3010096 EA - Graue Reihe 42 Cover - Europäische Akademie Bad ...
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GRAUE REIHE · NR. <strong>42</strong> · MAI 2007<br />
Gesellschaftliche Randbedingungen<br />
der Virtualisierung urbaner<br />
Lebenswelten<br />
Stephan Lingner, Simone Allin, Gerhard Steinebach (Hrsg.)
GRAUE REIHE · NR. <strong>42</strong> · MAI 2007<br />
Gesellschaftliche Randbedingungen<br />
der Virtualisierung urbaner<br />
Lebenswelten<br />
Stephan Lingner, Simone Allin, Gerhard Steinebach (Hrsg.)
Publisher<br />
Die Schriften der „<strong>Graue</strong> <strong>Reihe</strong>“ umfassen aktuelle Materialien und Dokumentationen,<br />
die von den Wissenschaftlern der <strong>Europäische</strong>n <strong>Akademie</strong> zur Erforschung<br />
von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen <strong>Bad</strong> Neuenahr-Ahrweiler<br />
GmbH laufend erarbeitet werden. Die Publikationen der „<strong>Graue</strong> <strong>Reihe</strong>“ werden<br />
als Manuskripte gedruckt und erscheinen in loser Folge im Selbstverlag der <strong>Europäische</strong>n<br />
<strong>Akademie</strong>. Sie können über die <strong>Europäische</strong> <strong>Akademie</strong> auf schriftliche<br />
Anfrage bezogen werden.<br />
<strong>Europäische</strong> <strong>Akademie</strong><br />
zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen<br />
<strong>Bad</strong> Neuenahr-Ahrweiler GmbH<br />
Wilhelmstraße 56, 53474 <strong>Bad</strong> Neuenahr-Ahrweiler<br />
Tel. +49 (0) 26 41 973-300, Fax +49 (0) 26 41 973-320<br />
e-mail: europaeische.akademie@ea-aw.de<br />
Homepage: www.ea-aw.de<br />
Direktor<br />
Professor Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann (V.i.S.d.P.)<br />
ISSN<br />
1435-487 X<br />
Redaktion<br />
Katharina Mader, M.A.; Friederike Wütscher<br />
Layout und Druck<br />
Köllen Druck+Verlag, Bonn+Berlin, www.koellen.de
Vorwort<br />
Die urbane Entwicklung wird heute durch die großen Trends des demographischen<br />
Wandels, der Globalisierung und der Technisierung beeinflusst. Neben räumlichen<br />
Konsequenzen führt dies auch zu weit reichenden gesellschaftlichen Veränderungen.<br />
Diese werden überlagert durch die Virtualisierungsfolgen der zunehmenden Anwendung<br />
moderner und sich fortentwickelnder Informations- und Kommunikationstechniken<br />
(IKT) in den verschiedenen Lebensbereichen des Menschen. Die vorausschauende<br />
Beschreibung von Interaktionen sozio-ökonomischer und technischer Megatrends mit<br />
der Virtualisierung von Lebenswelten in der modernen Informationsgesellschaft ist<br />
daher ein wichtiger Baustein für die zukunftsgerechte Beurteilung stadtplanerischer<br />
Konzepte und Vorhaben. So ist beispielsweise eine Überlagerung der beschriebenen<br />
Projektionen mit übergreifenden gesellschaftlichen Trends – wie die Alterung der<br />
Gesellschaft in Europa – zu verzeichnen, die die Ausprägung der obigen Effekte und<br />
damit den raumplanerischen Handlungsbedarf erheblich beeinflussen könnten.<br />
Der kritischen Erörterung relevanter Entwicklungstrends mit externen Fachwissenschaftlern<br />
diente ein Workshop „Gesellschaftliche Randbedingungen der Virtualisierung<br />
urbaner Lebenswelten“ am 16.10.2006 in der <strong>Europäische</strong>n <strong>Akademie</strong> in <strong>Bad</strong> Neuenahr-Ahrweiler.<br />
1 Die zentralen Ergebnisse dieses Expertengesprächs werden im vorliegenden<br />
Band der <strong>Graue</strong>n <strong>Reihe</strong> dokumentiert, wobei zwei Beiträge nur als Folienpräsentationen<br />
verfügbar sind. Sie werden – als deskriptive Basis – in die Studie der <strong>Europäische</strong>n<br />
<strong>Akademie</strong> „Raumplanung und die Virtualisierung von Lebenswelten“ einfließen. Die Studie<br />
wiederum ist Teil des Gemeinschaftsvorhabens „Räumliche Auswirkungen der Virtualisierung<br />
und ihre technologisch-gesellschaftlichen Randbedingungen“ mit der Technischen<br />
Universität Kaiserslautern, Lehrstuhl Stadtplanung (Professor Dr.-Ing. G. Steinebach)<br />
und dem Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) (Professor Dr. Hans<br />
Hagen). Das von Professor Steinebach koordinierte Gesamtvorhaben 2 wird vom Hochschulprogramm<br />
„Wissen schafft Zukunft“ des Landes Rheinland-Pfalz gefördert.<br />
Stephan Lingner, <strong>Bad</strong> Neuenahr-Ahrweiler April 2007<br />
Simone Allin, Kaiserslautern<br />
Gerhard Steinebach, Kaiserslautern<br />
1 Neben den Autoren dieses Bandes trugen folgende weitere Teilnehmer des Fachgesprächs zur gemeinsamen<br />
Diskussion bei: H. Leprich, T. Müller, A. Siegler (alle am Lehrstuhl Stadtplanung der TU Kaiserslautern)<br />
sowie Dr. B. Droste-Franke und A. Schlochtermeier (beide an der <strong>Europäische</strong>n <strong>Akademie</strong>).<br />
2 Siehe hierzu: Schriften zur Stadtplanung (Hg. G. Steinebach), Bd. 6, 12/2006<br />
3
Inhaltsverzeichnis<br />
Einführung .................................................................................................... 7<br />
Stephan Lingner<br />
Raumrelevanz der Virtualisierung .............................................................. 9<br />
Gerhard Steinebach<br />
Megatrend „Demographie“ ........................................................................ 29<br />
Heinrich Mäding<br />
Hinweise der Lebensstilforschung für die Debatten<br />
um Virtualisierung und Reurbanisierung .................................................. 41<br />
Annette Spellerberg<br />
Recodierung des urbanen Raums durch das Internet? .......................... 57<br />
Dieter Hassenpflug<br />
Räumliche Trends in der Telekommunikationslandschaft Europas –<br />
Analyse ausgewählter ESPON-Ergebnisse ................................................ 63<br />
Erich Dallhammer<br />
Wie sicher ist die Stadt? Wie urban kann Sicherheit sein?<br />
Mögliche Folgen des Megatrends „Sicherheit“ für die<br />
Virtualisierung urbaner Lebenswelten ...................................................... 81<br />
Holger Floeting<br />
Gesellschaftliche Randbedingungen der Virtualisierung<br />
von Lebenswelten und ihre Folgen. Synopsis und Fazit ............................ 89<br />
Stephan Lingner<br />
5
Einführung<br />
Stephan Lingner<br />
Moderne Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) haben mit wachsender<br />
Tendenz Einzug in viele Lebensbereiche des Menschen gehalten. Ein wichtiger<br />
Bereich, in dem die Emergenz von IKT zu neuen Herausforderungen für die Gesellschaft<br />
führen wird, ist im öffentlichen Leben sowie in der Entwicklung urbaner und<br />
ländlicher Räume zu suchen. So werden sich beispielsweise im Wirtschaftsleben<br />
durch die zunehmende Bedeutung von „E-Business“ Szenarien für den zukünftigen<br />
Mobilitäts- und Infrastrukturbedarf signifikant ändern, die wiederum rechtzeitig in<br />
eine sachgerechte Raumplanung einfließen sollten. Dabei hat die planerische Sicht zu<br />
berücksichtigen, dass eine Überlagerung der beschriebenen Projektionen mit übergreifenden<br />
gesellschaftlichen Trends – wie der Alterung der Gesellschaft in Europa<br />
– zu erwarten ist. Entsprechende Entwicklungstrends werden die Ausprägung der<br />
obigen Effekte und damit den raumplanerischen Handlungsbedarf voraussichtlich<br />
erheblich beeinflussen.<br />
Darüber hinaus sind im Zusammenhang mit dem zunehmenden Einsatz von IKT im<br />
Raum sowohl Anonymitätserwartungen der Bürger als auch ihre Ansprüche an<br />
gesellschaftlicher Teilhabe tangiert, die es in einem Folgeband der <strong>Graue</strong>n <strong>Reihe</strong> kritisch<br />
zu reflektieren gilt.<br />
Zum Virtualisierungsbegriff<br />
Aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht lassen sich sowohl theoretische als auch<br />
praktische Zugänge zur Verwendung von „Virtualität“ finden. So hat man ausgehend<br />
vom Begriff virtus (lat. Kraft, Vermögen) schon frühzeitig eine erkenntnistheoretische<br />
Vorstellung von Virtualität entwickelt, die als „absolute Realität“ versucht,<br />
ein umfassendes Verständnis von Wirklichkeit als Ergebnis nicht nur ihrer<br />
objektiven Anteile, sondern auch ihrer subjektiven Einflüsse zu konzipieren (s. Mittelstraß<br />
1996, Stichworte: Realität, Virtualität). Danach wirken sowohl Gegenstände<br />
(Objekte) und ihre Dynamik als auch der handelnde oder nach Erkenntnis strebende<br />
Mensch auf das ein, was sich dem Beobachter als (absolute) Realität zeigt.<br />
Diese integrierte Sicht schließt nicht nur den Menschen als Umweltgestalter ein, sondern<br />
auch als seine Umwelt nach seinen (subjektiven) Wahrnehmungen und Zwecken<br />
7
Definierender. Demgegenüber läuft die alltagssprachliche Verwendung der Begriffe<br />
von Realität und Virtualität auf einen Dualismus hinaus, der den Gegensatz zwischen<br />
körperlich bestehenden Einheiten oder Prozessen und solchen, die sich auf die immaterielle<br />
oder Vorstellungswelt beschränken, betont. Lebenspraktisch war diese Perspektive<br />
in vielen Fällen besser operabel, weswegen sie sich in der Alltagswelt auch<br />
durchgesetzt hat. Diese „materialistische“ Sichtweise stößt allerdings an Grenzen –<br />
beispielsweise dann, wenn es um die entsprechende Einordnung moderner („virtueller“)<br />
IKT-Inhalte geht: So sind für deren Verständnis die ihnen zugrunde liegenden<br />
„realen“ Binär-Codes irrelevant – im Gegensatz zu ihren „phänotypischen“ Ausprägungen<br />
und ihren gewollten bzw. wahrgenommenen Bedeutungen. Mit Blick auf<br />
die angesprochene Virtualisierungsproblematik könnte daher die integrative Perspektive<br />
von Virtualität, die notwendigerweise auch Realität impliziert, hier relevant<br />
werden.<br />
Dr. rer. nat. Stephan Lingner, Dipl.-Geol.<br />
<strong>Europäische</strong> <strong>Akademie</strong> zur Erforschung von Folgen wissenschaftlichtechnischer<br />
Entwicklungen <strong>Bad</strong> Neuenahr-Ahrweiler GmbH<br />
Literatur<br />
Mittelstraß J (1996) Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 3 und 4. Stuttgart/Weimar<br />
8
Raumrelevanz der Virtualisierung<br />
Gerhard Steinebach<br />
2.1 Ausgangslage<br />
Der Workshop „Gesellschaftliche Randbedingungen der Virtualisierung urbaner<br />
Lebenswelten“ steht im Gesamtzusammenhang des Forschungsprojektes „Räumliche<br />
Auswirkungen der Virtualisierung und ihre technologisch-gesellschaftlichen<br />
Randbedingungen“ der Technischen Universität Kaiserslautern, Lehrstuhl Stadtplanung,<br />
Professor Dr.-Ing. G. Steinebach, der <strong>Europäische</strong>n <strong>Akademie</strong> in <strong>Bad</strong> Neuenahr-Ahrweiler,<br />
Professor Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann, und des Deutschen<br />
Zentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), Professor Dr. Hans Hagen. Die Untersuchungsgegenstände<br />
der einzelnen Beiträge des Workshops befassen sich mit Teilaspekten<br />
dieser Problematik und dienen der Grundlagenermittlung im Rahmen des<br />
Forschungsprojektes.<br />
Darüber hinaus sind in das Forschungsprojekt Erkenntnisse aus der am Lehrstuhl<br />
Stadtplanung federführend betreuten Erarbeitung der Wettbewerbsbeiträge für die<br />
Städte Kaiserslautern und Homburg/Saar im Rahmen des von der Deutschen Telekom<br />
AG im Frühjahr 2006 ausgelobten, deutschlandweiten Städtewettbewerbs<br />
„T-City“ eingeflossen. Im Rahmen des Wettbewerbs wurden Konzepte entwickelt,<br />
die die spezifischen Aufgaben und Herausforderungen der Städte mit Hilfe moderner<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien besser bewältigen und zugleich<br />
ein gut vernetztes Gemeinwesen schaffen sollen. Im kommunalen Wettstreit um den<br />
Ausbau einer der modernsten städtischen Highspeed-Infrastrukturen und die Durchführung<br />
einer Vielzahl thematisch passender Einzelprojekte standen ebenfalls die<br />
Betrachtung der allgemeinen Wirkungen des Einsatzes elektronischer Informationsund<br />
Kommunikationssysteme für die Stadt als Lebensraum sowie die entsprechenden<br />
Folgen der Virtualisierung in den unterschiedlichen Lebenswelten des Menschen<br />
im Mittelpunkt.<br />
2.1.1 Problemstellung<br />
Die sich rasant fortentwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
und die zunehmende Anwendung in verschiedenen Lebensbereichen des Menschen<br />
führen zu zahlreichen Konsequenzen (Steinebach 2005). Dieser hier als „Virtuali-<br />
9
sierung“ bezeichnete Prozess betrifft die technologischen Grundlagen und Möglichkeiten<br />
zum partiellen oder vollständigen Ersatz sowie zur Ergänzung von Gegenständen<br />
oder Abläufen sowie Vorgängen durch (binäre) Daten.<br />
Seine Bezüge sind unter anderem gesellschaftlicher und räumlicher Natur. Beide stehen<br />
in einem Wechselwirkungsverhältnis und können nicht isoliert voneinander<br />
betrachtet werden. Im Folgenden werden zunächst die Gesamtzusammenhänge dargestellt<br />
und sodann die räumlichen Bezüge thematisiert.<br />
Die Abhängigkeiten der Kommunikationsmöglichkeiten von der Ausbreitung und<br />
Verfügbarkeit der Kommunikationsinfrastrukturen sowie der Sicherheit, der Kapazität<br />
und Schnelligkeit der Datenströme sind weitere wichtige Aspekte, die hier aber<br />
nicht vertiefend zu erörtern sind.<br />
2.1.2 Zielsetzung<br />
Für den Raumwissenschaftlicher dürfen die räumlichen Konsequenzen der Virtualisierung<br />
und die Ableitung der sich daraus ergebenden Anforderungen an die raumbezogene<br />
Planung nicht außer Betracht bleiben. Dazu bedarf es aber zunächst der<br />
Grundlagenermittlung gesellschaftlicher, technischer und räumlicher Zusammenhänge,<br />
um über eine möglichst frühzeitige Bestimmung der Potenziale der Virtualisierung<br />
Erkenntnisse zu positiven und negativen Folgewirkungen zu erzielen.<br />
In diesem Beitrag soll quasi in einem Vorgriff festgestellt werden, in welchem Raumbezug<br />
die Virtualisierung steht, um damit in einem ersten Schritt Bindeglieder zwischen<br />
den sich in den folgenden Beiträgen äußernden Disziplinen zu formulieren.<br />
2.2 Dimensionen der Virtualisierung urbaner Lebenswelten<br />
In Bezug auf die gesellschaftliche Dimension der Virtualisierung stehen der demographische<br />
Wandel und der Wandel der Lebensstile im Mittelpunkt. Hinzu kommen<br />
die ökonomische Dimension in Form des ökonomischen Wandels und der Globalisierung<br />
sowie die technologische Dimension.<br />
2.2.1 Gesellschaftliche und soziale Dimension<br />
Die gesellschaftliche Dimension der Virtualisierung lässt sich anhand der sozioökonomischen<br />
Megatrends des demographischen Wandels, des Wandels der Lebensstile,<br />
der Entwicklung hin zur Informations- bzw. Wissensgesellschaft und eines<br />
10
gesamt-gesellschaftlichen Wandels aufgrund einer veränderten Sicherheitslage<br />
beschreiben.<br />
Mit den Auswirkungen des demographischen Wandels beschäftigt sich der Beitrag<br />
von Professor Dr. Heinrich Mäding (Difu Berlin).<br />
Neben der Veränderung der Altersstruktur der Gesellschaft zeigt sich vor allem ein<br />
Wandel der Lebensstile hin zu einer Pluralisierung und Heterogenität. Aufgabe der<br />
Städte ist es, den verschiedenen Ansprüchen der Lebensstilgruppen an den städtischen<br />
Raum Platz zu bieten. Die Entwicklung von Lebensstilen und die Zusammenhänge<br />
mit der Virtualisierung urbaner Lebenswelten ist Thematik des Beitrages<br />
von Juniorprofessorin Dr. Annette Spellerberg (TU Kaiserslautern).<br />
Weitere Aspekte der gesellschaftlichen und sozialen Dimension der Virtualisierung<br />
zeigen sich im Wandel hin zur Informations- bzw. Wissensgesellschaft. Die Auswirkungen<br />
der Informationsgesellschaft auf den öffentlichen Raum sind Thema des<br />
Beitrages zur Recodierung des urbanen Raums durch das Internet von Professor Dr.<br />
Dieter Hassenpflug (Bauhaus-Universität Weimar).<br />
Mit den möglichen Folgen der Veränderung der Sicherheitslage für die Virtualisierung<br />
urbaner Lebenswelten beschäftigt sich der Beitrrag von Holger Floeting (Difu<br />
Berlin). Neben Sicherheitsfragen sind im Zusammenhang des gesellschaftlichen Wandels<br />
durch den vermehrten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
im Raum sowohl Anonymitätserwartungen der Bürger als auch ihre Ansprüche<br />
an gesellschaftlicher Teilhabe tangiert. Schlagworte wie „digitale Spaltung“ und<br />
„gläserner Mensch“ sind Thematiken, die es im Forschungszusammenhang kritisch<br />
zu reflektieren gilt.<br />
Zusammenfassend stellen sich aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht folgende<br />
Kernfragen:<br />
– Welche Konsequenzen ergeben sich im Kontext des Wandels der Lebensstile, des<br />
demographischen Wandels und des Wandels hin zur Informations- bzw. Wissensgesellschaft<br />
sowie im Kontext von Sicherheitsfragen aus der fortschreitenden<br />
Durchdringung der Lebenswelten des Menschen durch IuK-Technologien?<br />
– Inwieweit ist der Einsatz von IuK-Technologien in der Lage, die gesellschaftlichen<br />
Entwicklungen/Probleme, d. h. die gesellschaftlichen Folgen im Kontext des Wandels<br />
der Lebensstile, des demographischen Wandels bzw. im Kontext von Sicherheitsfragen,<br />
zu verstärken oder abzuschwächen?<br />
11
– Ist hier eine einheitliche Entwicklung zu beobachten oder existieren standortbe-<br />
dingte Unterschiede (nach Regionen, Stadt – ländlicher Raum etc.)?<br />
– Welche Bereiche, Funktionen und Umfänge unserer heutigen Realität lassen sich<br />
zukünftig gerechtfertigt oder gar wünschbar virtualisieren?<br />
2.2.2 Ökonomische und technologische Dimension<br />
Neben der weitergehenden Erforschung der Rolle gesellschaftlicher Megatrends<br />
bedarf es auch der Untersuchung der ökonomischen und technologischen Zusammenhänge.<br />
Hierzu soll gegebenenfalls ein weiteres Fachgespräch stattfinden.<br />
2.2.3 Räumliche Dimension<br />
Vor allem die Anpassungserfordernisse vorhandener und der Ausbau zukünftiger<br />
Verkehrs- und sonstiger Infrastruktursysteme (vor allem Kommunikationsinfrastruktur,<br />
siehe auch Städtewettbewerb „T-City“ der Deutschen Telekom AG,<br />
www.t-city.de, 30.4.2007) spielen unter Berücksichtigung der potenziellen Veränderungen<br />
in den Nutzungsmustern des Menschen und als Standortfaktor für die<br />
Ansiedlung von Unternehmen eine bedeutungsvolle Rolle. Im Weiteren sind zu den<br />
Folgen der Virtualisierung die Gestalt- und die Funktionveränderungen öffentlicher<br />
Räume (Stichworte „places vs. spaces“) zu nennen.<br />
Zusammenfassend lassen sich aus räumlicher Sicht folgende Kernfragen stellen:<br />
– Was sind die räumlichen Dimensionen und was die räumlichen Auswirkungen der<br />
Virtualisierung?<br />
– Wie gestaltet sich die Virtualisierung? Als Ersatz oder Ergänzung von „Realität“?<br />
– Was sind die Standortansprüche von Personen und Unternehmen an die Städte<br />
und Dörfer im Kontext der Virtualisierung?<br />
– Ist Virtualisierung ein Standortfaktor?<br />
– Trägt Virtualisierung zur Standortqualität bei?<br />
– Welche Konsequenzen ergeben sich derzeit im Kontext der Rolle des urbanen<br />
Raumes aus der fortschreitenden Durchdringung der Lebenswelten des Menschen<br />
durch IuK-Technologien?<br />
– Ist hier eine einheitliche Entwicklung zu beobachten oder existieren standortbedingte<br />
Unterschiede (Stadt – ländlicher Raum etc.)?<br />
– Inwieweit ist der Einsatz von IuK-Technologien in der Lage, diese Folgen im Kontext<br />
der Rolle des urbanen Raumes zu verstärken oder abzuschwächen?<br />
12
2.3 IuK-Infrastruktur und technologische Vorraussetzungen<br />
2.3.1 Information und Kommunikation<br />
Der theoretische Begriff der Kommunikation ist zunächst vieldeutig. Begriffskritische<br />
Studien kommen auf 160 Definitionen oder definitorische Sätze (Merten 1999).<br />
Zudem ist die Begrifflichkeit eher uneinheitlich und sie verändert sich wie auch der<br />
ganze Bereich der Kommunikation rasch (Maletzke 1998). Im Folgenden wird jedoch<br />
versucht, die Begrifflichkeit soweit einzugrenzen, dass klar wird, was hier unter<br />
Kommunikation verstanden wird.<br />
Den Begriff Kommunikation kann man je nach Kontext und Bedarf eng oder weit<br />
fassen. Der engere Kommunikationsbegriff bezieht sich auf die Gemeinsamkeiten<br />
zwischen verschiedenen Menschen, auf einen sozialen Prozess. Unter Kommunikation<br />
kann demnach auf der menschlichen Alltagsebene der wechselseitige Austausch<br />
und auch die gemeinsame Generierung von Gedanken in Sprache, Gestik, Mimik,<br />
Schrift oder Bild verstanden werden. Stark verkürzt lässt sich sagen, dass Kommunikation<br />
die Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen ist. Diese Verkürzung wird<br />
jedoch seit einigen Jahren vielfach nicht mehr anerkannt (Maletzke 1998). Ein umfassender,<br />
weiter gefasster Begriff der Kommunikation wird in vielen verschiedenen<br />
Bereichen und in den entsprechenden Wissenschaften angewandt. So wird auch in<br />
Bezug auf Prozesse unter Tieren (animalische Kommunikation), Prozesse innerhalb<br />
lebender Organismen (Biokommunikation) wie auch innerhalb oder zwischen technischen<br />
Systemen (technische Kommunikation, Maschinenkommunikation) oder<br />
zwischen Menschen und technischen Apparaten, zum Beispiel Computern (Mensch-<br />
Maschine-Kommunikation) von Kommunikation gesprochen (Maletzke 1998).<br />
Kommunikation dient dazu, sich zu verständigen und mitzuteilen, d. h. Kommunikation<br />
stellt das zum Teil wechselseitige Übermitteln von Daten oder von Signalen<br />
mit einem festgelegten Bedeutungsinhalt dar. Diese Signale dienen als Auslöser für<br />
bestimmte Reaktionen. Man geht dabei von einem wechselseitigen Verstehensprozess<br />
zwischen Partnern mit einer gemeinsamen Basis aus, also von der Voraussetzung,<br />
dass jeglicher Kommunikation ein dem Sender und Empfänger gemeinsamer Symbolvorrat<br />
(shared code) zugrunde liegt (Graumann, in: Maletzke 1998). Die Daten<br />
bzw. Signale müssen in eine Syntax, also in einen logischen und systematischen Kontext<br />
gebracht werden, um als Information ausgetauscht bzw. übertragen werden zu<br />
können (Kübler 2003). Kommunikation kann demnach als ein Ereignis der Über-<br />
13
tragung oder des Austauschs von Informationen bzw. von Wissen zwischen Menschen,<br />
zwischen Maschinen und Geräten oder zwischen Menschen und Maschinen<br />
über verschiedene Medien bezeichnet werden.<br />
In Bezug auf den Begriff der Kommunikation soll zwischen der Übertragung von<br />
Informationen und Wissen unterschieden werden. Standardisierte Informationen<br />
weisen eine eindeutige Bedeutung auf und lassen sich kontextunabhängig suchen,<br />
interpretieren und verstehen (Läpple 2003). Bezüglich der Virtualisierung der Übertragung<br />
von Informationen lässt sich demnach eine eindeutige Orts- und Zeitunabhängigkeit<br />
feststellen.<br />
In Bezug auf die Virtualisierung der Vermittlung von kontextgebundenem Wissen lassen<br />
sich keine so eindeutigen Aussagen treffen. Die Vermittlung von kontextgebundenem<br />
Wissen ist anders als die reine Übertragung von Informationen stark abhängig<br />
von einem gemeinsamen kognitiven, kulturellen und sozialen Kontext. Für die<br />
Wissensübermittlung lässt sich aufgrund der Kontextabhängigkeit von nicht kodifiziertem<br />
Wissen beispielsweise nach wie vor eine Notwendigkeit häufiger persönlicher<br />
(„face-to-face“) Kontakte oder zwischenbetrieblicher Mobilität von Arbeitskräften<br />
erkennen (Läpple 2003).<br />
