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Grundlagen und Richtlinien der verkehrspsychologischen ...

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<strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtlinien</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>verkehrspsychologischen</strong><br />

Gutachtenstätigkeit<br />

M. Kopp<br />

Abteilung für Klinische Psychologie <strong>der</strong> Univ.-Klinik f. Psychiatrie<br />

Innsbruck<br />

Institut für Nachschulung <strong>und</strong> Fahrer-Rehabilitation (INFAR - Tirol)


<strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong><br />

• Psychologie = Wissenschaft vom Verhalten <strong>und</strong><br />

Erleben<br />

• Verkehrsteilnahme = mo<strong>der</strong>ne Form von<br />

Sozialverhalten<br />

Damit ergibt sich eine zentrale Bedeutung von<br />

persönlichkeitsinternen <strong>und</strong><br />

zwischenmenschlichen Einflussfaktoren auf das<br />

Verkehrsverhalten


Determinanten des Fahrverhaltens<br />

• I) System Straßenverkehr:<br />

allgemein: Stellenwert des Autos <strong>und</strong> Ausmaß<br />

<strong>der</strong> Mobilität, Stellenwert des Wettbewerbes in<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Gesellschaftsform<br />

spezifisch: Infrastruktur, Recht, Fahrzeug


Determinanten des Fahrverhaltens<br />

• II) Fahrzeuglenker:<br />

gr<strong>und</strong>legende Aspekte:<br />

Fahrfertigkeit, Fahrfähigkeit, Fahreignung<br />

psychologische Aspekte:<br />

z.B. Einstellungen, Selbsteinschätzung,<br />

Aggression, Selbstkontrolle


Verkehrspsychologische Diagnostik als<br />

Spezialfall psychodiagnostischer Tätigkeit<br />

Beurteilung des individuellen Verhaltens eines<br />

Kraftfahrers/ einer Kraftfahrerin vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

des Spezialwissens aus <strong>der</strong> Verkehrspsychologie<br />

kombiniert mit dem Wissen aus an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong>fächern <strong>der</strong> Psychologie (allgemeine &<br />

experimentelle Psychologie, differentielle <strong>und</strong><br />

diagnostische Psychologie, Entwicklungspsychologie,<br />

klinische Psychologie, Sozialpsychologie)<br />

Bukasa, Chaloupka & Christ, 2001


Verkehrspsychologische Diagnostik als<br />

Spezialfall psychodiagnostischer Tätigkeit<br />

Erfor<strong>der</strong>liches Spezialwissen von<br />

VerkehrspsychologInnen:<br />

• Wissen über Zusammenhänge von Leistungsfähigkeit <strong>und</strong><br />

Fahrverhalten<br />

• Wissen über die systembedingten Einflüsse auf das<br />

Fahrverhalten <strong>und</strong> das subjektive Fahrerleben<br />

• Wissen über emotionale Aspekte <strong>der</strong> Fahrzeugnutzung, über<br />

Wahrnehmungsprozesse beim Fahren, sowie ihre möglichen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen durch Einnahme diverser Substanzen<br />

Bukasa, Chaloupka & Christ, 2001


Verkehrspsychologische Diagnostik als<br />

Spezialfall psychodiagnostischer Tätigkeit<br />

Erfor<strong>der</strong>liches Spezialwissen von<br />

VerkehrspsychologInnen:<br />

• Wissen über Verän<strong>der</strong>ungen des Fahrverhaltens unter Alkohol<strong>und</strong>/o<strong>der</strong><br />

Drogeneinfluss sowie über andauernde<br />

Leistungsverän<strong>der</strong>ungen bei langfristigem Abusus<br />

• Wissen über Kompensationsmöglichkeiten bei<br />

Leistungsbeeinträchtigungen<br />

• Wissen über Risikoverhalten im Straßenverkehr<br />

• Kenntnis <strong>der</strong> formellen <strong>und</strong> informellen Regeln des<br />

