>der</strong><br />
geplant s<strong>in</strong>d, bessere Erklärungsmuster gefunden werden können (CALUORI et al. 1999,<br />
HUNZIKER 1998). Dabei können <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch emotionale Erklärungsansätze wie<br />
Angst und Symbolik (<strong>in</strong>klusive Mythologie, z. B. WALLNER 1998) näher untersucht werden.<br />
Tab. 6. Ansicht zur Duldung von Luchs, Bär und Wolf nach Geschlecht. * Ratio = Verhältnis von<br />
Duldung zu Nichtduldung.<br />
Variable Geschlecht für Duldung Gegen Duldung (noch) ohne Me<strong>in</strong>ung Ratio *<br />
Luchs Männer 79% 15% 6% 5,28<br />
Frauen 70% 20% 10% 3,41<br />
Bär Männer 58% 36% 6% 1,59<br />
Frauen 47% 43% 10% 1,08<br />
Wolf Männer 62% 32% 6% 1,95<br />
Frauen 52% 39% 9% 1,33<br />
Aufgrund <strong>der</strong> logistischen Regression zeigt sich auch, dass e<strong>in</strong> negativer Zusammenhang<br />
zwischen Alter und Urteil zur Raubtierduldung besteht. Mit steigendem Alter nimmt die<br />
Akzeptanz <strong>der</strong> drei genannten Raubtiere merklich ab. Da die logistische Regression von<br />
e<strong>in</strong>em l<strong>in</strong>earen Messmodell <strong>aus</strong>geht, kommen nicht l<strong>in</strong>eare Verläufe unter Umständen nicht<br />
gebührend zum Ausdruck. Die Betrachtung <strong>der</strong> Verteilungen <strong>in</strong> sechs Altersklassen macht<br />
e<strong>in</strong>es deutlich (Tab. 7):Während sich die Urteile <strong>der</strong> Altersgruppen <strong>der</strong> unter 50jährigen nur<br />
unwesentlich unterscheiden, nimmt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Duldungsgegner o<strong>der</strong> -gegner<strong>in</strong>nen ab<br />
<strong>der</strong> Kategorie <strong>der</strong> 50- bis 59jährigen markant zu. Bei Bär und Wolf s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Alterskategorien<br />
<strong>der</strong> über 60jährigen jeweils deutliche ablehnende Mehrheiten zu f<strong>in</strong>den. Über die<br />
Gründe dieser ab 50 Jahren markant abnehmenden Toleranz gegenüber wilden Raubtieren<br />
geben die bisherigen Auswertungen ke<strong>in</strong>e Auskunft. E<strong>in</strong>e mögliche pl<strong>aus</strong>ible Erklärung<br />
könnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unterschiedlichen Naturverständnis von jüngeren und älteren Menschen zu<br />
f<strong>in</strong>den se<strong>in</strong>, das aufgrund des unterschiedlichen Sozialisationszeitpunktes besteht. Während<br />
früher die Natur eher als Gegner<strong>in</strong> gesehen wurde, wird diese heute eher positiv bewertet.<br />
Auch hierzu könnten die bereits erwähnten qualitativen Interviews mögliche Erklärungsansätze<br />
liefern.<br />
2 Zur Hilfe bei <strong>der</strong> Interpretation von Tabelle 5 soviel: Wo Koeffizienten mit ** versehen s<strong>in</strong>d, da<br />
besteht e<strong>in</strong> hoch signifikanter Zusammenhang, wo * steht, e<strong>in</strong> signifikanter. S<strong>in</strong>d die entsprechenden<br />
Koeffizienten positiv, dann besteht zwischen den beiden Bezugsvariablen e<strong>in</strong> positiver Zusammenhang.<br />
Am Beispiel des geschlechtsspezifischen Urteils zum Luchs heisst dies: Der Koeffizient ist<br />
hoch signifikant und positiv (0,75), Frauen haben den Wert 0, Männer den Wert 1 auf <strong>der</strong><br />
Geschlechtsvariablen. Dar<strong>aus</strong> folgt: Männer (höherer Wert auf <strong>der</strong> Geschlechtsvariable) haben<br />
höheren Wert auf <strong>der</strong> Luchsvariable. Höherer Wert beim Luchs heisst aber höherer Anteil an<br />
Zustimmung. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Männer stimmen <strong>der</strong> Duldung des Luchses signifikant stärker zu<br />
als Frauen.
For. Snow Landsc. Res. 76, 1/2 (2001)<br />
Tab.7. Ansicht zur Duldung von Luchs, Bär und Wolf nach Alter. *Ratio = Verhältnis von Duldung zu<br />
Nichtduldung. Ratio kle<strong>in</strong>er 1 (fett-kursiv): Mehrheit gegen Duldung.<br />
Variable Altersgruppe für Duldung Gegen Duldung (noch) ohne Me<strong>in</strong>ung Ratio *<br />
Luchs 18–29 Jahre 76% 17% 7% 4,47<br />
30–39 Jahre 82% 10% 8% 8,20<br />
40–49 Jahre 80% 13% 7% 6,15<br />
50–59 Jahre 74% 18% 8% 4,11<br />
60–69 Jahre 61% 28% 11% 2,18<br />
ab 70 Jahren 55% 35% 10% 1,57<br />
Bär 18–29 Jahre 58% 36% 6% 1,61<br />
30–39 Jahre 59% 33% 8% 1,79<br />
40–49 Jahre 60% 31% 9% 1,94<br />
50–59 Jahre 49% 41% 10% 1,20<br />
60–69 Jahre 35% 56% 9% 0,63<br />
ab 70 Jahren 31% 65% 4% 0,48<br />
Wolf 18–29 Jahre 64% 30% 6% 2,13<br />
30–39 Jahre 65% 26% 9% 2,50<br />
40–49 Jahre 65% 28% 7% 2,32<br />
50–59 Jahre 53% 38% 9% 1,39<br />
60–69 Jahre 40% 53% 7% 0,75<br />
ab 70 Jahren 33% 61% 6% 0,54<br />
Die multivariate Analyse führt ferner zum Ergebnis, dass mit steigendem Bildungsniveau<br />
die Befürwortung von Luchs, Bär und Wolf <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> ansteigt. Je besser die formale<br />
Bildung e<strong>in</strong>er Person ist, desto eher befürwortet diese die genannten Raubtiere <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>. Dieser Befund beschränkt sich nur auf die allgeme<strong>in</strong>e formale Bildung; er kann<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e nicht auf das effektive Wissen bezüglich Raubtiere o<strong>der</strong> auf das ökologische<br />
Grundwissen übertragen werden. Die Hypothese, wonach sich «grosses ökologisches<br />
Grundwissen … akzeptanzför<strong>der</strong>nd (für die Wildtiere <strong>aus</strong>wirkt)» (EGLI et al. 1998) wird von<br />
<strong>der</strong> vorliegenden Untersuchung we<strong>der</strong> bestätigt noch wi<strong>der</strong>legt.<br />
Ähnlich ist e<strong>in</strong> weiterer Befund, wonach sich das Umweltbewusstse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Person positiv<br />
auf die Duldung <strong>der</strong> Raubtiere <strong>aus</strong>wirkt: je höher das gemessene Umweltbewusstse<strong>in</strong><br />
(gemessen mit e<strong>in</strong>er 9 Items umfassenden Skala, FRANZEN und HUNGERBÜHLER 1999),<br />
desto höher die Akzeptanz von Luchs, Bär und Wolf. Noch <strong>aus</strong>geprägter ist <strong>der</strong> Effekt, <strong>der</strong><br />
