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SEITE 540 NR. 17/1. SEPTEMBER 2001<br />
Wolfgang F. <strong>Krinner</strong>*<br />
Mitarbeiterbeurteilung im Außendienst?<br />
Eine Fallstudie<br />
Nachdem die Folgen von Fehlbesetzungen<br />
(Betriebsrat, Kündigungsschutz,<br />
Abfindungen usw.) kostenmäßig<br />
zunehmend stärker zur Buche<br />
schlagen, kommt die Mitarbeiterbeurteilung<br />
– die vor ca. 15 Jahren<br />
mehr oder weniger sanft entschlummert<br />
ist – wieder in Mode. Im Innendienst.<br />
Um dieses Thema machen<br />
allerdings die Vertriebe der Versicherungen<br />
noch einen sehr großen Bogen.<br />
Mit dem fadenscheinigen Argument,<br />
dass es sich um selbständige<br />
<strong>Partner</strong> handelt bzw. dass die erbrachte<br />
Produktion die einzige Maßlatte<br />
ist. Die Praxis zeigt jedoch, dass<br />
die Potenzialeinschätzung auch bei<br />
„selbständigen Vertriebspartnern“<br />
sehr hilfreich sein kann. Für beide Seiten.<br />
Die Ausgangssituation<br />
Der Vorstandsvorsitzende Dr. Meyer-<br />
Müller ist empört. Sein neuer Vertriebschef<br />
Karl-Heinz Schuch, der<br />
den alten, erfahrenen Potok abgelöst<br />
hat, gilt als Macher. Und eben dieser<br />
hat zur Effizienzsteigerung im Außendienst<br />
vorgeschlagen, die Außendienstmitarbeiter<br />
„beurteilen“ zu lassen.<br />
Damit hat er allerdings nicht nur<br />
die gezielte, tatkräftige Unterstützung<br />
der §84er durch die Führungskräfte<br />
des Hauses angepeilt, sondern auch<br />
den Abbau von Debetsalden bei den<br />
Vertriebspartnern bis hin zur Vertragsauflösung<br />
von hoffnungslos unproduktiven<br />
Fällen.<br />
In einer vertraulichen Vertriebssitzung<br />
kontert Dr. Meyer-Müller gereizt:<br />
„Wie stellen Sie sich das überhaupt<br />
vor? Sie können selbständige<br />
Handelsvertreter – und selbständig<br />
sind unsere Vertriebspartner nun mal<br />
– nicht wie den Innendienst mit einem<br />
Bogen inklusive Unterschrift beurteilen.<br />
Das führt ja zu einem Aufstand!<br />
Und außerdem: Bei den meisten Vertriebspartnern<br />
stimmt ja die Produktion<br />
halbwegs! Und der Vorsitzende<br />
des Hausvereins, der erhält durch so<br />
etwas noch Extramunition. Seine Angriffe<br />
auf die Geschäftsleitung kann<br />
ich jetzt schon hören.“<br />
Karl-Heinz Schuch kennt diese etwas<br />
simple Argumentation zur Genüge<br />
aus seiner Vorgesellschaft und hat<br />
sich mit Argumenten und Overhead-<br />
Folien auf die Diskussion gut vorbereitet:<br />
„Die Situation in unserem Unternehmen<br />
stellt sich derzeit folgendermaßen<br />
dar.“<br />
Situation des Vertriebs<br />
Die von Herrn Schuch auf Folien vorgelegten<br />
Argumente sind einleuchtend,<br />
haben Dr. Meyer-Müller aber<br />
keineswegs besänftigen können:<br />
„Dass wir die Organisation straffen<br />
müssen, Herr Schuch, steht außer<br />
Zweifel. Aber das Instrument der<br />
Mitarbeiterbeurteilung eignet sich bei<br />
unseren selbständigen Vertriebspartnern<br />
überhaupt nicht. Außerdem wird<br />
sich der Hausverein kräftig dagegen<br />
wehren. Eine Missstimmung können<br />
wir da aber nicht gebrauchen, vor allem<br />
in dieser Phase, wo wir das Agentursystem<br />
ändern wollen!“<br />
Herr Schuch kontert: „Die Einstellung<br />
des Hausvereins ist mir durchaus bewusst.<br />
Aber wenn er die Interessen<br />
unserer Vertriebspartner ernsthaft<br />
vertritt, sollte er unsere Argumente eigentlich<br />
begrüßen.“ Herr Schuch legt<br />
die Folie 2 auf (S. 541).<br />
Dr. Meyer-Müller ist zwar skeptisch,<br />
kann sich im Laufe der Diskussion der<br />
11. Produktionsziffern haben keine Aussagekraft über das mögliche Potenzial<br />
der Vertriebspartner.<br />
12. Selbständigkeit besteht nur im Rahmen der Verträge, also nicht absolut.<br />
13. Der Vertriebspartner repräsentiert unser Haus am Markt.<br />
14. Ca. 19% unserer 1.273 Vertriebspartner arbeiten, sowohl von Quantität<br />
und Qualität der Produktion und der Ausschöpfung ihrer Fähigkeiten<br />
her, zufriedenstellend.<br />
15. Ca. 45% der Vertriebspartner haben ihr Leistungspotenzial nicht ausgeschöpft<br />
und benötigen gezielte Unterstützung.<br />
16. Ca. 12% haben kein Entwicklungspotenzial mehr, erreichen aber das<br />
Produktionslimit.<br />
17. Ca. 24% stellen eine glatte Fehlbesetzung dar, von denen wir uns im<br />
Rahmen einer Bereinigung schleunigst trennen sollten, weil sie die Organisation<br />
finanziell und personell belasten.<br />
18. Es ist zu überprüfen, ob die zuständigen Führungskräfte nicht auch einer<br />
anderen Verwendung zugeführt werden müssen.<br />
19. Der Stand der Debetsalden beläuft sich derzeit auf 3.673.796 DM<br />
10. Bei einer gezielten Unterstützung der Vertriebspartner rechnen wir mit<br />
einer Steigerung der Gesamtproduktion um mindestens 35% über alle<br />
Sparten.<br />
Abbildung 1<br />
Argumentation von Vertriebschef<br />
Herrn Schuch aber mehr oder weniger<br />