Verkehrsumfeldes<br />

Bukasa, Chaloupka & Christ, 2001


Verkehrspsychologische Diagnostik als<br />

Spezialfall psychodiagnostischer Tätigkeit<br />

Unterschiede zu klinisch-psychologischer Diagnostik:<br />

• zumeist unfreiwillig (soziale Erwünschtheit)<br />

• Beitrag zu formaljuristischen Entscheidungen<br />

• unparteiische Evaluation des Einzelfalls<br />

• Auskunftspflicht gegenüber den Behörden<br />

• gesellschaftszentriert (Bezugnahme auf Gefahr, die<br />

vom Einzelnen für die Gesellschaft ausgehen kann)<br />

Bukasa, Chaloupka & Christ, 2001


Ziele verkehrspsychologischer Begutachtung<br />

• Statusdiagnose:<br />

kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit<br />

verkehrsrelevante Persönlichkeitseigenschaften<br />

• Verhaltensprognose:<br />

Einschätzung <strong>der</strong> zukünftigen Entwicklung<br />

(insbeson<strong>der</strong>e Tatwie<strong>der</strong>holungsgefahr bzw.<br />

leistungsrelevante Abbauerscheinungen)<br />

Kriterien für Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Fahreignung bei<br />

negativer Beurteilung


Gesetzliche <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong><br />

verkehrspsychologischer Begutachtung<br />

• Führerscheingesetz-Ges<strong>und</strong>heitsverordnung<br />

(FSG-GV)<br />

§14 Alkohol, Sucht- <strong>und</strong> Arzneimittel<br />

(2) Lenker von KFZ, bei denen ein Alkoholgehalt des<br />

Blutes von 1,6g/l o<strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Atemluft von<br />

0,8mg/l festgestellt wurde, haben ihre<br />

psychologische Eignung zum Lenken von KFZ durch<br />

eine verkehrspsychologische Stellungnahme<br />

nachzuweisen.


Gesetzliche <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong><br />

verkehrspsychologischer Begutachtung<br />

• Führerscheingesetz-Ges<strong>und</strong>heitsverordnung<br />

(FSG-GV)<br />

§14 Alkohol, Sucht- <strong>und</strong> Arzneimittel<br />

(3) Personen, die ohne abhängig zu sein, in einem<br />

durch Sucht- o<strong>der</strong> Arzneimittel beeinträchtigten<br />

Zustand ein KFZ gelenkt haben, darf eine<br />

Lenkberechtigung we<strong>der</strong> erteilt noch belassen<br />

werden, es sei denn, sie haben ihre Eignung zum<br />

Lenken von KFZ durch eine verkehrspsychologische<br />

<strong>und</strong> eine fachärztliche Stellungnahme nachgewiesen.


Gesetzliche <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong><br />

verkehrspsychologischer Begutachtung<br />

• Führerscheingesetz-Ges<strong>und</strong>heitsverordnung<br />

(FSG-GV)<br />

§17 Verkehrspsychologische Stellungnahme<br />

(1)... zu verlangen, wenn Verkehrsunfälle verursacht<br />

o<strong>der</strong> Verkehrsverstöße begangen wurden, die den<br />

Verdacht<br />

1. auf vermin<strong>der</strong>te kraftfahrspezifische<br />

Leistungsfähigkeit<br />

2. auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung<br />

erwecken.


Gesetzliche <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong><br />

verkehrspsychologischer Begutachtung<br />

• Führerscheingesetz-Ges<strong>und</strong>heitsverordnung<br />

(FSG-GV)<br />

§17 Verkehrspsychologische Stellungnahme<br />

(2)...jedenfalls zu verlangen, wenn aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

ärztlichen Untersuchung geistige Reifungsmängel<br />

o<strong>der</strong> ein Leistungsabbau im Vergleich zur Altersnorm<br />

zu vermuten sind.