sich aufgrund e<strong>in</strong>er Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Natur- o<strong>der</strong> Umweltschutzorganisation ergibt:<br />
Mitglie<strong>der</strong> von Umwelt- und Naturschutzgruppen befürworten die Anwesenheit <strong>der</strong> Raubtiere<br />
signifikant deutlicher als Nichtmitglie<strong>der</strong>. Diese beiden Befunde stellen ke<strong>in</strong>e Überraschung<br />
dar, s<strong>in</strong>d es doch <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie umweltbewusste Menschen und Mitglie<strong>der</strong> von<br />
Umwelt- und Naturschutzorganisationen o<strong>der</strong> diese selber, die im politischen Prozess am<br />
stärksten für die Duldung o<strong>der</strong> sogar für e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>ansiedlung <strong>der</strong> Raubtiere e<strong>in</strong>getreten<br />
s<strong>in</strong>d (Luchs) o<strong>der</strong> immer noch e<strong>in</strong>treten (Wolf und Bär). Welche Haltung Vertreter und<br />
Vertreter<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> «an<strong>der</strong>en» Seite (vor allem Jäger und Schafzüchter) e<strong>in</strong>nehmen, kann<br />
aufgrund <strong>der</strong> vorliegenden Befragung nicht beantwortet werden. Zum e<strong>in</strong>en wurden die<br />
Interviewten nicht nach ihrer Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er solchen Gruppierung befragt, zum<br />
an<strong>der</strong>en hätten sich selbst bei e<strong>in</strong>er konkreten Befragung Probleme <strong>der</strong> Repräsentativität<br />
gestellt (zu kle<strong>in</strong>e Teilstichprobe).<br />
291
292 Stephan Wild-Eck, Willi Zimmermann<br />
3.3 Regionsspezifische Ergebnisse<br />
Bedeutend ungewisser als <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss des Umweltbewusstse<strong>in</strong>s auf die <strong>Raubtierakzeptanz</strong><br />
war <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen regionalen Aspekten und Raubtierduldung. Von beson<strong>der</strong>em<br />
Interesse waren hier die regionale Verankerung <strong>der</strong> Befragten auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en, sowie<br />
das tatsächliche und wahrsche<strong>in</strong>liche Verbreitungsgebiet von Luchs, Wolf und Bär auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite. Wie die nachfolgenden <strong>aus</strong>gewählten Analysen zeigen, hat die Umfrage<br />
gen<strong>aus</strong>o Unterschiede wie Übere<strong>in</strong>stimmungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> Bevölkerung verschiedener<br />
Landesteile o<strong>der</strong> Regionen zu Tage geför<strong>der</strong>t. Interessant s<strong>in</strong>d nicht nur die<br />
unterschiedlichen, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>zelne unerwartete gleiche Ansichten und Me<strong>in</strong>ungen.<br />
So hat die Analyse mittels logistischer Regression ergeben, dass zwischen Stadt und Land<br />
ke<strong>in</strong>e signifikanten Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> <strong>Raubtierakzeptanz</strong> bestehen. Von e<strong>in</strong>em<br />
Stadt-Land-Gefälle, wie es aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen realen respektive potentiellen<br />
Betroffenheit zu vermuten ist, kann nicht gesprochen werden. Insgesamt bleibt somit festzuhalten,<br />
dass sich die Ansichten zur Duldung von Luchs, Bär und Wolf zwischen <strong>der</strong> Stadtund<br />
Landbevölkerung nicht unterscheiden.<br />
Tab. 8. Ansicht zur Duldung von Luchs, Bär und Wolf nach Wohnregion. * Ratio = Verhältnis von<br />
Duldung zu Nichtduldung.<br />
Variable Wohnregion für Duldung gegen Duldung (noch) ohne Me<strong>in</strong>ung Ratio *<br />
Luchs alp<strong>in</strong> 63% 24% 13% 2,58<br />
<strong>aus</strong>seralp<strong>in</strong> 75% 17% 8% 4,54<br />
Bär alp<strong>in</strong> 52% 38% 10% 1,38<br />
<strong>aus</strong>seralp<strong>in</strong> 53% 40% 8% 1,33<br />
Wolf alp<strong>in</strong> 57% 35% 8% 1,63<br />
<strong>aus</strong>seralp<strong>in</strong> 57% 35% 8% 1,62<br />
Die Betroffenheit durch die mögliche Anwesenheit <strong>der</strong> genannten Wildraubtiere unterscheidet<br />
sich nicht nur zwischen Stadt und Land, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> noch <strong>aus</strong>geprägterem Ausmass<br />
zwischen alp<strong>in</strong>en und nichtalp<strong>in</strong>en Gebieten. Den Vergleich <strong>der</strong> Antwortmuster <strong>aus</strong> diesen<br />
beiden Grossregionen erlaubt Tabelle 8. Während sich bei Bär und Wolf die Ansichten <strong>der</strong><br />
Bewohner<strong>in</strong>nen und Bewohner des Alpenraums überhaupt nicht von den entsprechenden<br />
Vorstellungen <strong>der</strong> Nichtalp<strong>in</strong>en unterscheiden, ist beim Luchs <strong>in</strong> den Alpen e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Skepsis weiter verbreitet. Zwar ist auch <strong>in</strong> den Alpen die Zustimmung zur Duldung des<br />
Luchses gross (fast zwei Drittel befürwortende Stimmen), doch jede vierte Person lehnt die<br />
Duldung dieses Tieres ab und etwa jede achte Person hat sich noch ke<strong>in</strong>e feste Me<strong>in</strong>ung<br />
gebildet. Damit ist festzustellen, dass auch dort, wo sich <strong>der</strong> (potentielle) Lebensraum des<br />
Luchses primär bef<strong>in</strong>det o<strong>der</strong> bef<strong>in</strong>den wird, dessen Präsenz mehrheitlich akzeptiert wird,<br />
gleichzeitig aber kritische Stimmen überdurchschnittlich häufig s<strong>in</strong>d.<br />
In <strong>der</strong> viersprachigen <strong>Schweiz</strong> stets von Interesse s<strong>in</strong>d sprachspezifische Beson<strong>der</strong>heiten.<br />
Mittels <strong>der</strong> vorliegenden Daten kann für die drei grossen Sprachgeme<strong>in</strong>schaften «Deutsch»,<br />
«Französisch» und «Italienisch» je geson<strong>der</strong>t das Antwortverhalten analysiert und verglichen<br />
werden. Die Romanischsprachigen s<strong>in</strong>d deutsch befragt worden und so Teil dieser<br />
Sprachgruppe. Dies ist <strong>aus</strong> Sprachorientierungsgründen methodisch durch<strong>aus</strong> zu verantworten.