anschließen. Doch als erstes<br />
meint er, sollte das Kind einen positiven<br />
Namen erhalten. Denn das Wort<br />
„Mitarbeiterbeurteilung“ ist vorbelas-<br />
* Der Autor ist Unternehmensberater in München<br />
(<strong>Krinner</strong> & <strong>Partner</strong> Unternehmensberatung GmbH)
NR. 17/1. SEPTEMBER 2001 SEITE 541<br />
tet durch ein extrem schlechtes Image.<br />
Nach einigem Hin und Her einigen<br />
sich die beiden auf „Einschätzung<br />
des Unterstützungspotenzials“, kurz<br />
„EUP“ genannt.<br />
Probleme bei der Einschätzung<br />
Dr. Meyer-Müller gibt aber zu bedenken,<br />
dass in diesem Zusammenhang<br />
diverse Probleme in der Konzeption<br />
berücksichtigt werden müssen. Sonst,<br />
so meint er, könnte der Schuss nach<br />
hinten losgehen. Er holt die Ergebnisse<br />
einer Untersuchung, die die möglichen<br />
Probleme darstellt, die bei der<br />
„Einführung einer Einschätzung des<br />
Unterstützungspotenzials“ (EUP)<br />
entstehen können. Allerdings zeigt<br />
diese Unterlage die Ergebnisse einer<br />
Untersuchung beim Innendienst einer<br />
Versicherung. Von der Thematik<br />
her dürfte es keine wesentlichen Unterschiede<br />
zum Außendienst geben,<br />
doch sollte man die einzelnen Punkte<br />
hinsichtlich ihrer Gewichtung überprüfen.<br />
Der Vorstandsvorsitzende Dr. Meyer-<br />
Müller und der Vertriebschef Schuch<br />
trennen sich nach dieser sehr vertraulichen,<br />
aber hochbrisanten Diskussion<br />
mit der Vereinbarung, dass<br />
ein strategisches Konzept zur Einführung,<br />
auch unter Berücksichtigung<br />
des formulartechnischen Aspekts<br />
sorgfältig erarbeitet werden<br />
soll. Dabei sollen aber auch die Gründe<br />
beachtet werden, durch die die<br />
vor Jahren im Innendienst eingeführte<br />
Mitarbeiterbeurteilung nach<br />
zwei Jahren mit zweifelhaftem Erfolg<br />
– vor allem was die Erkenntnisse für<br />
die Personalentwicklung angeht – ein<br />
bürokratisches Schattendasein mit<br />
viel Staubansätzen fristet. Die hierfür<br />
verantwortlichen Gründe spielen sicherlich<br />
auch in der Außendienst-Orga<br />
eine Rolle.<br />
Am nächsten Morgen ruft Herr<br />
Schuch einen Arbeitskreis – natürlich<br />
vertraulich – zusammen: Herrn Dr.<br />
Dräger (immer noch Personalentwickler),<br />
Herrn Großjean (Landesdirektor),<br />
Herrn Rampel und Herrn<br />
Fauster (Orga-Leiter) sowie die Herren<br />
Losonsky und Striegl (beides<br />
Agenturinhaber). Es sind sehr aufgeschlossene<br />
Kollegen, die auch in der<br />
Lage sind „geistige Schrebergärten“<br />
von Tabus und Normen durch neue,<br />
provokante Ideen zu verlassen.<br />
Vorgehensweise bei Qualifikation der Vertriebspartner<br />
1. Ziel: Qualifizierung unserer Vertriebspartner, um dem Druck der Makler<br />
und des Marktes besser standhalten zu können.<br />
2. Klare Festlegung der Anforderungen an die Position eines Vertriebspartners.<br />
3. Faire Einschätzung der entwicklungsfähigen Potenziale unserer Vertriebspartner<br />
durch die verantwortlichen Führungskräfte.<br />
4. Feststellung des möglichen Unterstützungsbedarfs pro Vertriebspartner.<br />
5. Gezielte Unterstützung durch die zuständigen Führungskräfte.<br />
6. Faire Trennung von Vertriebspartnern, die überfordert sind oder ihre<br />
Stärken woanders haben.<br />
7. Optimale Nutzung unserer Agentur-Infra-Struktur.<br />
Abbildung 2<br />
Vorgehensweise bei Qualifikation der Vertriebspartner<br />
Fragestellung 11:<br />
„An welchen Problemen scheitert eine Einschätzung?“<br />
1. Führungskraft und Mitarbeiter haben schlechte Erfahrungen<br />
gemacht /negative Vorurteile 72%<br />
2. Angst vor Konfrontation mit den Mitarbeitern (Opposition<br />
des Mitarbeiters, Negatives sagen zu müssen, usw.) 67%<br />
3. falscher formaler Aufbau (unpräzise Definitionen, falsche<br />
Skalierung usw.) 53%<br />
4. keine eindeutigen Ziele, um daran eine Beurteilung vornehmen<br />
zu können 51%<br />
5. Unsicherheit in der Handhabung 46%<br />
6. Führungskraft hat Angst vor Forderungen des Mitarbeiters<br />
(Gehaltserhöhung, Beförderung, usw.) 45%<br />
7. Führungskraft und Mitarbeiter (er)kennen den Sinn einer<br />
Beurteilung nicht 40%<br />
8. zu hoher Zeitaufwand 39%<br />
9. Führungskraft hat Angst vor Kontrolle 23%<br />
Abbildung 3: Untersuchung zur Mitarbeiterbeurteilung<br />
Nachdem Herr Schuch die Herren<br />
über das Gespräch mit Dr. Meyer-<br />
Müller informiert hat, erntet er auch<br />
hier skeptische Blicke, die er aller-<br />
dings kurz und knapp kontert: „Bitte<br />
meine Herren, ob wir das Projekt umsetzen,<br />
entscheiden wir gemeinsam<br />
erst, wenn das Strategiekonzept und
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die Formularentwürfe vorliegen. Bis<br />
dahin gilt: Erzählen Sie mir nicht, warum<br />
es nicht geht; sondern wie wir die<br />
genannten Probleme (vgl. Abb. 3) lösen<br />
können! Ich bitte um entscheidungsfähige<br />
Anregungen und Unterlagen<br />