In Bezug auf die Kommunikation ist der Begriff der Virtualisierung als partieller<br />
oder vollständiger Ersatz bzw. als Ergänzung von Kommunikationsabläufen und<br />
-vorgängen, das heißt des Informationsaustauschs durch (binäre) Daten zu verstehen.<br />
Dies ermöglicht es, bislang papiergebundene oder persönlich vis-à-vis bzw. fernmündlich<br />
ablaufende Kommunikation vollständig elektronisch bzw. elektronisch<br />
unterstützt abzuwickeln. Aufgrund der Ubiquität von Kommunikation als Voraussetzung<br />
gesellschaftlicher und technischer Prozesse stellt die virtualisierte Kommunikation<br />
somit eine Basisfunktion dar, die die anderen städtebaulichen Grundfunktionen<br />
Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Verkehr im erheblichen Maße beeinflusst.<br />
2.3.2 IuK-Infrastrukturversorgung<br />
Betrachtet man die allgemeine Entwicklung im Bereich der Kommunikationsinfrastrukturen,<br />
so lässt sich eine zunehmende Durchdringung der unterschiedlichen<br />
Lebensbereiche des Menschen und ein besonderer Einfluss des vermehrten Einsatzes<br />
moderner Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen (Breitbandtechnik<br />
etc.) im Bereich der genannten Grundfunktionen feststellen. Zu den bereits „klassischen“<br />
Angeboten virtualisierter Kommunikation gehören der E-Mail-Verkehr und<br />
14
das World Wide Web im Zusammenhang mit den Erleichterungen durch die Einführung<br />
von HTML und Browsern zum intuitiven Suchen und Finden von Informationen.<br />
Der Ausbau und die Integration verschiedener Online-Dienste werden<br />
vorangetrieben und Software für Kommunikation und Datenaustausch entwickelt<br />
(Langenhagen-Rohrbach 2006).<br />
Die modernen Kommunikationsmöglichkeiten unterliegen durch ständige Innovationen<br />
fortlaufend Veränderungen. Aufgrund der fortschreitenden technologischen<br />
Entwicklung, sei es durch die stetige Zunahme von Übertragungsraten oder die vermehrte<br />
Nutzung von Funktechnologien, wird sich die „Landschaft“ der IuK-Dienste<br />
weiterhin nachhaltig verändern und es werden neue Wachstumsmöglichkeiten<br />
erschlossen (Bundesregierung 2006). Die durch die Universalität der Einsetzbarkeit<br />
und die globalen Vernetzungsmöglichkeiten der dezentralen Strukturen der Informations-<br />
und Kommunikationstechnologien entstehenden Anwendungsbereiche sind<br />
vielfältig und bislang bei weitem nicht ausgeschöpft (Läpple 2003).<br />
Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Zugangsmöglichkeiten<br />
zu entsprechenden Kommunikations- und Informationsinfrastrukturen. Bislang<br />
ermöglicht die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
eine Überwindung der Schranken von Raum und Zeit nur bis zu einem gewissen<br />
Grad. Neben den eigentlichen Zugangsoptionen ist der Nutzen, den die Informations-<br />
und Kommunikationstechnologien mit sich bringen, abhängig insbesondere<br />
von der Sicherheit, der Zuverlässigkeit und der Leistungsfähigkeit, die die Netze<br />
bieten. Das heißt, es muss gewährleistet werden, schnell, sicher und von überall auf<br />
entsprechend leistungsfähige Kommunikationsstrukturen bzw. Informationen zugreifen<br />
zu können. Eine ubiquitäre Versorgung mit Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
in allen Teilräumen ist bislang jedoch nur eingeschränkt gewährleistet.<br />
Von Interesse sind demnach Aussagen zur Verbreitung von Festnetz- bzw. Mobiltelefonanschlüssen<br />
und zum Versorgungsgrad mit Breitbandinternetanschlüssen im<br />
privaten und gewerblichen Bereich. In diesem Zusammenhang ergeben sich heute<br />
noch beachtenswerte nationale Unterschiede (siehe Beitrag von Dr. Erich Dallhammer<br />
(ÖIR Wien) zu den europäischen Trends hinsichtlich der Verbreitung von Kommunikationstechnologie<br />
in diesem Band).<br />
Zwar ist die Zahl der Mobilfunk-„Anschlüsse“ zwischenzeitlich stark angestiegen:<br />
Rein rechnerisch ergibt sich eine Anschlussdichte je Einwohner von 100 % (Bun-<br />
15
desregierung 2006). In Bezug auf ISDN-Anschlüsse im Telefonnetz liegt Deutschland<br />
zudem im internationalen Vergleich weit vorn (Langenhagen-Rohrbach 2006).<br />
Gleichzeitig steigt die Beliebtheit des Internets kontinuierlich an. Insgesamt sind zurzeit<br />
knapp 60 % der Deutschen online. Das heißt, dass 3 % mehr Bundesbürger als<br />
im Vorjahr Zugang zum World Wide Web und den damit verbundenen Angeboten<br />
haben (Bundesregierung 2006). Neben der Einrichtung flächendeckender Mobilfunknetze<br />
werden zunehmend auch leistungsfähige Datennetze und Datenfunknetze<br />
mit stetig steigenden Datenübertragungsraten aufgebaut.<br />
Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen kann momentan jedoch<br />
lediglich von einer mittleren Anschlussdichte von 17 % aller Haushalte ausgegangen<br />
werden (Langenhagen-Rohrbach 2006). Im Juli 2006 betrug die Zahl der Breitbandanschlüsse<br />
14 Millionen (Bundesregierung 2006). Diese mangelnde Versorgung<br />
erklärt sich vor allem durch die noch fehlende Erschließung der ländlichen Räume<br />
und peripheren Regionen.<br />
2.3.3 Technologische Anforderungen an IuK-Infrastruktur und Endgeräte<br />
Eine zukunftsfähige Informations- und Kommunikationsinfrastruktur sollte grundsätzlich<br />
folgenden Ansprüchen entsprechen:<br />
– Sicherheit und Integrität,<br />
– Nutzerfreundlichkeit,<br />
– Zuverlässigkeit und<br />
– Leistungsfähigkeit sowie Verfügbarkeit.<br />
Insbesondere aufgrund der zunehmenden Mobilität der Endgeräte und der globalen<br />
Vernetzung von Informations- und Kommunikationssystemen spielen vertrauenswürdige<br />
Plattformen, Endgeräte oder Software eine immer größere Rolle. Es gilt<br />
daher, sowohl sichere Speicherungs- und Rechensysteme sowie sichere Zugangsmöglichkeiten<br />
zu den Informations- und Kommunikationsnetzen zu gewährleisten.<br />
Stichworte in diesem Zusammenhang sind neben der Verschlüsselung von Informationen<br />
die elektronische Authentisierung, Zertifizierung oder biometrische Verifikation<br />
(Bundesregierung 2006).<br />
In Bezug auf die Nutzerfreundlichkeit erscheint vor allem eine verbrauchergerechte<br />
Gestaltung der Informationsgesellschaft als Voraussetzung für eine alle Grundfunktionen<br />
durchdringende Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
erforderlich. Um einer mediale Spaltung entgegenzuwirken müssen hier-<br />
16
ei alle Bevölkerungsgruppen einbezogen werden. Bislang lassen sich beispielsweise<br />
private PC-Nutzer in zwei Kategorien einteilen: Einerseits sind etliche PC-Nutzer<br />
sehr versiert, wenn es um das Beheben von Pannen und den Betrieb des Systems<br />
geht. Die bestehenden privaten Nutzungsmöglichkeiten von PCs kommen dieser<br />
Benutzergruppe mit vielen Konfigurationsmöglichkeiten entgegen. Andererseits<br />
sind viele private PC-Nutzer lediglich Anwender, da sie mit der Komplexität der<br />
Aufgaben im Rahmen des PC-Betriebs nicht konfrontiert werden wollen. Häufige<br />
Neuinstallationen, Datenverluste und Workarounds sind die Folge. Der PC wird<br />
nicht immer als hilfreiches Werkzeug wahrgenommen. Zudem gibt es eine große<br />
Bevölkerungsgruppe, die zu den technischen Entwicklungen keine Beziehung herstellen<br />
kann.<br />
Das Ausmaß der zukünftigen Virtualisierung wird demnach abhängig sein von der<br />
Integration „ferner“ Nutzergruppen und der Beachtung sozialräumlicher Voraussetzungen.<br />
Technikferne Bevölkerung ist nur zu gewinnen, wenn Nutzerfreundlichkeit,<br />
Zuverlässigkeit und Vertrauen in die Informations- und Kommunikationssysteme<br />
gestärkt werden und die Bedienung so einfach gestaltet ist wie beispielsweise das<br />
Anschalten eines Fernsehgerätes. Einen besonders wichtigen Aspekt bildet daher die<br />
Mensch-Technik-Interaktion. Die Potenziale innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
und -dienste werden langfristig nur Einzug in der gesamten<br />
Gesellschaft erhalten, wenn neue, konsequent auf die Bedürfnisse von Menschen<br />
unterschiedlichen Alters, verschiedener Interessen und Fähigkeiten ausgerichtete<br />
Benutzungsschnittstellen, d. h. zielgruppenspezifische Endgeräte, verfügbar sein werden<br />
(Bundesregierung 2006).<br />
Neben der bereits erwähnten Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit von Kommunikationsinfrastrukturen<br />
wird der Zuverlässigkeit der Informations- und Kommunikationssysteme<br />
eine besondere Bedeutung zugemessen. Angesichts der zunehmenden<br />
Komplexität der Systeme gilt es, für eine funktionelle Zuverlässigkeit insbesondere<br />
von unterstützenden Systemen (E-Safety) zu sorgen (Bundesregierung 2006).<br />
Der Trend geht zu einer immer stärkeren Unterstützung des Menschen in seiner<br />
gewohnten Umgebung. So werden sich Arbeitsschwerpunkte immer mehr in das private<br />
Umfeld verlagern. Ein gesellschaftlich akzeptiertes Ziel ist es, möglichst lange die<br />
Selbständigkeit der Menschen zu erhalten und ihnen die Möglichkeit zu bieten, weiterhin<br />
in ihrer vertrauten Umgebung zu leben. Dies wird gegenwärtig durch Unterstützungssysteme<br />
versucht zu verbessern. Durch den Einsatz verschiedener kombi-<br />
17
nierter virtueller Systeme kann auch eine gezielte Hilfe „in den eigenen vier Wänden“<br />
erfolgen. Solche Systeme stehen allerdings noch am Anfang ihrer Entwicklung.<br />
2.4 Relevante Lebensbereiche<br />
Einkaufen<br />
Die Entwicklung des Einzelhandels ist im hohen Maße von technologischen Neuerungen<br />
auf der einen und sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen auf der anderen<br />
Seite abhängig. Somit bestimmen beispielsweise Lebensstiländerungen oder die ökonomische<br />
Situation der Konsumenten die Entwicklung der privaten Konsumausgaben<br />
und damit letztendlich die Umsätze im Einzelhandel (Floeting und Oertel 2002).<br />
Diese sich dynamisch verändernden Rahmenbedingungen haben dabei unter anderem<br />
auch zu einem allgemeinen Strukturwandel im traditionellen Einzelhandel beigetragen.<br />
Veränderungen der Betriebsformen, beispielsweise durch das Selbstbedienungsprinzip<br />
und die Niedrigpreispolitik der Discountmärkte, neue Verkaufsformen,<br />
wie Urban-Entertainment-Center, und das Aufkommen neuer Vertriebswege,<br />
wie Factory-Outlet-Center, Versandhandel und E-Commerce/E-Shopping, sind Kennzeichen<br />
dieses Strukturwandels (Baeuchle 2006). Die klassischen innerstädtischen<br />
Kauf- und Warenhäuser sowie Fachgeschäfte haben darüber hinaus als Folge des<br />
wachsenden Trends hin zur Filiarisierung und Uniformisierung der Angebote große<br />
Schwierigkeiten, sich am Markt zu positionieren (Zerweck 2002).<br />
Gerade für diese Betriebstypen mit den genannten Problemen bietet der Bereich der<br />
Online-Angebote neue Potenziale, um weiteren Umsatzeinbußen entgegen zu wirken<br />
(Floeting und Oertel 2002). Darüber hinaus besteht auch auf Seiten der Konsumenten<br />
bereits heute grundsätzlich die Möglichkeit, die eigene Grundversorgung<br />
auf Bestellung via Internet zu sichern (Steinebach 2003). Ein partieller bis<br />
vollständiger Ersatz ist dabei heute beispielsweise im Kontext der Grundfunktion<br />
des Einkaufens für den (Teil-)Vorgang der Informationsgewinnung seitens des interessierten<br />
Kunden über ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung zu beobachten.<br />
Der reale Beratungsservice des Mitarbeiters im Geschäft vor Ort wird<br />
durch die eigenständige Recherche des Kunden im World Wide Web (nahezu)<br />
obsolet. Der eigentliche (Teil-)Vorgang des Einkaufens der Ware findet anschließend<br />
in realer Form im Fachgeschäft oder – als ergänzende Option für den Kunden<br />
– ebenfalls über ein virtuelles Portal im Internet statt. Letztere, elektronisch<br />
18
unterstützte Form des Einkaufens kann bei entsprechenden Nutzerzahlen mit<br />
umfangreichen Konsequenzen für Lage, Erreichbarkeit, Größe und das Vorhandensein<br />
und die städtebauliche Qualität von Einkaufs- und Logistikstandorten<br />
verbunden sein.<br />
Das Internet als Vertriebsweg für Unternehmen in Deutschland spielt trotz steigender<br />
Umsätze jedoch noch eine untergeordnete Rolle. Nach Untersuchungen des Statistischen<br />
Bundesamtes stieg zwar der Anteil der von allen deutschen Unternehmen<br />
im Jahr 2005 über das Internet realisierten Umsätze gemessen am Gesamtumsatz im<br />
Vergleich zu 2003 um mehr als die Hälfte (+ 58 %), bewegte sich jedoch mit 3,8 %<br />
noch immer auf niedrigem Niveau (destatis 2007).<br />
Rund 12 % der Unternehmen in Deutschland verkauften im Jahr 2005 ihre Waren<br />
oder Dienstleistungen über das Internet, zwei Prozentpunkte mehr als in 2003. Hierbei<br />
zeigt sich eine Abhängigkeit von der Größe der Unternehmen: Während 11 % der<br />
Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten im Jahr 2005 Verkäufe über das<br />
Internet tätigten, waren es bei Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten immerhin<br />
26 %. Die Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen über das Internet<br />
verkaufen, erzielten im Jahr 2005 auf diesem Wege 12,5 % ihres Gesamtumsatzes<br />
(2003: 10 %) (destatis 2007).<br />
Der Anteil an Umsätzen über das Internet schwankt branchenabhängig: Einen stark<br />
überdurchschnittlichen Umsatzanteil über den elektronischen Vertriebsweg erzielten<br />
Unternehmen aus dem Wirtschaftszweig Forschung und Entwicklung (37,4 %), dem<br />
Bereich der sonstigen Dienstleistungen (24,6 %), des Grundstücks- und Wohnungswesen<br />
(23,4 %), der Vermietung beweglicher Sachen (23,1 %) und der Datenverarbeitung<br />
(22,2 %), obwohl in diesen Bereichen nur verhältnismäßig wenige Unternehmen<br />
das Internet für Verkäufe nutzten. Demgegenüber verkauften mit 29 % im<br />
Bereich Kultur, Sport und Unterhaltung zwar relativ viele Unternehmen ihre Produkte<br />
über das Internet, erzielten damit jedoch nur einen Umsatzanteil von 7,1 %. Das Hotelleriegewerbe<br />
(17,3 % Umsatzanteil mit Online-Verkäufen) und das Verarbeitende<br />
Gewerbe (15,1 %) liegen beim Branchenvergleich im Mittelfeld (destatis 2007).<br />
Rund 62 % der im Jahr 2005 über das Internet gekauften Produkten und Dienstleistungen<br />
entfielen auf Privatkunden und 38 % auf andere Unternehmen oder die<br />
öffentliche Verwaltung. Im Vergleich zu 2003 hat sich damit das Verhältnis stark<br />
zugunsten der Privatkunden verschoben. Im Jahr 2003 gingen 53 % der Online-Verkäufe<br />
an Privatkunden und 47 % an andere Unternehmen (destatis 2007).<br />
19
Nach den Ergebnissen des Online Shopping Survey (OSS) 2006 1 der GfK (Gesell-<br />
schaft für Konsumforschung) kaufen mittlerweile mehr als die Hälfte der Deutschen<br />
(52 %) zwischen 14 und 69 Jahren im Internet ein. Die Zahl der eShopper liegt<br />
inzwischen bei 28,6 Millionen Personen. Das entspricht einem Zuwachs von 41 %<br />
gegenüber 2002 (20,2 Millionen Personen). Die höchsten Anteile finden sich in den<br />
Altergruppen 20–29 Jahre (76 %), 30–39 Jahre (69 %) und 14–19 Jahre (67 %).<br />
Die stärksten Zuwächse lassen sich bei den Frauen (+ 50 %) und in der Altersgruppe<br />
50–69 Jahre (+ 79 %) verzeichnen (GfK – Enigma GfK 2007).<br />
Produktbereiche mit einem hohen Anteil weiblicher oder älterer Konsumenten als<br />
Zielgruppe haben demnach eine gute Ausgangsposition, um vom weiteren Wachstum<br />
der kommenden Jahre profitieren zu können. Hierunter fallen beispielsweise Reisedienstleistungen<br />
und Verbrauchsgüter wie Kosmetik- und Körperpflegeprodukte<br />
sowie Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel (GfK – Enigma GfK 2007).<br />
Hohe Wachstumsraten lassen sich bei elektronischen und anderen langlebigen<br />
Gebrauchsgütern erkennen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Konsumenten<br />
in den vergangenen Jahren deutlich häufiger bereit waren, auch Transaktionen für<br />
hochpreisige Produkte über das Web zu tätigen (GfK – Enigma GfK 2007). Neben<br />
den ursprünglichen, internet-affinen Medienprodukten wie zum Beispiel Bücher und<br />
Tonträger, werden verstärkt – meist teurere – Artikel wie Elektrogeräten, Bekleidung<br />
und Haushaltswaren sowie Reisen online eingekauft gekauft (GfK – GfK Panel<br />
Services Deutschland 2007). Die erfolgreichsten Produktbereiche im Jahr 2006<br />
waren Bücher (11,1 Millionen Käufer). Die Plätze zwei und drei belegten die Warengruppen<br />
Bekleidung mit 10,4 Millionen sowie Veranstaltungstickets mit 9,4 Millionen<br />
Online-Konsumenten (GfK – Enigma GfK 2007).<br />
Nach den Ergebnissen der GfK-Studie WebScope zum Kaufverhalten im Internet 2<br />
(Gesellschaft für Konsumforschung) gaben deutsche Verbraucher im Jahr 2006 über<br />
15,3 Milliarden Euro für Waren und Dienstleistungen aus, die direkt über das Inter-<br />
1 Der Online Shopping Survey (OSS) der ENIGMA GfK ist eine jährlich wiederkehrende Studie. Im Januar<br />
und Februar 2007 wurden in Deutschland insgesamt 1.336 Personen zwischen 14 und 69 Jahren telefonisch<br />
zu den Themen Internetnutzung, Rolle des Internets beim Einkauf bezüglich 28 Produkt- und<br />
Dienstleistungsbereichen sowie zum kostenpflichtigen Musik-Download befragt. www.enigma-gfk.de,<br />
30.4.2007.<br />
2 Die GfK-Studie WebScope misst seit 2001 alle zwei Monate Käufe und Bestellungen von Waren und<br />
Dienstleistungen im Internet. Neben dem Erwerb von Neuprodukten werden auch Auktions- und Tauschbörsen<br />
mit Gebrauchsgütern beobachtet. Basis ist eine repräsentative Stichprobe von 10.000 deutschen<br />
Internetnutzern ab 14 Jahren. Vgl. www.gfk.com, 30.4.2007.<br />
20
net gekauft wurden. Im Vergleich zum Jahr 2005 (knapp 13 Milliarden Euro) entspricht<br />
dies einer Zunahme von 18 %. Mit diesen Umsatzsteigerungen verzeichnet<br />
das Internet die größte Dynamik unter den Absatzwegen. Dieser Umsatzanstieg lässt<br />
sich nach Angaben der GfK darauf zurückführen, dass sowohl die Zahl der Käufe<br />
insgesamt als auch die Ausgaben pro Kauf zugenommen haben (GfK – GfK Panel<br />
Services Deutschland 2007). Nach den Ergebnissen des GfK Universalpanel3 betrugen<br />
im ersten Halbjahr 2006 die Durchschnittsausgaben pro Haushalt im Bereich<br />
Non-Food-Artikel rund 2.100 Euro, davon betrug der via Internet gekaufte Anteil<br />
139 Euro (6,6 %) (GfK – GfK Panel Services Deutschland 2006).<br />
Nach einer Prognose des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) zur<br />
Entwicklung des Onlinehandels werden die Online-Shopping-Umsätze im Jahr 2007<br />
um etwa 12 % wachsen. Sie werden nach Angaben des HDE von 16,3 Milliarden<br />
Euro im Jahr 2006 auf 18,3 Milliarden Euro ansteigen. Trotz des Anstiegs liegt der<br />
Umsatzanteil des eCommerce am gesamten Einzelhandelsumsatz bei nur etwa 2,5 %<br />
(HDE 2007). Bei Non-Food-Artikeln lag der Anteil des Onlineverkaufs am Gesamtumsatz<br />
im Jahr 2006 bei rund 7 % (2005: 6 %, 2004: 5 %). Reisen und Veranstaltungstickets<br />
werden inzwischen zu knapp einem Drittel im Netz gekauft (2005: 25 %,<br />
2004: 21 %) (GfK – GfK Panel Services Deutschland 2007).<br />
Prognosen aus dem Jahr 2000, die bis 2015 eine Steigerung des Marktanteils des<br />
gesamten Online-Shoppings auf bis zu 50 % voraussagten, sind aus der heutigen<br />
Sicht stark anzuzweifeln (Grabow et al. 2003). Nach einer Schätzung des Instituts<br />
für marktorientierte Unternehmensführung (IMM) an der LMU München werden<br />
bis zum Jahr 2020 etwa 20 % bis 25 % des Handels im Internet stattfinden. Dieser<br />
Wert soll vor allem durch die zunehmende Verbreitung der Breitbandtechnologie<br />
erreicht werden, denn in den meisten städtischen Regionen mit Breitbandanschluss<br />
wird deutlich mehr online bestellt als in den ländlichen Gebieten, in denen schmalbandige<br />
Verbindungen vorherrschen (FAZ 2005).<br />
Wohnen<br />
Die Sozial- und Altersstruktur der Bevölkerung einer Stadt gehören zu den wichtigsten<br />
Einflussfaktoren auf die Entwicklung des Wohnens. Rückläufige Bevölkerungszahlen,<br />
wachsende Überalterung sowie eine größer werdende Heterogenität der Bevöl-<br />
3 Mit dem GfK Universalpanel misst die GfK Panel Services Deutschland seit 1998 kontinuierlich alle<br />
Käufe von Non-Food-Artikeln deutscher Privathaushalte. Als Basis dient eine repräsentative Stichprobe<br />
von 8.000 deutschen Privathaushalten. Vgl. www.gfk.com, 30.4.2007.<br />
21
kerung durch Zuwanderung sind vor diesem Hintergrund mit weitreichenden Auswirkungen<br />
auf Lebensformen und Haushaltstypen verbunden (Steinebach 2004).<br />
In letzter Zeit rücken zudem die Bedürfnisse der aufgrund verschiedener Faktoren<br />
zunächst an Bedeutung einbüßenden Innenstädte und ihre Renaissance als Wohnstandort<br />
vermehrt in den Fokus der planerischen Aufmerksamkeit (Steinebach 2004).<br />
Geeignete Wohnformen, die die vorhandene Nachfrage in angemessener Weise<br />
befriedigen, müssen jedoch gerade in den Innenstädten auf einem möglichst gerechten<br />
Ausgleich einer Vielzahl kontroverser Interessen aufbauen (Steinebach 2005).<br />
Hinzu kommt, dass sich aktuell durch den vermehrten Einsatz von Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien und die entsprechenden Möglichkeiten des technologischen<br />
Fortschritts und der Vernetzung innerhalb der „eigenen vier Wände“ eine<br />
neue Art der Konzentration des Lebens auf den Wohnort abzeichnet (Steinebach<br />
2005). Diese – aufgrund der „digitalen Spaltung“ in der Gesellschaft bislang<br />
recht einseitige – Fokussierung bestimmter Bevölkerungsgruppen auf den eigenen<br />
Wohnbereich wird dabei nicht ohne Wirkungen auf soziale, kulturelle und andere<br />
gesellschaftliche Verhältnisse bleiben (Steinebach 2005).<br />
Die Technisierung und Automatisierung des Wohnens bietet zukünftig auch für bislang<br />
eher nicht an diesen Entwicklungen teilhabende Bevölkerungsgruppen neue<br />
Potenziale: So ist derzeit beispielsweise im Bereich der Suche nach selbstbestimmten<br />
Wohnformen für Senioren – insbesondere auch auf Seiten der Nachfrager – eine<br />
große Offenheit gegenüber dem Einsatz moderner Endgeräte im häuslichen Bereich<br />
(Stichwort „Assisted Living“) und eine dementsprechende Dynamik in der Entwicklung<br />
bedarfsgerechter, vernetzter Lösungen zu beobachten.<br />
Arbeiten<br />
Aktuelle Veränderungen in den Beschäftigungsstrukturen stehen in einem engen<br />
Zusammenhang mit dem übergeordneten Trend der Entwicklung von der die beiden<br />
vergangenen Jahrhunderte prägenden Industriegesellschaft hin zur modernen Dienstleistungs-<br />
und Informationsgesellschaft (Steinebach et al. 2004). Informationen und<br />
Wissen werden im Rahmen dieser sich wandelnden wirtschaftlichen Tätigkeitsfelder<br />
zu einem immer bedeutsameren „Rohstoff“ (Floeting/Oertel 2002).<br />
Parallel dazu haben sich auch die Anforderungen seitens der Unternehmen an die<br />
räumlichen Standortvoraussetzungen weiterentwickelt. Im Zuge der Globalisierung<br />
ist zum einen eine Konzentration der Steuerungszentralen großer Unternehmen in<br />
22
„entsprechend“ großen Zentren zu beobachten. Zum anderen erfolgt bei der Standortwahl<br />
für betriebliche Entscheidungszentralen bei Verfügbarkeit von Informationsund<br />
Kommunikationssystemen vermehrt eine Orientierung am Minimum harter<br />
Standortfaktoren bei gleichzeitiger Fokussierung auf das Vorhandensein möglichst<br />
optimaler weicher Standortfaktoren (Steinebach 2005).<br />
Mit dem Einsatz elektronischer Informations- und Kommunikationssysteme in der<br />