Gesetzliche <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong><br />

verkehrspsychologischer Begutachtung<br />

• Führerscheingesetz-Ges<strong>und</strong>heitsverordnung<br />

(FSG-GV)<br />

§17 Verkehrspsychologische Stellungnahme<br />

(3)...jedenfalls von folgenden Personen einzubringen:<br />

1. Bewerbern um eine Lenkberechtigung <strong>der</strong> Klasse D<br />

(Bus)<br />

2. Bewerbern um einen Mopedausweis, die das 16. Lj<br />

noch nicht vollendet haben


Gesetzliche <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong><br />

verkehrspsychologischer Begutachtung<br />

• Führerscheingesetz-Ges<strong>und</strong>heitsverordnung (FSG-<br />

GV) - §18 Verkehrspsychologische Untersuchung<br />

(2) Überprüfung <strong>der</strong> kraftfahrspezifischen<br />

Leistungsfähigkeit:<br />

• Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung<br />

• Reaktionsverhalten<br />

• Konzentrationsvermögen<br />

• Sensomotorik<br />

• Intelligenz <strong>und</strong> Erinnerungsvermögen


Überprüfung <strong>der</strong> kraftfahrspezifischen<br />

Leistungsfähigkeit<br />

Reaktionsverhalten


Überprüfung <strong>der</strong> kraftfahrspezifischen<br />

Leistungsfähigkeit<br />

Beobachtungsfähigkeit


Überprüfung <strong>der</strong> kraftfahrspezifischen<br />

Leistungsfähigkeit<br />

Konzentrationsvermögen


Gesetzliche <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong><br />

verkehrspsychologischer Begutachtung<br />

• Führerscheingesetz-Ges<strong>und</strong>heitsverordnung (FSG-<br />

GV) - §18 Verkehrspsychologische Untersuchung<br />

(3) Überprüfung <strong>der</strong> Bereitschaft zur<br />

Verkehrsanpassung (durch Persönlichkeitstests <strong>und</strong><br />

ausführliches Explorationsgespräch)<br />

• soziales Verantwortungsbewußtsein<br />

• Selbstkontrolle<br />

• psychische Stabilität <strong>und</strong> Risikobereitschaft<br />

• Tendenzen zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr<br />

• kritisch von <strong>der</strong> Norm abweichen<strong>der</strong> Bezug zum Autofahren


Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung<br />

(bast, Mensch <strong>und</strong> Sicherheit Heft M 115)<br />

Beispielhafte Auswirkungen psychischer<br />

Leistungsmängel:<br />

• Optische Informationen werden in ihrem<br />

Bedeutungsgehalt nicht ausreichend schnell <strong>und</strong><br />

sicher wahrgenommen.<br />

• Notwendige Reaktionen setzen zu spät ein <strong>und</strong>/ o<strong>der</strong><br />

werden stark verzögert ausgeführt.<br />

Die Frage nach <strong>der</strong> Verursachung etwaiger<br />

Funktionsbeeinträchtigungen steht hierbei nicht im<br />

Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>.


Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung<br />

(bast, Mensch <strong>und</strong> Sicherheit Heft M 115)<br />

Alkoholmissbrauch (schädlicher Gebrauch):<br />

• wie<strong>der</strong>holtes Lenken unter unzulässig hoher<br />

Alkoholwirkung<br />

• nach einmaliger Fahrt unter hoher<br />

Alkoholkonzentration


Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung<br />

(bast, Mensch <strong>und</strong> Sicherheit Heft M 115)<br />

Alkoholmissbrauch (schädlicher Gebrauch):<br />

Eignungskriterien:<br />

• ausreichende Verän<strong>der</strong>ung des Alkoholtrinkverhaltens<br />

(kontr. Trinken; Abstinenz)<br />

• Verän<strong>der</strong>ung ist stabil <strong>und</strong> motivational gefestigt<br />