aus diesem Arbeitskreis bis<br />
in vier Wochen. Herr Dr. Dräger, übernehmen<br />
Sie bitte die Diskussionsleitung<br />
des Arbeitskreises.“<br />
Mit etwas Verzögerung, die der mangelhaften<br />
Diskussionskultur des Arbeitskreises<br />
– trotz hohen Einsatzes<br />
von Dr. Dräger – und der Problematik<br />
des Themas zuzuschreiben war, lagen<br />
die Ergebnisse stichpunktartig<br />
nach fünf Wochen vor.<br />
Problemanalyse<br />
und Lösungsansätze<br />
Sie waren in zwei Bereiche gegliedert.<br />
Einmal in die Skizzierung der mit<br />
einer Potenzialeinschätzung verknüpften<br />
vier wichtigsten Problemkreise<br />
und deren stichpunktartigen<br />
Lösungsansätze. Und zum anderen<br />
die Verknüpfung der Lösungsansätze<br />
in einem entsprechenden Maßnahmen-<br />
und einem Umsetzungskonzept.<br />
Die Diskussion des Arbeitskreises hat<br />
ergeben, dass die Problemkreise nahezu<br />
identisch sind mit denen, die bei<br />
der Einführung der Mitarbeiterbeurteilung<br />
im Innendienst (siehe Abb. 3)<br />
auftreten. Der Unterschied liegt allenfalls<br />
in der Gewichtung.<br />
1. Problemkreis:<br />
Schlechtes Image<br />
der „Einschätzung“<br />
(Punkt 1 der Untersuchung)<br />
Die Einschätzung wird sehr häufig als<br />
Verurteilung, als Bloßstellung, als Kritik<br />
betrachtet. Diese Ängste führen<br />
dazu, dass die so Traktierten – hier im<br />
Außendienst – zu rationalisierten Abwehrargumentationen<br />
greifen: „Wir<br />
sind Selbständige und brauchen uns<br />
nicht beurteilen zu lassen.“ Wer den<br />
Unterstützungsbedarf der §84 im Bereich<br />
Fachwissen, Verkaufstechnik<br />
und unternehmerisches Wissen aber<br />
aus der Praxis kennt, weiß, dass dies<br />
nur eine Schutzbehauptung sein<br />
kann.<br />
Aber auch die Vertriebsführung verwendet<br />
ähnliche Abwehrargumente:<br />
„Die Herrschaften sind ja Selbständige<br />
und müssen für sich selbst Verantwortung<br />
tragen. Und außerdem:<br />
Wenn die Produktion halbwegs<br />
stimmt...“. Und damit drücken sich<br />
die Vertriebsleitung und die Führungskräfte<br />
vor der eigentlichen Verantwortung<br />
– nämlich der Einschätzung<br />
ihres Vertriebspartners und der<br />
gezielten, effizienten Unterstützung<br />
des Vertriebsapparates.<br />
Lösungsansätze:<br />
a) Positive Namensgebung für diesen<br />
Prozess, wie Potenzialentwicklungsgespräch,<br />
Einschätzung des<br />
Unterstützungspotenzials, Planungsgespräch<br />
usw. (was bei<br />
Nichteinhaltung der in diesen Namen<br />
verborgenen Versprechungen<br />
schnell zum Bumerang und von<br />
den Beteiligten rasch durchschaut<br />
wird). Man hatte sich ja im Vorfeld<br />
schon auf „Einschätzung des Unterstützungspotenzials“,<br />
kurz EUP<br />
geeinigt.<br />
b) Formale Gestaltung der Unterlagen,<br />
die dem Unterstützungsansatz,<br />
den verfolgten Zielen und den<br />
Problemstellungen entspricht (siehe<br />
unten) und die Einschätzung<br />
und das Gespräch erleichtert.<br />
c) Start mit einer positiv eingestellten<br />
Pilotgruppe.<br />
d) Kommunikation der Ziele und der<br />
späteren positiven Ergebnisse im<br />
Unternehmen und bei den Beteiligten<br />
des Projektes.<br />
e) Training der AD-Führungskräfte<br />
mit dem affektiven Lernziel einer<br />
positiven Einstellung (und um über<br />
die richtige Nutzung der Unterlagen<br />
und die Gesprächsführung, einer<br />
falscher Anwendung vorzubeugen).<br />
f) Der erste Durchgang sollte als Probelauf<br />
deklariert werden, d.h. keinerlei<br />
irgendwie geartete Folgen<br />
weder in finanzieller noch in operativer<br />
oder organisatorischer Hinsicht<br />
in Aussicht gestellt werden.<br />
2. Problemkreis:<br />
Falscher formaler Aufbau<br />
(inkl. unpräziser Definitionen,<br />
Skalierung, Arbeitshinweisen usw.)<br />
(vorwiegend Punkte 2, 3 und 4 der<br />
Untersuchung)<br />
Herkömmliche Bewertungssysteme<br />
sind häufig so aufgebaut, dass Sie<br />
positiv/negativ-Skalen verwenden,<br />
d.h. von ausgezeichnet bis ungenügend<br />
oder so ähnlich. Damit geht jeder<br />
Verbesserungsansatz zunächst<br />
von einem ausgesprochenem Defizit,<br />
von etwas Negativem, etwas zu Kritisierendem<br />
aus. Das will weder der<br />
Vertriebspartner (§84) hören, noch<br />
will es in den meisten Fällen die Führungskraft<br />
deutlich aussprechen. Das<br />
bedeutet, dass aus Angst etwas Negatives<br />
zu sagen, die Einschätzungen<br />
eher zu positiv ausfallen!<br />
Ergebnis: eine zum Teil erhebliche<br />
Falscheinschätzung, denn auch eine<br />
zu gute Einschätzung ist falsch. Dieses<br />
Problem kann zum größten Teil<br />
über den richtigen formularen Aufbau<br />
gelöst werden.<br />
Lösungsansatz:<br />
Der Arbeitskreis kommt zu der<br />
Ansicht, dass man, um zu einer hilfreichen<br />
formalen Skalierung zu kommen,<br />
zwischen Arbeitstechnik (Fachwissen,<br />
Verkaufswissen, Eigenorganisation,<br />
Unternehmensführung) einerseits<br />