Arbeitswelt wurde des Weiteren auch die Möglichkeit der so genannten Telearbeit<br />
geboren. Telearbeit ist heute im überwiegenden Maße durch alternierende Tätigkeiten<br />
gekennzeichnet. Das bedeutet, dass neben der Arbeit in einem zentralen Büro an<br />
zumeist einem Wochentag von zuhause aus gearbeitet wird (Floeting und Oertel<br />
2002). Die mit der neuen Form des Arbeitens in den 1990er Jahren verbundenen<br />
Hoffnungen im Hinblick auf die Berufstätigkeit junger Eltern oder generell erwerbsfähiger<br />
Personen in strukturschwachen ländlichen Räumen müssen aus heutiger<br />
Sicht relativiert werden. Zwar hat der Anteil der Telearbeit in den vergangenen Jahren<br />
in Europa deutlich zugenommen. In Deutschland arbeiteten 1999 jedoch nur<br />
sechs Prozent der Erwerbstätigen in Telearbeit (hier verstanden im engeren Sinne: an<br />
mindestens einem vollem Arbeitstag pro Woche wird von zuhause aus gearbeitet).<br />
Dieser Anteil ist bis heute (2005) auf 6,8 % angewachsen (Stieler 2006).<br />
Freizeit und Kultur<br />
Die gegenwärtige Gesellschaft ist durch ein verändertes Verhältnis von Freizeit auf der<br />
einen und Arbeitszeit auf der anderen Seite gekennzeichnet (Floeting 2002). Die Vorstellungen<br />
von Arbeitsverhältnissen und ihren Zeitstrukturen waren – und sind es zum<br />
Teil immer noch – jedoch sehr stark von den Erfordernissen der Industriegesellschaft,<br />
von Massenproduktion und Vollbeschäftigung geprägt (Henckel et al. 1999). Dabei<br />
hat der Anteil an „frei verfügbarer Zeit“ pro Person in den vergangenen Jahren durch<br />
die Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und -zeiten, aber auch durch die wachsende<br />
Arbeitslosigkeit deutlich zugenommen (Henckel et al. 1999).<br />
Durch die vermehrte Verfügbarkeit freier Zeit haben sich zudem auch die räumlichen<br />
Anforderungen an Freizeitstandorte und -einrichtungen verändert. So hat nicht nur<br />
insgesamt die Zahl der Freizeitanlagen zugenommen, sondern es ist auch ein deutlicher<br />
Trend zu mehr Flächenverbrauch für Arenen, erlebnisorientierte <strong>Bad</strong>elandschaften,<br />
Center Parks, Urban Entertainment-Center usw. zu beobachten (Steinebach<br />
2004 und Mösel 2002). Des Weiteren steigt auch im Bereich Freizeit, Unterhaltung<br />
und Kultur die Bedeutung des Einsatzes elektronischer Informations- und<br />
23
Kommunikationssysteme. Diese eröffnen neue Zugänge zu Informationen über ein<br />
möglichst auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmtes und gleichzeitig qualitativ<br />
hochwertiges Angebot, das in Teilen auch gleich online erlebbar ist. Bestimmte Formen<br />
von Jugendkultur und Freizeitgestaltung finden darüber hinaus sogar bereits<br />
heute nahezu ausschließlich im virtuellen Raum statt: Die Website „MySpace“<br />
(www.myspace.com, http://de.myspace.com (deutsche Seite)), auf der sich insgesamt<br />
über 112 Millionen Nutzer – und unter ihnen viele Jugendliche – weltweit über das<br />
Medium Internet zusammenfinden, virtuelle Freundschaften schließen und Musiktitel<br />
austauschen, ersetzt als neue Generation des „sozialen Netzwerks“ in so manchem<br />
Kinder- und Jugendzimmer – zumindest zeitweise – die Existenz realer Freunde<br />
und Kontakte (Schütz 2006).<br />
Bildung<br />
Die derzeitige und zukünftige Entwicklung der Gesellschaft in Deutschland wird –<br />
wie in anderen hochentwickelten Ländern auch – im zunehmenden Maße durch die<br />
Neu- und Weiterentwicklung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
und den damit verbundenen neuen Wegen der Kommunikation und Weitergabe<br />
von Informationen und Wissen geprägt (werden). Wissen und der Zugang<br />
zu diesem als die Chance auf Bildung werden somit zur Schlüsselressource mit einer<br />
weitreichenden ökonomischen Bedeutung und stellen zunehmend eine Bedingung für<br />
die Teilhabe an diversen sozio-ökonomischen Prozessen dar. Da Wissen und die<br />
Chancen auf Bildung in unserer Gesellschaft jedoch nicht gleich verteilt sind, bergen<br />
diese auch die Gefahr von Brüchen und Polarisierung.<br />
Im Kontext der Virtualisierung sind derzeit vor allem eine <strong>Reihe</strong> neuer Angebote und<br />
Möglichkeiten im Bereich der vernetzten Aus- und Weiterbildung zu konstatieren.<br />
Betreutes E-Learning, also durch elektronische Medien unterstütztes Lernen per<br />
Fernunterricht oder Fernstudium beinhaltet die Option, auf Bildungsangebote von<br />
Hochschulen, Instituten etc. über eine räumliche Distanz hinweg und dementsprechend<br />
ohne die Notwendigkeit der Präsenz vor Ort beispielsweise von zuhause aus<br />
zugreifen zu können. Darüber hinaus stellen immer mehr Hochschulen in Deutschland<br />
unter anderem den Service virtueller Bibliotheken zur Verfügung, welcher auch<br />
das „normale“ Studium erleichtern soll.<br />
In den letzten Jahren stieg in Deutschland die Anzahl derjenigen Menschen auf heute<br />
insgesamt etwas über 300.000 an, die von den genannten eLearning-Angeboten<br />
Gebrauch machen. Im Jahr 2006 belegten dabei erstmals mehr Frauen als Männer<br />
24
staatlich zugelassene Fernlehrgänge oder eLearning-Kurse (Forum DistancE-Learning<br />
2006). Obwohl die Gruppe der 25- bis 30-Jährigen besonders stark wächst,<br />
konnten auch die älteren Fernlernenden (jenseits der 40) zulegen (Forum DistancE-<br />
Learning 2006). Sie fragen vor allem fachliche Angebote in den Themenbereichen<br />
Psychologie und Pädagogik nach (Forum DistancE-Learning 2006).<br />
Europaweit sind heute zudem mehr als zwei Drittel der Schulen mit einem schnellen<br />
Internetzugang ausgestattet. Dennoch existieren nach wie vor große Unterschiede in<br />
Bezug auf die Qualität des Zugangs. In Deutschland besteht hier beispielsweise eine<br />
sehr starke Abhängigkeit von der jeweiligen Schulart (Stiftung Digitale Chancen<br />
2006). Kontrovers diskutiert wird darüber hinaus der Beitrag von Computerspielen<br />
(insbesondere Vielpersonen-Online-Rollenspiele) zur Entwicklung bestimmter<br />
Fähigkeiten bei Kindern, die auch im späteren Berufsleben von Vorteil sein können.<br />
Einige Experten sehen hier durchaus positive Einflüsse beispielsweise im Bereich<br />
der Entwicklung von Kombinationsgabe, Kooperationsfähigkeit, strategischem und<br />
taktischem Denken (Heise-Ticker 2006).<br />
Transport und Logistik<br />
Der Megatrend der Globalisierung und die damit einhergehende Zunahme der weltweiten<br />
Vernetzung und Kooperation von Unternehmen mit dem Ziel einer fortschreitenden<br />
wirtschaftlichen Expansion führte in der Vergangenheit zu einem starken<br />
Zuwachs insbesondere im Bereich des Transportverkehraufkommens über weitere<br />
Distanzen hinweg und zur Notwendigkeit der Lagerung bzw. Verteilung von<br />
Gütern, Waren etc. (Floeting und Oertel 2002). Im Nahbereich (bis 50 km) hingegen<br />
sind auf der Basis aktueller Zahlen aus dem Jahr 2005 bezogen auf den LKW-Güterverkehr<br />
sogar Rückgänge zu verzeichnen, die allerdings seit den 1990er Jahren mit<br />
Verlagerungstrends hin zum wachsenden Markt der Kurier-, Express- und Paketdienste<br />
korrelieren (BAG 2006). Die damit einhergehenden, primär auf die Umweltqualität<br />
bezogenen Problemstellungen (u. a. Flächenverbrauch, Immissionen etc.)<br />
sind von zentraler Relevanz für die Steuerung der zukünftigen Raum- und Stadtentwicklung.<br />
Neue Anforderungen ergeben sich vor diesem Hintergrund beispielsweise<br />
im Kontext der Suche nach geeigneten Standorten für so genannte Pick-up-Points, die<br />
in erster Linie an zentralen Verkehrsknotenpunkten sowie entlang bestehender Verkehrsachsen<br />
mit bedeutenden Pendlerverflechtungen angesiedelt werden sollen.<br />
Aufgrund der mit dem rasanten Verkehrswachstum verbundenen Umweltprobleme<br />
wird seit vielen Jahren eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Verkehrs-<br />
25
wachstum angestrebt. Eine zielgerichtete Strukturpolitik, die weniger verkehrsintensive<br />
Strukturen in Raum, Wirtschaft und Gesellschaft fördert (z. B. Mischnutzungen,<br />
Förderung von Telearbeit und Einkaufen im Internet etc.), könnte hier unterstützend<br />
wirken (Floeting und Oertel 2002).<br />
Mit dem voranschreitenden Einsatz moderner Informations- und Kommunikationssysteme<br />
ist vor diesem Hintergrund zudem die Hoffnung verbunden, eine zumindest<br />
teilweise Substitutionswirkung im Hinblick auf den vorhandenen Verkehrsaufwand<br />
zu erreichen. Allerdings ergeben bisherige empirische Forschungen zu diesem<br />
Themenkomplex kein einheitliches Bild: Es sind demnach sowohl Substitutionseffekte<br />
(z. B. durch die Möglichkeit der Abhaltung von Videokonferenzen etc.) als auch<br />
Induktionseffekte zu konstatieren. Neue Verkehrsströme werden dabei beispielsweise<br />
durch einen steigenden Bedarf an face-to-face-Kontakten als Folge der Vergrößerung<br />
geschäftlicher Netzwerke, der Beschleunigung einzelner Transaktionen<br />
und dementsprechend der quantitativen Zunahme dieser Aktivitäten induziert (Floeting<br />
und Oertel 2002).<br />
2.5 Fazit<br />
Die vorangehenden Ausführungen machen deutlich, dass die räumlichen Auswirkungen<br />
der Virtualisierung nicht losgelöst von ihren technologisch-gesellschaftlichen<br />
Randbedingungen und den in diesen Kontexten wiederum zu erwartenden Folgen zu<br />
erfassen und bewerten sind. Es besteht verstärkter Untersuchungsbedarf angesichts der<br />
globalen und lokalen Entwicklung. Der Raumplanung ist normatives Zielwissen an<br />
die Hand zu geben, um nicht etwaigen gesellschaftlich problematischen Entwicklungen<br />
Vorschub zu leisten. Die Beantwortung der Frage nach dem Substitutionspotenzial<br />
raumrelevanter Funktionen durch Virtualisierung auf der einen und den Induktionsrisiken<br />
auf der anderen Seite stellt in diesem Zusammenhang die zentrale Fragestellung<br />
mit Blick auf die räumlichen Bezüge und die raumbezogenen Auswirkungen<br />
dar. Die folgenden Beiträge befassen sich mit Teilaspekten der Gesamtproblematik und<br />
dienen der Grundlagenermittlung im Rahmen des Forschungsprojektes.<br />
26<br />
Professor Dr.-Ing. Gerhard Steinebach<br />
Lehrstuhl Stadtplanung an der Technischen Universität Kaiserslautern
Literatur<br />
BAG (2006) Bundesamt für Güterverkehr. Marktbeobachtung Güterverkehr. Jahresbericht<br />
2005. Köln<br />
Baeuchle K (2006) Der Stellenwert von Business Improvement Districts im Rahmen der Revitalisierung<br />
von Innenstädten. Dargestellt am Beispiel der Stadt Ludwigshafen am Rhein.<br />
Diplomarbeit am Lehrstuhl Stadtplanung/Prof. Dr.-Ing. Gerhard Steinebach an der Technischen<br />
Universität Kaiserslautern<br />
Bundesregierung (2006) Regierung der Bundesrepublik Deutschland. iD2010 Informationsgesellschaft<br />
Deutschland 2010. Berlin<br />
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niedrigem Niveau. Pressemitteilung vom 14. März 2007. Im Internet unter: http://<br />
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FAZ (2005) Frankfurter Allgemeine Zeitung. Artikel vom 17.10.2005, S. 21<br />
Floeting H (2002) Deutsches Institut für Urbanistik (difu) (Hrsg.) Stadtzukünfte zwischen Virtualisierung<br />
und neuen Raummustern. Berlin. Im Internet unter: http://www.difu.de/projektforen/iuk/dokumente/corp2002_floeting.pdf<br />
Floeting H, Oertel B (2002) Deutsches Institut für Urbanistik (difu) (Hrsg.) „Neue Medien“ und<br />
Stadtentwicklung – Virtualisierung und Entstehung neuer Raumstruktur in der Stadt. Im Auftrag<br />
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW), Berlin<br />
Forum DistancE-Learning (2006) Forum DistancE-Learning, Fachverband für Fernlernen und Fernmedien<br />
e.V. Erstmals über 300.000 DistancE-Learner in Deutschland. Pressemitteilung vom<br />
31.08.2006. Im Internet unter: http://www.forum-distance-learning.de/fdl_44f6b326cf0e.htm<br />
GfK – GfK Panel Services Deutschland (2007) Umsatz mit Onlinekäufen steigt auf über 15,3<br />
Milliarden Euro – Ergebnisse der GfK-Studie WebScope zum Kaufverhalten im Internet.<br />
Pressemitteilung vom 12.3.2007. Im Internet unter: http://www.gfk.com<br />
GfK – GfK Panel Services Deutschland (2006) Versandhandel im Aufwind – Ergebnisse aus dem<br />
GfK Universalpanel zum Kaufverhalten bei Non-Food-Artikeln. Pressemitteilung vom<br />
20.10.2006. Im Internet unter: http://www.gfk.com<br />
GfK – Enigma GfK (2007) Medien- und Marketingforschung GmbH. Frauen und Senioren auf<br />
dem Vormarsch – Ergebnisse des Online Shopping Survey (OSS) 2006. Pressemitteilung<br />
vom 23.3.2007. Im Internet unter: http://www.gfk.com<br />
Grabow B, Adrian L, Pätzold R (2003) Online-Shopping und -Dienstleistungen – Abgrenzungen<br />
und Trends. In: Grabow B (Hrsg.) Online-Shopping und Stadtentwicklung – Trends, Auswirkungen,<br />
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HDE Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (2007) HDE – E-Commerce-Umsatz 2007:<br />
HDE erwartet 18,3 Milliarden Euro. Pressemitteilung vom 14.3.2007. Im Internet unter:<br />
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Heise-Ticker (2006) Heise online. Nachrichtenticker. Trendforscher Horx erklärt Computerspiele<br />
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http://www.heise.de/newsticker/meldung/76124<br />
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Kübler H-D (2003) Kommunikation und Medien. Münster<br />
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et al. (Hrsg.) Jahrbuch StadtRegion 2003. Leske+Budrich. Opladen<br />
Maletzke G (1998) Kommunikationswissenschaft im Überblick. Opladen<br />
Merten K (1999) Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Münster<br />
Mösel S (2002) Kombinierte Großprojekte des Handels und der Freizeit als Impulsgeber für die<br />
Stadtentwicklung. In: Troeger-Weiß G (Hrsg.) Materialien zur Regionalentwicklung und<br />
Raumordnung. Band 3. Selbstverlag des Lehrstuhls Regionalentwicklung und Raumordnung<br />
an der Technischen Universität Kaiserslautern<br />
Schütz (2006) Und alle wollen mitmachen. Neues Leben im Internet: Gestalten statt konsumieren<br />
– MySpace und YouTube populärste „Soziale Netzwerke“. In: Die Rheinpfalz, Nr.<br />
222, Ausgabe vom 23.9.2006<br />
Steinebach G (2005) The Spatial Impacts of the Virtualisation of ‘Lebenswelten’. In: Newsletter<br />
– <strong>Akademie</strong>brief der <strong>Europäische</strong>n <strong>Akademie</strong> zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer<br />
Entwicklungen (<strong>EA</strong>). Nr. 53. <strong>Bad</strong> Neuenahr-Ahrweiler<br />
Steinebach G (2004) Im Blickpunkt: Pfälzische Innenstädte – Haben sie eine Überlebenschance?<br />
In: Die Rheinpfalz, Nr. 132, Ausgabe vom 9.6.2004<br />
Steinebach G (2003) Raumwirksame Aspekte der Virtualisierung von Lebenswelten. Unveröffentlichtes<br />
Positionspapier zum gleichnamigen Arbeitskreis der <strong>Akademie</strong> für Raumforschung<br />
und Landesplanung (ARL). Kaiserslautern<br />
Steinebach G, Gethmann CF, Hagen H (2006) Räumliche Auswirkungen der Virtualisierung und ihre<br />
technologisch-gesellschaftlichen Randbedingungen (Zwischenbericht). Gefördert vom Ministerium<br />
für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. In:<br />
Steinebach G (Hrsg.) Schriften zur Stadtplanung. Band 6. Selbstverlag der Technischen Universität<br />
Kaiserslautern. Zwischenbericht (unveröffentlicht), Stand Kaiserslautern Dezember 2006<br />
Steinebach G, Müller P (2006) Dynamisierung von Planverfahren der Stadtplanung durch<br />
Informations- und Kommunikationssysteme (IuK-Systeme). In: Steinebach G (Hrsg.) Schriften<br />
zur Stadtplanung. Band 4. Selbstverlag der Technischen Universität Kaiserslautern. Kaiserslautern<br />
Steinebach G, Müller P, Feser H-D (2004) Stadtentwicklungskonzeption StadtTechnopole_Kaiserslautern.<br />
Kaiserslautern – Entwicklung der Stadt zum Technologiestandort. In: Steinebach G (Hrsg.)<br />
Schriften zur Stadtplanung. Band 2. Selbstverlag der Technischen Universität Kaiserslautern<br />
Steinebach G, Müller P (2006) Dynamisierung von Planverfahren der Stadtplanung durch<br />
Informations- und Kommunikationssysteme (IuK-Systeme). In: Steinebach G (Hrsg.) Schriften<br />
zur Stadtplanung. Band 4. Selbstverlag der Technischen Universität Kaiserslautern.<br />
Stieler M (2006) Neuer Telearbeit-Trend. Artikel bei Spiegel-Online am 16.1.2006<br />
Stiftung Digitale Chancen (2006) Europaweit mehr als 2/3 der Schulen mit schnellem Internetzugang<br />
ausgestattet – Deutschlands Lehrer setzen den Computer jedoch selten ein. Aktuelle<br />
Berichte zum Bereich Schule/Universität. Im Internet unter: http://www.digitale-chancen.de/content/stories/index.cfm/aus.2/key.2402/secid.50/secid2.63<br />
Zerweck D (2002) Handels- und Erlebnisstandort City. Instrumente zur Sicherung, Pflege und<br />
Entwicklung. Planerin 1:36–38, Berlin<br />
28
Megatrend „Demographie“<br />
Heinrich Mäding<br />
Demographischer Wandel<br />
– Nationales Bevölkerungsvolumen<br />
– Geburtsziffer, Lebenserwartung<br />
– Zuwanderung<br />
– Bevölkerungsentwicklung<br />
– Nationale Bevölkerungsstruktur<br />
– Alterung<br />
– Heterogenisierung<br />
– Vereinzelung<br />
– Intranationale Wanderungen<br />
– großräumige Wanderungen<br />
– kleinräumig: Suburbanisierung<br />
500<br />
450<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
Reichsgebiet, BRD, alte Länder und Berlin-West<br />
DDR, neue Länder und Berlin-Ost<br />
0<br />
1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000<br />
Abbildung 1: Zusammengefasste Geburtenziffern in den Jahren 1871–1999; ab den<br />
1950er Jahren: getrennte Aufzeichnung in Ost- und Westdeutschland<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach: Schwarz, K., 100 Jahre Geburtenentwicklung in: Zeitschrift<br />
für Bevölkerungswissenschaften, 4/97; Statistisches Bundesamt<br />
210<br />
29
1600<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
1950<br />
1952<br />
1954<br />
1956<br />
1958<br />
1960<br />
1962<br />
1964<br />
Zuzüge<br />
Fortzüge<br />
Überschuß Zuzüge<br />
Überschuß Fortzüge<br />
1966<br />
1968<br />
1970<br />
1972<br />
1974<br />
1976<br />
1978<br />
1980<br />
1982<br />
1984<br />
1986<br />
1988<br />
1990<br />
1992<br />
1994<br />
1996<br />
1998<br />
2000<br />
Abbildung 2: Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland 1950–2002<br />
(in 1000)<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2004<br />
Millionen Millionen<br />
87<br />
87<br />
85<br />
83<br />
81<br />
79<br />
77<br />
75<br />
73<br />
71<br />
69<br />
67<br />
65<br />
63<br />
61<br />
59<br />
57<br />
55<br />
2000<br />
2002<br />
9. koordinierte<br />
Bevölkerungsvorausberechnung<br />
10. koordinierte<br />
Bevölkerungsvorausberechnung<br />
2004<br />
2006<br />
2008<br />
2010<br />
2012<br />
2014<br />
2016<br />
2018<br />
2020<br />
2022<br />
2024<br />
2026<br />
2028<br />
2030<br />
2032<br />
2034<br />
2036<br />
2038<br />
2040<br />
20<strong>42</strong><br />
2044<br />
2046<br />
2048<br />
85<br />
83<br />
81<br />
79<br />
77<br />
75<br />
73<br />
71<br />
69<br />
67<br />
65<br />
63<br />
61<br />
59<br />
57<br />
2050 55<br />
Abbildung 3: Entwicklung der Bevölkerungszahlen in Deutschland bis 2050 –<br />
Varianten der 9. und 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach: Statistisches Bundesamt, Juli 2000 und Juni 2003<br />
30
Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung der Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern<br />
im Ost-West-Vergleich (1989 bis 1999 in Prozent)<br />
Quelle: Wolf Beyer/Wieland Zupp, Langfristige Bevölkerungsentwicklung Brandenburger Städte<br />
bis zum Jahre 2040, in RuR 2/2002, S. 91<br />
31
POTSDAM<br />
OLDENBURG<br />
HEIDELBERG<br />
LEIPZIG<br />
AUGSBURG<br />
HAMBURG<br />
BONN<br />
ESSLINGEN<br />
LANDSHUT<br />
NÜRNBERG<br />
MANNHEIM<br />
OSNABRÜCK<br />
DRESDEN<br />
WIESBADEN<br />
FLENSBURG<br />
FREIBURG<br />
KÖLN<br />
FRANKFURT AM MAIN<br />
BREMEN<br />
BERLIN<br />
DORTMUND<br />
KIEL<br />
HEILBRONN<br />
KARLSRUHE<br />
MÜNSTER<br />
DÜSSELDORF<br />
BRAUNSCHWEIG<br />
MÖNCHENGLADBACH<br />
SOLINGEN<br />
STUTTGART<br />
KASSEL<br />
TRIER<br />
DUISBURG<br />
BOCHUM<br />
BIELEFELD<br />
WUPPERTAL<br />
ERFURT<br />
MÜLHEIM (RUHR)<br />
KOBLENZ<br />
GELSENKIRCHEN<br />
ROSTOCK<br />
ESSEN<br />
SCHWERIN<br />
MAGDEBURG<br />
CHEMNITZ<br />
HALLE<br />
-18,5<br />
-16,2<br />
-12,5<br />
-13,6<br />
-9,9<br />
-10,2<br />
-10,8<br />
-8,0<br />
-8,5<br />
-8,9<br />
-9,1<br />
-7,0<br />
-7,1<br />
-7,7<br />
-6,4<br />
-4,3<br />
-4,4<br />
-5,0<br />
-5,3<br />
-3,1<br />
-3,5<br />
-1,3<br />
-1,9<br />
-2,2<br />
-2,3<br />
-0,2<br />
-0,8<br />
-1,1<br />
-30 -20 -100 10 20 30<br />
0,8<br />
0,7<br />
0,5<br />
0,0<br />
2,8<br />
2,0<br />
2,0<br />
2,0<br />
1,9<br />
3,2<br />
5,0<br />
4,9<br />
4,3<br />
4,2<br />
5,3<br />
6,8<br />
8,0<br />
13,4<br />
wachsend<br />
stagnierend<br />
schrumpfend<br />
Abbildung 5: Typisierung der Städte anhand der Bevölkerungsvorausberechnung<br />
bis 2020<br />
Quelle: DST-Umfrage 2005, Eigene Berechnung<br />
32
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Abbildung 6: Lebenserwartung bei der Geburt, 1964/66–1998/2000 (in Jahren)<br />
Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2004<br />
Abbildung 7: Entwicklung des Medianalters der deutschen Bevölkerung von 1950<br />
bis 2050 (in Jahren)<br />
Quelle: Lenk 2005 nach United Nations Population Division (2005)<br />
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��<br />
33
über 60<br />
(über 80)<br />
unter 20<br />
Abbildung 8: Alterung in Deutschland<br />
Abbildung 9: Single-Haushalte 1999 in West- und Ostdeutschland nach Regionsund<br />
Kreistypen (in Prozent)<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach BBR, INKAR 2002<br />
34<br />
2000<br />
absolut Index<br />
20 Mio. 100<br />
(3 Mio.) (100)<br />
17 Mio. 100<br />
2050<br />
absolut Index<br />
27 Mio. 135<br />
(7 Mio.) (233)<br />
12 Mio. 70
Abbildung 10: Ausländische Bevölkerung 2002 in West- und Ostdeutschland nach<br />
Regions- und Kreistypen (Anteil in Prozent)<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach: BBR, INKAR 2004<br />
35
Abbildung 11: Aktuelle Bevölkerungsentwicklung. Positive oder ausgeglichene Salden<br />
in den alten Bundesländern und in Berlin; negative Bilanz in<br />
Ostdeutschland<br />
Quelle: BBR Bonn 2004<br />
36
Abbildung 12: Szenario A: Trend – Bevölkerungswachstum 2020–2050<br />
Quelle: BBR Bonn 2001<br />
37
Abbildung 13: Demographische Prozesse und kommunale Reaktionen<br />
Tabelle 1: Demographische Prozesse als Herausforderungen<br />
Alterung<br />
und<br />
Vereinzelung<br />
Schrumpfung<br />
Heterogeni -<br />
sierung<br />
38<br />
Stadt als<br />
Wirtschafts-/<br />
Lebensraum<br />
Belastung des Gesundheitssystems<br />
Vergesellschaftung von<br />
Dienstleistungen<br />
Nachfragerückgang<br />
Arbeitskräfterückgang<br />
Disparität<br />
Desintegration<br />
Gebaute Stadt Politische Stadt<br />
Nachfrage nach altersgerechten<br />
Angeboten<br />
Wachsende<br />
Wohnfläche/Kopf<br />
Leerstände<br />
Neue Prioritäten<br />
Sinkende politische<br />
Beteiligung<br />
Sinkende Finanzkraft<br />
Weite Wege<br />
„Misserfolg“<br />
Steigende Kosten<br />
Segregation Sinkende politische<br />
Beteiligung<br />
Polarisierung
Schwierigkeiten der Beurteilung der Herausforderungen<br />