For. Snow Landsc. Res. 76, 1/2 (2001)<br />
Sprachbezogene Analysen s<strong>in</strong>d nicht nur <strong>aus</strong> regionalpolitisch-fö<strong>der</strong>alistischen Gründen<br />
(Schlagwort: «Röstigraben») von beson<strong>der</strong>em Interesse, son<strong>der</strong>n deshalb, weil Objekte <strong>in</strong><br />
unterschiedlichen Sprachräumen verschieden symbolisiert beziehungsweise kulturell verankert<br />
se<strong>in</strong> können (vgl. RASELLI und WILD 1994). Inwiefern die Raubtiere Luchs, Bär und<br />
Wolf <strong>in</strong> den drei grossen schweizerischen Sprachräumen repräsentiert s<strong>in</strong>d, kann an dieser<br />
Stelle nicht beantwortet werden. Doch wären allfällig festzustellende Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Akzeptanz von Luchs, Bär und Wolf <strong>in</strong> den drei Sprachräumen vor diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />
weiter zu beleuchten.<br />
Die Romand(e)s unterscheiden sich aufgrund <strong>der</strong> multivariaten Auswertung <strong>in</strong> ihrem<br />
Antwortverhalten e<strong>in</strong>zig beim Luchs von den Befragten <strong>aus</strong> <strong>der</strong> übrigen <strong>Schweiz</strong> (deutsch<br />
und italienisch). Im französischen Sprachraum ist die Zustimmung zur Duldung des Luchses<br />
weniger deutlich (Tab. 9). Doch auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Romandie sprechen sich noch zwei Drittel <strong>der</strong><br />
Befragten für die Anwesenheit des Luchses <strong>aus</strong>. Aufgrund <strong>der</strong> Aufstellung <strong>in</strong> Tabelle 9<br />
ist gar anzunehmen, dass sich beim Luchs e<strong>in</strong>e Differenzierung zwischen deutscher und<br />
late<strong>in</strong>ischer <strong>Schweiz</strong> zeigt, denn bivariat s<strong>in</strong>d es die Antwortmuster <strong>aus</strong> französischer und<br />
italienischer <strong>Schweiz</strong>, die sich von denjenigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Deutschschweiz unterscheiden.<br />
Tab. 9. Ansicht zur Duldung von Luchs, Bär und Wolf nach Wohnregion. * Ratio = Verhältnis von<br />
Duldung zu Nichtduldung.<br />
Variable Sprache für Duldung gegen Duldung (noch) ohne Me<strong>in</strong>ung Ratio *<br />
Luchs Deutsch 77% 15% 8% 5,13<br />
Französisch 66% 25% 9% 2,64<br />
Italienisch 66% 19% 15% 3,47<br />
Bär Deutsch 52% 40% 8% 1,30<br />
Französisch 50% 42% 8% 1,19<br />
Italienisch 64% 25% 11% 2,56<br />
Wolf Deutsch 56% 36% 8% 1,56<br />
Französisch 56% 37% 7% 1,51<br />
Italienisch 66% 24% 10% 2,75<br />
E<strong>in</strong>drücklich s<strong>in</strong>d die Unterschiede zwischen italienischer und übriger <strong>Schweiz</strong> betreffend<br />
die beiden an<strong>der</strong>en Raubtierarten: 3 sowohl Wolf als auch Bär werden von <strong>der</strong> italienisch<br />
sprechenden Bevölkerung mit klar überdurchschnittlichen Mehrheiten willkommen<br />
geheissen. Im italienischen Sprachraum sprechen sich jeweils rund zwei Drittel <strong>der</strong> Befragten<br />
für e<strong>in</strong>e Duldung von Wolf und Bär <strong>aus</strong>, währenddem sich nur e<strong>in</strong> Viertel gegen <strong>der</strong>en<br />
Duldung äussert. Aus Tabelle 9 geht auch die <strong>in</strong>teressante Tatsache hervor, dass sich die<br />
Urteile <strong>der</strong> Italienischsprachigen zu Luchs, Bär und Wolf kaum unterscheiden. Bei allen drei<br />
Raubtierarten s<strong>in</strong>d es rund zwei Drittel <strong>der</strong> Befragten, die sich für <strong>der</strong>en Duldung <strong>aus</strong>spre-<br />
3 Diese Aussagen behalten ihre Gültigkeit auch unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Stichprobengrösse <strong>der</strong><br />
italienischsprachigen <strong>Schweiz</strong> von n=183, denn die Differenzen zur übrigen <strong>Schweiz</strong> fallen durchwegs<br />
hoch signifikant <strong>aus</strong>.<br />
293
294 Stephan Wild-Eck, Willi Zimmermann<br />
chen. Dagegen ist im deutschen und französischen Sprachraum e<strong>in</strong>e klare Zäsur zwischen<br />
e<strong>in</strong>er grossmehrheitlichen Akzeptanz des Luchses und deutlich grösseren Anteilen von e<strong>in</strong>e<br />
Duldung ablehnenden Voten bei Bär und Wolf festzustellen. Aufgrund <strong>der</strong> Umfrageergebnisse<br />
unbeantwortet bleibt die Frage nach <strong>der</strong> Ursache o<strong>der</strong> den Ursachen für diese Differenz.<br />
Dies ist umso bedauerlicher, als gerade diese Kenntnis helfen könnte, Zustimmung<br />
o<strong>der</strong> Ablehnung von Raubtieren durch die Bevölkerung besser zu verstehen. In die Richtung<br />
e<strong>in</strong>er Erklärung dieser sprachspezifischen Differenzen zielen verschiedene von <strong>der</strong><br />
Eidg. Forschungsanstalt WSL <strong>aus</strong>gehende o<strong>der</strong> unterstützte Untersuchungen (CALUORI<br />
1999, EGLI 1998).<br />
Theoretisch könnten die gefundenen Unterschiede auf die stärker positiv (Wölf<strong>in</strong> als<br />
Ziehmutter von Romulus und Remus) o<strong>der</strong> negativ (Wolf als K<strong>in</strong><strong>der</strong>fresser, vgl. WALLNER<br />
1999) gefärbte Verankerung <strong>der</strong> entsprechenden Tiere <strong>in</strong> den unterschiedlichen Sprachen<br />
zurückzuführen se<strong>in</strong>. Gen<strong>aus</strong>o könnte es se<strong>in</strong>, dass die italienischsprachige Bevölkerung<br />
durch italienische Quellen und Medien nachhaltiger über Leben und Verhaltensweisen von<br />
Wolf und Bär <strong>in</strong>formiert s<strong>in</strong>d. Dank <strong>der</strong> <strong>in</strong> Italien bestehenden Präsenz wird vor allem beim<br />
Wolf stärker über dessen Alltagsleben als über negative E<strong>in</strong>zelereignisse berichtet. Ähnlich<br />
wie beim Luchs <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> hat sich <strong>in</strong> Italien bei an<strong>der</strong>en Raubtieren wohl e<strong>in</strong> gewisser<br />