und Persönlichkeitskriterien<br />
andererseits unterscheiden sollte.<br />
Normalerweise werden in drei Ebenen<br />
Ziele vereinbart, um diese anschließend<br />
beurteilen zu können.<br />
1. Arbeitsleistung = Produktion<br />
– qualitativ<br />
– quantitativ<br />
2. Arbeitstechnik und Umsetzung<br />
– notwendiges Fachwissen<br />
– Verkaufstechnik (Bedarfserhebung,<br />
Gesprächstechnik, Argumentation<br />
usw.)<br />
– Agenturführung (Rentabilitätsrechnung,<br />
BWA, Ergebnissteuerung,<br />
Mitarbeitereinsatz usw.)<br />
3. Persönlichkeitskriterien<br />
– Anforderungsprofil/IST-Profil<br />
– Stärken/Schwächen (und der Umgang<br />
damit)<br />
Beurteilt wird in den Vertrieben vorwiegend<br />
die Arbeitsleistung = Produktion,<br />
obwohl die möglichen Un-
NR. 17/1. SEPTEMBER 2001 SEITE 543<br />
terstützungsansätze in der Arbeitstechnik<br />
und der Persönlichkeit liegen.<br />
Hier geht es nicht um gute oder<br />
schlechte Beurteilung, sondern darum,<br />
wo ein Vertriebspartner noch<br />
Entwicklungs- oder Unterstützungspotenzial<br />
(Punkt 1) hat, wo er optimales<br />
Wissen (Punkt 2) für seine derzeitige<br />
Aufgabenstellung hat, oder wo er<br />
unter Umständen sogar überqualifiziert<br />
(Punkt 3) ist.<br />
Die Begründung (Punkt 4) dient einmal<br />
zur relativ objektiven Bewertung<br />
eines Urteils (Punkt 5) in der Gesprächsführung<br />
und zum anderen,<br />
um festzuhalten, wo der größte Unterstützungsbedarf<br />
ist. Aus diesen<br />
Detailbegründungen resultiert für den<br />
Punkt „Agenturführung/Rentabilitätsrechnung“<br />
das Kreuz (Punkt 5).<br />
Im oben genannten Fall ist es offensichtlich<br />
die „Kostenkontrolle bei den<br />
Arbeitsabläufen“ mit der Teilbewertung<br />
./. 3, die am dringendsten mit<br />
dem Vertriebspartner besprochen<br />
werden sollte.<br />
Aus diesen Begründungen wird auch<br />
deutlich, dass im Gespräch mit dem<br />
Vertriebspartner Maßnahmen besprochen<br />
werden sollten, die die gesamte<br />
Rentabilitätsrechnung in der<br />
Agentur weiter verbessern. Bei richtiger<br />
Anwendung und Gesprächsführung<br />
wird die Darstellung, die<br />
Unterstützung und die Planung der<br />
Weiterentwicklung eines Vertriebspartners<br />
völlig konfliktfrei behandelt<br />
werden können.<br />
Was das Optimum ist, muss allerdings<br />
von den Führungskräften als<br />
gewünschtes optimales „Arbeitsverhalten“<br />
kommuniziert werden. (Führungsthema:<br />
„Führen mit Zielen“– sofern<br />
das bei selbständigen Vertriebspartnern<br />
machbar ist). Wenn sich die<br />
fachlichen Anforderungen des Hauses<br />
an den Vertriebspartner ändern,<br />
verschiebt sich automatisch das Optimum.<br />
b) Skalierung Persönlichkeitskriterien<br />
Auch hier hat der Arbeitskreis eine etwas<br />
unübliche, nämlich die positiv/<br />
positiv-Skalierung entwickelt. Allerdings<br />
wird das „Optimale“ vom zugrundeliegenden<br />
Anforderungsprofil<br />
der Position des Vertriebspartners<br />
bestimmt, und muss nicht in der Mit-<br />
Abbildung 4<br />
�<br />
Kontaktfähig<br />
Abbildung 5<br />
X X<br />
F E D C B A B C D E F<br />
�<br />
Anforderungsprofil<br />
Teamorientierung<br />
Abbildung 6<br />
te liegen. Die Skalierung geht grundsätzlich<br />
davon aus, dass beide Seiten<br />
eines Persönlichkeitskriteriums – hier<br />
Kontaktfähigkeit – grundsätzlich positiv<br />
sind (Punkt 1).<br />
Ob ein Vertriebspartner im Bereich<br />
Kontaktfähigkeit geeignet ist oder<br />
nicht, hängt vom unterlegten Anforderungsprofil<br />
(hier z.B. D links =<br />
Punkt 2) ab. Hat nun der Vertriebspartner<br />
sein IST-Profil z.B. bei E<br />
rechts (Punkt 3), hat er sicherlich in<br />
Situationen, in denen ausgeprägte<br />
Kontaktfähigkeit – also die linke Positionierung<br />
– gefordert ist, seine Probleme.<br />
Denn seine Stärke liegt zweifellos<br />
auf der rechten Seite im Bereich<br />
„Zurückhaltung“ und nicht in der,<br />
vom Anforderungsprofil definierten,<br />
linken Seite „Kontaktfähigkeit“.<br />
�<br />
�<br />
Zurückhaltend<br />
IST-Profil<br />
des Vertriebspartners<br />
X X<br />
F E D C B A B C D E F<br />
�<br />
Anforderungsprofil<br />
Konflikt<br />
Einzelkämpfer<br />
�<br />
IST-Profil<br />
Bei einem anderen Persönlichkeitskriterium<br />
kommt es in der Praxis sehr<br />
häufig zu gravierenden Problemen,<br />
nämlich dann, wenn eine Agentur eine<br />
Größenordnung erreicht, die einen<br />
Mitarbeiter erfordert. Häufig ist ein<br />
Agent – das entspricht seiner Position<br />
– ein Einzelkämpfer. Sein IST-<br />
Profil liegt im Normalfall also in etwa<br />
bei E rechts (Punkt 1).<br />
Soll er einen Mitarbeiter führen,<br />
müsste er teamfähig sein, also in etwa<br />
bei C oder D links liegen (Anforderungsprofil<br />
= Punkt 2). Bei einer so<br />
großen Differenz entstehen meist erhebliche<br />
Konflikte in der Mitarbeiterführung.<br />
Die Folgen sind in der Praxis<br />