durch den demographischen Wandel<br />
1. Unsicherheit über die Wirkungsrichtung<br />
(Beispiel: Alterung ➞ Produktiviät)<br />
2. Unsicherheit über den Beitrag der demographischen Ursache<br />
(Beispiel: Gewicht der Alterung zur Erklärung<br />
der Produktivitätsentwicklung)<br />
3. Politische Überformung<br />
(Beispiel: Förderpolitik und Leerstand)<br />
4. Bewertung der Herausforderung<br />
(Beispiel: Segregation aus der Sicht der<br />
Zugewanderten/Einheimischen)<br />
Professor Dr. Heinrich Mäding<br />
Deutsches Institut für Urbanistik (difu), Berlin<br />
39
Hinweise der Lebensstilforschung für die Debatten<br />
um Virtualisierung und Reurbanisierung<br />
Annette Spellerberg<br />
Einleitung<br />
In Anbetracht der zunehmenden sozialen Ungleichheit in Deutschland, d. h. der<br />
Zunahme von Bevölkerungsanteilen an den beiden Enden der sozialen Hierarchie<br />
und des Abschmelzens der Mittelschichten, schient auf den ersten Blick das Lebensstilthema<br />
in den Hintergrund zu treten. In den Medien wird das Lebensstilthema seltener<br />
aufgegriffen, und in der sozialwissenschaftlichen Diskussion haben Ungleichheitsthemen<br />
Konjunktur, wie z. B. Bildungschancen und soziale Schichten. Werden<br />
jedoch die Anteile von klassen- und schichtspezifischen Artikeln mit Beiträgen zu<br />
Lebensstilen verglichen, so zeigt sich ein konstanter Anteil in den letzten 15 Jahren<br />
im deutschsprachigen Raum (Rössel 2006).<br />
In diesem Beitrag sollen Aspekte des Lebensstilthemas behandelt werden, die einerseits<br />
Hintergrundinformationen zum Stand der Lebensstilforschung liefern (1.<br />
Abschnitt) und andererseits für die Themen städtisches Leben und Virtualisierung<br />
relevant sind. Im zweiten Teil steht die Frage nach den Chancen einer Reurbanisierung<br />
durch IT-Beschäftigte im Mittelpunkt und im dritten Teil wird Technik im Alter<br />
diskutiert. Die Ausführungen werden anhand eigener empirischer Studien illustriert.<br />
4.1 Lebensstile und ihre Dynamik<br />
Dass trotz der zunehmenden sozio-ökonomischen Polarisierung der Gesellschaft das<br />
Lebensstilthema nicht ad acta gelegt wird, liegt in der Bedeutung von Lebensstilen<br />
im Alltag. Durch einen praktizierten Lebensstil wird die Auswahl von Handlungsalternativen<br />
strukturiert und begrenzt, das heißt Handlungs- und Orientierungsfähigkeit<br />
überhaupt erst erreicht. Mit der Art sich zu kleiden, einzurichten oder die<br />
Freizeit zu verbringen ordnet man sich zu und andere Menschen ein. Im Lebensstil<br />
fließen statusbezogene Elemente (Ehre, Prestige, Reputation) und sozialpsychologische<br />
Elemente (Identität, Zugehörigkeitsgefühl, Abgrenzung) zusammen. Ob Personen<br />
gemeinsame Interessen haben und Erlebniswelten teilen, ob sie freiwillig in Kontakt<br />
miteinander treten und wo soziale Grenzen bestehen, ist am ehesten an selbst<br />
41
gewählten Aktivitäten ablesbar. Lebensstile werden auf der Ebene des kulturellen<br />
Geschmacks und der Freizeitaktivitäten symbolisch zum Ausdruck gebracht. Die<br />
Grundhaltungen – oder Lebensphilosophien in den Worten von Gerhard Schulze –<br />
können nach dem Sinus-Institut wie folgt abgebildet werden:<br />
Traditionell<br />
Sicherheits- und Status Quo-orientiert;<br />
Festhalten an traditionellen Werten wie<br />
Pflichterfüllung, Disziplin und Ordnung<br />
Established<br />
Leistungsbereitschaft und Führungs -<br />
ansprüche; Statusbewusstsein und aus -<br />
geprägte Exklusivitätsbedürfnisse<br />
Intellectual<br />
Weltoffenheit und postmaterielle Werte;<br />
ausgeprägte kulturelle und intellektuelle<br />
Interessen; Streben nach Selbstverwirklichung<br />
und Persönlichkeitsentfaltung<br />
Modern Mainstream<br />
Wunsch nach einem angenehmen und<br />
harmonsichen Leben; Streben nach<br />
materieller und sozialer Sicherheit<br />
Consumer Materialistic<br />
Konsum-materialistische Orientierungen;<br />
Anschluss halten die Kosmum-Standards<br />
den Mainstream, aber häufig sozial<br />
Benachteiligte und Entwurzelte<br />
Sensation Orientated<br />
Suche nach Fun & Action, nach neuen<br />
Erfahrungen und intensiven Erlebnissen;<br />
Leben im Hier und Jetzt; Individualismus<br />
und Spontanität; Provokation und<br />
unkonventionelle Stilistik<br />
Modern Performing<br />
Jung, flexibel und sozial Mobile, intensiv<br />
leben im Sinne von Erfolg und Spaß;<br />
hohe Qualifikation und Leistungs -<br />
bereitschaft; Multimedia-Faszination<br />
Abbildung 1: Sinus-Meta-Milieus: Länderübergreifende Grundorientierungen<br />
Quelle: http://www.sinus-sociovision.de<br />
Das Sinus-Institut unterteilt die Bevölkerung nach Schichtzugehörigkeit und Werten<br />
von traditioneller Haltung bis hin zu offenen, experimentierfreudigen Orientierungen.<br />
Die Forschungen der vergangenen zwanzig Jahre zeigen deutliche Verschiebungen<br />
der Größenordnungen einzelner Milieus. Angesichts der gesellschaftlichen<br />
Polarisierung, aber auch kulturellen Differenzierung und der „Öffnung des sozialen<br />
Raums“, wie Pierre Bourdieu (1978) es formuliert, wachsen die modernen Leitmilieus<br />
mit intellektuellen, hedonistischen und vielfältigen aktivitätsbezogenen Grundhaltungen<br />
ebenso wie die so genannten Konsum-Materialisten, die neuerdings gegen-<br />
<strong>42</strong>
über den anderen Milieus ein wachsendes Ressentiment aufweisen. Die traditionell<br />
Etablierten und Kleinbürgermilieus nehmen ab bzw. passen sich modernisierten kulturellen<br />
Formen an.<br />
Wird statt der Orientierungen die Verhaltensebene betrachtet, so zeigen sich über elf<br />
Jahre hinweg (Daten aus den repräsentativen Bevölkerungsumfragen Wohlfahrtssurvey<br />
1993 bis zum Allbus 2004) kaum Veränderungen bei den Freizeitaktivitäten.<br />
Entsprechend des technischen Fortschritts ist allerdings eine deutliche Zunahme der<br />
Computerbeschäftigungen festzustellen: 46 % der Erwachsenen bedienten 2004 mindestens<br />
ein Mal pro Woche in der Freizeit den PC. Nach wie vor sind jüngere auf diesem<br />
Gebiet deutlich aktiver als ältere Menschen (vgl. Tabelle 1).<br />
Tabelle 1: Computerbeschäftigungen nach Alter<br />
Alter West Ost<br />
Datenbasis: Allbus 2004; eigene Berechnungen<br />
Soziale Lage und Lebensstil<br />
mindestens 1 x pro Woche, in %<br />
18–29 73 77<br />
30–44 59 57<br />
45–59 50 47<br />
60–74 30 33<br />
Von den sozialstrukturellen Merkmalen diskriminieren Alter und Bildung deutlich<br />
stärker als das Merkmal Einkommen bei der Unterscheidung von Lebensstilgruppen<br />
(Schulze 1992; Georg 1998; Spellerberg 1996). Angesichts der in Deutschland fehlenden<br />
Bildungsdurchlässigkeit nach oben und der starken schichtspezifischen Bildungsverläufe<br />
besteht ein Problem darin, dass Veränderungen des Lebensstils enge<br />
Grenzen gesetzt sind. Da die Bildungsabschlüsse im Lebensverlauf bislang kaum<br />
modifiziert werden, besteht die Gefahr sozialer Schließung bei mangelnder Qualifizierung.<br />
Überdurchschnittlich häufig ausgeübte Freizeittätigkeiten der Personen bis 50 Jahre<br />
mit maximal Hauptschulabschluss sind beispielsweise Besuche bei Freunden,<br />
Beschäftigungen mit der Familie und Videos schauen. Im sportlichen und kulturel-<br />
43
len Bereich, aber auch bei den Computerbeschäftigungen sind sie weniger aktiv.<br />
Während Personen mit Hauptschulabschluss in dieser Altersgruppe etwa drei Stunden<br />
am Tag fernsehen, sind es bei denjenigen mit Abitur etwa zwei Stunden. Die<br />
Interessen bei den Personen mit geringerer Bildung richten sich auf Serien, Action-,<br />
Heimatfilme und Shows, während diejenigen mit Abitur vielschichtige Geschmacksrichtungen<br />
bekunden1 . Die gut Gebildeten werden in der amerikanischen Lebensstildiskussion<br />
entsprechend auch „omnivores“ genannt, d. h. ‚Allesfresser’, weil sie<br />
sich in den unterschiedlichsten Bereichen betätigen und die verschiedensten Interessen<br />
ausleben – von Kitsch über Spannungskultur bis hin zur Hochkultur. Während<br />
die „Bildungsarmen“ auf bestimmte Sparten des Kultur- und Freizeitangebots verwiesen<br />
sind, haben die besser Gebildeten Zugang zu nahezu allen Bereichen. In<br />
Anbetracht des Wertewandels und des Aufbrechens sozialer Normen ist auch die statusbezogene<br />
Grenze „es schickt sich nicht“ für die Freizeitaktivitäten vor allem der<br />
jüngeren Bevölkerungsgruppen nicht länger relevant.<br />
Lebensstile, Lebensphasen und Haushaltsformen<br />
Im Unterschied zu den invariaten Bildungsabschlüssen ist das Altern ein stetiger<br />
Prozess. Mit dem Durchlaufen verschiedener Lebensphasen ist nach den empirischen<br />
Ergebnissen auch eine Veränderung in den Lebensstiläußerungen zu erwarten<br />
(vgl. Georg 1998; Schulze 1992; Spellerberg 1996; Zapf et al. 1987). Mit unterschiedlichen<br />
Lebensphasen sind verschiedene Anforderungen, Verpflichtungen und<br />
Handlungsmöglichkeiten verbunden. Nicht nur die materiellen Spielräume variieren,<br />
sondern auch der Umfang an disponibler Zeit und die Gestaltung der Freizeit ist von<br />
der Phase im Lebenslauf abhängig.<br />
In der folgenden Abbildung 2 werden typische Haushaltszusammensetzungen mit<br />
Lebensstilen kombiniert betrachtet. Die dargestellten Haushalts- und Familienformen<br />
sollen zum einen die wichtigsten Haushaltskonstellationen und zum anderen in idealisierter<br />
Anordnung den Lebenszyklus der Menschen abbilden: Von der Phase des Alleinlebens<br />
in jüngeren Jahren, über die Partnerschaft, die Familienphase(n), bis zur Phase<br />
des „empty nest“ und des Alleinlebens im Alter. Da die Verteilung der Lebensstile nach<br />
der Haushalts- bzw. Familienform naturgemäß sehr stark mit dem Alter kovariiert,<br />
1 Ergebnisse auf Basis eigener Auswertungen des Allbus 2004, die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der<br />
Sozialwissenschaften, die im zweijährigen Abstand repräsentativ in West- und Ostdeutschland durchgeführt<br />
wird. Sie enthält jeweils Schwerpunktthemen, die als schriftlicher drop-off-Fragebogen in split-Versionen<br />
erhoben werden. In 2004 waren dies die Themen ‚digital divide’ und Gesundheitsverhalten.<br />
44
werden in der Abbildung die Lebensstile dem Lebenszyklus insofern angepasst, als sie<br />
ebenfalls in eine aufsteigende Folge gebracht werden: von jüngeren zu älteren alltagskulturellen<br />
Äußerungsformen: von dem actionorientierten Spannungsschema, das in jüngeren<br />
Jahren erwartet werden kann, über die berufsorientierten pragmatischen und<br />
familienorientierten Stile (in den mittleren Altersgruppen), bis zum Hoch- bzw. Trivialschema,<br />
die in den mittleren und höheren Altersgruppen verbreitet sind.<br />
Lebensphase Alleinlebend<br />
≤ 40 J.<br />
Paar ohne Junge<br />
Kind Familie<br />
≤ 40 J. ≤ 40 J.<br />
Familie<br />
41-59 J.<br />
Lebensstiltypen Spaltenprozente<br />
8 Zurückgezogener Typ<br />
7 Politisch-engagierter Typ<br />
2 Häuslicher Harmonietyp<br />
5 Aufgeschl. Integrationstyp<br />
4 Hochkultur-Niveautyp<br />
1 Gesellschaftl.-distanz. Typ<br />
6 Mod. Selbstverwirkl.typ<br />
3 Erlebnis-Unterhaltungstyp<br />
Lebensphase Alleinlebend<br />
≤ 40 J.<br />
Abbildung 2: Verteilung der Lebensstile nach Lebensphasen<br />
Paar ohne Allein-<br />
Kind lebend<br />
> 40 J. 41-59 J.<br />
Allein-<br />
lebend<br />
≥ 60 J.<br />
Paar ohne Junge Familie Paar ohne Allein-<br />
Kind Familie 41–59 J. Kind lebend<br />
≤ 40 J. ≤ 40 J.<br />
> 40 J. 41-59 J.<br />
N 285 178 650 367 911 193 415<br />
12 – 20 % 21 – 30 % 31 – 40 %<br />
Allein-<br />
lebend<br />
≥ 60 J.<br />
Quelle: ALLBUS 1998, N = 3.183, Ost-West gewichtete Daten.<br />
Die Rubrik „Sonstige“ (N = 184) ebenso wie Zellenbesetzungen von N ≤ 30 sind nicht<br />
ausgewiesen. Des Weiteren bleiben Verteilungen unter 12 % unberücksichtigt, da bei acht<br />
Lebensstilen eine Zufallsverteilung (p = 0,125) eine Größenordnung von 12 % erreicht<br />
(ausführlich vgl. Klocke et al. 2001).<br />
Für die grafische Darstellung wurden drei Kategorien gebildet, die Anteile zwischen<br />
12 % und 40 % der Lebensstile in den Lebensphasen anzeigen. Die Verteilung der einzelnen<br />
Lebensstile selbst entspricht den Erwartungen: In den jüngeren Lebensabschnitten<br />
finden sich am häufigsten die Lebensstiltypen der erlebnis- und unterhaltungsmotivierten,<br />
der vielseitig kulturell interessierten Menschen (Typ 3, 6), aber<br />
auch der distanzierte Typ (Typ 1). In der mittleren, familialen Lebensphase bleiben<br />
diese Lebensstile weiterhin bedeutsam, sie werden jedoch durch stärker familienbezogene<br />
Lebensstile (Typ 4, 5, 8) ergänzt. Von den Paaren ohne Kinder (über 40 Jahre)<br />
45
gehört der größte Anteil dem „Aufgeschlossenen Integrationstyp“ (Typ 5) an. Bei<br />
den Alleinlebenden zwischen 40 und 60 Jahren wiederholt sich im Wesentlichen das<br />
Muster aus der mittleren Lebensphase, jedoch sind hier, ebenso wie in der Gruppe der<br />
Paare ohne Kinder unter 40 Jahren, nur zwei Lebensstilgruppen dominant (Typ 4, 5).<br />
In der ältesten Gruppe, bei den Alleinlebenden über 60 Jahre, dominiert der traditionelle<br />
und häusliche Typ (Typ 2) klar, die weiteren zwei Lebensstile (Typ 5 und 8)<br />
stützen das zurückgezogene Lebensmuster dieser Altersgruppe.<br />
Ein heterogenes Bild zeigt sich damit insbesondere in den mittleren Altersgruppen,<br />
d. h. in der Familienphase: Junge Familien, Familien sowie ältere Paare ohne Kinder,<br />
die zum Teil die Lebensform des „empty nest“ umfassen, zeigen weniger klare<br />
Zuordnungen. Dieses Ergebnis ist insofern beachtenswert, als in der Lebensstildiskussion<br />
ganz überwiegend der Gruppe der jungen Singles das größte Spektrum an<br />
Lebensstilen zugeschrieben wird, was sich in den repräsentativen Daten jedoch nicht<br />
finden lässt. Personen, die eine Familie gründen, geben ihren Lebensstil im Freizeitund<br />
Kulturbereich nicht auf (wie z. B. die Erlebnisorientierung), sondern kombinieren<br />
neue Anforderungen und Möglichkeiten mit den bisher ausgebildeten Formen.<br />
Alleinlebende Frauen; 21%<br />
Alleinlebende Männer; 15%<br />
Nichtehel. Lebensg. ohne Kinder; 4%<br />
Sonstige; 2%<br />
Abbildung 3: Haushaltstyp 2000 nach dem Mikrozensus<br />
Ehepaare mit Kindern; 25%<br />
Nichtehel. Lebensg.<br />
Mit Kindern; 1%<br />
Alleinerziehende; 6%<br />
3 Generationen; 1%<br />
Ehepaare ohne Kinder; 25%<br />
Quelle: Mikrozensus-Daten übernommen von Aßmann, Becker, Ring 2005; eigene Darstellung<br />
46
Verteilung der Haushaltsformen<br />
Die Haushalts- und Wohnformen haben sich darüber hinaus in den vorangegangenen<br />
Jahrzehnten ausdifferenziert und die Haushaltszusammensetzung folgt im biographischen<br />
Verlauf keinem einheitlichen Muster mehr: Allein leben – als Paar<br />
zusammen oder getrennt leben – eine Heirat kann, muss aber nicht zu Kindern führen<br />
– Scheidungen betreffen mindestens 30 % aller Ehen, d. h. sieben von zehn nicht<br />
– Partner können ausziehen – neue Familien werden zusammen gesetzt – ab 60 wird<br />
neu experimentiert, oder man wohnt weitere zwanzig Jahre zu zweit. Neben dem<br />
zeitgleichen Auftreten der verschiedenen Haushaltsformen ist deren Abfolge im individuellen<br />
Lebenslauf zahlreicher geworden und für wachsende Bevölkerungsgruppen<br />
sind sie kaum über lange Zeiträume vorhersehbar. Die aktuelle Verteilung von Haushaltsformen<br />
zeigt, dass sich eine breite Palette etabliert hat (Abb. 3).<br />
– Abgenommen hat vor allem der Anteil Verheirateter mit Kindern auf ein Viertel<br />
aller Haushalte.<br />
– Nichteheliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften haben sich vervielfacht<br />
und sind auf insgesamt 2,4 Millionen Haushalte angewachsen. Auf alle<br />
Paare bezogen, lebt mittlerweile jedes zehnte ohne Trauschein zusammen (Stat.<br />
Bundesamt 2004).<br />
– Während in Westdeutschland noch knapp zwei Drittel der Kinder mit ihren verheirateten<br />
Eltern und Geschwistern aufwachsen, sind es in Ostdeutschland nicht<br />
mal die Hälfte (63 % und 46 %).<br />
– Nichteheliche Paare mit und ohne Kinder haben mittlerweile einen Anteil von 5 %<br />
und Alleinerziehende liegen bei 6 % aller Haushalte.<br />
– Der Anteil Alleinlebender ist stark gewachsen, was vor allem auf die ältere Generation<br />
zurückgeht, aber auch bei den jüngeren Menschen wird diese Wohnform<br />
zunehmend beliebt.<br />
4.2 Lebensstile in der Debatte um Reurbanisierung<br />
Junge Alleinwohnende sind häufiger als andere Haushaltstypen in Städten vorzufinden,<br />
und zwar in den inneren Bezirken, denn sozial und ethnisch gemischte Viertel<br />
sind häufig beliebt. Szenetypische Einrichtungen wie Bioläden, kleine Gemüsehändler,<br />
Spezialitätengeschäfte, Bücherläden oder Schmuckgeschäfte werden genutzt.<br />
Sehr wichtig ist ein vielfältiges Angebot an Gastronomiebetrieben, Kneipen, Cafés,<br />
Biergärten und Restaurants. Die verbreitete soziale und Erlebnisorientierung, Iden-<br />
47
tifikation mit der Wohnung und Wohnumgebung kann unter dem Stichwort „Wohnen<br />
als Selbstverwirklichung“ zusammengefasst werden. Großzügige, nicht normierte<br />
Wohnungen, Gründerzeitbauten, Lofts und Maisonettes kommen für die einkommensstärkere<br />
Gruppe in Betracht, als Wunsch nach individuellem, auch repräsentativem<br />
Wohnen, das die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck bringt. Urbanität<br />
spielt für den hoch gebildeten Teil diese Gruppe, die die neuen kreativen Milieus in<br />
der Wissensgesellschaft ausmachen, eine tragende Rolle. Sie möchten zugleich ruhig<br />
wohnen, d. h. ohne Emmissionsbelastungen, die Stadt fußläufig erkunden können<br />
und soziale Heterogenität erleben (Georg 1998; Hallenberg, Pottig 2005; Schmitt et al.<br />
2006; Schneider, Spellerberg 1999).<br />
In der Stadtsoziologie ist ein gewachsenes Interesse am Lebensstilkonzept durch die<br />
Diskussionen um kreative Milieus und Reurbanisierung festzustellen. Die Beziehung<br />
von Wohnen – Arbeiten, Privat- und Berufsleben wird flexibler und Grenzen weichen<br />
auf. Unternehmen siedeln sich wieder in der Innenstadt an, wo die „kreativen Wissensarbeiter“<br />
Gastronomie und Infrastruktur vorfinden, sich austauschen und ihren<br />
Freizeitinteressen nachgehen. (Dangschat 2006; Läpple 2004 und 2005; Landry<br />
2000; Liebmann und Robischon 2003). Werden Kinder geboren, ziehen diese Personengruppen<br />
nicht notwendigerweise ins Stadtumland. Städte bemühen sich vor<br />
allem aus haushalts- und steuerpolitischen Gründen, jüngere Erwerbstätige anzuziehen<br />
und gute Lebensbedingungen auch für familiale Lebensformen zu bieten. Und<br />
um das weitere Ausbluten der Innenstädte durch Suburbanisierung zu vermeiden,<br />
werden in den Kommunen verstärkt Anstrengungen unternommen, attraktiver zu<br />
werden: Grüne Quartiere und innovative Wohnkonzepte (z. B. Loftwohnungen,<br />
Stadthäuser und flexible, modulare Grundrisse) sind dabei zentrale Schlagwörter.<br />
Noller und Ronneberger kommen in ihrer Studie zu Berufsmilieus im Frankfurter<br />
Raum (Noller und Ronneberger 1994, Noller 1999) zu dem Ergebnis, dass es sich<br />
beim EDV-Milieu, das beim Thema Virtualität im Blickpunkt steht, einerseits der<br />
Beruf und andererseits die Merkmale Selbstverwirklichung und Quartiersbezogenheit<br />
wichtig sind (vgl. ausführlich Noller 1999, S. 196ff.). Die Arbeitszeiten sind<br />
überdurchschnittlich lang und flexibel gestaltbar. Arbeit und Freizeit sind bei termingebundener<br />
Projektarbeit nur schwer voneinander zu trennen. Die Freizeit verbringen<br />
diese Arbeitskräfte häufig mit geselligen Aktivitäten und sportlichen Betätigungen<br />
(z. B. Wandern und Radfahren). Im kulturellen Bereich sind sie weniger an<br />
Orten der Hochkultur als in Off-Theatern oder bei Stadtteil- und Straßenfesten zu<br />
48
finden. Rock- und Popmusik sind die bevorzugten Musikrichtungen und auch der<br />
Besuch von Szenekneipen wird überdurchschnittlich angegeben. Abwechslung, Kreativität,<br />
ein naturnahes Leben, auf der Höhe der technischen Entwicklung zu sein und<br />
Zusammensein mit Freunden sind wichtige Lebensziele.<br />
Die hoch qualifizierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der IT-Branche sind eine<br />
wichtige Zielgruppe bei der Debatte um innerstädtisches Wohnen und kreative<br />
Milieus. Eigene empirische Erhebungen in Bonn und Kaiserslautern richteten sich an<br />
diesen Personenkreis mit Fragen nach der Wunschlage, dem Wunschhaus, der Wichtigkeit<br />
von Ausstattungsmerkmalen sowie der Beurteilung von Größe und Grundrissen.<br />
Es ist möglich, diese Beschäftigtengruppen aus dem Kern der „Wissens- und<br />
Informationsgesellschaft“ als zukunftsweisend für breitere Bevölkerungsschichten zu<br />
betrachten. Ihre Vorlieben weisen auf gleiche Beweggründe auch anderer Bürger<br />
hin, wieder in die Stadt zu ziehen.<br />
Von den befragten T-Mobile-Beschäftigten in Bonn wohnen 58 % außerhalb von Bonn,<br />
und zwar aus Kostengründen, wegen den gewachsenen sozialen Beziehungen bzw.<br />
wegen der Bevorzugung einer ländlichen oder kleinstädtischen Umgebung. Diejenigen<br />
mit Wohnsitz Bonn leben häufig in den urban geprägten Stadtteilen Bonn (48 %) und<br />
Beuel (34 %). Die Lage war entsprechend der ausschlaggebende Grund für die aktu-<br />
34%<br />
37%<br />
22%<br />
Bonn Umland/Land Andere Stadt Ausland weiß nicht<br />
Abbildung 4: Gewünschter Wohnort der T-Mobile-Befragten aus Bonn<br />
Quelle: Eigene Darstellung. Daten aus Wilbert 2005<br />
9%<br />
6%<br />
49
elle Wohnung (70 %), gefolgt vom Preis (44 %), der Wohnungsausstattung (34 %)<br />
und der sozialen Mischung im Stadtteil/Ort (25 %; Mehrfachnennungen waren möglich).<br />
40 % der Befragten sind Eigentümer ihrer Wohnung und fast 50 % leben im<br />
Eigenheim (freistehend bzw. <strong>Reihe</strong>nhaus).<br />
Aus den Angaben zu ihren Wohnwünschen ließ sich bei den T-Mobile-Befragten<br />
kein eindeutiger Trend in Richtung Stadt ablesen. Klarer wird das Bild, wenn man<br />
die Aussagen derer betrachtet, die bereits jetzt in Bonn leben: Für zwei Drittel von<br />
ihnen ist dies der gewünschte Wohnort, lediglich 12 % würden lieber im Umland<br />
bzw. auf dem Land leben. Immerhin jede/r fünfte Befragte unter denen, die derzeit<br />
im Umland (Rhein-Sieg-Kreis) leben, würde lieber in Bonn wohnen. In Bonn liegen<br />
die innerstädtischen Altbauquartiere sowie <strong>Bad</strong> Godesberg und Beuel als Wunschwohnort<br />
vorn, die sich in direkter Nachbarschaft zum Arbeitsort befinden bzw. gut<br />
erhaltene Altbauwohnungen aufweisen. Die neue Attraktivität von Wohnquartieren<br />
am rechten Rheinufer resultiert auch aus deren großer Nähe zu den neu entstandenen<br />
Arbeitsplätzen der IT- und Kommunikationsbranche.<br />
Von den in Kaiserslautern befragten IT-Beschäftigten leben insgesamt lediglich <strong>42</strong> %<br />
in innerstädtischen Quartieren. Ein ebenso hoher Anteil wohnt in Eigentum. Bemerkenswert<br />
ist allerdings, dass exakt doppelt so viele Befragte (84 %) gern in einem<br />
Haus wohnen würden – die meisten wiederum als Eigentümer und am liebsten im<br />
freistehenden Haus. Nimmt man die am häufigsten geäußerten Ausstattungswünsche<br />
an die Wunschwohnung hinzu – nämlich zusätzliche Räume –, so ist dies für die häufig<br />
auch zu Hause arbeitenden IT-Beschäftigten nicht verwunderlich. Es zeigt aber<br />
auch, dass der Bestand einer Innenstadt wie der von Kaiserslautern mit ihren relativ<br />