Gewöhnungseffekt e<strong>in</strong>gestellt und es hat sich gezeigt, dass e<strong>in</strong>e Koexistenz mit dem Menschen<br />
im Grossen und Ganzen möglich ist. An<strong>der</strong>e mögliche Erklärungen für die beson<strong>der</strong>s<br />
hohe Akzeptanz von Wolf und Bär <strong>in</strong> <strong>der</strong> italienischsprachigen <strong>Schweiz</strong> s<strong>in</strong>d die speziellen<br />
geographischen (Wald und unbewohnte Gebiete im Tess<strong>in</strong>) o<strong>der</strong> wirtschaftlichen und kulturellen<br />
Gegebenheiten wie z. B. die Struktur <strong>der</strong> Landwirtschaft (Anzahl und Bedeutung <strong>der</strong><br />
Schafhalter) o<strong>der</strong> die Bedeutung <strong>der</strong> Jagd (vor allem beim Luchs).<br />
3.4 E<strong>in</strong>stellungen nach politischen Parteien und spezifischen Inhalten<br />
Zum Abschluss dieser Auswahl von E<strong>in</strong>stellungsobjekten soll e<strong>in</strong>e Mischung <strong>aus</strong> unterschiedlichen<br />
Verknüpfungsfragen präsentiert werden. E<strong>in</strong> erstes, sich auf soziodemographische<br />
Variablen beziehendes, Ergebnis betrifft die politische E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> befragten<br />
Personen. Es zeigt sich, dass je weiter rechts im politischen Spektrum sich e<strong>in</strong>e Person positioniert,<br />
desto wahrsche<strong>in</strong>licher wird e<strong>in</strong>e ablehnende Haltung gegenüber allen Raubtieren.<br />
Demgegenüber s<strong>in</strong>d es die L<strong>in</strong>ksstehenden, die sich beson<strong>der</strong>s wohlwollend zu Luchs, Bär<br />
und Wolf äussern. Dieser Befund wird durch die Tatsache unterstützt, dass sich von den<br />
Parteiwählenden die SVP- und CVP-Wähler und -Wähler<strong>in</strong>nen überdurchschnittlich oft<br />
gegen die Duldung <strong>der</strong> genannten Raubtiere <strong>aus</strong>sprechen. Die politische Positionierung<br />
besitzt somit e<strong>in</strong>en gewissen, wenn auch eher ger<strong>in</strong>gen, Effekt auf das Urteil über Wolf, Bär<br />
und Luchs.<br />
Im folgenden werden drei <strong>in</strong>haltliche Verknüpfungsfragen behandelt, die den beiden<br />
Bereichen Raubtiere/Jagd und Raubtiere/natürlicher Lebensraum zugeordnet werden können.<br />
Zunächst soll die Ansicht <strong>der</strong> befragten Personen betreffend die Duldung von Luchs,<br />
Bär und Wolf mit <strong>der</strong>en Urteil zur Jagd <strong>in</strong> Zusammenhang gesetzt werden. Die konkrete<br />
Frage lautet, ob sich Personen, die sich für die E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung sämtlicher genannter Raubtiere<br />
<strong>aus</strong>sprechen, <strong>in</strong> ihrem Urteil bezüglich <strong>der</strong> Akzeptanz des aktuellen Jagdregimes von<br />
denjenigen unterscheiden, die sich gegen die Duldung von Luchs, Bär und Wolf <strong>aus</strong>sprechen.
For. Snow Landsc. Res. 76, 1/2 (2001)<br />
Tab. 10. Zusammenhang zwischen Wildtierakzeptanz und Beurteilung <strong>der</strong> aktuellen Jagdpraxis. * Ratio<br />
= Verhältnis von Beibehaltung zu E<strong>in</strong>schränkung/Verbot. ** «für Duldung» = Zustimmung zu sämtlichen<br />
Tierarten; «gegen Duldung» = Ablehnung sämtlicher Tierarten.<br />
Gruppe ** N Jagdverbot Jagde<strong>in</strong>schränkung Beibehaltung<br />
aktuelle Jagdpraxis<br />
Ratio*<br />
für Duldung 894 9% 34% 57% 1.30<br />
gegen Duldung 297 9% 22% 69% 2.26<br />
In beiden Gruppen, also sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> raubtierfreundlichen als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong>jenigen<br />
<strong>der</strong> raubtierablehnenden Menschen, sprechen sich mehr Personen für die Beibehaltung<br />
des aktuellen Jagdregimes <strong>aus</strong>, als Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter e<strong>in</strong>er weitergehenden<br />
E<strong>in</strong>schränkung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Totalverbotes zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d (Tab. 10). Es zeigt sich jedoch im<br />
Vergleich, dass <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Raubtierfreunde anteilmässig mehr Personen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d,<br />
die sich e<strong>in</strong>e weitere E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Jagd wünschen. Nicht überprüft wurde die Frage,<br />
ob und <strong>in</strong>wieweit die Interviewten mit <strong>der</strong> geltenden Jagdpraxis vertraut s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> bedeutend grösserer Unterschied als h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Jagd besteht zwischen denjenigen<br />
Personen, die Luchs, Bär und Wolf <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> willkommen heissen und denjenigen,<br />
die sämtliche genannten Raubtiere <strong>in</strong> unserem Land ablehnen, wenn nach <strong>der</strong> Bedrohung<br />
des für die Raubtiere wichtigen Lebensraumes Wald gefragt wird (Tab. 10).<br />
Tab. 11. Zusammenhang zwischen Wildtierakzeptanz und E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Bedrohung des Waldes als<br />
Lebensraum für Tiere. * Ratio = Verhältnis von bedroht zu nicht bedroht. ** «für Duldung» = Zustimmung<br />
zu sämtlichen Tierarten; «gegen Duldung» = Ablehnung sämtlicher Tierarten.<br />
Gruppe ** N Lebensraum bedroht Lebensraum nicht bedroht Ratio *<br />
für Duldung 923 72% 28% 2.59<br />
gegen Duldung 307 46% 54% 0.84<br />
In <strong>der</strong> Gruppe von Personen, die sich grundsätzlich gegen die Duldung von Raubtieren<br />
<strong>aus</strong>sprechen, sehen nur 46% den Wald als Lebensraum für Tiere bedroht, während es <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Vergleichsgruppe 72% s<strong>in</strong>d. Es kann also gesagt werden, dass sich e<strong>in</strong>e Person, wenn sie den<br />
Wald als Lebensraum <strong>der</strong> Tiere bedroht sieht, viel wahrsche<strong>in</strong>licher für die Duldung von<br />
Raubtieren <strong>aus</strong>spricht, als wenn e<strong>in</strong> Individuum diesen Lebensraum als nicht bedroht wahrnimmt.<br />