täglich zu beobachten und brauchen<br />
nicht erläutert zu werden. Solche Situationen<br />
lassen sich in einem Ge-
SEITE 544 NR. 17/1. SEPTEMBER 2001<br />
spräch mit dem Vertriebspartner<br />
durchaus konfliktfrei kommunizieren,<br />
wenn man die Fomulierungsansätze<br />
berücksichtigt. (Diese Skalierung findet<br />
auch Verwendung beim AC, Outplacement<br />
usw.)<br />
Ein erstaunliches Ergebnis zeigte die<br />
Diskussion des Arbeitskreises: Man<br />
ist der Meinung, dass sich die Persönlichkeit<br />
nicht verändern lässt, zumindest<br />
nicht kurzfristig durch Seminare<br />
oder die Arbeit der Führungskräfte.<br />
3. Problemkreis:<br />
Führungskraft und Vertriebspartner<br />
haben Angst vor<br />
Konfrontation im Gespräch<br />
(Punkt 2 der Untersuchung)<br />
Ausgehend von Vorurteilen und<br />
schlechten Erfahrungen haben beide<br />
Seiten Angst, einmal ein Urteil zu fällen<br />
und zum anderen das Urteil zu besprechen.<br />
Häufig kommen auch die<br />
Persönlichkeitskriterien der <strong>Partner</strong><br />
im Gespräch zum Tragen: Sie sind<br />
unter Umständen nicht kritikfähig,<br />
können sich nicht präzise ausdrücken,<br />
Probleme nicht sachlich<br />
analysieren, sie sind harmoniebedürftig<br />
usw. usw. All das ver- oder behindert<br />
ein offenes, konstruktives Gespräch.<br />
Erschwerend kommt dazu, dass die<br />
Führungskraft beim handling der Einschätzung<br />
und im Gesprächsaufbau<br />
große Unsicherheit hat. Nicht zuletzt<br />
braucht eine Einschätzung eine<br />
Meßlatte, an der beurteilt wird. Das<br />
heißt, klare, vorher vereinbarte Ziele.<br />
Nicht nur in der Arbeitsleistung = Produktion,<br />
sondern vor allem in der Arbeitstechnik.<br />
Viele Führungskräfte<br />
haben auch Angst vor Forderungen<br />
der Vertriebspartner nach besseren<br />
Provisionen, Arbeitsentlastung, Hilfsmittel,<br />
Zulagen usw., wenn (zu) positiv<br />
beurteilt wird.<br />
Lösungsansätze:<br />
a) Änderung der Wortwahl in Beurteilungsgesprächen,<br />
um alleine dadurch<br />
das Gespräch zu entschärfen.<br />
Das bedeutet: Die Skalierung<br />
auf das „Optimum“ in der Arbeitstechnik<br />
umzustellen, ebenso wie<br />
im Persönlichkeitsbereich die positiv/positiv-Skalierung<br />
zu wählen.<br />
b) Diese Diktion ist in unserer Gesellschaft,<br />
die eher schwarz/weiß oder<br />
positiv/negativ kennt, nicht üblich<br />
und muss durch Seminare und im<br />
Unternehmen entsprechend dargestellt<br />
werden.<br />
c) Abgesehen von der Wortwahl<br />
muss auf beiden Seiten der Gesprächsaufbau<br />
gelernt und geübt<br />
werden. Viele Gespräche haben<br />
nämlich die Tendenz – aus welchen<br />
Gründen auch immer – aus dem<br />
Ruder zu laufen und sich in Nebenkriegsschauplätzen<br />
zu verlaufen.<br />
c) In großen Zügen sind die Stufen<br />
des Gesprächs:<br />
c) 1. Stufe: Einstieg/Atmosphäre<br />
schaffen<br />
c) 2. Stufe: Situations-/Problem-Darstellung<br />
(Soll : IST-Vergleich der<br />
Daten/Verhaltensweisen)<br />
c) 3. Stufe: Ursachen der Situation<br />
oder Probleme besprechen<br />
c) 4. Stufe: Maßnahmen besprechen,<br />
die diese Ursachen gezielt beheben.<br />
c) 5. Stufe: (Teil-)Ziele vereinbaren,<br />
inkl. Termine<br />
c) 6. Stufe: positiver Abschluss<br />
d) In vielen Fällen bleiben Maßnahmen<br />
und Ziele ausgesprochen vage<br />
und unpräzise, so dass die wesentlichen<br />
Punkte gemeinsam präzisiert<br />
und schriftlich festgehalten<br />
werden sollten.<br />
e) Das EUP-Gespräch soll von allen<br />
finanziellen und organisatorischen<br />
Forderungen und Veränderungen<br />
(zunächst) abgekoppelt werden.<br />
4. Problemkreis:<br />
Keine eindeutigen Ziele<br />
(Punkte 4, 5, 6 und 8 der Untersuchung)<br />
Fragt man die Führungskräfte, wie sie<br />
mit Zielen umgehen, sind alle mehr<br />
oder weniger überzeugt, dass sie diesen<br />
Führungsbereich sehr gut abdecken.<br />
Das mag bei der Arbeitsleistung<br />
= Produktion der Fall sein. Bei<br />
der Arbeitstechnik herrscht normalerweise<br />
Zielnebel vor. Weder Füh-<br />
rungskräfte noch Agenturberater<br />
(letztere nehmen sowieso häufig die<br />
Position eines Boten oder einer EDV-<br />
Hilfskraft ein) sagen eindeutig, welche<br />
Arbeitstechnik in welcher Form<br />
vom Hause für richtig gehalten wird.<br />
Noch nicht einmal in der Einarbeitung<br />
wird hierzu eindeutig Stellung genommen.<br />
Mit einer Ausnahme, nämlich<br />
den entsprechenden Seminaren.<br />
Das Optimum, anhand dessen die Arbeitstechnik<br />
eingeschätzt wird, stellt<br />
aber exakt die Vorstellung der Zentrale<br />
und der Führungskräfte dar, wie<br />
gearbeitet werden soll. Und das sollte<br />
von den Führungskräften sehr<br />
deutlich und immer wieder kommuniziert<br />
werden. Dass bei der Arbeitstechnik<br />
nicht eindeutig gesagt wird,<br />
was das Haus will, hängt stark von<br />
der falschen Ansicht ab, dass man<br />
bei der Arbeitstechnik keine präzisen<br />