bescheidenen Nachkriegswohnungen diese Wünsche kaum befriedigen kann. Beim<br />
Wohnungsangebot bemängeln die Befragten entsprechend die schlechte Altbausubstanz<br />
und die fehlende Individualität und Originalität der Neubauten. Die Wohnbiografien<br />
der Befragten deuten auf eine hohe Unzufriedenheit und einen Umzugswunsch<br />
hin, wie Abb. 5 zeigt.<br />
Abgesehen davon, dass hiernach drei Mal mehr Bürger/innen aus der Innenstadt<br />
fort- als zuziehen möchten, fällt auf, dass immerhin ein Drittel der befragten IT-<br />
Beschäftigten die Region ganz verlassen möchte. Die Tendenzen weisen in Richtung<br />
Wegzug, die Stadt selbst ist für nur einen geringen Teil der Befragten als Wohnstandort<br />
interessant. Die beim Wohnumfeld genannten hohen Präferenzen für einen<br />
guten Naturzugang der Wohnung erklären zum Teil die bevorzugte Wohnlage im<br />
50
In Kaiserslautern bleiben<br />
Nach Kaiserslautern ziehen<br />
Außerhalb von Kaiserslautern bleiben<br />
Aus Kaiserslautern ins Umland ziehen<br />
Ganz wegziehen<br />
Unentschlossen<br />
Abbildung 5: Bevorzugte Wohnorte bzw. Umzugsabsichten von IT-Befragten aus<br />
Kaiserslautern (n=87)<br />
Quelle: Spellerberg, Becker 2004<br />
3<br />
9<br />
Umland von Kaiserslautern. Für die Wahl einer innerstädtischen Wohnlage sind für<br />
die jüngeren IT-Beschäftigten individuelle Haus- und Wohnungstypen, Freizeitangebote<br />
und eine hohe Qualität des Wohnumfeldes entscheidend (vgl. Spellerberg, Bekker<br />
2004).<br />
Der Trend zum urbanen Leben ist alles in allem nur bei einem Teil der Befragten beider<br />
Städte erkennbar. Haushaltsgröße, Alter, Bildung und Geschlecht spielen für die<br />
Stadt-Land-Orientierung der Bonner Befragten keine Rolle. Diese Ergebnisse sprechen<br />
für eine Attraktivität unabhängig von Lebensphasen und Lebensformen. An den<br />
Fallbeispielen zeigt sich auch, dass der Anteil der Befragten in Bonn, die innerstädtisch<br />
wohnen möchten, höher ist als in Kaiserslautern. Denn zentrumsnahe Altbauquartiere<br />
stehen, wenn sie denn vorhanden sind, in der Gunst ganz oben. Vor allem<br />
am Beispiel von Kaiserslautern wird deutlich, dass die umworbenen professionellen<br />
Milieus nicht unbedingt städtisch orientiert sind, wenn das Umland im Unterschied<br />
zur Innenstadt einen besonderen Reiz bietet.<br />
Im Ergebnis heißt das, dass der in der Literatur diskutierte Trend in die Stadt (Brühl<br />
u. a. 2005; Rauterberg 2005; Schellenberg 2004) nicht überall erkennbar und nur auf<br />
bestimmte Quartiere konzentriert ist. Für eher unspektakuläre Städte mit einem Wohnungsangebot<br />
vor allem für Kleinfamilien, einer wenig attraktiven Architektur aus den<br />
1950er bis 1970er Jahren und möglicherweise qualitätsarmen öffentlichen Räumen<br />
ist es schwer, als Wohnstandort in der Konkurrenz zum Umland zu bestehen.<br />
14<br />
18<br />
Anteile in %<br />
24<br />
33<br />
51
4.3 Lebensstile von Älteren und neue Techniken<br />
Ältere Menschen stehen nicht im Mittelpunkt der Lebensstildebatte und auch nicht<br />
im Blickpunkt bei den Anwendern neuer Techniken. Sie gehören den Generationen<br />
an, die teilweise noch ohne elektrische Haushaltstechnik sozialisiert wurden. In den<br />
60er Jahren fand die Technisierung der Haushalte statt, und erst seit etwa fünfzehn<br />
Jahren sind Computer in Privathaushalten verbreitet. Entsprechend der Vertrautheit<br />
mit neuen I- und K-Techniken variieren die Zustimmungen zu der Aussage „Ich<br />
komme bei neuen Medien nicht mehr mit.“ im Allbus 2004, in dem die digitale<br />
Spaltung der Gesellschaft einen Schwerpunkt bildete (vgl. Abbildung 6).<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
KOMME BEI NEUEN MEDIEN NICHT MEHR MIT<br />
STIMME GAR<br />
NICHT ZU 2 3 4 5 6<br />
Abbildung 6: Überforderung von neuen Medien nach Altersgruppen<br />
Quelle: Datenbasis: Allbus 2004; eigene Berechnungen<br />
STIMME<br />
VOLL ZU<br />
18-29 JAHRE 30-44 JAHRE 45-59 JAHRE 60-74 JAHRE 75-89 JAHRE<br />
In Deutschland leben mehr als 90 % der älteren Menschen (> 65 Jahre) in herkömmlichen<br />
Privatwohnungen. Erst bei Hochbetagten steigt der Anteil derjenigen,<br />
52
die in Heimen leben, an, er erreicht aber auch bei den über 90-jährigen nicht mehr<br />
als ein Drittel. Es erscheint daher notwendig und sinnvoll, soziale und technische<br />
Innovationen zu entwickeln, die das selbständige und würdevolle Leben im Alter<br />
ermöglichen bzw. erleichtern. Eine moderne Ausstattung und Anpassungsmaßnahmen<br />
helfen bereits, Kompetenzeinbußen bei Älteren auszugleichen (größere<br />
Schalter, Rampen, Lifte, Handläufe, etc.). Eine weiter gehende technische Infrastruktur,<br />
wie sie derzeit entwickelt wird (vgl. Berliner Institut für Sozialforschung<br />
2003; <strong>Graue</strong>l, Spellerberg 2006), erscheint aufgrund der technischen Neuerungen<br />
im Medien- und IT-Bereich deutlich realistischer als noch vor zehn Jahren. Darüber<br />
hinaus wächst die Vertrautheit mit technischen Artefakten, so dass auch bei Älteren<br />
eine zunehmende Akzeptanz technischer Unterstützungssysteme erwartet werden<br />
kann. Erste Ergebnisse einer Umfrage von älteren Mietern und Mieterinnen<br />
(60+ Jahre) des Wohnungsunternehmens „Wohnbau-Mainz“ zeigen, dass Computer-<br />
und Internetkompetenz bei einer Gruppe der Älteren bereits heute vorhanden<br />
ist 2 .<br />
Auf Basis von 25 Items zur Freizeitbeschäftigung konnten unterschiedliche Lebensstiltypen<br />
bei den befragten älteren Menschen identifiziert werden (vgl. Abb. 7). Eine<br />
Gruppe kann „Computernutzer“, genannt werden, denn diese Gruppe hebt sich<br />
sehr deutlich durch ihre zumindest wöchentliche oder gar tägliche Computer- und<br />
Internetnutzung ab, während die Personen in den anderen Gruppen diese Medien fast<br />
gar nicht verwenden. Die aktiven Computernutzer sind mit durchschnittlich 67 Jahren<br />
die jüngste Gruppe der hier Befragten, sie verfügen über eine deutlich höhere Bildung<br />
und ein entsprechend höheres Einkommen. Sie sind zu 63 % männlich und stellen<br />
einen Anteil von 13 % der Befragten.<br />
Bei einem Teil der älteren Menschen ist der Umgang mit dem Computer und mit dem<br />
Internet damit eine Selbstverständlichkeit. Wie anhand der repräsentativen und<br />
bevölkerungsweiten Allbus-Daten ausgeführt, nutzt insgesamt sogar ein Drittel der<br />
Älteren regelmäßig den Computer. Im Hinblick auf ganz neue Techniken der<br />
„ambient intelligence“ (z. B. Bewegungsmelder in der Wohnung, intelligente Haus-<br />
2 In einem Forschungsprojekt des Lehrgebiets Stadtsoziologie und des Lehrstuhls Automatisierungstechnik<br />
der TU Kaiserslautern wird an vier Standorten untersucht, ob der Einsatz von technischen Geräten<br />
gewünscht und genutzt wird, und unter welchen Bedingungen die Wohnzufriedenheit steigt und Geräte<br />
im Alltag weiterhelfen (Projektlaufzeit Stadtsoziologie: 03/2006–2/2008; finanziert großteils vom<br />
Finanzministerium Rheinland-Pfalz und zum kleineren Teil von den vier beteiligten Wohnungsunternehmen).<br />
53
haltsgeräte, Transponder zum Türöffnen, Notsignale über Funk, etc.) zeigt sich,<br />
dass von den Befragten in Mainz immerhin ein Viertel diese Techniken in Anspruch<br />
nehmen würde, um selbständig wohnen zu können (35 % würden sich von Angehörigen<br />
helfen lassen und 24 % durch professionelle Dienste). Je nach Anwendungsgebiet<br />
schwankt die Akzeptanz technischer Geräte (vom Sturzarmband bis<br />
hin zu Gedächtnistraining am Bildschirm), von einer breiten Ablehnungsfront der<br />
Älteren ist nicht länger auszugehen.<br />
Fazit<br />
Vielseitig, öffentlich: Kultur,<br />
Sport, Ehrenamt<br />
Basteln, Garten, Handwerk<br />
Computernutzung<br />
Passiv<br />
Leichte Tätigkeiten<br />
10%<br />
11%<br />
13%<br />
33%<br />
34%<br />
Abbildung 7: Freizeittypen bei über 60jährigen Mietern und Mieterinnen in<br />
Mainz (n=333)<br />
Das Lebensstilkonzept ist für die Untersuchung moderner Lebenswelten von Bedeutung<br />
und zeigt Differenzierungen, die über die klassischen sozialstrukturellen Merkmale<br />
hinausgehen. Für die Analyse von Potentialen auch im Hinblick auf Standorte,<br />
Wohnungen und Wohnungsausstattungen sind Lebensstile ein wichtiges Konzept,<br />
das Anpassungslücken und Handlungsbedarf aufdecken kann.<br />
Veränderungen in den Anteilen von Lebensstilgruppen in der Gesellschaft beruhen<br />
eher auf den großen sozialen (Individualisierung), demographischen (Alterung) und<br />
ökonomischen (Polarisierung) als auf technischen Trends. Neue Techniken breiten<br />
sich aus und verändern Alltagsabläufe, sie führen offensichtlich jedoch nicht zur<br />
Reduktion bisheriger Tätigkeiten. Die Nutzung von IT betrifft vor allem unspekta-<br />
54
kuläre und alltägliche Routinen, wie z. B. Erledigung von Formalitäten, und entlastet<br />
damit den Alltag. Sie kommt als Ursache für die Bildung neuer Lebensstilgruppen<br />
mehrheitlich nicht in Betracht.<br />
In der Gruppe der älteren Menschen konnten Intensivnutzer von Computer und<br />
Internet identifiziert werden, die sich von den übrigen Lebensstilgruppen in dieser<br />
Altersgruppe deutlich unterscheiden. Während der große Teil der Älteren sich überhaupt<br />
nicht mit neuen Medien befasst, gibt es eine Gruppe, die sich hier deutlich von<br />
den anderen abhebt. Die allgemeine Aussage in der Diskussion um die digitale Spaltung<br />
der Gesellschaft, nach der Ältere zu den Nichtnutzern zählen, lässt sich somit<br />
nicht aufrecht erhalten. Mit zunehmender Bildung und zunehmender Vertrautheit<br />
sind Computer und neue Medien Haushaltsgeräte wie jedes andere auch.<br />
Die vom sozio-ökonomischen und technischen Wandel besonders betroffenen Berufsgruppen<br />
zeigen keine ausgeprägte Neigung zum städtischen Wohnen. Die These<br />
einer breiten Reurbanisierung aufgrund lebensstilspezifischer Vorlieben kann in<br />
Zweifel gezogen werden. Bei jüngeren, gut qualifizierten Beschäftigten im IT-Bereich<br />
ist eher ein fortgesetzter Trend zur Suburbanisierung zu erkennen, der stärker<br />
erscheint als der Wunsch nach innerstädtischen Wohnstandorten.<br />
Jun.-Professorin Dr. Annette Spellerberg<br />
Fachgebiet für Stadtsoziologie an der Technischen Universität Kaiserslautern<br />
Literatur<br />
Aßmann H, Becker R, Ring R (2005) Wahlverwandtschaften – Wohnprojekte von und für Frauen.<br />
Vortrag zum Internationalen Frauentag. Universität Dortmund. www.raumplanung.unidortmund.de/fwr/fwrpage/downloads<br />
Berliner Institut für Sozialforschung (Hg.) (2003) Smart Home – Smart Aging. Akzeptanz und<br />
Anforderungen der Generation 50+. Vierter Smart Home Survey des BIS. Berlin<br />
Bourdieu P (1987) Die feinen Unterschiede. Frankfurt<br />
Brühl H, Hechter C-P, Frölich von Bodelschwingh F, Jekel G (2005) Wohnen in der Innenstadt<br />
– eine Renaissance? Difu Berichte 1/2 2005. Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik<br />
Dangschat J (2006) „Creative Capital“ – Selbstorganisation zwischen zivilgesellschaftlichen<br />
Erfindungen und der Instrumentalisierung als Standortfaktor. In: Rehberg KH (Hg.) Soziale<br />
Ungleichheit, Kulturelle Unterschiede. 32. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.<br />
München<br />
Eichener V (2005) Zukunft des Wohnens. Konsequenzen des demographischen Wandels für den<br />
Immobilienmarkt. www.inwis.de/htm/aktuelles/KS-Eichener.pdf<br />
Georg W (1998) Soziale Lage und Lebensstil. Eine Typologie. Opladen: Leske + Budrich<br />
55
<strong>Graue</strong>l J, Spellerberg A (2006) Akzeptanz neuer Wohntechniken für ein selbständiges Leben im<br />
Alter. unveröffentl. Manuskript; eingereicht bei der KZfSS<br />
Hallenberg B, Poddig B (2005) Wissen, wer wo wohnt – Das Beratungsangebot WohnWissen.<br />
vhw FW 4 7-9:212–218<br />
Klocke A, Lück D, Spellerberg A (2001) Lebensstile im Haushalts- und Familienkontext. Zeitschrift<br />
für Familienforschung 14. Jg., Heft 1, 2002:70–87, Bamberg<br />
Landry C (2000) The creative city: a toolkit for urban innovators. London<br />
Läpple D (2004) Das Internet und die Stadt – Virtualisierung oder Revitalisierung städtischer<br />
Arbeits- und Lebensverhältnisse? In: Siebel W (Hg.) Die europäische Stadt. Frankfurt, S. 406–<br />
<strong>42</strong>1<br />
Läpple D (2005) Phönix aus der Asche: Die Neuerfindung der Stadt. In: Berking H, Löw M<br />
(Hg.) Die Wirklichkeit der Städte. Soziale Welt. Sonderband 16 der Sozialen Welt, <strong>Bad</strong>en-<br />
<strong>Bad</strong>en, S. 397–413<br />
Liebmann H, Robischon T (2003) Städtische Kreativität – Potenzial für den Stadtumbau.<br />
Schriftenreihe: Praxis + Theorie. Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung e.V.,<br />
Schader-Stiftung. Darmstadt<br />
Noller P, Ronneberger K (1994) Neue Technologien, Technikleitbilder, Lebensstile und Urbanität.<br />
unveröffentl. Forschungsbericht. Frankfurt/Main<br />
Noller P (1999) Globalisierung, Stadträume und Lebensstile. Opladen<br />
Rauterberg H (2005) Neue Heimat Stadt. Ein Epochenwechsel kündigt sich an: Die Deutschen<br />
entdecken das urbane Leben wieder. DIE ZEIT vom 18. August 2005, S. 33<br />
Rössel J (2006) Kostenstruktur und Ästhetisierung. Zur Erklärungskraft von Lebensstilen.<br />
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Jg. 58(3):<strong>42</strong>3ff.<br />
Schellenberg J (2004) Wohnwünsche in Lebensperspektive. Eine Grundlagenstudie zur Abschätzung<br />
des künftigen Immobilienbedarfs im Auftrag von DB-Immobilien. www.geog.uni-heidelberg.de/anthropo/forschung/wohnwuensche.pdf,<br />
Stand 30.1.2005<br />
Schmitt J et al. (2006) Einfamilienhaus oder City? Wohnorientierungen im Vergleich. Opladen,<br />
VS-Verlag<br />
Schneider N, Spellerberg A (1999) Lebensstile, Wohnbedürfnisse und räumliche Mobilität.<br />
Opladen, Leske+Budrich<br />
Schulze G (1992) Die Erlebnisgesellschaft. Frankfurt, Campus<br />
Spellerberg A (1996) Soziale Differenzierung durch Lebensstile. Eine empirische Untersuchung<br />
zur Lebensqualität in West- und Ostdeutschland. Berlin, Edition sigma<br />
Spellerberg A, Becker U (2004) Lebensstile und Raumansprüche hoch qualifizierter IKT-<br />
Beschäftigter. Forschungsbericht Kaiserslautern<br />
Wilbert K (2005) Mismatch auf dem Wohnungsmarkt – Ansatzpunkt: Zielgruppenorientiertes<br />
Wohnraumangebot am Beispiel Bonn. Diplomarbeit an der Technischen Universität Kaiserslautern<br />
Zapf W et al. (1987) Individualisierung und Sicherheit. München: Beck<br />
56
Recodierung des urbanen Raums<br />
durch das Internet?<br />
Dieter Hassenpflug<br />
Kernaussage<br />
Durch die neue IT findet eine fundamentale Recodierung des Raumes statt: Der<br />
funktionale Raum wird gegenüber dem ästhetischen Raum entwertet. Die Zweckrationalität<br />
wandert in den virtuellen Raum.<br />
Vermittelt wird dieser Prozess über fünf Prozesse (Mitchell 1999), welche die Grundlage<br />
der „intelligenten Stadt“ bilden („smart city“)<br />
– Dematerialisierung<br />
So wie der Fernseher das Wohnzimmer zum teil-öffentlichen Raum machte, so<br />
macht das Internet das Arbeitszimmer zur Einkaufsstraße.<br />
– Demobilisierung<br />
Physische Mobilität wird substituiert durch Online-Operationen.<br />
– „kleine Serie“<br />
Individualisierung der Massenproduktion („mass customisation“)<br />
– Roboterisierung<br />
Multipel sensorisch-interaktive Technik<br />
– Reduktion von räumlichen Transformationskosten<br />
Verringerung der quantitativen räumlichen Wirkungen wissenschaftlich-technischer<br />
Evolution.<br />
Der Online-Shopper und die Stadt<br />
– Online-Shopper sind jung, mobil und nutzen alle Räume für ihren dynamischen<br />
und flexiblen Lebensstil (vgl. „emulator“oder „proteic man“).<br />
– Die physische Stadt ist für den Online-Shopper sehr wichtig. Er nutzt ihre Zentrumskompetenz,<br />
Atmosphären (narrative und ästhetische Potenziale) und Begegnungsangebote.<br />
57
– Der Online-Shopper nutzt auch die „Zwischenstadt“. Er schätzt z.B. die Anneh-<br />
michkeiten der 24-h Tankstelle. Diese empfiehlt sich daher als „Pick-Point“.<br />
40,00%<br />
35,00%<br />
30,00%<br />
25,00%<br />
20,00%<br />
25,00%<br />
10,00%<br />
5,00%<br />
Einkauf in der Innenstadt<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0<br />
0<br />
Online-Shopper<br />
16-20 21-25 26-35 36-45<br />
46-55 56-65 66-75<br />
Abbildung 1: Altersverteilung Online-Shopper<br />
58<br />
Online-Shopper (N)online-Shopper Gesamt<br />
sehr häufig häufig<br />
selten nie<br />
Abbildung 2: Einkauf in der Innenstadt (Hannover)
Grund: „Die Atmosphäre ist mir wichtig“<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0<br />
Online-Shopper (N)online-Shopper<br />
stimme zu weder noch<br />
lehne ab nie<br />
Abbildung 3: „Atmosphäre der Innenstadt ist mir wichtig“ (Hannover)<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0<br />
Online-Shopper (N)online-Shopper<br />
stimme zu weder noch<br />
lehne ab nie<br />
Abbildung 4: „Atmosphäre der Innenstadt ist mir wichtig“ (Leipzig)<br />
59
Einzelhandel<br />
Der städtische Einzelhandel wird dann gestärkt,<br />
– wenn das städtische Umfeld im Sinne des Erlebniskonsums aufgewertet wird<br />
(Stichworte: Zentralität, Funktionsmischung, Citytainment);<br />
– wenn der Einzelhandel sich in der Binnen- und Außenpräsentation an die neue<br />
Situation anpasst durch Thematisierung (Galeria-Konzept) des Kaufhauses<br />
(Urban Entertainment Centre etc.) und durch Individualisierung („kleine Serie“)<br />
z.B. des Auftritts von Filialisten.<br />
In Europa hat das Stadtzentrum gegenüber dem peripheren Einzelhandel die bessere<br />
Ausgangsbedingung für den Wettbewerb um den Online-Shopper als Erlebniseinkäufer.<br />
Die Aufwertung des städtischen Raums erfolgt entlang der Transformation vom<br />
„was nützt mir“ zum „was gefällt mir“. Das „Benötigen“ wird vom E-Commerce<br />
erledigt, das „Gefallen“ bietet die „gute Stadt“.<br />
60<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0<br />
Online-Shopper (N)online-Shopper<br />
kaufe dort ein kaufe dort nie ein<br />
Abbildung 5: Mobilität: Einkauf an Tankstellen-Shops (Leipzig)
80,00%<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0<br />
Online-Shopper (N)online-Shopper<br />
Online-Shopper (Internet-User) und Raum<br />
– Antagonismus der „letzten Meile“: Online-Shopper sind viel unterwegs und leben<br />
oft allein bzw. mit ebenfalls mobilen Partnern. Probleme der „letzten Meile“ sind<br />
damit programmiert.<br />
– Online-Shopper stellen hohe Anforderungen an den städtischen Raum als Emotionsraum<br />
(Kultur, Begegnung, Flair,...). In diesem Anspruch verbinden sich die-<br />
Wertschätzung für sinnliche „face-to-face“- und „face-to-place“-Kontakte.<br />
– Berufsbedingte Raumbindung: Als „young urban professionals“ oder „white collar<br />
workers“ beanspruchen Online-Shopper die Möglichkeit von persönlichen<br />
(„face-to-face“) Kontakten als Produktionsbedingung (Vertrauen, Diskretion<br />
etc.).<br />
– Das Internet erweitert die Möglichkeiten raumenthobener Interaktion extrem.<br />
Wer sich im virtuellen Raum kennenlernt, will sich jedoch im physischen Raum<br />
auch „face-to-face“ treffen.<br />
Fragen zu: „Funktionale Spezialisierung“<br />
kaufe dort ein kaufe dort nie ein<br />
Abbildung 6: Mobilität: Einkauf an Tankstellen-Shops (Hannover)<br />
– Wie verhält sich funktionale Spezialisierung (Bereiche: Management, Administration,<br />
Marketing etc.) zu IT-gestützten Formen des „Human Resource Management“?<br />
61
– Ist der „white collar worker“ von heute überhaupt noch mit dem von gestern ver-<br />
gleichbar? Ist er nicht bereits ein „Spezialist für Zusammenhänge“?<br />
– Funktionale Spezialisierung scheint „immer noch ein urbanes Phänomen“ zu sein.<br />
Wie aber steht es mit der Dynamik von Intersystem-Berufen?<br />
– Wie verhält sich die in Stadtzentren steigende funktionale Spezialisierung zur sin-<br />
kenden räumlichen Spezialisierung?<br />
Die „Klassen“ in der Erlebnis- und Konsumgesellschaft<br />
– Achiever = der hart arbeitende, materialistisch orientierte, gut informierte, erfolgreiche<br />
Typus, der dezenten Luxus liebt<br />
– Emulator = („Nacheiferer“) der junge, extrovertierte, statusbewusste und konkurrenzorientierte<br />
Aufsteiger<br />
– Belonger = der konservative, konformistische Konsument mit niedrigem bis mittlerem<br />
Einkommen<br />
– Sustainer = der arme, marginalisierte Loser, der um seine bloße Existenz kämpfen<br />
muss<br />
Die „Emulator- and Achiever-Society“<br />
– Urbane Internetinfrastruktur: Internetcafés (als Lockangebot, in Bestellung inbegriffen<br />
o.ä., Hotels mit schnellem Internetanschluss (im Preis inbegriffen)<br />
– Englische Sprachkenntnisse speziell im Dienstleistungsbereich<br />
– „Offene Gesellschaft“; Zuwanderung; kulturelle Identität (statt „Leitkultur“),<br />
nationale Identität verliert an Bedeutung bzw. Sinnhaftigkeit<br />
– Unterricht muss sich an der Ubiquität von Informationen orientieren: Lernfähigkeit<br />
& Kreativität<br />
62<br />
Professor Dr. Dieter Hassenpflug<br />
Lehrstuhl für Soziologie und Sozialgeschichte der Stadt<br />
an der Bauhaus-Universität Weimar
Räumliche Trends in der<br />
Telekommunikationslandschaft Europas –<br />
Analyse ausgewählter ESPON-Ergebnisse<br />
Erich Dallhammer<br />
1 Ausgangslage<br />
Die neuen, virtuellen Kommunikationstechnologien wie Internet, E-Mail, Videokonferenzen,<br />
etc., beflügelten in ihrer Pionierphase die Phantasien der Wissenschaft<br />
hinsichtlich der Neuorganisation der Lebens- und Arbeitswelt. Die Idee einer Technologie,<br />
welche überall gleich verfügbar sein könnte und alle Lebensbereiche verändern<br />
würde, faszinierte. Die Vorstellung von Telearbeit in der eigenen Wohnung,<br />
Teleshopping ohne Einkaufswege und Freizeitgestaltung in virtuellen Welten prägte<br />
Diskussionen über gesellschaftliche Entwicklungen. Der Diskurs um deren territoriale<br />
Auswirkungen war dominiert von der These, dass virtuelle Kommunikation Verkehrsströme<br />
ersetzen könne. Aufgrund der theoretisch ubiquitären Verfügbarkeit<br />
dieser Technologien wurde vermutet, dass sich die Unterschiede zwischen Zentrum<br />
und Peripherie, zwischen Stadt und Land angleichen und auflösen würden. 1<br />
Diese in den Anfängen der Telekommunikationstechnologie entwickelte These der<br />
räumlichen Entgrenzung durch Telekommunikation wird im folgenden Text europaweit<br />
zur Verfügung stehenden Daten gegenüber gestellt, um nach Indizien einer<br />
Verifizierung zu suchen. Die verwendeten Daten basieren maßgeblich auf der Studie<br />
„ESPON project 1.2.2 Telecommunication Services and Networks: Territorial Trends<br />
and Basic Supply of Infrastructure for Territorial Cohesion“ (ESPON 122, 2006),<br />
welche im Rahmen des ESPON-Programmes 2 erstellt wurde.<br />
1 Den Grundstein in dieser Diskussion setzte McLuhan bereits in den 1960er Jahren mit der Metapher des<br />
„globalen Dorfes“. Er beschreibt eine Welt, die durch die elektronischen Massenmedien ihre räumlichen<br />
und zeitlichen Barrieren in der menschlichen Kommunikation verliert und somit zu einem „Dorf“ zusammenwächst<br />
(McLuhan 1962). Einige räumliche Überlegungen zu dieser Diskussion finden sich u.a. zusammengefasst<br />
bei Dallhammer 1997.<br />
2 ESPON, das „European Spatial Planning Observation Network“ zielt im Rahmen von INTERREG III mit<br />
