Ausgabe 17 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG
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Fotos: Sebastian Komnick<br />
Juni 2010 31<br />
| Kunst |<br />
<strong>Das</strong> kenne ich<br />
doch, oder?<br />
Die Welt ist ungerecht, klagen manche – und das mag für viele Einzelfälle<br />
durchaus zutreffen. Ob der globale Maßstab dieses Urteils<br />
tatsächlich angemessen ist, wird sich allerdings erst entscheiden,<br />
wenn alles Unbekannte bekannt ist und damit als feste Größe in die<br />
Rechnung einbezogen wird – also am Ende der Zeiten, sofern dann<br />
noch jemand die Zeit und zudem den nötigen Überblick dafür hat.<br />
Die Bilder des Malers Tino Geiß geben dem, der sich Zeit dafür<br />
nimmt, Zeit zurück und das sogar im Plural: Zeit der Erfahrung, persönliche<br />
Zeit, gesellschaftliche Zeiten, Zeitspuren.<br />
Die Darstellungen des 31-jährigen Thüringers könnten zum oberflächlichen<br />
Darübergleiten verleiten, wenn der erste Blick Dinge des<br />
Alltags, Gebäude, Räume und gelegentlich<br />
auch einen Menschen erfasst. Nur<br />
wann hat der erste Blick je schon zu tieferer<br />
Erkenntnis geführt? Geiß’ Bildwelten<br />
führen den Gegenbeweis zur Behauptung,<br />
dass der erste Eindruck immer der wichtigste<br />
sei.<br />
Sicher, Geiß zeigt das Bekannte.<br />
Doch um das zu tun, muss das Bekannte<br />
schon bekannt sein. Erst dann kann<br />
es wiedererkannt werden, was bei<br />
dem Meisterschüler von Neo Rauch der<br />
Leipziger Kunsthochschule in doppelter<br />
Weise geschieht, je nachdem, ob die Betonung<br />
auf »wieder« oder »erkennen«<br />
liegt. Denn auch das, oder besser, genau das ist die Bedeutung von<br />
Reflexion. Hier wird nicht einfach gespiegelt, sondern reflektiert im<br />
wahrsten Wortsinn – also zurückgebogen. Der gerade Weg bleibt dabei<br />
links liegen, es kommt zu Verschiebungen, Überlagerungen, Brechungen.<br />
Doch die Verfremdung wird nicht aufgezwungen. Wer ehr-<br />
lich zu sich selbst ist, weiß um den<br />
Eigenanteil unserer inneren Bilder.<br />
Tino Geiß führt sie uns vor Augen.<br />
<strong>Das</strong> ist gerecht. (mra)<br />
seit gut zeHn<br />
JAHren malt<br />
Tino Geiß.<br />
Im Kunstverein<br />
Gera sind ausgewählte<br />
Stationen<br />
seines Schaffens<br />
seit 2006 noch<br />
bis zum 19.<br />
Juni zu sehen.<br />
Ein Besuch der<br />
Ausstellung lohnt<br />
sich, denn Geiß’<br />
Bilder bleiben<br />
nichts schuldig.<br />
»Die grüne KAmmer«<br />
2009, Klebebandcollage,<br />
42 x 30 cm<br />
»reLiKt« 2009, Acryl<br />
auf Leinwand, 30 x 24 cm<br />
Kunstverein Gera<br />
Markt 8/9, <strong>07</strong>545 Gera<br />
www.kunstverein-gera.de<br />
3. Juli – 10. Oktober 2010<br />
LITERATURMUSEUM ROMANTIKERHAUS<br />
Unterm Markt 12a · Telefon (03641) - 44 32 63<br />
www.romantikerhaus.jena.de<br />
Dienstag – Sonntag 10 – <strong>17</strong> Uhr