Ziele formulieren könnte. Es ist Führungsaufgabe,<br />
auch mit Zielen in der<br />
Arbeitstechnik richtig und präzise<br />
umzugehen.<br />
Dem Arbeitskreis wird in den Diskussionen<br />
immer klarer, dass dies ein<br />
ausschlaggebendes Defizit bei den<br />
Führungskräften ist. Diese dilettieren<br />
eifrig im Zielnebel vor sich hin, anstatt<br />
mit exakten Zielen zu führen. Gleiches<br />
gilt für das Verhalten in den einzelnen<br />
Persönlichkeitskriterien.<br />
Lösungsansätze:<br />
a) Die Zentrale und die Führungskräfte<br />
halten die gewünschten Ziele in<br />
der Arbeitstechnik anhand eines<br />
Handbuchs eindeutig fest (wohl<br />
wissend, dass solche Handbücher<br />
nicht gelesen werden!)<br />
b) Die Führungskräfte trainieren die<br />
Zielformulierung im quantitativen<br />
und qualitativen Bereich.<br />
c) Notfalls werden die im Gespräch<br />
besprochenen Teilziele des Optimums<br />
protokolliert.<br />
d) Das ist insofern wichtig, weil die<br />
vereinbarten Ziele in der Arbeitstechnik<br />
von Vertriebspartner zu<br />
Vertriebspartner sehr unterschiedlich<br />
sind.<br />
e) Die EUP hat nicht nur den Zweck,<br />
Defizite und (Teil-)Ziele festzuhalten,<br />
sondern effizient zu unterstüt-
NR. 17/1. SEPTEMBER 2001 SEITE 545<br />
zen, zu verbessern und den Vertriebspartner<br />
weiterzuentwickeln.<br />
Aus diesem Grunde müssen aus<br />
den jeweiligen Begründungen<br />
(Abb. 4, Punkt 4) die jeweiligen<br />
Maßnahmen ausgewählt und festgehalten<br />
werden.<br />
Herr Schuch und sein Arbeitskreis<br />
sind der Meinung, dass alle anderen<br />
in Untersuchung des Innendienstes<br />
aufgeführten Punkte zum großen Teil<br />
durch die Lösungsansätze erfasst<br />
sind, oder zum Teil keine eigentliche<br />
Rolle spielen. Herr Dr. Dräger allerdings<br />
– als Psychologe und Personalentwickler<br />
– insistiert hartnäckig,<br />
dass dort noch wesentliche Ängste<br />
und Demotivationsfaktoren verborgen<br />
sind, die grundsätzlich berücksichtigt<br />
werden müssten. Er warnt<br />
eindringlich davor, diese Faktoren zu<br />
vernachlässigen und wirft einen Analyse-Ansatz<br />
für die Motivation in die<br />
Diskussion.<br />
Motivation und Demotivation<br />
Er stellt zunächst die Frage: „Welche<br />
Motive könnten die Führungskräfte<br />
(und Vertriebspartner) bewegen, die<br />
EUP zu akzeptieren und anzuwenden?“<br />
Diese Frage, meint er, hätte<br />
man zwar in den Lösungsansätzen<br />
schon andiskutiert, man müsse das<br />
aber im Gesamtansatz berücksichtigen.<br />
Er legt deshalb dem Arbeitskreis<br />
eine ganz einfache Graphik zur Diskussion<br />
vor (Abb. 7).<br />
Als nach zähen und langen Diskussionen<br />
die Liste oben und unten halbwegs<br />
komplett ist, schlägt Dr. Dräger<br />
vor, die einzelnen Punkte so zu gewichten,<br />
wie sich die Situation im Unternehmen<br />
praktisch darstellt. Nach<br />
dieser Bewertung zeigt sich eindeutig,<br />
dass eine Motivation die EUP<br />
einzusetzen bei den Führungskräften<br />
mit 19 Punkten zwar vorhanden ist,<br />
die Demotivation mit 43 Punkten diese<br />
aber bei weitem überwiegt. Folge<br />
ist, dass die EUP vermutlich nur zögerlich<br />
oder gar nicht von den<br />
Führungskräften in Angriff genommen<br />
wird. Das Protokoll dieser Diskussion<br />
ergibt eine weitere Vorlage<br />
für Herrn B. Schuch.<br />
Die bei den Vertriebspartnern ähnlich<br />
durchgeführte Motivationsanalyse<br />
fiel noch krasser aus, d.h. die Punktedifferenz<br />
war noch größer. Herr Dr.<br />
Gewichtung<br />
I. Motivation der Führungskräfte (1-10)<br />
Motive das Zielverhalten zu zeigen<br />
t<br />
t<br />
1. Verantwortung für die Vertriebspartner 2 Punkte<br />
2. ein neues Führungs-Tool lernen (Neugierde) 1 Punkte<br />
3. mit Vertriebspartnern professionell umgehen 3 Punkte<br />
4. Spaß an der Herausforderung 1 Punkte<br />
5. Anerkennung durch den Vertriebspartner 1 Punkte<br />
6. ... ...<br />
7. ... usw. ...<br />
8. ... ...<br />
Gesamt: 19 Punkte<br />
Zielverhalten: Die Akzeptanz und<br />
(Was wollen wir?) Anwendung der EUP<br />
1. Angst vor Konflikt 8 Punkte<br />
2. Angst vor Kontrolle 6 Punkte<br />
3. Angst vor dem Vertriebspartner 7 Punkte<br />
4. Zeitverlust 5 Punkte<br />
5. Desinteresse am Vertriebspartner 7 Punkte<br />
6. ... ...<br />
7. ... usw. ...<br />
8. ... ...<br />
Gesamt: 43 Punkte<br />
II. Demotivation der Führungskräfte<br />
Motive das Zielverhalten zu vermeiden<br />
Abbildung 7<br />
Dräger zieht vor dem Arbeitskreis einen<br />
ganz einfachen Schluss: „Um die<br />
Führungskräfte zu motivieren, sollten<br />
wir in unserem strategischen Konzept<br />
– neben den genannten Problembereichen<br />
– vorwiegend die<br />
Punkte 2 und 3 von Motivation und<br />
die Punkte 1, 3 und 5 von Demotivation<br />
berücksichtigen.“<br />
Herr Dr. Dräger erntet in seinem Arbeitskreis<br />
zwar einige böse Blicke<br />
und den Kommentar, dass die Aussichten<br />