Aufgrund dieses klaren Befundes kann e<strong>in</strong>e Hypothese formuliert werden: Grundsätzlich<br />
s<strong>in</strong>d Personen, die den Lebensraum wildleben<strong>der</strong> Tiere für bedroht halten, eher<br />
gewillt, Raubtiere bei uns zu dulden. O<strong>der</strong> etwas populärer <strong>aus</strong>gedrückt: Ökopessimisten<br />
s<strong>in</strong>d raubtierfreundlicher als Ökooptimisten.<br />
E<strong>in</strong>e ähnliche Unterscheidung kann auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Beurteilung von Totalreservaten<br />
im Wald durch Gegner und Befürworter von Raubtieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> gemacht werden.<br />
Unter Totalreservaten s<strong>in</strong>d dabei Naturschutzgebiete zu verstehen, <strong>in</strong> denen jegliches<br />
Betreten untersagt ist.<br />
295
296 Stephan Wild-Eck, Willi Zimmermann<br />
Tab. 12. Zusammenhang zwischen Wildtierakzeptanz und Akzeptanz von Totalreservaten im Wald. *<br />
Ratio = Verhältnis von für Totalreservat zu gegen Totalreservat. ** «für Duldung» = Zustimmung zu<br />
sämtlichen Tierarten; «gegen Duldung» = Ablehnung sämtlicher Tierarten.<br />
Gruppe ** N für Totalreservate gegen Totalreservate Ratio *<br />
für Duldung 914 47% 53% 0.87<br />
gegen Duldung 303 29% 71% 0.42<br />
Wie <strong>aus</strong> Tabelle 12 zu entnehmen ist, spricht sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Raubtierfreundlichen<br />
be<strong>in</strong>ahe die Hälfte <strong>der</strong> Befragten für Totalreservate <strong>aus</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegengruppe s<strong>in</strong>d es<br />
nur knapp 30%. Mit dieser Verknüpfung wird die hohe Korrelation bestätigt, die wir bei <strong>der</strong><br />
Analyse von <strong>Raubtierakzeptanz</strong> und Umweltbewusstse<strong>in</strong> festgestellt haben.<br />
4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen<br />
Die vorliegende bi- und multivariate Spezialwertung e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Fragebatterie <strong>aus</strong><br />
e<strong>in</strong>em umfassenden Fragekomplex hat bezüglich <strong>der</strong> <strong>Raubtierakzeptanz</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er<br />
Bevölkerung zum<strong>in</strong>dest für die Autoren zu teilweise neuen <strong>Erkenntnisse</strong>n und überraschenden<br />
Ergebnissen geführt. Dank <strong>der</strong> hohen Repräsentativität <strong>der</strong> Umfrage – für die <strong>Schweiz</strong>er<br />
Wohnbevölkerung über 18 Jahre – konnte <strong>der</strong> Wissensstand bezüglich Wahrnehmung<br />
und E<strong>in</strong>stellung zur Raubtierduldung erhöht werden. Die E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
gegenüber Luchs, Wolf und Bär kann mit quantitativen empirischen Daten untermauert<br />
werden. Aufgrund <strong>der</strong> Umfrage wissen wir nun, dass die <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung zur Zeit<br />
zwar mehrheitlich eher raubtierfreundlich e<strong>in</strong>gestellt ist, dass jedoch sowohl h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnen Raubtierarten als auch h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>zelner Bevölkerungsgruppen <strong>der</strong> Akzeptanzgrad<br />
differiert. Aufgrund dieser <strong>in</strong> verschiedener H<strong>in</strong>sicht differenzierten Beurteilung<br />
können zur Zeit mit Ausnahme <strong>der</strong> Akzeptanz des Luchses ke<strong>in</strong>e klaren Mehrheitsverhältnisse<br />
<strong>in</strong> die e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Richtung festgestellt werden.<br />
Bei <strong>der</strong> Analyse e<strong>in</strong>zelner Bevölkerungsgruppen und E<strong>in</strong>stellungsobjekte s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige<br />
unerwartete Ergebnisse zu registrieren. Dazu gehört z. B. die klare Unterscheidung zwischen<br />
den beiden Kategorien Luchs resp.Wolf/Bär. Erstaunt hat hier <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aufgrund<br />
<strong>der</strong> aktuellen Raubtierverbreitung nicht die Unterscheidung an und für sich, son<strong>der</strong>n das<br />
Ausmass <strong>der</strong> unterschiedlichen Akzeptanz. Dass diese Differenz auch an<strong>der</strong>s (kle<strong>in</strong>er) hätte<br />
<strong>aus</strong>fallen können, zeigt das Me<strong>in</strong>ungsbild <strong>in</strong> <strong>der</strong> italienischsprachigen <strong>Schweiz</strong>. Deren<br />
Son<strong>der</strong>stellung bei <strong>der</strong> Beurteilung von Wolf und Bär im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er überdurchschnittlichen<br />
Akzeptanz konnte ebenfalls nicht erwartet werden. Als überraschend kann auch die ab dem<br />
Alter 50 deutlich steigende Ablehnung <strong>der</strong> Wildtiere und <strong>der</strong>en grössere Akzeptanz bei<br />
Männern als bei Frauen e<strong>in</strong>gestuft werden.<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite liefert die raubtierspezifische Auswertung <strong>der</strong> Umfrage Ergebnisse,<br />
die auf gleiche Denkmuster <strong>in</strong> verschiedenen Bevölkerungsgruppen h<strong>in</strong>weisen, wo<br />
aufgrund geographischer o<strong>der</strong> soziodemographischer Gegebenheiten grössere Unterschiede<br />
zu erwarten gewesen wären. Dies gilt vor allem für die Gegensätze zwischen Stadt und<br />
Land resp. Alpen und Mittelland. Die <strong>Raubtierakzeptanz</strong>analyse sche<strong>in</strong>t hier e<strong>in</strong>e im<br />
Rahmen des gesamten Projektes und e<strong>in</strong>er auf das Berggebiet bezogene Umfrage (vgl.<br />
SCHMITHÜSEN et al. 1998) formulierte These zu bestätigen, wonach sich die Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
und Bewohner dieser unterschiedlichen Regionen <strong>in</strong> Bezug auf das Wahrnehmen <strong>der</strong> Natur<br />
und <strong>der</strong> entsprechenden E<strong>in</strong>stellungen immer näher kommen.