einer Vielzahl von Studien u.a. darauf ab, Daten aufzubereiten, um die räumliche Dynamik und vorhandene<br />
Disparitäten in Europa auf regionaler Ebene mittels Indikatoren und Karten darzustellen. Die Analysen<br />
decken das Territorium der EU 25 einschließlich der neuen Mitglieder Rumänien und Bulgarien (=<br />
EU 27) sowie Norwegens und der Schweiz ab (www.espon.eu).<br />
63
1.1 Zu Zentrum und Peripherie in Europa<br />
Die Verbreitung von Telekommunikation in Europa und deren Auswirkung auf die<br />
räumliche Entwicklung, insbesondere im Spannungsverhältnis Stärkung von Zentren<br />
versus Aufholen der Peripherie, ist vor dem Hintergrund räumlicher, ökonomischer<br />
und verkehrlicher Randbedingungen in Europa zu sehen.<br />
Zentrale Region Europas ist nach dem <strong>Europäische</strong>n Raumentwicklungskonzept das<br />
sogenannte „Pentagon“ mit den Eckpunkten London, Paris, Mailand, München und<br />
Hamburg verstanden (vgl. <strong>Europäische</strong> Kommission 1999). Es umfasst 14 % des Territoriums<br />
der 27 EU-Mitgliedsstaaten (= EU 27), in dem 32 % der EU-Bevölkerung<br />
leben, 46,5 % des BIP erwirtschaftet werden (Schindegger et al. 2006:67) und das sich<br />
aus gesamteuropäischer Sicht durch eine überdurchschnittlich gute verkehrliche<br />
Erreichbarkeit (ESPON 2<strong>42</strong>, 2006:98) auszeichnet. Die Regionen und Länder im Norden,<br />
Süden, Westen und Osten bilden aus gesamteuropäischer Sicht die Peripherie.<br />
Abbildung 1: Regional Classification of Europe (RCE) – Ergebnisse für die Performance<br />
der Regionen der EU 27 im Bereich der Erreichbarkeit<br />
Quelle: ESPON 2<strong>42</strong>, 2006:98<br />
64
1.2 Regionalökonomischer Rahmen<br />
Zwischen der ökonomischen Performance einer Region und ihrer Erreichbarkeit<br />
besteht ein Zusammenhang. In der Regel weisen ökonomisch erfolgreiche Regionen<br />
auch eine ausgezeichnete Erreichbarkeit auf. Dies trifft auf viele Regionen innerhalb<br />
des Pentagons zu (z.B. Westdeutschland, Großbritannien, Benelux-Staaten). Dem<br />
gegenüber existieren peripher gelegene Regionen mit unterdurchschnittlichem Bruttoregionalprodukt<br />
(BRP), wie z.B. die meisten Mittelmeerregionen (mit Ausnahme<br />
der industrialisierten Regionen Norditaliens und Spaniens) sowie die meisten Regionen<br />
der neuen Mitgliedsländer. Daneben gibt es jedoch auch Regionen, welche trotz<br />
ihrer peripheren Lage überdurchschnittlich ökonomisch erfolgreich sind, wie viele<br />
Regionen in Irland, Schottland und den nordischen Ländern (Finnland, Dänemark,<br />
Schweden, Norwegen). Schließlich bestehen auch unter den gut erreichbaren Regionen<br />
solche, die nur ein unterdurchschnittliches BRP ausweisen. Dabei handelt es<br />
Abbildung 2: Regionaler Vergleich Bruttoregionalprodukt zur Marktpreisen,<br />
Kaufkraftparitäten je Einwohner<br />
Quelle: Eurostat 2007<br />
65
sich insbesondere um alte Industrieregionen mit überalterter Infrastruktur in Zentraleuropa,<br />
sowie einige gut erreichbare Regionen in den neuen Mitgliedsländern<br />
(vor allem in Tschechien und Ungarn), welche gegenüber den alten Mitgliedsländern<br />
(= EU 15) noch einen ökonomischen Aufholprozess vor sich haben (ESPON 121,<br />
2006:395f.).<br />
2 Die Schnittstellen zum Endverbraucher<br />
2.1 Telefon (Mobil und Festnetz)<br />
Das Telefon ist die älteste und am weitesten verbreitete Kommunikationstechnologie.<br />
Die Entwicklung der Mobiltelefonie hat dieser „alten“ Technologie einen technologischen<br />
Schub gebracht: Telefonieren wurde weitgehend von räumlichen<br />
Beschränkungen einer leitungsgebundenen Infrastruktur losgelöst, da Funkmasten<br />
die Versorgung zum Endverbraucher sicher stellen.<br />
Hinsichtlich der Verbreitung der Mobiltelefonie weisen von den alten EU 15-Mitgliedsstaaten<br />
einschließlich Norwegen und Schweiz vor allem eher peripher gelegene<br />
Länder überdurchschnittlich hohe Teilnehmerquoten (ITU 2002) 3 auf. Da dies<br />
sowohl ökonomisch stärkere (Schweden, Finnland) als auch ökonomisch weniger<br />
starke Länder (Italien, Spanien, Portugal) betrifft, lässt sich kein eindeutiger Zusammenhang<br />
zwischen Wirtschaftskraft und Verbreitung des Mobiltelefons nachweisen<br />
(ESPON 122, 2006:61ff.).<br />
In Ländern, die gemeinhin als europäischer „Kern“ gesehen werden, wie Deutschland,<br />
Frankreich, Belgien und die Niederlande, sind Mobiltelefone nur unterdurchschnittlich<br />
verbreitet, jedoch haben diese Staaten eine überdurchschnittlich hohe<br />
Dichte an Festnetzanschlüssen pro 100 Einwohner. Hier scheinen sich Festnetz und<br />
Mobilnetz komplementär zu verhalten. Anders ist die Situation in den ökonomisch<br />
starken, peripherer gelegenen Länder Schweden und Norwegen, in denen sowohl<br />
Mobiltelefon als auch Festnetz weit verbreitet sind (ESPON 122, 2006:43ff;61ff.).<br />
Auch auf regionaler Ebene lässt sich eine Festnetz-Mobilnetz-Komplementarität<br />
erkennen. 4 Die meisten Regionen mit der höchsten Anzahl an Mobiltelefonverträgen<br />
pro Haushalt liegen außerhalb des Pentagons und gehören zu den am<br />
3 Gemessen in Zahl der Teilnehmer pro 100 Einwohner.<br />
4 Daten liegen hier für die „alten“ Mitgliedstaaten der EU 15 vor, basierend auf einer Haushaltsbefragung<br />
aus dem Jahr 2002 (INRA 2002).<br />
66
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Belgien<br />
Deutschland<br />
Frankreich<br />
Luxemburg<br />
Niederlande<br />
Schweiz<br />
Alte"<br />
Mitgliedsstaaten+<br />
N+<br />
CH<br />
"<br />
- Pentagon<br />
Großbritannien<br />
Dänemark<br />
Finnland<br />
Griechenland<br />
Irland<br />
Italien<br />
Norwegen<br />
Österreich<br />
Alte"<br />
Mitgliedsstaaten<br />
+ N + CH<br />
"<br />
- Peripherie<br />
Portugal<br />
dünnsten besiedelten und z.T. auch zu den ökonomisch schwächeren Regionen.<br />
Insbesondere in Regionen von Griechenland (u.a. Kreta), Süd- und Mittelitalien,<br />
Spanien, Irland, Wales, Schweden und Finnland ist das Mobiltelefon weit verbreitet<br />
(INRA 2002:92; ESPON 122, 2006:69ff.). Dem gegenüber ist der Prozentsatz<br />
von Haushalten mit Festnetzanschlüssen in den am dichtest besiedelten<br />
Regionen überdurchschnittlich hoch, insbesondere in den Regionen mit den großen<br />
Städten Deutschlands und Großbritanniens. Ausnahmen bilden einige sehr<br />
dünn besiedelte Regionen vor allem in Griechenland und Schweden mit einer ebenfalls<br />
überdurchschnittlich hohen Verbreitung des Festnetztelefons (INRA 2002:86).<br />
In den 10+2 neuen EU-Mitgliedsstaaten sind die Anschlussquoten im Festnetz<br />
sowie bei Mobiltelefonen im Vergleich zu den alten Mitgliedsländern unterdurchschnittlich.<br />
Ausnahmen bilden Malta und Zypern (Festnetz) sowie Slowenien und<br />
Tschechien (Mobiltelefon). Allerdings findet in diesen Ländern ein Aufholprozess<br />
statt, der sowohl die technische Aufwertung des Festnetzes (Digitalisierung) als<br />
auch die Verbreitung des Mobilnetzes betrifft (IBM 2003).<br />
Im Stadt-Land-Vergleich auf Mikro-Ebene der EU 15 zeigt sich eine annähernde<br />
Gleichverteilung. Im europäischen Durchschnitt liegt die Zahl der Haushalte mit<br />
Schweden<br />
Spanien<br />
Bulgarien<br />
Mobiltelefonverträge Festnetzanschlüsse<br />
Quelle:<br />
International<br />
Telecommunication<br />
Union<br />
2002<br />
Estland<br />
Lettland<br />
Litauen<br />
Malta<br />
Polen<br />
Rumänien<br />
Slowakei<br />
" Neue"<br />
Mitgliedsstaaten<br />
Abbildung 3: Mobiltelefonverträge / Festnetzanschlüsse je 100 Einwohner in<br />
Europa<br />
Quelle: ESPON data base nach ITU<br />
Slowenien<br />
Tschechien<br />
Ungarn<br />
Zypern<br />
67
einem Mobiltelefonvertrag in den Metropolregionen mit 83 % bzw. in den Stadtregionen<br />
mit 81 % nur gering über jenem in den ländlichen Regionen (80 %). In manchen<br />
Ländern ist die Differenz zwischen Metropolregionen und ländlichen Regionen<br />
größer, wie z.B. in Frankreich (Differenz 10 %-Punkte), Finnland, Irland, Österreich<br />
(Differenz je 7 %-Punkte) oder Griechenland (5 %-Punkte). Im Vereinigten Königreich<br />
hingegen ist die Verbreitung der Mobiltelefone in den Haushalten am Land um<br />
4 %-Punkte höher als in den Metropolregionen (INRA 2004:44). 5 All diese regionalen<br />
Interpretationen werden maßgeblich von den nationalen Eigenheiten der einzelnen<br />
Länder überprägt (siehe Abbildung 4) (ESPON 122, 2006:72).<br />
Abbildung 4: Der „nationale Effekt“ der Verbreitung des Mobiltelefons in den<br />
Regionen der EU 15 (Jeder Punkt entspricht einer Region)<br />
Quelle: ESPON 122, 2006:72; Daten aus INRA 2004<br />
2.2 PC-Besitz<br />
Zentrales Werkzeug zum Einstieg in die digitale Welt ist der Personal Computer<br />
(PC). Hinsichtlich seiner Verbreitung (gemessen in PCs/100 Einwohner) herrscht in<br />
Europa eine Zweiteilung: Die im Norden und im Zentrum Europas gelegenen, öko-<br />
5 Die Definition von Metropolregion, Stadtregion und ländlicher Region variiert von Land zu Land.<br />
68
nomisch stärkeren Länder weisen eine überdurchschnittlich hohe PC-Dichte auf<br />
(Ausnahme: Belgien), während in den südlichen und östlichen Ländern unterdurchschnittlich<br />
viele PCs pro 100 Einwohner zu finden sind (Ausnahme: Slowenien)<br />
(ESPON 112, 2006:76f.). 6<br />
Auf regionaler Ebene ist der PC tendenziell in jenen Regionen stärker verbreitet, welche<br />
zentral liegen und eine höhere Siedlungsdichte aufweisen. Eine Ausnahme bildet<br />
Schweden, wo auch in peripheren Regionen überdurchschnittlich viele Haushalte<br />
über einen PC verfügen. 7<br />
Ferner besteht ein Zusammenhang zwischen PC-Besitz und regionaler Wirtschaftskraft:<br />
In wirtschaftsstärkeren Regionen ist die PC-Verbreitung höher als in wirtschaftsschwächeren<br />
(z.B. in Griechenland, Spanien und Portugal) (ESPON 122,<br />
2006:83).<br />
Innerhalb der Regionen lässt sich ein Stadt-Land-Gefälle erkennen. Während im<br />
Durchschnitt im Jahr 2004 in den Städten der alten EU-Mitgliedsstaaten 56 % der<br />
Haushalte einen PC besaßen, waren es in den ländlichen Regionen um 6 %-Punkte<br />
weniger. Gegenüber 2002 hat sich diese Schere zwischen Metropoleregionen und<br />
ländlichen Regionen um 2 %-Punkte vergrößert. Ausnahmen von dieser Stadt-Land-<br />
Disparität bilden u.a. Deutschland, Niederlande, Österreich und Schweden (INRA<br />
2004:58; INRA 2002:48).<br />
2.3 Internetanschluss<br />
Voraussetzung für die Teilhabe an der virtuellen Welt ist ein Zugang zum Internet.<br />
Mit über 5.000 Anschlüssen pro 10.000 Einwohner sind europaweit die meisten<br />
Internet-Nutzer in den nordischen Staaten (Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen)<br />
sowie den Niederlanden zu finden. Die geringste Internet-Nutzer-Rate weisen<br />
südeuropäische (Griechenland, Portugal) sowie osteuropäische (Bulgarien,<br />
Rumänien, Ungarn) Staaten auf (ESPON 122, 2006:90).<br />
In ökonomisch stärkeren Regionen verfügen deutlich mehr Haushalte über Internetzugang<br />
als in weniger leistungsstarken Regionen. Die meisten Regionen mit geringer<br />
Internetverbreitung erwirtschaften ein unterdurchschnittliches Bruttoregional-<br />
6 Quelle: International Telecommunication Union (ITU): www.itu.int<br />
7 Daten für EU 15 basierend auf einer Haushaltsbefragung aus 2002 (INRA 2002). Bei der Interpretation<br />
ist zu beachten, dass die regionalen Eigenheiten von den nationalen Randbedingungen maßgeblich überprägt<br />
sind (ESPON 122 S. 80ff.).<br />
69
produkt (insb. spanische, griechische und portugiesische Regionen). Dem gegenüber<br />
liegen die meisten Regionen mit einem hohen Anteil an Haushalten mit Internet im<br />
Pentagon und sind dichter besiedelt. Eine Ausnahme von diesem Muster bilden die<br />
dünn besiedelten, peripher gelegenen schwedischen Regionen mit überdurchschnittlich<br />
vielen Haushalten mit Internet-Anschluss (ESPON 1<strong>42</strong>, 2006:96).<br />
Abbildung 5: Internet-Benutzer je 10.000 Einwohner 2003<br />
Quelle: CURDS nach ESPON Data-Base<br />
Auf Mikro-Ebene besteht ein Stadt-Land-Gefälle: Während in Metropol- sowie Stadtregionen<br />
mehr als die Hälfte der Bevölkerung (56 % bzw. 55 %) Zugang zum Internet<br />
zu Hause oder in der Arbeit/Schule hat, sind es in ländlichen Regionen nur 49 %.<br />
In Deutschland, Irland, Luxemburg, Österreich und dem Vereinigten Königreich ist<br />
der Internetzugang in allen Regionen annähernd gleich verteilt (INRA 2004:66).<br />
70
2.4 Breitband<br />
Erst die durch einen Breitbandanschluss beim Endverbraucher mittels DSL, Kabel<br />
etc. erzielbaren hohen Übertragungsgeschwindigkeiten und Kapazitäten ermöglichen<br />
die effiziente Nutzung des Internets. Generell war diese Technologie 2002 in<br />
Europa gering verbreitet. Einige Länder, wie Bulgarien, Polen, Rumänien und Tschechien<br />
hatten zu diesem Zeitpunkt kaum in die Breitband-Technologie investiert. In<br />
vielen Regionen in den südlichen Ländern (Griechenland, Italien, Spanien und Portugal)<br />
sowie in Irland, in den neuen deutschen Bundesländern und auch in Teilen<br />
Frankreichs lag die Anzahl der Haushalte mit Breitbandzugang klar unter dem<br />
Durchschnitt. Überdurchschnittlich hohe Anteile von Breitbandteilnehmern – wenn<br />
auch mit mehr als sechs Breitbandnutzern pro 100 Einwohner auf geringem Niveau<br />
Abbildung 6: Breitbandanschlüsse je Einwohner in Prozent<br />
Quelle: CURDS nach ESPON Data-Base<br />
71
– wiesen 2002 die nördlichen Länder Dänemark und Schweden, sowie Belgien, Niederlande,<br />
Österreich und die Schweiz auf (ESPON 122, 2006:120ff.). 8 Allerdings<br />
steigt der Anteil der Breitbandanschlüsse an der Gesamtbevölkerung in einzelnen<br />
Ländern sehr rasch. Zwischen 2003 und 2004 lagen die Zuwächse bei bis zu 4 %-<br />
Punkten (ESPON 122, 2006:124).<br />
Im Stadt-Land-Vergleich spiegelt sich die Strategie der Anbieter wider, zuerst in den<br />
Zentren zu investieren, wo hohe Anschlussdichten eine höhere ökonomische Rentabilität<br />
versprechen. Während im Schnitt in Metropolregionen 17 % und in den<br />
Stadtregionen 15 % der Haushalte in den EU 15 einen Breitbandanschluss haben,<br />
sind es in ländlichen Regionen lediglich 8 %. Dieser Unterschied ist in manchen Ländern<br />
erheblich größer, wie z.B. in Finnland (Metropolregionen 29 %/Stadtregionen<br />
14 %/ländliche Regionen 7 %), Frankreich (16 %/6 %/2 %), Österreich (20 %/11 %/<br />
5 %) und Schweden (34 %/26 %/14 %). In anderen Ländern ist dieses Verhältnis<br />
ausgeglichen, oder sogar umgekehrt, wie in Belgien (31 %/30 %/35 %), Deutschland<br />
(6 %/7 %/6 %) und den Niederlanden (33 %/36 %/40 %) (INRA 2004:62).<br />
3 Die Infrastruktur hinter dem World Wide Web<br />
3.1 Das paneuropäische Glasfaserbackbone<br />
Wichtige Voraussetzung zur Übertragung großer Datenmengen im WWW und<br />
damit zu einer raschen Kommunikation ist neben dem Breitbandanschluss für den<br />
Endverbraucher ein leistungsfähiges Glasfasernetzwerk, in der Einführungsphase<br />
vielfach unter dem Titel „Datenhighway“ diskutiert. Diese Datennetze werden in<br />
Europa von privaten, multinationalen Investoren unter weitgehend liberalisierten<br />
Rahmenbedingungen ohne nationale Einschränkungen bereitgestellt und betrieben.<br />
Die räumliche Lage dieser Netze beeinflusst die Entwicklung von Städten und<br />
Regionen. Untersuchungen, vor allem aus den USA, zeigen, dass IT- und Medienunternehmen<br />
jene Standorte suchen, welche hohe Wahlmöglichkeit und hohe Qualität<br />
bei möglichst geringen Kosten im Netzzugang bieten. 9 Regionen, die keinen<br />
Anschluss an dieses Netzwerk haben, sind damit für solche Unternehmen wesentlich<br />
weniger attraktiv.<br />
8 Ein ähnliches Bild zeigen auch die INRA-Daten aus dem Jahr 2004 auf regionaler Ebene.<br />
9 Eine Diskussion darüber siehe Rutherford et al. 2004.<br />
72
Das paneuropäische Fiberglasnetzwerk zeigt eine erhebliche Konzentration im Pentagon<br />
(London, Paris, Mailand, Hamburg, München). Die peripheren Regionen im Süden<br />
(Portugal, Südspanien, Süditalien, Griechenland), im Norden (Norwegen, Finnland,<br />
Schweden, Schottland) und im Osten (faktisch alle neuen EU-Mitgliedsländer) haben nur<br />
wenige Teile dieses Netzwerks und kaum eine Wahlmöglichkeit zwischen unterschiedlichen<br />
Netzen. Innerhalb der Netze sind die urbanen Zentren am besten angebunden,<br />
wie London, Paris, aber auch Madrid, Wien, Mailand, Stockholm und Oslo (ESPON<br />
122, 2006:151). 10 Jene innereuropäischen Regionen, die zwischen den Knoten des Netzwerkes<br />
liegen, werden gequert. Wenn keine Anschlussmöglichkeit besteht, bleiben sie<br />
ebenso unerschlossen, wie die Regionen zwischen den Kanten des Netzwerkes.<br />
Abbildung 7: Paneuropäisches Fiberglasnetzwerk – Bestand und Planung<br />
Quelle: www.kimireserch.com. Zit. nach Rutherford et al. 2004, Copyright bei KMI<br />
10 www.kmiresearch.com<br />
73
3.2 Die Knoten im Netzwerk/Internet Exchange Points (IEPs)<br />
Jene Regionen, in denen sich die meisten Verbindungen des Datenhighwaynetzwerkes<br />
treffen, haben Knotenfunktion, die umso höher ist, je mehr Kanten in einer<br />
Region zusammenlaufen. Die Regionen, in denen sich die meisten Kanten kreuzen,<br />
liegen im europäischen Pentagon (Hamburg, London, Düsseldorf, Île de France,<br />
Nord-Holland, Darmstadt, Brüssel, Oberbayern und Bremen). Daneben besteht ein<br />
„mediterraner Entwicklungskorridor“, der von Katalonien über alle südfranzösischen<br />
Regionen bis Piemont und die Lombardei in Norditalien und die Région Lémanique<br />
und Zürich in der Schweiz reicht. In Ost- und Südosteuropa fehlen solche<br />
Regionen mit einer hohen Knotenfunktion im paneuropäischen Fiberglasnetzwerk<br />
weitgehend (ESPON 122, 2006:155f.).<br />
Die Stellung im WWW spiegelt sich auch in der Zahl der in einer Region vorhandenen<br />
Internet Exchange Points (IEPs) wider. IEPs ermöglichen technisch die Kommunikation<br />
zwischen verschiedenen Glasfasernetzen und stellen so einen zentralen<br />
Baustein in der globalen Internet-Infrastruktur dar. 11 Jene Regionen mit einem<br />
hohen Anteil an IEPs haben aufgrund ihres guten Zugangs zum leistungsfähigen<br />
Glasfasernetz hohe Bedeutung bei der technischen Organisation des WWW und<br />
damit auch eine zentrale Funktion. Die meisten IEPs, unter ihnen viele Provider<br />
sowie Nutzer des paneuropäischen Glasfasernetzwerkes, liegen in den großen Stadtregionen<br />
wie London, Paris, Frankfurt und Amsterdam (ESPON 122, 2006:160).<br />
Das paneuropäische Glasfasernetzwerk verbindet also vor allem die bestehenden<br />
Zentren, wo sich auch die wichtigsten Einrichtungen des Internets befinden, während<br />
die peripheren Regionen schlechteren Zugang zu dieser Technologie haben. Jedoch<br />
haben einige Stadtregionen außerhalb des Pentagons im paneuropäischen Glasfasernetzwerk<br />
zunehmend an regionaler Bedeutung gewonnen (z.B. Frankfurt, Zürich,<br />
Oslo, Stockholm). Manche von ihnen fungieren als „Gateway Cities“ für Breitbandverbindungen,<br />
wo sie als Bindeglied zwischen Zentralraum und Peripherie wirken.<br />
Dazu zählen Kopenhagen für die nordische Region, Berlin für Polen und Wien /<br />
Prag für Südosteuropa. Diese Städte außerhalb des Pentagons mit hoher Bedeutung<br />
im Datenhighway können als „neue Netzwerkstädte“ gesehen werden, welche manche<br />
Stadtregionen mit traditionell hoher Bedeutung in ihrer Zentralitätsfunktion<br />
11 IEPs werden definiert als „services created to facilitate on-site interconnection between independent<br />
or third-party Internet networks [or] neutral meeting grounds for traffic exchange“. (http://www.<br />
telegeography.com)<br />
74
Tabelle 1: Vergleich 15 bevölkerungsreichste Städte und 15 Städte mit den<br />
meisten IEPs<br />
TOP 15 im<br />
Städteranking<br />
Bevölkerung<br />
1. Paris<br />
2. London<br />
3. Berlin<br />
4. Mailand<br />
5. Athen<br />
6. Madrid<br />
7. Rom<br />
8. Manchester<br />
9. Bukarest<br />
10. Budapest<br />
11. Wien<br />
12. Barcelona<br />
13. Warschau<br />
14. Hamburg<br />
15. Turin<br />
Position Ranking<br />
Zahl der IEPs<br />
2<br />
1<br />
19<br />
7<br />
25<br />
18<br />
23<br />
21<br />
24<br />
8<br />
5<br />
26<br />
17<br />
40<br />
nicht unter TOP 50<br />
Quelle: Eurostat 2007; CURDS, zit. nach ESPON 122<br />
überholen können (Rutherford et al. 2004). Diese neuen Knotenfunktionen verstärken<br />
somit tendenziell bestehende räumliche Disparitäten zwischen Stadt und Land.<br />
Innerhalb des Zentralitätsgefüges der europäischen Städte können sie jedoch Verschiebungen<br />
bewirken.<br />
4 Die künftige Entwicklung Europas<br />
TOP 15 im<br />
Städteranking<br />
Zahl der IEPs<br />
1. London<br />
2. Paris<br />
3. Amsterdam<br />
4. Frankfurt<br />
5. Wien<br />
6. Stockholm<br />
7. Mailand<br />
8. Budapest<br />
9. Oslo<br />
10. Brüssel<br />
11. Zürich<br />
12. München<br />
13. Prag<br />
14. Genf<br />
15. Bratislava<br />
Position Ranking<br />
Einwohner<br />
Die Entwicklung Europas in den nächsten Jahrzehnten ist gekennzeichnet von einer<br />
Bevölkerung, deren Zahl aller Voraussicht nach zurückgeht und deren Altersdurchschnitt<br />
steigt, es sei denn, die Einwanderungspolitik wird liberaler und die Grenzen<br />
werden gegenüber künftigen Migrantinnen und Migranten stärker geöffnet. Getragen<br />
von der Wanderung von den ländlichen, peripheren Regionen in die urbanen<br />
Zentren und von den Stadtzentren ins Stadtumland, werden sich sowohl Verstädterungs-,<br />
als auch Suburbanisierungsprozesse fortsetzen (ESPON 3.2, 2006).<br />
Ökonomisch werden die neuen Mitgliedsländer, die derzeit in ihrer Performance<br />
noch deutlich hinter den EU 15 zurückliegen, entsprechend der Entwicklung der<br />
2<br />
1<br />
41<br />
53<br />
11<br />
22<br />
4<br />
10<br />
37<br />
18<br />
29<br />
17<br />
21<br />
39<br />
78<br />
75
letzten Jahre aufholen. Jedoch wird nach wie vor ein Abstand zwischen den „alten“<br />
und „neuen“ Mitgliedsstaaten erhalten bleiben. Ebenso werden die peripheren<br />
Regionen gegenüber den Zentren nicht aufholen können. Das Stadt-Land-Gefälle<br />
wird sich verstärken. Die Metropolregionen werden ökonomisch weiter gewinnen,<br />
während in den peripheren Regionen (z.B. im Süden Europas) trotz finanzieller EU-<br />
Unterstützung das Einkommen auch 2030 noch unter dem EU-Durchschnitt liegen<br />
wird (ESPON 3.2, 2006).<br />
Die ökonomische Leistungsfähigkeit ist an die Erreichbarkeit gekoppelt. Die Entfernungen<br />
in Europa, gemessen an der benötigten Reisezeit zwischen zwei Orten, werden<br />
aufgrund weiterer Investitionen in die verkehrliche Infrastruktur abnehmen.<br />
Europa wird „kleiner“ werden (siehe Abbildung). Insbesondere der Ausbau des<br />
Transeuropäischen Verkehrsnetzes Osteuropas (TEN/TINA) wird massive Verkürzungen<br />
der Reisezeit nach Osten bringen und Zuwächse der Verkehrsleistung in den<br />
Regionen Osteuropas bewirken (ESPON 121, 2006:399).<br />
Abbildung 8: Zeit-Raum-Karte: Reisezeit mit der Bahn 1993 und 2010<br />
Quelle: ESPON 121, 2006:259<br />
76
5 Schlussfolgerungen<br />
Aus der Betrachtung der empirischen, im Rahmen von ESPON aufbereiteten Daten,<br />
zeigt sich, dass sich Entwicklungen der Telekommunikationstechnologie nicht ausschließlich<br />
auf die großen Städte beschränken, jedoch markante Zentrums-Peripherie-Disparitäten<br />
hervorrufen.<br />
Bei der Verteilung von Internetanschlüssen, Zugang zum Breitbandnetz und PC-<br />