der Führungskräfte auf eine<br />
Superprovision wohl als Motivationsansatz<br />
genügen müsse, aber<br />
auch nachdenkliche Mienen.<br />
Strategisches Konzept<br />
Der Arbeitskreis hat die hauptsächlichen<br />
Probleme diskutiert und Lösungsansätze<br />
erarbeitet. Die Kollegen<br />
lehnen sich genüsslich zurück, in<br />
der Meinung die Hauptarbeit (des Arbeitskreises)<br />
sei nun getan.<br />
Doch Dr. Dräger hat sich bereits anderweitig<br />
mit seiner konsequenten<br />
Haltung unbeliebt gemacht. Und so<br />
argumentiert er erneut: „Wie ich<br />
schon gesagt habe, wir müssen noch<br />
ein strategisches Konzept erarbeiten.<br />
Die meisten derartigen Projekte gehen<br />
in die Hose – nicht weil die Arbeitsabläufe,<br />
Systeme, EDV-Programme<br />
usw. falsch sind – sondern<br />
die eingebundenen Personen und<br />
deren Haltung nicht im Konzept berücksichtigt<br />
worden sind. Hier also<br />
die Führungskräfte, die Vertriebspartner<br />
und natürlich auch der Hausverein.<br />
In einer solchen Gesamtkonzeption<br />
hat die Lösung der organisatorischtechnischen<br />
Probleme ein Gewicht<br />
von ca. nur 30%, aber die Lösung der<br />
„affektiven“ d.h. der motivatorischen<br />
Probleme ein Gewicht von ca. 70%.<br />
Schauen Sie sich die Projekte, die gescheitert<br />
sind einmal näher an. Alle<br />
haben den Faktor Mensch größtenteils<br />
unberücksichtigt gelassen.<br />
Ein Beispiel: In einer Bank (Größe:<br />
2.900 Mitarbeiter), wurde vor zwei<br />
Jahren die Mitarbeiterbeurteilung
SEITE 546 NR. 17/1. SEPTEMBER 2001<br />
eingeführt. Nur per Dienstanweisung.<br />
Die Information lief über E-Mail. Vor<br />
zwei Monaten musste die Mitarbeiterbeurteilung<br />
zurückgezogen werden,<br />
weil sowohl die Führungskräfte<br />
als auch die Mitarbeiter die Beurteilung<br />
ablehnten, verzögerten oder total<br />
falsch angewendet haben. Die<br />
nächsten mindestens fünf Jahre ist<br />
das Thema damit weg vom Fenster,<br />
obwohl dieses Instrument gerade in<br />
dieser Bank eine Wohltat wäre.“<br />
Herr Dr. Dräger, Personalentwickler,<br />
skizziert am Flipchart einige Eckpunkte,<br />
die beim strategischen Konzept<br />
der Einführung zu berücksichtigen<br />
sind:<br />
1. Grundsätzlich muss das Thema<br />
mit dem Hausverein abgestimmt<br />
werden. Von Anfang an.<br />
2. Die Dauer der Einführung ist auf ca.<br />
zwei Jahre anzusetzen, da es sich<br />
um einen Entwicklungsprozess<br />
handelt.<br />
3. Die EUP ist von oben nach unten<br />
durchzuführen, d.h. auch die angestellten<br />
Führungskräfte müssen<br />
mit einbezogen werden. Allerdings<br />
unter anderen Voraussetzungen.<br />
4. Der Prozess muss step by step eingeleitet<br />
und jeder Schritt kontrolliert<br />
werden. Auf Probleme und Erfolge.<br />
5. Der Prozess muss durch entsprechende<br />
Kommunikation transparent<br />
gemacht und somit entkrampft<br />
werden.<br />
6. Es muss vorgesehen werden, dass<br />
alle Führungskräfte dieses Management-Tool<br />
nutzen müssen. Freiwilligkeit<br />
ist ab der letzten Einführungsstufe<br />
kontraproduktiv.<br />
7. Der Einsatz der EUP muss gemessen<br />
werden: An der Zahl und Qualität<br />
der Einschätzungen und letztendlich<br />
an der erzielten Produktionssteigerung.<br />
8. Als Konsequenz soll die erfolgreiche<br />
Anwendung der EUP ein Baustein<br />
in der Karriere der Führungskraft<br />
und des Vertriebspartners<br />
sein. Letzterer wird allerdings auch<br />
über die vermehrten Provisionen<br />
belohnt.<br />
Viele Freunde hat sich Herr Dr. Dräger<br />
mit diesen Punkten im Arbeitskreis<br />
nicht gemacht. Denn nun geht die Arbeit<br />
mit der Konzeptionserstellung<br />
unerwartet weiter. Es ist nicht leicht,<br />
die unterschiedlichen Meinungen<br />
über die groben Arbeitsschritte in einer<br />
strategischen Konzeption unter<br />
einen Hut zu bringen. Die Führungskräfte<br />
tun sich schwer mit präzisen<br />
Formulierungen, klaren Zielen und<br />
punktgenauen Terminen. Und so gibt<br />
es an der Moderationswand ein ziemlich<br />
zeitaufwendiges Hin und Her.<br />
Arbeitsschritt Verantwortlich Zeitbedarf<br />
1. Vorlage und Entscheidung Vertriebsvorstand.<br />
Vertrieb/<br />
Schuch<br />
2. Bei positiver Einscheidung Information und Vorgehens- Vertrieb/<br />
diskussion Vertreter „Vertriebspartner“. Hausverein<br />
3. Bei positivem Verlauf:<br />
– Auswahl und Information Pilotgruppe<br />
– Entwicklung der formalen Bedingungen Vertrieb<br />
– (Einschätzungsformular) PE<br />
– Erarbeitung der praktischen Vorgehensweise Hausverein<br />
– Planung von Einführungsveranstaltung Presseabteilung<br />
– Konzeption von Seminaren für die Pilotgruppe<br />
– Kommunikationskonzept<br />
2 Wochen<br />
2 Wochen<br />
6 Wochen<br />
4. Durchführung von EUP-Seminaren. PE 2 Tage<br />
5. Umsetzung des EUP in die Praxis in der Pilotgruppe<br />
(inkl. Coaching durch PE) mit Maßnahmenpläne<br />