(Problembewusstsein, Erprobungszeitraum, positive<br />

Wirkungen, Nachvollziehbarkeit)<br />

• Abwesenheit verkehrsrelevanter Leistungs- o<strong>der</strong><br />

Funktionsbeeinträchtigungen, die auf<br />

missbräuchlichen Alkoholkonsum hindeuten


Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung<br />

(bast, Mensch <strong>und</strong> Sicherheit Heft M 115)<br />

Drogen- <strong>und</strong> Arzneimittelmissbrauch :<br />

Wer, ohne abhängig zu sein, missbräuchlich o<strong>der</strong><br />

regelmäßig Substanzen konsumiert, die die<br />

psychische Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrers unter<br />

das erfor<strong>der</strong>liche Maß herabsetzen o<strong>der</strong> die Fähigkeit<br />

zu verantwortlichen Entscheidungen beeinträchtigen<br />

können, ist nicht in <strong>der</strong> Lage, ein KFZ verantwortlich<br />

zu führen.


Forschungsarbeiten aus dem Verkehrswesen<br />

(BM für Wissenschaft <strong>und</strong> Verkehr 1999/I)<br />

Drogen- <strong>und</strong> Arzneimittelmissbrauch :<br />

Eignungskriterien:<br />

• keine aktuellen Hinweise auf Drogenkonsum o<strong>der</strong><br />

Medikamentenmissbrauch<br />

• bei Drogenabhängigkeit hat eine Entwöhnungstherapie o<strong>der</strong> ein<br />

fachlicher Beratungsprozess die persönlichen Voraussetzungen<br />

für eine stabile Abstinenz geschaffen<br />

• es besteht eine dauerhafte, tragfähige innere Distanzierung vom<br />

Drogenkonsum<br />

• es besteht ein angemessener Zeitraum <strong>der</strong> Abstinenz vor <strong>der</strong><br />

Begutachtung (in <strong>der</strong> Regel 1 Jahr)<br />

• eine bestehende Abstinenz wird durch günstige Faktoren in <strong>der</strong><br />

Person, im Sozialverhalten <strong>und</strong> im sozialen Umfeld gestützt


Forschungsarbeiten aus dem Verkehrswesen<br />

(BM für Wissenschaft <strong>und</strong> Verkehr 1999/I)<br />

Drogen- <strong>und</strong> Arzneimittelmissbrauch :<br />

Eignungskriterien:<br />

• für die Fahreignung relevante organische o<strong>der</strong> psychische<br />

Erkrankungen, die im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum<br />

stehen, sind nicht zu diagnostizieren bzw. hinreichend stabil<br />

ausgeheilt<br />

• Störungen <strong>der</strong> Einstellung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Anpassungsfähigkeit durch<br />

psychische Fehlentwicklungen liegen nicht vor<br />

• eine den Drogenkonsum ev. bedingende<br />

Persönlichkeitsproblematik wurde erkannt <strong>und</strong> entscheidend<br />

korrigiert<br />

• bei <strong>der</strong> gegebenen intellektuellen <strong>und</strong> psychisch-funktionalen<br />

Ausstattung ist ein verkehrsgerechtes Verhalten möglich<br />

(nach Kroj et al. 1994)


Ausblick<br />

Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich<br />

verkehrspsychologischer Begutachtung:<br />

• Akteneinsicht<br />

• engere Vernetzung mit Amtsärzten<br />

• Intensivierung begutachtungsbezogener<br />

interdisziplinärer Forschung<br />

• Hilfe zur Feststellung arzneimittel- o<strong>der</strong><br />

drogenbedingter Beeinträchtigungen auf <strong>der</strong> Straße


<strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtlinien</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>verkehrspsychologischen</strong><br />

Gutachtenstätigkeit<br />

M. Kopp<br />

Abteilung für Klinische Psychologie <strong>der</strong> Univ.-Klinik f. Psychiatrie<br />

Innsbruck<br />

Institut für Nachschulung <strong>und</strong> Fahrer-Rehabilitation (INFAR - Tirol)

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