For. Snow Landsc. Res. 76, 1/2 (2001)<br />
Die Son<strong>der</strong><strong>aus</strong>wertung <strong>der</strong> Raubtierfrage hat schliesslich e<strong>in</strong>ige Ergebnisse bestätigt,<br />
welche aufgrund <strong>der</strong> Vorkenntnisse erwartet werden konnten. Dies gilt unter an<strong>der</strong>em für<br />
die positive Korrelation zwischen Umweltbewusstse<strong>in</strong> bzw. Umweltengagement und Wildtierduldung,<br />
für die allgeme<strong>in</strong> höhere Akzeptanz des Luchses o<strong>der</strong> für grössere Ablehnung<br />
<strong>der</strong> Wildtiere durch politisch eher rechtsstehende Wähler<strong>in</strong>nen und Wähler.<br />
Wie stabil die vorgefundenen Antwortmuster <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung auf aktuelle Ereignisse<br />
beziehungsweise auf e<strong>in</strong>e verstärkte o<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>te gesellschaftliche Thematisierung <strong>der</strong><br />
Raubtierthematik reagieren, kann an dieser Stelle und mit den gewonnenen Umfragedaten<br />
nicht gesagt werden. E<strong>in</strong>e erneute Umfrage zu denselben Fragen zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt<br />
könnte hier Antworten liefern. Die gefundenen Muster dürften unseres Erachtens<br />
jedoch e<strong>in</strong>e recht hohe Stabilität aufweisen. Erstens handelt es sich bei den dargestellten<br />
Me<strong>in</strong>ungen und E<strong>in</strong>stellungen um situationsunabhängige Grunddenkmuster, die sich <strong>aus</strong><br />
den äusserst stabilen Grundüberzeugungen e<strong>in</strong>er Person ableiten. Zweitens ist kaum davon<br />
<strong>aus</strong>zugehen, dass <strong>in</strong> nächster Zeit e<strong>in</strong>e grosse Zahl von <strong>Schweiz</strong>er<strong>in</strong>nen und <strong>Schweiz</strong>ern<br />
direkt und unmittelbar <strong>in</strong> ihrem Alltag(-shandeln) von <strong>der</strong> Präsenz <strong>der</strong> genannten Raubtiere<br />
betroffen se<strong>in</strong> wird. Kurzlebige Medien- und Zeitungsberichte vermögen diese Grunddenkmuster<br />
kaum <strong>in</strong> entscheidendem Ausmass zu verän<strong>der</strong>n.<br />
Die bi- und multivariate Analyse e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Frage <strong>aus</strong> e<strong>in</strong>em umfassenden Fragenkomplex<br />
hat e<strong>in</strong>e erstaunliche Vielfalt von Informationen und <strong>Erkenntnisse</strong>n zur E<strong>in</strong>stellung<br />
<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung gegenüber <strong>der</strong> Duldung von Wildtieren <strong>in</strong> unserem Land<br />
geliefert. Was die Untersuchung nicht leisten kann, s<strong>in</strong>d Erklärungsansätze für e<strong>in</strong>zelne<br />
Wahrnehmungs- und E<strong>in</strong>stellungsmuster. Für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltlich e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong>e Beleuchtung <strong>der</strong><br />
Ansichten <strong>der</strong> Bevölkerung zu Wolf, Bär resp. Luchs taugt die Untersuchung, die hauptsächlich<br />
den Wald fokussiert, nicht. Dieses Wissen muss mit <strong>in</strong>haltlich und methodisch an<strong>der</strong>s<br />
<strong>aus</strong>gerichteten und konzipierten Umfragen o<strong>der</strong> Studien erarbeitet werden. Allfällige neue<br />
Arbeiten können auf den Erfahrungen und den Ergebnissen <strong>der</strong> vorliegenden Untersuchung<br />
aufbauen und diese weiterführen.<br />
Aus methodischer Sicht wurde die Erkenntnis gewonnen bzw. bestätigt, dass e<strong>in</strong>e Telefonumfrage<br />
stets mit sehr hohem Ressourcenaufwand verbunden ist. Zur Durchführung<br />
e<strong>in</strong>er solchen Umfrage ist e<strong>in</strong> beträchtliches Forschungsbudget nötig. An<strong>der</strong>e Erhebungsverfahren,<br />
wie beispielsweise das beim COST-Projekt (vgl. SCHMITHÜSEN et al. 1998) angewandte<br />
schriftlich-postalische Interview s<strong>in</strong>d weit<strong>aus</strong> kostengünstiger. Gleichzeitig gilt<br />
jedoch anzumerken, dass bezüglich Repräsentativität bei Untersuchungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> breiten<br />
Bevölkerung Telefon<strong>in</strong>terviews <strong>in</strong> aller Regel sehr gut abschneiden, während bei postalischen<br />
Befragungen aufgrund des zu erwartenden Rücklaufs Abstriche bei <strong>der</strong> Repräsentativität<br />
zu gewärtigen s<strong>in</strong>d. Bei <strong>der</strong> erwähnten COST-Umfrage betrug die Rücklaufquote rund<br />
30%.<br />
Auf <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Ebene können gestützt auf die vorliegende Untersuchung neue Forschungsfragen<br />
formuliert, neue Hypothesen gebildet o<strong>der</strong> bestehende weiter abgeklärt werden.<br />
Gestützt auf die Ausführungen <strong>in</strong> Kapitel 3 dieses Beitrages zeichnet sich e<strong>in</strong> konkreter<br />
Forschungsbedarf <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> vier Bereichen ab. Als Erstes kann die vertiefte Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
mit sprachlich-kulturellen S<strong>in</strong>ngehalten <strong>der</strong> entsprechenden Tiere genannt<br />
werden. 4 Aufgrund e<strong>in</strong>er solchen Studie wären <strong>Erkenntnisse</strong> bezüglich möglicher Ursachen<br />
<strong>der</strong> von Sprachregion zu Sprachregion und von Tier zu Tier divergierenden Akzeptanz zu<br />
erwarten. Als Zweites wäre e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong> zu untersuchen, ob und <strong>in</strong>wiefern sich das reale<br />
o<strong>der</strong> potentielle Verbreitungsgebiet e<strong>in</strong>es Raubtieres auf die Duldungsbereitschaft durch<br />
die betroffene Bevölkerung <strong>aus</strong>wirkt. Die vorliegenden Ergebnisse können bisherige Hypo-<br />
4 In diesem Rahmen wären auch Forschungen anzusiedeln, welche geschlechtsspezifische Differenzen<br />
genauer analysieren. Mehr Informationen zu dieser Frage lässt sich bei WILD-ECK (2001b) f<strong>in</strong>den.<br />
297
298 Stephan Wild-Eck, Willi Zimmermann<br />