Besitz ist ein deutliches Zentrum-Peripherie-Gefälle zu erkennen, das neben nationalen<br />
Aspekten vor allem von der ökonomischen Performance einer Region abhängt.<br />
Dieses Gefälle besteht im gesamteuropäischen Vergleich zwischen Pentagon und<br />
Peripherie ebenso wie innerhalb der Regionen im Vergleich zwischen Metropol- und<br />
Stadtregionen einerseits und Regionen im ländlichen Raum andererseits.<br />
Ebenso konzentrieren sich die Knoten und Schnittstellen im europäischen Glasfasernetzwerk<br />
vorwiegend in den Stadtregionen innerhalb des Pentagons wie London,<br />
Paris, Frankfurt und Amsterdam. Außerhalb des Pentagons haben sich einige weitere<br />
europäische Metropolregionen als wichtige Knoten (z.B. Stockholm, Oslo) etabliert.<br />
Einige von ihnen wirken als „gateway cities“ zwischen Zentralraum und Peripherie<br />
(Kopenhagen für die nordische Region, Berlin für Polen und Wien/Prag für<br />
Südosteuropa). Einige von ihnen haben im Vergleich zu ihrer Bevölkerung eine überproportional<br />
hohe Bedeutung als Knoten im Internet erreicht.<br />
Entgegen dem Trend der Stärkung der ökonomisch starken Regionen und der Zentren<br />
hat sich die Mobiltelefonie in den periphereren Ländern und Regionen – z.T.<br />
mit unterdurchschnittlicher Wirtschaftskraft und geringer Siedlungsdichte – tendenziell<br />
stärker verbreitet als in den zentral gelegenen Regionen des Pentagons,<br />
welche allerdings eine höhere Festnetzdichte aufweisen. Zwischen Festnetz- und<br />
Mobiltelefonie ist eine Art komplementäres Verhältnis zu erkennen. Die Mobiltelefonie<br />
bietet kaum Dienste an, welche nicht auch über ein Festnetztelefon abdeckbar<br />
sind (z.B. GPS). Die größere räumliche Unabhängigkeit der Technologie für<br />
Mobiltelefone scheint dazu gedient haben, in jenen Regionen, wo die Einführung<br />
des Festnetzes kostenintensiver ist, den Zugang zum Telefon und die daran geknüpften<br />
Technologien, wie Sprach- und Schriftübermittlung und Zugang zum WWW, zu<br />
erleichtern.<br />
Vor dem Hintergrund dieses empirischen Befundes kann die aus der Metapher des<br />
globalen Dorfes abgeleitete These der gleichzeitigen und unbegrenzten Verfügbar-<br />
77
keit der neuen Kommunikationstechnologien unter zwei Aspekten gesehen werden:<br />
Die Einführung von Spitzentechnologie (Glasfaserkabel und Breitband) konzentriert<br />
sich in den ökonomisch am profitabelsten Regionen – und damit auf<br />
gesamteuropäischer Ebene im Pentagon und auf regionaler Ebene in den Metropolund<br />
Stadtregionen. Auch für diese Technologien werden potenziell hohe Anschlussdichten<br />
für eine optimale Nutzung der Netze und damit der eingesetzten Mittel<br />
gesucht. Die daran geknüpfte Steigerung der Nutzungsoptionen in den Zentren<br />
bewirkt eine weitere Stärkung der Funktion und Position der Zentren gegenüber der<br />
Peripherie.<br />
Die Etablierung der Mobiltelefonie hingegen führte zur Erhöhung der Telefondichte<br />
in peripheren Regionen. Das über die Mobiltelefonie einfacher verbreitbare Angebot<br />
von bekannten „Alltagsdiensten“ hat offenbar ein Aufholen der Peripherie gegenüber<br />
dem Zentrum in diesem Segment bewirkt. Auslagerbar von der Stadt in die Peripherie<br />
scheinen daher solche Dienste zu sein, welche nicht Spitzen- sondern<br />
„Basis-Technologie“ benötigen und „Alltags-Dienste“ anbieten.<br />
Die Einführung von Spitzentechnologie und die daran geknüpften Nutzungs- und<br />
Erwerbsmöglichkeiten bleiben offensichtlich auch in der Telekommunikationstechnik<br />
aufgrund der höheren (Anschluss-)Dichte der Städte und damit verbundenen<br />
höheren Rentabilitätschancen den urbanen Zentren vorbehalten.<br />
78<br />
Dr.-Ing. Erich Dallhammer<br />
Institut für Raumplanung und ländliche Neuordnung,<br />
Universität für Bodenkultur, Wien
Literatur<br />
Dallhammer E (1997) Telearbeit, Teleshopping und virtueller Raum, eine Herausforderung für<br />
die Raumplanung, Bericht zur Tagung Computergestützte Raumplanung (CORP) 1997,<br />
Institut für EDV-gestütze Methoden in Architektur und Raumplanung der TU Wien<br />
ESPON 121 (2006) ESPON Project 1.2.1 Transport Services and Networks: Territorial Trends<br />
and Basic Supply of Infrastructure for Territorial Cohesion<br />
ESPON 122 (2006) ESPON project 1.2.2 Telecommunication Services and Networks: Territorial<br />
Trends and Basic Supply of Infrastructure for Territorial Cohesion<br />
ESPON 2<strong>42</strong> (2006) ESPON Project 2.4.2 Integrated Analysis of Transnational and National<br />
Territories Based on ESPON Results, Bonn<br />
ESPON 3.2 (2006) ESPON Project 3.2 Spatial scenarios and orientations in relation to the<br />
ESDP and EU cohesion policy<br />
<strong>Europäische</strong> Kommission (1999) EUREK – <strong>Europäische</strong>s Raumentwicklungskonzept. Auf dem<br />
Wege zu einer räumlich ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung der <strong>Europäische</strong>n<br />
Union, Luxemburg<br />
IBM (2003) 4 th Report on Monitoring of EU Candidate Countries (Telecommunication Services<br />
Sector)<br />
Eurostat (2004) Statistics in Focus Theme 4, 16/2004<br />
INRA (2002) Telecoms services indicators 2002, produced for the European Commission, DG<br />
Information Society<br />
INRA (2004) EU Telecoms services indicators 2004, produced for the European Commission,<br />
DG Information Society<br />
International Telecommunication Union [ITU] (2002) Yearbook of Statistics: Telecommunications<br />
Services Chronological Time Series 1992–2001, Genf<br />
McLuhan M (1962) Gutenberg Galaxy<br />
Rutherford J, Gillespie A, Richardson R (2004) The Territoriality of Pan-European Telecommunications<br />
Backbone Networks, Journal of Urban Technology, 2004(11):1–34<br />
Schindegger F, Schuh B, Tatzberger G (2006) Raumbeobachtung für Europa. Eine Reflexion zu<br />
ESPON und dessen bisherigen Ergebnissen aus österreichischer Sicht, Studie des Österreichischen<br />
Instituts für Raumplanung, Wien<br />
www.espon.eu (15.12.2006)<br />
www.telegeography.com (4.1.2007)<br />
www.kmiresearch.com (15.12.2006)<br />
79
Wie sicher ist die Stadt? Wie urban kann<br />
Sicherheit sein?<br />
Mögliche Folgen des Megatrends „Sicherheit“<br />
für die Virtualisierung urbaner Lebenswelten<br />
Holger Floeting<br />
1 Veränderte Rahmenbedingungen<br />
Sicherheitsfragen von Städten werden in der Öffentlichkeit seit den terroristischen<br />
Anschlägen in New York, London und Madrid stärker diskutiert. Auch in Deutschland<br />
hat das Thema nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Durchführung von Großveranstaltungen<br />
(etwa der Fußballweltmeisterschaft) und vereitelten Anschlägen auf<br />
Züge in der öffentlichen Diskussion an Bedeutung gewonnen.<br />
Der Zuschnitt staatlicher Sicherheitspolitik in Deutschland hat sich nach dem Jahr<br />
2001 erheblich verändert. Dies zeigt sich in der Entwicklung integrierter Konzepte<br />
zur Gefahrenabwehr, der Erarbeitung von Risikoanalysen und Krisenabwehrplanungen<br />
genauso wie an der Erstellung von Gefährdungskatastern. Die nationale<br />
und internationale Zusammenarbeit soll verbessert werden. Dies schließt beispielsweise<br />
die Entwicklung von Kooperationsmodellen zwischen Bund, Feuerwehren und<br />
Hilfsorganisationen ein. Auch die Diskussion um eine verstärkte zivil-militärische<br />
Zusammenarbeit muss in diesem Kontext gesehen werden.<br />
Schutzkonzepte – nicht nur vor terroristischen Bedrohungen – konzentrieren sich vor<br />
allem auf die sogenannten kritischen Infrastrukturen. Sie werden in Deutschland<br />
nach folgenden Bereichen gegliedert: Energieversorgung, Versorgung mit Trinkwasser,<br />
Ernährung, Gesundheitsleistungen usw., Telekommunikation und Informationstechnik,<br />
Transport- und Verkehrswesen, Umgang mit Gefahrenstoffen, Finanz-,<br />
Geld- und Versicherungswesen, Behörden und öffentliche Verwaltung und sonstige<br />
Bereiche wie der Schutz von Kulturgut, symbolträchtigen Bauwerken, Großforschungseinrichtungen,<br />
Medien usw. Vor allem die wechselseitige Abhängigkeit dieser<br />
Infrastrukturen untereinander kann im Schadensfall mit erheblichen Folgewirkungen<br />
für alle Bereiche des Lebens verbunden sein – das Beispiel einer Störung der<br />
Stromversorgung macht dies besonders deutlich. Strukturelle Veränderungen der<br />
81
letzten Jahre wie die fortschreitende internationale Vernetzung (z.B. im Energie- und<br />
Telekommunikationsbereich), die Privatisierung und Aufteilung ehemals staatlicher<br />
Infrastrukturen (z.B. im Transport- und Verkehrswesen) und die zunehmende Abhängigkeit<br />
von Informationstechnik machen die Einbeziehung neuer Akteure und insgesamt<br />
eine Neuformulierung von Schutzkonzepten nötig.<br />
Obwohl Risiken und Bedrohungen sich natürlich lokal auswirken und Unsicherheitsgefühle<br />
vor allem lokal wahrgenommen werden („Kriminalitätsschwerpunkte“,<br />
„kritische Infrastrukturen“, „No-Go-Areas“ sind nur drei Begriffe, die die örtliche<br />
Verankerung von Sicherheitsfragen deutlich machen), gibt es bisher keine<br />
umfassende kommunale Sicherheitspolitik.<br />
Sicherheitstechnik kann die Gefahrenabwehr und Maßnahmen zur Herstellung von<br />
Sicherheit und Ordnung in allen Phasen unterstützen. Dabei geht es nicht nur um terroristische<br />
Bedrohungen, sondern auch um alltägliche Kriminalität. Der komplexen<br />
Aufgabe entsprechend bietet die Industrie eine breite Palette von sicherheitstechnischen<br />
Produkten, die im kommunalen Bereich bereits Anwendung finden oder<br />
zukünftig in Anwendung kommen könnten. Die Zuverlässigkeit des Funktionierens<br />
der Technik wird dabei ebenso als Vorteil angeführt wie deren Effizienz, die Innovationspotenziale<br />
ebenso wie die Kosten-Nutzen-Effizienz von Technik. Demgegenüber<br />
stehen Befürchtungen hinsichtlich allgegenwärtiger technischer Überwachung<br />
und Ausgrenzung und Skepsis gegenüber Sicherheitsversprechen. Zudem ist die ökonomische<br />
Bedeutung der „Sicherheitsindustrie“ nicht zu unterschätzen. Sicherheit ist<br />
ein wachsender Markt.<br />
2 Neue Techniken und Anwendungsfelder<br />
Sicherheitstechnik wird in unterschiedlichen Anwendungsfeldern eingesetzt (vgl.<br />
Floeting 2006). Dazu zählen Informationssysteme für Akteure und Bürger und<br />
Expertensysteme zur Entscheidungsunterstützung ebenso wie Vorgangsbearbeitungssysteme<br />
zur Kooperation bei extrem heterogener Akteursstruktur und Messnetze<br />
zur Informationsgewinnung und Alarmierung. Geodaten-basierte Anwendungen<br />
zur räumlichen Analyse und Prognose potenzieller und tatsächlicher Schadensereignisse<br />
und die mobile Bereitstellung solcher Analysen im Rahmen von<br />
„Augmented Reality“-Anwendungen illustrieren die immer enger werdende Verknüpfung<br />
zwischen virtuellem und materiellem Raum.<br />
82
Eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten von Sicherheitstechnik in den Städten<br />
ist denkbar. Gerade die Kombination unterschiedlicher Sicherheitstechniken ermöglicht<br />
die Entwicklung komplexer Identifikations-, Zugangskontroll- und Überwachungssysteme,<br />
die zur Regelung der Zugänglichkeit bestimmter Stadtbereiche eingesetzt<br />
werden können und die eine Überwachung größerer Stadtbereiche und deren<br />
individuelle Nutzung ermöglichen. Schon heute werden derartige konvergente Technologien<br />
genutzt. Neben der technischen Konvergenz spielt die organisatorische<br />
Konvergenz eine besondere Rolle. Mit der zunehmenden Vermischung von Aufgaben<br />
der Gefahrenabwehr der inneren und der äußeren Sicherheit und dem Wunsch<br />
einer möglichst umfassenden informationsbasierten Lagebeurteilung kann die Verknüpfung<br />
von Einzelinformationen verbunden sein, die sich zu einem umfassenden<br />
individuellen Datenprofil verdichten lassen. Ohne gleich das monströse Bild des<br />
„gläsernen Menschen“ zu zeichnen, entsteht doch durch die technischen und organisatorischen<br />
Konvergenzprozesse eine neue Möglichkeit, umfassende Informationen<br />
über den einzelnen zu gewinnen.<br />
3 Urbane Lebenswelten unter neuen Sicherheitsregimes<br />
Mit einer veränderten Gefahrensituation, der Zunahme des Einsatzes von Sicherheitstechnik<br />
in bestimmten Räumen der Städte und dem Bedeutungsgewinn von<br />
Sicherheitsfragen für das Leben in den Städten sind eine <strong>Reihe</strong> möglicher Entwicklungen<br />
verbunden (vgl. Floeting 2006). Zu erwarten sind sowohl grundsätzliche<br />
Veränderungen von Einstellungen gegenüber Städten, langfristige Veränderungen<br />
der baulich-räumlichen Strukturen als auch Veränderungen in der Nutzung von<br />
Stadträumen.<br />
An dieser Stelle können mögliche Zukunftspfade nur unvollständig beschrieben werden.<br />
Im Folgenden sollen Ansätze dafür benannt werden, in welche „Richtung“ sich<br />
urbane Lebenswelten unter veränderten Sicherheitsregimes verändern könnten:<br />
Städte könnten zunehmend als unsichere Orte wahrgenommen werden. Die zunehmende<br />
oder lang anhaltende Bedrohung könnte mit einer verstärkten „Aufrüstung“<br />
mit Sicherheitsmaßnahmen, -technologien und -architekturen verbunden sein. Vermeintliche<br />
„Archipele der Sicherheit“ wie Shopping Malls, Bahnhöfe, innerstädtische<br />
Plätze, Business Improvement Districts, Gated Communities könnten entstehen.<br />
Stadträume könnten nach ihrem Sicherheitsstatus unterschiedlich bewertet werden.<br />
Folge wäre eine Polarisierung in sichere und unsichere Räume, wobei gerade die in<br />
83
Zukunft z. B. aufgrund der demographischen Entwicklung und des fortschreitenden<br />
technologisch-ökonomischen Strukturwandels zunehmenden Zwischennutzungen<br />
auf „ungeordneten Flächen“ als unsichere Flächen wahrgenommen werden könnten.<br />
Neue Sicherheitsregimes könnten Auswirkungen auf die Infrastrukturplanung haben,<br />
z. B. könnte es für notwendig angesehen werden, die Gestaltung von Zugangsbereichen<br />
der Verkehrsinfrastruktur zu verändern und Einschränkungen bei der Verknüpfung<br />
von Verkehrsträgern vorzunehmen. Die städtebauliche Gestaltung könnte<br />
erheblich von den Sicherheitsüberlegungen – zumindest an exponierten Standorten<br />
– geprägt werden, mit erheblichen Auswirkungen auf die Stadtgestalt in Zentren,<br />
in denen sich derartige Standorte konzentrieren. Umfassende stadträumliche Sicherheitskonzepte<br />
könnten implementiert werden.<br />
Veränderte Sicherheitsbedingungen haben auch Auswirkungen auf die Umsetzbarkeit<br />
von Großereignissen, die zu einem gern eingesetzten Instrument neuerer Stadtentwicklungspolitik<br />
im Rahmen der Inszenierung von Räumen geworden sind. So führen<br />
erhöhte Sicherheitsanforderungen dazu, dass der Einlass zu Großveranstaltungen<br />
in zunehmendem Maß nur mit personalisierten Tickets möglich ist, was zu<br />
erheblichen Unbequemlichkeiten für Ticketinhaber führen kann. Umfangreiche<br />
Sicherheitsmaßnahmen (Straßensperrungen, Sperrungen des Luftraums usw.) können<br />
darüber hinaus große Teile der Stadt beeinträchtigen.<br />
4 Auswirkungen auf die Virtualisierung urbaner Lebenswelten<br />
Ein verändertes Sicherheitsregime kann im Zusammenhang mit den erwartbaren<br />
technologischen Veränderungen die Art und Weise, wie wir in Städten leben – und<br />
damit auch wie materieller und virtueller Lebensraum zusammenhängen –, erheblich<br />
beeinflussen. Die möglichen Auswirkungen auf die Virtualisierung urbaner Lebenswelten<br />
lassen sich beispielhaft an einigen Veränderungen erläutern.<br />
Personenbezogene und personenbeziehbare Datenströme<br />
Die Anzahl und der Umfang der erhobenen personenbezogenen und personenbeziehbaren<br />
Daten werden zukünftig vermutlich weiter zunehmen. Besonders betroffen<br />
sind beispielsweise Bewegungs- und Kommunikationsdaten, aber auch andere<br />
Massendaten, die sich zur Rasterung oder Profilbildung eignen.<br />
84
Vorratsdatenspeicherung und ex post-Nutzungsautorisierung<br />
Ökonomische (z.B. Preisverfall für Speicherplatz) und technologische Veränderungen<br />
(z.B. leistungsfähigere Speichermedien) erleichtern die Vorratsdatenspeicherung.<br />
Das Bedürfnis (besonders in Sicherheitskreisen) zur anlassunabhängigen und nichtaufgabenbezogenen<br />
Speicherung von Daten wächst. Auch in der Bevölkerung wächst<br />
scheinbar – bestärkt durch die damit verbundenen Sicherheitsversprechen – die<br />
Bereitschaft, derartige Nutzungen zuzulassen. Im Zusammenhang damit ist das<br />
Bestreben zu beobachten, eine verstärkte ex post-Autorisierung zur Nutzung von<br />
Daten, die ursprünglich für andere Zwecke gespeichert wurden, zu ermöglichen.<br />
Die Diskussion um die Nutzung von Mautdaten zur Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung<br />
illustriert diese Entwicklungslinie sehr gut. Die sukzessive nachträgliche<br />
Ausweitung der Datennutzung für ursprünglich nicht intendierte Zwecke ist gleichzeitig<br />
ein Hauptgrund für das Misstrauen gegenüber jeder Form von Datenspeicherung.<br />
Verhältnis zwischen „Space of flows“ und materiellem Raum<br />
Der „space of flows“ (Castells 1989) vergrößert sich. Zum Teil unbemerkt werden<br />
Daten bei alltäglichen Tätigkeiten erzeugt, ausgelesen und gespeichert. Insgesamt entstehen<br />
zahlreiche neue Verknüpfungen zwischen dem erweiterten „space of flows“<br />
und dem materiellen Raum. Ein Beispiel dafür ist die Zunahme datengestützter<br />
Zugangskontrollen zu Veranstaltungen (mit personalisierten Tickets), im grenzüberschreitenden<br />
Verkehr (mit maschinenlesbaren Personaldokumenten, die biometrische<br />
Merkmale automatisiert auslesbar machen), zu Sicherheitsbereichen (in<br />
öffentlichen und privaten Gebäuden) und weit darüber hinaus (eine der größten<br />
Convenience-Anwendungen, die biometrische Merkmale nutzt, ist die Jahreskarte für<br />
den Zoo Hannover). Der dahinter stehende technologische Entwicklungspfad führt<br />
von Einzelanwendungen über Insellösungen bis hin zur langfristigen vollständigen<br />
Vernetzung. Die technologischen Visionen werden unter den Stichworten „Augmented<br />
Reality“, „Ubiquitous Computing“, „Pervasive Computing“, „Ambient<br />
Intelligence“ diskutiert.<br />
Polarisierungs-, Marginalisierungsprozesse und „software-sorted geographies“<br />
Die Verbreitung von Software-gestützten Profilbildungs-, Raster- und Scoring-Verfahren<br />
nimmt zu. Der Wunsch, bestimmte Nutzer anzusprechen bzw. auszugrenzen<br />
gewinnt unter dem Sicherheitsaspekt zusätzlich an Bedeutung. Damit können Pola-<br />
85
isierungs- und Marginalisierungsprozesse vorangetrieben werden, die sowohl die virtuellen<br />
als auch die materiellen Lebenswelten betreffen. So ist beispielsweise „ethnic<br />
profiling“ eines der Sicherheitsinstrumente zur Prävention von Anschlägen, – besonders,<br />
wenn vorhergehende Anschläge bestimmten ethnischen Gruppen zugeordnet<br />
werden konnten (Savitch 2005). Damit geraten Wohnquartiere spezifischer ethnischer<br />
Gruppen in das sicherheitspolitische Visier. Auch die Diskussion um die Bedrohung<br />
durch vermeintliche Parallelgesellschaften, die bei einer engen räumlichen Konzentration<br />
einzelner ethnischer Gruppen in den Städten entstünden, und Instrumente<br />
wie kleinräumige Zuzugssperren bekämen unter sicherheitspolitischen<br />
Erwägungen einen verschärften Zungenschlag. Individuelle Scoring-Verfahren werden<br />
heute schon im Geschäftsleben eingesetzt, um Bonitätsprüfungen zu ergänzen.<br />
Anwendbar sind solche Verfahren natürlich auch auf Sicherheitsaspekte. Die Einbindung<br />
geobasierter Verfahren ermöglicht schließlich raumbezogene Aussagen.<br />
Letztendlich könnten sich neue „software-sorted geographies“ (Graham 2005) ausbilden:<br />
Raumnutzungsmuster mit individuellen Software gesteuerten Zugangs- und<br />
Nutzungsrechten.<br />
Substitutionsprozesse zwischen räumlicher und virtueller Mobilität<br />
In letzter Konsequenz könnte das subjektive Unsicherheitsgefühl oder die Erschwerung<br />
oder Verhinderung des Zugangs in der materiellen Welt zumindest mit einer<br />
kurzfristigen Verlagerung von Aktivitäten in den virtuellen Raum verbunden sein. So<br />
wurde nach den Terroranschlägen in den USA von einer verstärkten Nutzung des<br />
Online-Shoppings berichtet. Vermeintlich unsichere öffentliche Verkehrsmittel könnten<br />
durch die Nutzung des Individualverkehrs oder durch virtuelle Mobilität ersetzt<br />
werden. Aus Sicherheitsgründen gesperrte Orte könnten virtuell zugänglich bleiben.<br />
Man wäre zur virtuellen Mobilität mangels Alternative gezwungen.<br />
5 Fazit<br />
Die geschilderten Entwicklungen sind mögliche Zukunftspfade, die gestaltbar sind.<br />
Zunächst muss es darum gehen, den Zusammenhang zwischen virtuellen und materiellen<br />
Lebenswelten in den Städten unter veränderten Sicherheitsregimes systematisch<br />
zu analysieren (umfassender als dies in diesem kurzen Beitrag möglich war) und<br />
Interventions- und Gestaltungsmöglichkeiten zu identifizieren. Die Diskussion um<br />
technologische Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit in den Städten wird<br />
86
isher viel zu stark polarisiert geführt: Die einen versprechen die universelle Lösung<br />
der Sicherheitsprobleme durch Technik, die anderen befürchten die „totale Überwachung“.<br />
Die nüchterne Bewertung der technologischen Potenziale fehlt bisher<br />
weitgehend. Auch das Zusammenwirken unterschiedlicher Insellösungen wird bisher<br />
kaum thematisiert. Dies hängt auch damit zusammen, dass man bisher kaum von<br />
einer integrierten städtischen Sicherheitspolitik sprechen kann. Zunächst muss jedoch<br />
vor allem die Frage diskutiert werden, welches Maß an Sicherheit man sich in den<br />
Städten leisten will und kann.<br />
Dipl.-Geogr. Holger Floeting<br />
Deutsches Institut für Urbanistik (difu), Berlin<br />
Literatur<br />
Castells M (1989) The Informational City, Information Technology, Information Restructuring<br />
and the Urban Regional Process. Oxford/Cambridge MA<br />
Floeting H (2006) Sicherheitstechnologien und neue urbane Sicherheitsregimes. ITA manuscript,<br />
Österreichische <strong>Akademie</strong> der Wissenschaften, Wien<br />
Graham S (2005) Software-sorted geographies. Progress in Human Geography 29, Oktober:562–580<br />
Savitch HV (2005) An Anatomy of Urban Terror: Lessons from Jerusalem and Elsewhere.<br />
Urban Studies <strong>42</strong>(3):361–395<br />
87
Gesellschaftliche Randbedingungen der<br />
Virtualisierung von Lebenswelten und ihre Folgen<br />
Synopsis und Fazit<br />
Stephan Lingner<br />
Menschliche Lebenswelten verdichten sich in urbanen Räumen; sie sind hier<br />
besonders sensibel für Veränderungen. Andererseits sind die gesellschaftlichen<br />
Randbedingungen für die weitere Entwicklung städtischer Räume selbst einem<br />
erheblichen Wandel unterworfen. Nicht zuletzt das Vordringen moderner Informations-<br />
und Kommunikationstechnik (IKT)-Anwendungen in die urbane Alltagswelt<br />
und ihre sozialen Folgen stellen eine angemessene Stadtplanung vor<br />
besondere Herausforderungen. Entsprechend sind zentrale Herausforderungen<br />
durch Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Technik zusammenzufassen<br />
und zu beurteilen.<br />
Demographischer Wandel<br />
Der demographische Wandel ist unmittelbar relevant für die Stadtplanung, da absehbare<br />
Veränderungen von Bevölkerungszahl und -struktur einen entsprechenden<br />
Bedarf im Gebäudebestand sowie in seiner technischen Ausstattung erwarten lassen<br />
(siehe hierzu Beitrag von H. Mäding in diesem Band).<br />
Seit 1970 ist in Deutschland eine negative Bevölkerungsentwicklung zu verzeichnen.<br />
Diese Entwicklung wurde lange Zeit durch einen positiven Einwanderungssaldo per<br />
Zuzug von Ausländern bzw. Aussiedlern maskiert, der den Fortzug Einheimischer<br />
zumeist überkompensierte. Langfristig wird dies den Bevölkerungsrückgang hierzulande<br />
nicht aufhalten können, da die Zuwanderer zumeist älter sind und sich daher<br />
im Lande nur unterproportional reproduzieren. Allerdings ergibt sich bei zeitlich und<br />
regional dis aggregierter Sicht ein differenziertes Bild: Durch die anhaltende Binnenwanderung<br />
von Ost- nach Westdeutschland wird es im Osten zu extrem hohen<br />
Bevölkerungsrückgängen kommen, wohingegen im Westen die entsprechenden Kompensationseffekte<br />
die Bevölkerungszahlen stabilisieren oder gar stärken werden.<br />
89
Diese Effekte werden sich aber in absehbarer Zeit erschöpfen, weswegen auch hier<br />
langfristig mit Schrumpfungen zu rechnen ist, mit Ausnahme einzelner attraktiver<br />
Städte mit „Magnetfunktion“ und ihrer jeweiligen Peripherie. Diese regionalspezifischen<br />
Veränderungen im Bevölkerungsbestand gilt es auf raumplanerischer Seite zu<br />
berücksichtigen.<br />
Mit der „Alterung der Gesellschaft“ ist seit 1970 ein Prozess steigender individueller<br />
Lebenserwartung zu beobachten, der das mittlere Alter von ursprünglich 35 Jahren<br />
auf 50 Jahre im Jahre 2050 anheben wird. Die Zahl der über 80-Jährigen wird<br />
sich in dieser Zeit mindestens verdoppelt haben. Dieser Alterungsprozess stellt die<br />
Gesellschaft und speziell die Stadtplanung vor weitere Herausforderungen, da Maßnahmen<br />
und Infrastrukturen zu entwickeln sind, die z.B. dem gestiegenen Bedarf für<br />
die Gesunderhaltung und Pflege alter Menschen gerecht werden.<br />
Tabelle 1: Mögliche Konsequenzen demographischer Prozesse für Wirtschaft,<br />
Gesellschaft, Stadtplanung und Kommunalpolitik (aus Mäding, in diesem<br />
Band)<br />
Alterung<br />
und<br />
Vereinzelung<br />
Schrumpfung<br />
Heterogeni -<br />
sierung<br />
Ein weiteres Kennzeichen des demographischen Wandels sind Heterogenisierung<br />
und Vereinzelung gesellschaftlicher Gruppen: Derzeit haben 20% der Bevölkerung<br />
90<br />
Stadt als<br />
Wirtschafts-/<br />
Lebensraum<br />
Belastung des Gesundheitssystems<br />
Vergesellschaftung von<br />
Dienstleistungen<br />
Nachfragerückgang<br />
Arbeitskräfterückgang<br />
Disparität<br />
Desintegration<br />
gebaute Stadt politische Stadt<br />
Nachfrage nach altersgerechten<br />
Angeboten<br />
wachsende<br />
Wohnfläche/Kopf<br />
Leerstände<br />
neue Prioritäten<br />
sinkende politische<br />
Beteiligung<br />
sinkende Finanzkraft<br />
weite Wege<br />
„Misserfolg“<br />
steigende Kosten<br />
Segregation sinkende politische<br />
Beteiligung<br />
Polarisierung
einen Migrationshintergrund. Angehörige dieser Gruppe leben meist in städtischen<br />
Regionen, was hier besonderer sozialer und technischer Anstrengungen bedarf, um<br />
diese angemessen zu integrieren und am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen1 .<br />
Die Konsequenzen, die der demographische Wandel für das urbane Leben, die Stadtplanung<br />
und die kommunalpolitische Ebene haben kann, fasst Tabelle 1 zusammen.<br />
Es sei abschließend bemerkt, dass es für die Beurteilung der Folgen des demographischen<br />
Wandels wegen der Überlagerung mit anderen Faktoren vielfach unsicher<br />
ist, welche integrale Wirkung dieser Wandel für die Entwicklung in anderen Bereichen<br />
haben kann bzw. welchen Beitrag seine Ursache hierzu leistet. Insbesondere ist<br />
fraglich, ob Risiken des demographischen Wandels pauschal festzustellen sind. Es ist<br />
zumindest denkbar, dass demographisch bedingte Schrumpfungsprozesse in ihren<br />
Folgen für das städtische Leben durch geeignete politische Maßnahmen gemildert<br />
werden können.<br />
Wandel von Lebensstilen<br />
Die Beurteilung urbaner Lebenswelten hängt mit Fragen der Entwicklung von<br />
Lebensstilen direkt zusammen. Allerdings speisen sich entsprechende Zusammenhänge<br />
aus Trends der Individualisierung, Alterung und ökonomischen Polarisierung<br />
ihrer „Protagonisten“ und weniger aus technischen Trends (Beitrag A. Spellerberg in<br />
diesem Band). Bei näherer Betrachtung ergibt sich folgendes Bild: Die beobachtbare<br />
Vielfalt von Lebensstilen erlaubt durch ihr enges Nebeneinander in urbanen Regionen<br />
einen gewissen Austausch, der die o.g. Polarisierungstendenzen abmildern kann. 2<br />
Weiterhin ist festzustellen, dass individuelle Lebensphasen oftmals durch charakteristische<br />
Lebensstile gekennzeichnet sind, die in jeder Biographie durchlaufen werden<br />
und damit planerisch zugänglich sind. Der faktischen Pluralität der Lebensstile<br />
steht daher auch eine gewisse Konstanz ihrer überindividuellen Entwicklung gegenüber.<br />
Eine andere Dynamik zeigt sich im Anstieg der IKT-Nutzung der Bürger, die mit einer<br />
breiten Akzeptanz in dieser Techniksparte einhergeht. Dabei ist eine Unterscheidung<br />
1 Die Notwendigkeit der Integration wird gleichwohl von den Betroffenen sehr unterschiedlich wahrgenommen.<br />
2 Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass „extreme“ Lebenstile eher wahrgenommen werden, was zu verzerrten<br />
Bildern und falschen Prognosen führen kann.<br />
91
des Nutzerverhaltens nach Bildung feststellbar, was die These der IT-getragenen<br />
Polarisierung unterschiedlich gebildeter Schichten nährt. Andere denkbare Einflussgrößen,<br />
wie Alter, Geschlecht und Einkommen scheinen hier nicht signifikant zu<br />
sein. Moderne IKT-Techniken werden gemeinhin für Besorgungen des täglichen<br />
Lebens eingesetzt und auch alte Menschen zeigen sich gegenüber neuen Techniken<br />
aufgeschlossen, wenn diese ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Entsprechende<br />
technische Lösungen sollen offenbar gewohnte Lebensstile erhalten oder<br />
auch bereichern. Ein Ersatz von gelebter Realität durch Virtualität wird vom „Mainstream“<br />
dagegen nicht angestrebt. Dies schließt den Ersatz virtueller Teilsphären<br />
untereinander nicht aus, indem z. B. das Telefonieren teilweise vom „Chatten“ abgelöst<br />
wird. Zur Herausbildung neuer Lebensstile führt dies aber ebenso wenig wie zu<br />
einer altersbedingten digitalen Spaltung der Gesellschaft.<br />
Die Frage, ob moderne „kreative Milieus“ eine Re-Urbanisierung begünstigen können,<br />
muss überwiegend negativ beantwortet werden, auch wenn sich aufgrund der<br />
Erlebnisorientierung von „Singles“ ein konstant hoher Bedarf an Wohnfläche in<br />
attraktiven städtischen Lagen feststellen lässt. Angesichts des faktischen Wohnverhaltens<br />
vom technischen Wandel besonders betroffener Berufsgruppen lässt sich die<br />
Re-Urbanisierungsthese nicht belegen. Vielmehr fördern die von ihnen geäußerten<br />
Präferenzen für ein Freizeitleben „im Grünen“ die Fortsetzung des gegenwärtigen<br />
Suburbanisierungstrends.<br />
Trends zur Informationsgesellschaft und ökonomischer Strukturwandel<br />
Recodierung urbaner Räume durch das Internet<br />
Der Wandel hin zu einer Wissens- bzw. Informationsgesellschaft sowie ihre Folgen<br />
für städtische Räume umschreibt D. Hassenpflug (in diesem Band) mit dem Stichwort<br />
„reflexiver Urbanismus“. Der Terminus begründet die These der Re-codierung<br />
urbaner Räume durch das Internet u.a. mit den Konsequenzen charakteristischer Prozesse,<br />
die für IT-möblierte „smart cities“ typisch sind. Hierzu zählt die Tendenz zur<br />
Dematerialisierung und Demobilisierung von Gütern und Dienstleistungen, die ehemals<br />
typische städtische Funktionsbereiche zunehmend virtualisiert. 3 Eine konventionell<br />
ausgerichtete Stadtplanung wird sich entsprechend umstellen müssen, wobei<br />
3 Gleichwohl taucht z. B. beim e-shopping das Problem der „letzten Meile“ auf, die Verkehrsdienstleistungen<br />
in jedem Falle nötig macht.<br />
92
zweckrationale Orientierungen zugunsten ästhetisierender Motive in den Hintergrund<br />
rücken werden. Die ästhetischen Potentiale von Städten als Kulturräume und<br />
Begegnungsstätten werden voraussichtlich auch von Nutzerseite künftig stärker<br />
nachgefragt. Umfragen unter „online-shoppers“ ergaben, dass diese keineswegs dem<br />
städtischen Raum den Rücken kehren. Etwaige Entortungen ihrer Lebenswelten<br />
beschränken sich lediglich auf die Besorgungen des „Nötigen“ im Internet oder in der<br />
„Zwischenstadt“. Dies schafft Freiräume für urbane Erlebniswelten, die von den Bürgern<br />
auch zunehmend wahrgenommen werden („citytainment“). Insofern unterscheiden<br />
sich die Präferenzen von „online-shoppers“ und „nonline-shoppers“ bemerkenswert<br />
wenig. Die physische Stadt wird daher auch in Zeiten der Virtualisierung<br />
ihre Bedeutung behalten – wenn auch mit Akzentverschiebungen in den „atmosphärischen“<br />
Bereich (Orientierungen „face-to-face“; „face-to-place“). Die Thematisierung<br />
von Einkaufswelten z. B. durch Galeria-Konzepte und durch Individualisierung<br />
des Angebots entspricht diesem Trend und ermöglicht sinnlich-emotionale<br />
Erfahrungen bei Stärkung des städtischen Einzelhandels. Diese Situation stellt sich<br />
auch allgemeiner für den „E-Business“ dar und wird insgesamt eine sinkende Spezialisierung<br />
im Raum nach sich ziehen, die den Rückgang urbaner Monotonie erwarten<br />
lässt.<br />
Ökonomisch relevante Trends<br />
Die beschriebenen Trends sind naturgemäß auch von der vor Ort verfügbaren bzw.<br />
geplanten IKT-Infrastruktur abhängig. Die vergleichende Betrachtung relevanter<br />
Daten des <strong>Europäische</strong>n Raumbeobachtungsnetzwerks (ESPON) (vgl. Dallhammer<br />
in diesem Band) ergab, dass nur ein kleiner Bruchteil deutscher Bürger an das Breitbandnetz<br />
angeschlossen ist. Es ist zwar ein moderater Zuwachs dieser Anschlüsse in<br />
Europa zu verzeichnen, die aber die Situation in Deutschland kurzfristig nicht<br />
wesentlich verbessern wird. Aus technischen Gründen kann somit von einer signifikanten<br />
Präsenz der privaten Nachfrageseite auf Online-Märkten nicht gesprochen<br />
werden. 4 Aus diesem Grunde ist die zu erwartende, IKT-getragene Nivellierung des<br />
Gefälles der Wirtschaftsleistung von städtischen zu ländlichen Regionen derzeit noch<br />
nicht beobachtbar. Dagegen ist die Internet-Präsenz im gewerblichen Bereich bereits<br />
jetzt erheblich höher. Längerfristig wird sich das Bild im Bereich der Haushalte<br />
wahrscheinlich an die gewerbliche Entwicklung angleichen. Die Emergenz von IKT<br />
ist dabei – wie der Vergleich peripherer Regionen in Skandinavien zeigt – nicht allein<br />
4 Hierbei sind Nutzer von Internet-Cafés und Internet-Handys nicht berücksichtigt.<br />
93
nachfrageseitig zu erklären. So sind ländliche Gegenden Finnlands erheblich geringer<br />
breitbandig vernetzt als vergleichbare in Schweden. Hier werden Effekte nationaler<br />
IKT-Politiken sichtbar, die im Einzelfall wünschbar, gleichwohl in planerischen<br />
Zusammenhängen nicht vorhersehbar sind.<br />
Mögliche ökonomische Folgen des IKT-Einsatzes werden im Übrigen durch andere<br />
Faktoren, wie der physischen Erreichbarkeit von Marktteilnehmern überlagert,<br />
wobei sich nach den aktuellen ESPON-Daten eine etwaige Substitution von Verkehrs-<br />
durch IKT-Leistungen derzeit empirisch nicht nachweisen lässt. Entsprechend<br />
hat zum Wachstum des Brutto-Inlandsprodukts osteuropäischer Länder auch der<br />
Ausbau transeuropäischer Verkehrsnetze (TEN) maßgeblich beigetragen.<br />
Veränderung der Sicherheitslage<br />
Vor dem Hintergrund der aktuellen Risikolage vollzieht sich nach Floeting (in diesem<br />
Band) in Deutschland derzeit eine Neuorientierung der inneren Sicherheit hin zu<br />
verbesserter Risikoanalyse, Gefahrenabwehr und Prävention. Vom verstärkten Einsatz<br />
moderner Sicherheitstechnik verspricht man sich u.a. Vorteile ihrer Automatisierbarkeit,<br />
ihrer Omnipräsenz und ihrer ökonomischen Effizienz im Einsatz. Sicherheitstechnik<br />
kann in entsprechende Informations-, Warn- und Entscheidungssysteme<br />
für Bürger und/oder Akteure einbezogen werden. Dabei können Datenprofile<br />
unterschiedlicher Komplexität bzw. Vernetzungsgrade entstehen, je nachdem welche<br />
Grade der Konvergenz zwischen verschiedenen technischen Systemen und organisatorischen<br />
Strukturen zugelassen werden.<br />
Abgesehen von datenschutzrechtlichen Problemen könnten diese Entwicklungen<br />
scheinbar paradoxerweise dazu führen, dass städtische Räume künftig als unsicherere<br />
Orte empfunden und gemieden würden. Merkmale wären sicherheitstechnische<br />
„Befestigung“ von Städten, Ausbildung von Inseln der Sicherheit (Bahnhöfe)<br />
und in der Konsequenz eine Polarisierung urbaner Räume. Diesem Trend<br />
könnten ggf. integrierte städteplanerische Sicherheitskonzepte und -architekturen<br />
entgegenwirken. Das angestrebte Sicherheitsniveau sollte dabei ein „unbeschwertes“<br />
urbanes Leben in dem Maße erhalten, das z.B. Großveranstaltungen weiterhin<br />
zuließe.<br />
Gesellschaftlich relevante Konsequenzen einer „Sicherheitsaufrüstung“ von Städten<br />
umfasst (a) die Zunahme personenbeziehbarer Ströme von Bewegungsdaten,<br />
94
(b) zunehmende Vorratsdatenspeicherung (IKT-Verbindungsdaten), (c) nachträgliche<br />
Nutzungsautorisierung dieser Daten (z. B. Mautdaten) und (d) die Bindung der<br />
Datenflüsse an die individuelle Zugänglichkeit materieller Räume. In kritischen Fällen<br />
kann dies den Ersatz von räumlicher durch virtuelle Mobilität erzwingen.<br />
Die technische Überwachung öffentlicher Räume könnte sich zu Ungunsten der<br />
sozialen Kontrolle entwickeln, was wiederum weiteren Bedarf an einer sicherheitstechnischen<br />
Möblierung der Städte und entsprechenden Restriktionen nach sich ziehen<br />
würde. Diese Befürchtungen sowie auch erkennbare Defizite in der angemessenen<br />
Antwort auf neue Sicherheitsrisiken sollten einen rationalen Risikodialog initiieren,<br />
der sich auch der Fragmentierung deutscher Sicherheitsstrukturen sowie den<br />
nicht-technischen Präventionsmöglichkeiten annimmt. Hierzu gehören indirekte<br />
Sicherheitsmaßnahmen wie kommunale Sicherheitspartnerschaften, verstärkte Förderung<br />
sozialer Einrichtungen und geeignete räumliche Planungen zur Vermeidung<br />
sozialer Brennpunkte unter Berücksichtigung demographischer und kultureller<br />
Aspekte.<br />
Konsequenzen für die Stadtplanung<br />
Die Virtualisierung urbaner Lebenswelten stellt eine Herausforderung für eine adäquate<br />
und zukunftsgerechte (Um-)Gestaltung urbaner Räume dar. Eine vorausschauende<br />
Stadtplanung sollte dabei auch nicht-technische Entwicklungen in den<br />
Blick nehmen, die die Dynamik im Wandel städtischen Lebens maßgeblich mitbestimmen.<br />
Für die Stadtplanung besonders bedeutsam scheint der prognostizierte Funktionswandel<br />
im urbanen Raum durch die Emergenz internet-basierter IKT-Dienstleistungen<br />
zu sein, auch wenn sich entsprechende gesamtwirtschaftliche Effekte noch nicht<br />
nachweisen lassen. Dabei wird der Aufbau vernetzter IKT-Infrastrukturen maßgeblich<br />
durch nationale IKT-Politiken bestimmt und könnte damit die Geschwindigkeit<br />
des urbanen Funktionswandels bestimmen. Dieser Wandel wird zu einer zunehmenden<br />
Virtualisierung und/oder Auslagerung von Kaufvorgängen für Dinge des täglichen<br />
Bedarfs führen, was eine „Recodierung“ des städtischen Raums zugunsten seiner<br />
lokalen Differenzierung und Ästhetisierung ermöglichen könnte (Stadt als Erlebniswelt<br />
und Treffpunkt). Die damit postulierte Attraktivitätszunahme städtischer<br />
Zentren wird allerdings durch die Folgen einer demographisch prognostizierbaren<br />
95
Heterogenisierung und gesellschaftlichen Polarisierung der Stadtbevölkerung tangiert,<br />
die hier letztlich zu Sicherheitsproblemen führen könnten. Von der Wahl entsprechender<br />
Sicherheitskonzepte wird nun abhängen, inwieweit die Recodierung<br />
des urbanen Raums sich tatsächlich in wünschbarer Weise vollzieht: Es wird befürchtet,<br />
dass rein technische Problemlösungen an Brennpunkten oder auch in der Fläche<br />
soziale Polarisierungstendenzen verstärken könnte und damit weitere sicherheitstechnische<br />
Maßnahmen nach sich ziehen würde. Dies könnte – wahrnehmungsbedingt<br />
– das allgemeine Unsicherheitsempfinden der Bevölkerung verstärken. Diese<br />
Entwicklung wäre im Sinne der o. g. Recodierung urbaner Räume kontraproduktiv,<br />
weswegen hier integrierte Sicherheitskonzepte unter Einbezug von sozialer Kontrolle<br />
und anderer nicht-technischer Maßnahmen vorgeschlagen werden. Gleichwohl<br />
wäre im Interesse der öffentlichen Sicherheit die Zugänglichkeit sensibler urbaner<br />
Räume einzuschränken; hier wären entsprechende Infrastrukturen vorzusehen, die<br />
virtuelle Optionen für den Ersatz räumlicher Mobilität vorsehen.<br />
Die mögliche Attraktivitätszunahme recodierter urbaner Räume wird voraussichtlich<br />
– von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine allgemeine Re-Urbanisierung einleiten.<br />
Lebensstilbeobachtungen und Prognosen ihres Wandels lassen vielmehr mittelfristig<br />
eine weitere Verstetigung der Suburbanisierung erwarten. Umgekehrt werden die<br />
erwartbaren Lebensstile der Bevölkerung – mit Ausnahme schlecht gebildeter Schichten<br />
– die Entwicklung einer Informationsgesellschaft auf breiter Front mittragen<br />
und damit eine mögliche Recodierung städtischer Räume.<br />
Darüber hinaus wird sich die Stadtplanung mit den bekannten Herausforderungen<br />
des demographischen Wandels (Leerstände, altersgerechte Wohnungen, …) auseinandersetzen<br />
müssen, die nicht unmittelbar Gegenstand der Virtualisierungsproblematik<br />
sind.<br />
96
Bisher erschienene Bände der <strong>Graue</strong>n <strong>Reihe</strong>:<br />
1 Carl Friedrich Gethmann, Armin Grunwald,<br />
Technikfolgenabschätzung: Konzeptionen<br />
im Überblick, 9/96, 2. Aufl.<br />
7/98<br />
2 Carl Friedrich Gethmann, Umweltprobleme<br />
und globaler Wandel als Thema<br />
der Ethik in Deutschland, 9/96, 2. Aufl.<br />
10/98<br />
3 Armin Grunwald, Sozialverträgliche<br />
Technikgestaltung: Kritik des deskriptivistischen<br />
Verständnisses, 10/96<br />
4 Arbeitsgruppe Neue Materialien, Technikfolgenbeurteilung<br />
der Erforschung<br />
und Entwicklung neuer Materialien. Perspektiven<br />
in der Verkehrstechnik. Endbericht<br />
zum Vorprojekt, 1/97<br />
5 Mathias Gutmann, Peter Janich, Zur<br />
Wissenschaftstheorie der Genetik. Materialien<br />
zum Genbegriff, 4/97<br />
6 Stephan Lingner, Carl Friedrich Gethmann,<br />
Klimavorhersage und -vorsorge,<br />
7/97<br />
7 Jan P. Beckmann, Xenotransplantation.<br />
Ethische Fragen und Probleme, 7/97<br />
8 Michael Decker, Perspektiven der Robotik.<br />
Überlegungen zur Ersetzbarkeit des<br />
Menschen, 11/97<br />
9 Carl Friedrich Gethmann, Nikolaj Plotnikov,<br />
Philosophie in Rußland. Tendenzen<br />
und Perspektiven, 5/98<br />
10 Gerhard Banse (Hrsg.), Technikfolgenbeurteilung<br />
in Ländern Mittel- und Osteuropas,<br />
6/98<br />
11 Mathias Gutmann, Wilhelm Barthlott<br />
(Hrsg.), Biodiversitätsforschung in Deutschland.<br />
Potentiale und Perspektiven, 11/98,<br />
2. Aufl. 4/00<br />
12 Thorsten Galert, Biodiversität als Problem<br />
der Naturethik. Literaturreview und<br />
Bibliographie, 12/98<br />
13 Gerhard Banse, Christian J. Langenbach<br />
(Hrsg.), Geistiges Eigentum und Copyright<br />
im multimedialen Zeitalter. Positionen,<br />
Probleme, Perspektiven, 2/99<br />
14 Karl-Michael Nigge, Materials Science in<br />
Europe, 3/99<br />
15 Meinhard Schröder, Stephan Lingner (eds.),<br />
Modelling Climate Change and its Economic<br />
Consequences. A review, 6/99<br />
16 Michael Decker (Hrsg.), Robotik. Einführung<br />
in eine interdisziplinäre Diskussion,<br />
9/99<br />
17 Otto Ulrich, „Protection Profile“ – Ein<br />
industriepolitischer Ansatz zur Förderung<br />
des „neuen Datenschutzes“, 11/99<br />
18 Ulrich Müller-Herold, Martin Scheringer,<br />
Zur Umweltgefährdungsbewertung von<br />
Schadstoffen und Schadstoffkombinationen<br />
durch Reichweiten- und Persistenzanalyse,<br />
12/99<br />
19 Christian Streffer et al., Environmental<br />
Standards. Combined Exposures and<br />
their Effects on Human Beings and their<br />
Environment (Summary), 1/00<br />
20 Felix Thiele (Hrsg.), Genetische Diagnostik<br />
und Versicherungsschutz. Die Situation<br />
in Deutschland, 1/00, 2. Aufl. 2/01<br />
21 Michael Weingarten, Entwicklung und<br />
Innovation, 4/00<br />
22 Ramon Rosselló-Mora, Rudolf Amann,<br />
The Species Concepts in Prokaryotic Taxonomy,<br />
8/00<br />
23 Stephan Lingner, Erik Borg, Präventiver<br />
Bodenschutz. Problemdimensionen und<br />
normative Grundlagen, 9/00<br />
24 Minou Bernadette Friele (Hrsg.), Embryo<br />
Experimentation in Europe, 2/01<br />
25 Felix Thiele (Hrsg.), Tierschutz als Staatsziel?<br />
Naturwissenschaftliche, rechtliche<br />
und ethische Aspekte, 2/01<br />
99
26 Vitaly G. Gorokhov, Technikphilosophie<br />
und Technikfolgenforschung in Russland,<br />
2/01<br />
27 Chris W. Backes, Klimaschutz in den Niederlanden,<br />
3/01<br />
28 G. Hanekamp, U. Steger (Hrsg.), Nachhaltige<br />
Entwicklung und Innovation im<br />
Energiebereich, 7/01<br />
29 Thomas Christaller, Michael Decker<br />
(Hrsg.), Robotik. Perspektiven für menschliches<br />
Handeln in der zukünftigen Gesellschaft.<br />
Materialienband, 11/01<br />
30 Michael J. Selgelid, Societal Decision<br />
Making and the New Eugenics, 4/02<br />
31 Bernhard Irrgang, Humangenetik auf<br />
dem Weg in eine neue Eugenik von<br />
unten?, 2/02<br />
32 Meinhard Schröder et al., Climate Prediction<br />
and Climate Precautions, 6/02<br />
33 Ulrich Steger et al., Sustainable Development<br />
and Innovation in the Energy Sector.<br />
Executive Summary, 2/03<br />
34 Carl Friedrich Gethmann, Stephan Lingner,<br />
Zukünftige Klimaänderungen als<br />
Herausforderung für die deutsche Wirtschaft,<br />
7/03<br />
35 Günter Schmid et al., Small Dimensions<br />
and Material Properties. A Definition of<br />
Nanotechnology, 11/03<br />
100<br />
36 Jorge Guerra González (ed.), Environmental<br />
Noise. Main Focus: Aircraft<br />
Noise, 3/04<br />
37 Konrad Ott, Gernot Klepper, Stephan Lingner,<br />
Achim Schäfer, Jürgen Scheffran, Detlef<br />
Sprinz (mit einem Beitrag von Meinhard<br />
Schröder), Konkretisierungsstrategien für<br />
Art. 2 der UN-Klimarahmenkonvention,<br />
7/04<br />
38 Annemarie Gethmann-Siefert, Stefan<br />
Huster (Hrsg.), Recht und Ethik in der<br />
Präimplantationsdiagnostik, 7/05<br />
39 Friedrich Breyer, Margret Engelhard<br />
(Hrsg.), Anreize zur Organspende, 11/06<br />
40 Carl Friedrich Gethmann, Nicola Rohner,<br />
Kai-Uwe Schrogl (Hrsg.), Die Zukunft der<br />
Raumfahrt. Ihr Nutzen und ihr Wert, 1/07<br />
41 Michael Decker, Angewandte interdisziplinäre<br />
Forschung in der Technikfolgenabschätzung,<br />
1/07<br />
<strong>42</strong> Stephan Lingner, Simone Allin, Gerhard<br />
Steinebach (Hrsg.), Gesellschaftliche Randbedingungen<br />
der Virtualisierung urbaner<br />
Lebenswelten, 5/07