thesen über die Bedeutung <strong>der</strong> direkten und <strong>in</strong>direkten Betroffenheit nicht bestätigen. E<strong>in</strong><br />
dritter <strong>in</strong>teressanter Fragenkomplex wäre <strong>der</strong> Korrelation zwischen Wissen und Wahrnehmungen/E<strong>in</strong>stellungen<br />
zu widmen. In <strong>der</strong> vorliegenden Analyse konnte e<strong>in</strong> positiver<br />
Zusammenhang zwischen formaler Bildung und <strong>Raubtierakzeptanz</strong> aufgedeckt werden.<br />
Ke<strong>in</strong>e Antwort kann auf die Frage gegeben werden, welchen E<strong>in</strong>fluss das Wissen über die<br />
Raubtiere auf <strong>der</strong>en Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung hat. Konkret geht es darum her<strong>aus</strong>zuf<strong>in</strong>den,<br />
ob und <strong>in</strong>wiefern sich das <strong>in</strong>dividuelle Urteil durch e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung beim Wissen<br />
bee<strong>in</strong>flussen lässt und welche kognitiv <strong>aus</strong>gerichteten Informationsstrategien allenfalls<br />
gruppenspezifisch o<strong>der</strong> gesamtbevölkerungsbezogen Erfolg versprechen können. Die<br />
Beantwortung dieser Frage muss für alle jene von grossem Interesse se<strong>in</strong>, die vor allem mit<br />
dem Mittel <strong>der</strong> Information die Bevölkerung o<strong>der</strong> bestimmte Bevölkerungsgruppen für<br />
o<strong>der</strong> gegen die Duldung <strong>der</strong> Wildtiere bee<strong>in</strong>flussen wollen. E<strong>in</strong> viertes, sehr breites Themenfeld<br />
betrifft die unterschiedlichen mehr o<strong>der</strong> weniger direkt betroffenen o<strong>der</strong> sich durch die<br />
genannten Raubtiere für betroffen haltenden Interessengruppen. Dabei wäre es gen<strong>aus</strong>o<br />
<strong>in</strong>teressant, <strong>der</strong>en genaue Ansichten zu den Tieren zu kennen, wie es auch <strong>in</strong>teressant wäre,<br />
<strong>der</strong>en Glaubwürdigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung und gegenseitige Wertschätzung zu ermitteln.<br />
Die Intensität, mit <strong>der</strong> über Se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Nichtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wildtiere <strong>in</strong> vergangenen Jahren <strong>in</strong> den<br />
Medien berichtet wurde, lässt erwarten, dass die Beantwortung dieser und ähnlicher Forschungsfragen<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft auf e<strong>in</strong> breites Interesse stossen wird.<br />
5 Zusammenfassung<br />
Im Rahmen e<strong>in</strong>es Forschungsauftrages haben die Professur Forstpolitik und Forstökonomie<br />
<strong>der</strong> ETH Zürich und das Institut für Soziologie <strong>der</strong> Universität Bern im Herbst 1997 e<strong>in</strong>e<br />
repräsentativ angelegte Telefonbefragung zum Thema «Erkennen <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Ansprüche an den <strong>Schweiz</strong>er Wald» durchgeführt. Dabei wurden die Interviewten auch mit<br />
<strong>der</strong> Frage konfrontiert, «ob <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> Wildtiere wie <strong>der</strong> Luchs, <strong>der</strong> Wolf o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bär<br />
bei ihrer E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung geduldet werden sollen». Die Auswertung <strong>der</strong> Antworten hat zu<br />
teilweise neuen <strong>Erkenntnisse</strong>n und überraschenden Ergebnissen geführt. Gemäss <strong>der</strong> vorliegenden<br />
Umfrage ist die <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung zur Zeit zwar mehrheitlich eher raubtierfreundlich<br />
e<strong>in</strong>gestellt. Sowohl h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Raubtierarten als auch h<strong>in</strong>sichtlich<br />
e<strong>in</strong>zelner Bevölkerungsgruppen können jedoch erhebliche Unterschiede festgestellt werden.<br />
E<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Beliebtheit erfreut sich dabei <strong>der</strong> Luchs (rund Dreiviertel <strong>der</strong><br />
Befragten s<strong>in</strong>d für dessen Duldung), während bei Wolf und Bär noch nicht von e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>deutigen<br />
Akzeptanz gesprochen werden kann (nur knappe Mehrheiten für Duldung). Bei den<br />
Bevölkerungsgruppen nehmen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die italienisch Sprechenden, die Umweltbewussten<br />
o<strong>der</strong> die älteren Personen e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung e<strong>in</strong>. Im Gegensatz vor allem zu den<br />
über 50jährigen erweisen sich die Italienischsprachigen und die Umweltbewussten als<br />
beson<strong>der</strong>s raubtierfreundlich. Auch zeigt sich e<strong>in</strong>e grössere Raubtierfreudnlichkeit <strong>der</strong><br />
Männer im Vergleich zu den Frauen. Demgegenüber s<strong>in</strong>d beispielsweise zwischen Stadtund<br />
Landbewohnerschaft ke<strong>in</strong>e und zwischen alp<strong>in</strong>er- und nichtalp<strong>in</strong>er Bevölkerung mit<br />
Ausnahme des Luchses ke<strong>in</strong>e wesentlichen Me<strong>in</strong>ungsunterschiede festzustellen.<br />
Die vorliegende Untersuchung liefert erste Erklärungsansätze für e<strong>in</strong>ige unterschiedliche<br />
E<strong>in</strong>stellungsmuster o<strong>der</strong> für fehlende Unterscheidungen, aber ke<strong>in</strong>e abschliessenden<br />
Erklärungen. Sie kann für die Formulierung von Hypothesen o<strong>der</strong> von weiteren Forschungsfragen<br />
im Zusammenhang mit <strong>der</strong> aktuellen Diskussion um die <strong>Raubtierakzeptanz</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> verwendet werden. Dazu gehört beispielsweise <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss von Wissen, von<br />
sprachlich-kulturellen S<strong>in</strong>ngehalten, von Geschlechtsmerkmalen o<strong>der</strong> von Betroffenheit auf<br />
die Bereitschaft zur Duldung von vorhandenen o<strong>der</strong> neu e<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>nden Raubtieren.
For. Snow Landsc. Res. 76, 1/2 (2001)<br />
Summary<br />
Acceptance of predators <strong>in</strong> Switzerland: F<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs from an op<strong>in</strong>ion poll of the Swiss<br />
population on attitudes to nature and forests<br />
In autumn 1997 a representative telephone op<strong>in</strong>ion poll about public perceptions of Swiss<br />
forests was conducted by the Dept. of Forest Policy and Forest Economics (Swiss Fe<strong>der</strong>al<br />
Institute of Technology, Zurich) and the Institute of Sociology (University of Berne). The<br />
people <strong>in</strong>terviewed were asked, among other th<strong>in</strong>gs, if the immigration of such predators as<br />
the lynx, wolf and bear <strong>in</strong>to Switzerland should be tolerated.Analysis of the data set revealed<br />
some new and unexpected f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs. Currently, the majority of the Swiss population supports<br />
the immigration of predators. Noticeable differences <strong>in</strong> response are found accord<strong>in</strong>g to<br />
animal as well to social group.The lynx is the most popular species with about three quarters<br />
of the respondents <strong>in</strong> favour of its immigration, whereas only a slight majority favour the<br />
wolf and the bear. Women, ol<strong>der</strong> people, conservation-conscious people and the Italianspeak<strong>in</strong>g<br />
part of the population showed special response behaviors. The last two groups<br />
strongly favour the immigration of predators. In contrast, women were less likely to accept<br />
predators than men. Ol<strong>der</strong> people tended to reject predators significantly more frequently<br />
than younger respondents. Surpris<strong>in</strong>gly no differences were found between the perceptions<br />
of urban and rural <strong>in</strong>habitants, and the op<strong>in</strong>ions of alp<strong>in</strong>e and lowland <strong>in</strong>habitants differ<br />
only <strong>in</strong> the case of lynx. The present <strong>in</strong>vestigation suggests some explanations for the<br />
different op<strong>in</strong>ion patterns or the non-appearance of differences. Consi<strong>der</strong><strong>in</strong>g the current<br />
discussion about predators <strong>in</strong> Switzerland, the study will be useful <strong>in</strong> formulat<strong>in</strong>g new hypotheses<br />
and def<strong>in</strong><strong>in</strong>g further research topics. These <strong>in</strong>clude the <strong>in</strong>fluence of knowledge, of<br />
gen<strong>der</strong>, and social-cultural factors on the acceptance of predators.<br />
6 Literatur<br />
BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft) 1999: Gesellschaftliche Ansprüche an<br />
den <strong>Schweiz</strong>er Wald – Me<strong>in</strong>ungsumfrage. Schriftenreihe Umwelt 309: 151 S.<br />
CALUORI, U., 1999: Der Wolf – Wildtier o<strong>der</strong> wildes Tier? E<strong>in</strong>e Deutungsmusteranalyse <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung. Lizentiatsarbeit. Institut für Ethnologie <strong>der</strong> Universität Bern. 157 S.<br />
(unveröffentlicht)<br />
CALUORI, U.; WALLNER, A.; HUNZIKER, M., 1999: Gesellschaftliche H<strong>in</strong>tergründe <strong>der</strong> Wolfsdebatte.<br />
Inf.bl. Forsch.bereich Landsch. 41: 3–5.<br />
DIEKMANN, A., 1995: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Re<strong>in</strong>bek<br />
bei Hamburg, rowohlts enzyklopädie. 640 S.<br />
DIEKMANN, A.; FRANZEN, A., 1995: Der <strong>Schweiz</strong>er Umweltsurvey 1994 Codebuch. Neuchâtel,<br />
<strong>Schweiz</strong>erischer Informations- und Daten-Archivdienst für die Sozialwissenschaften<br />
(SIDOS). 244 S.<br />
EGLI, E., 1998: Der Luchs und die Schafhalter – E<strong>in</strong>e sozialwissenschaftliche Studie zur Akzeptanz<br />
von Grossraubtieren. Diplomarbeit. Abteilung Umweltnaturwissenschaften ETH Zürich.<br />
74 S. (unveröffentlicht)<br />
EGLI, E.; LÜTHI B.; HUNZIKER, M., 1998: Die Akzeptanz des Luchses im Simmental. Inf.bl.<br />
Forsch.bereich Landsch. 39: 2–4.<br />
FRANZEN, A.; WILD-ECK, S.; HOSTETTLER, A.; SUTER, C., 1998: Welche Ansprüche stellen wir an<br />
den Wald? Umweltschutz 3/98: 22–25.<br />
FRANZEN, A.; WILD-ECK, S.; HUNGERBÜHLER, A., 1998b: BUWAL Befragung 1998 Gesellschaftliche<br />
Ansprüche an den <strong>Schweiz</strong>er Wald: Codebuch. Institut für Soziologie Universität<br />
Bern/Professur Forstpolitik und Forstökonomie ETH Zürich, Bern/Zürich. 162 S. (Nicht veröffentlicht;<br />
e<strong>in</strong>zusehen bei <strong>Schweiz</strong>erischer Informations- und Daten-Archivdienst für die<br />
Sozialwissenschaften, SIDOS, Neuchâtel)<br />
299
300 Stephan Wild-Eck, Willi Zimmermann<br />
FRANZEN, A;HUNGERBÜHLER, A., 1999: Analysen <strong>der</strong> Zusammenhangsfragen. Schriftenreihe<br />
Umwelt 309: 73–102.<br />
HUNZIKER, M., 1998: Die Akzeptanz <strong>der</strong> Grossraubtiere <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>. Inf.bl. Forsch.bereich<br />
Landsch. 39: 1–2.<br />
RASELLI, G.; WILD, S., 1994: Mensch und Umwelt – Auswirkungen <strong>in</strong>dividueller sowie soziokultureller<br />
Faktoren auf das Umweltverhalten <strong>in</strong> französischer und deutscher <strong>Schweiz</strong>. Lizentiatsarbeit.<br />
Soziologisches Institut <strong>der</strong> Universität Zürich. 279 S. (unveröffentlicht)<br />
SCHMITHÜSEN, F.;WILD-ECK, S.; ZIMMERMANN,W., 1998: Wissen, E<strong>in</strong>stellung sowie Zukunftsperspektiven<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung im Berggebiet zum Wald, zur Forstwirtschaft und zur Forstpolitik.<br />
Abschlussbericht zum Forschungsprojekt COST E3 (Manuskript).<br />
WALLNER, A., 1998: Die Bedeutung <strong>der</strong> Raubtiere <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mythologie. Inf.bl. Forsch.bereich<br />
Landsch. 39: 4–5.<br />
WILD-ECK, S., 2001a: Auf den Fundamenten <strong>der</strong> Sozialwissenschaft – Methodologische Konzepte<br />
für die Befragung im forstlichen Kontext. In: KROTT, M., SUDA, M. (Hrsg.) Befragung als<br />
Methode <strong>der</strong> Sozialforschung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forstwissenschaft. Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, Sauerlän<strong>der</strong>’s<br />
Verlag. 15–46.<br />
WILD-ECK, 2001b: Statt Wald – Lebensqualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt. Zürich, Seismo Verlag. (im Druck).<br />
WILD-ECK, S.; Franzen, A., 1999: Deskriptive Auswertung <strong>der</strong> Antworten zu e<strong>in</strong>zelnen Fragen.<br />
Schriftenreihe Umwelt 309: 17–71.<br />
ZIMMERMANN, W.; SCHMITHÜSEN, F.; WILD-ECK, S., 1998: Ma<strong>in</strong> f<strong>in</strong>d<strong>in</strong>gs and policy implications<br />
from the research project Public perceptions of mounta<strong>in</strong> forests <strong>in</strong> Switzerland. In: Wiersum,<br />
K.F. (ed) Public perceptions and attitudes of forest owners towards forest and forestry <strong>in</strong><br />
Europe. H<strong>in</strong>keloord Report No 24: 47–59.<br />
ZIMMERMANN, W.; WILD-ECK, S.; SUTER, C.-L., 1999: Akzeptiert die Bevölkerung Luchs, Wolf<br />
und Bär? Umweltschutz 2/99: 42–45.