zur Unterstützung.<br />
6. Umsetzung der Maßnahmenpläne zur Unterstützung.<br />
Vertrieb/PE<br />
Vertriebspartner<br />
Vertrieb/PE<br />
Vertriebspartner<br />
3 Wochen<br />
6 Wochen<br />
7. Erste Erfolgskontrolle und Feedback-Tage mit Füh- Vertrieb/PE<br />
rungskräften, Vertriebspartnern und Hausverein Vertriebspartner 4 Tage<br />
(inklusive Problemlösungen usw.). Hausverein<br />
8. Kommunikation Hauszeitung, Hausverein, Vorstandsgespräche<br />
mit Pilotgruppe (Probleme, Erfolge,<br />
Stimmung, Produktion usw.).<br />
9. Erneuter Durchlauf in der Pilotgruppe<br />
von Arbeitsschritt 5-8.<br />
Presseabteilung<br />
Hausverein<br />
. Vertrieb/<br />
10. Notfalls Überarbeitung des gesamten Systems<br />
Hausverein<br />
laufend<br />
Vertrieb/PE<br />
Vertriebspartner 12 Wochen<br />
Presseabteilung<br />
11. Umsetzung des verbesserten EUP-Systems in einer Vertrieb/PE<br />
Region. (Diesmal keine Freiwilligkeit bei den Führungs- Presse<br />
kräften, aber bei den Vertriebspartnern.) Hausverein<br />
Siehe Arbeitsschritte 4-9. Vertriebspartner<br />
12. Erste Karriereschritte der Führungskräfte (und der<br />
Vertriebspartner) aus der Pilotgruppe.<br />
13. Abschließend Kommunikation über das System EUP<br />
und deren Erfolge.<br />
14. Verbindliche Einführung des Systems-EUP im ganzen.<br />
Abbildung 8<br />
6 Wochen<br />
40 Wochen<br />
Vertrieb –<br />
Presseabteilung 2 Wochen<br />
Vertrieb<br />
PE<br />
laufend<br />
Schließlich liegt als Kompromiss die<br />
folgende Vorgehensweise im Konzept<br />
und zur Vorlage bei Dr. Meyer-<br />
Müller bzw. Herrn Schuch vor.<br />
Der Arbeitskreis ist stolz auf sich. Er<br />
hat die Entscheidungsunterlagen für<br />
Dr. Meyer-Müller bzw. Herrn Schuch<br />
dank der Hilfe von Herrn Dr. Dräger<br />
gründlich diskutiert, sauber strukturiert<br />
und festgehalten. Und natürlich<br />
hübsch farbig auf Folie gebracht.<br />
Nachdem Dr. Meyer-Müller nun fünf<br />
Wochen Zeit hatte, sich das Thema
NR. 17/1. SEPTEMBER 2001 SEITE 547<br />
durch den Kopf gehen zu lassen,<br />
zeigt er nach der Vorlage der Unterlagen<br />
und der Diskussion mit Herrn<br />
Schuch und Herrn Dr. Dräger nun<br />
doch so etwas wie eine positive Einstellung.<br />
Mit geistig gehobenem Zeigefinger<br />
stimmt er dem Projekt zu,<br />
unter der Voraussetzung, dass dies<br />
auch der Hausverein tut.<br />
Projektmanagement<br />
Dr. Dräger grinst nahezu unverschämt<br />
und konstatiert etwas ironisch:<br />
„Dann liegt das Ownership für<br />
dieses Projekt nun wohl bei Ihnen?<br />
Können wir diese Vorlagen unter den<br />
genannten Voraussetzungen als Projektauftrag<br />
übernehmen?“. Dr. Meyer-Müller<br />
weiß als Humanist sofort,<br />
was er unter Ownership und Projektauftrag<br />
zu verstehen hat und<br />
nickt: „Allerdings erbitte ich vorher<br />
noch eine entsprechende Projektkalkulation.“<br />
Nochmals beruft Dr. Dräger seinen<br />
Arbeitskreis ein und bittet um Mithilfe<br />
bei der Strukturierung des Projektes.<br />
Als erstes hält er in einer Graphik die<br />
Abbildung 9<br />
Organisation des Projekts inklusive<br />
der Beteiligten fest.<br />
Sie diskutieren, welcher Kollege im<br />
Hause wesentliches zu dem Erfolg<br />
des Projektes beitragen kann und wie<br />
die entsprechende Einladung aussehen<br />
könnte. Dr. Dräger hat längst die<br />
Denkwürdigkeit im Arbeitskreis erkannt<br />
und schlägt deshalb zur Erleichterung<br />
aller vor: „Ich nehme es<br />
auf meine Kappe und bereite für unser<br />
nächstes Treffen folgendes vor:<br />
1. Definition und Inhalt des Projektauftrags<br />
2. Überarbeitung der Arbeitsschritte<br />
und Zeitplan<br />
3. Aufwandschätzung (Kosten)<br />
4. Aufgaben für die Projektmitarbeiter<br />
5. Teilschritte und Kontrollmeßlatte<br />
6. Inhalt Zwischen- und Schlussbericht.<br />
„Leider sieht das gewaltig nach Bürokratie<br />
aus, meine Herren. Wenn wir<br />
aber erfolgreich sein wollen, müssen<br />
wir systematisch bis zum Schluss<br />
und exakt Punkt für Punkt aufarbeiten.<br />
Sonst versandet unser hübsches<br />
Projekt oder – noch schlimmer: Es<br />
wird ein Flop.“<br />
Schlussbemerkung<br />
Alle waren skeptisch, den Vertriebspartnern<br />
etwas so Negatives wie die<br />
„Einschätzung des Unterstützungspotenzial“<br />
alias Mitarbeiterbeurteilung<br />
anzubieten. Dr. Drägers Magengeschwüre<br />
hatten wieder Hochkonjunktur,<br />
weil es manchmal den<br />
Anschein hatte, dass die thematisch<br />
gelösten Probleme in der Praxis dann<br />
doch unüberwindlich seien. Dank des<br />
guten Projektteams, das sich gegenseitig<br />
immer wieder motivierte, der<br />
einfühlsamen Problemsicht von Dr.<br />
Dräger und dessen Konsequenz, fast<br />
Sturheit, gelang es Schritt für Schritt<br />
die positive Einstellung der Vertriebspartner<br />
auf- und Magengeschwüre<br />
abzubauen.<br />
Auch Dr. Meyer-Müller war letztlich<br />
hochzufrieden und äußerte immer<br />
wieder: „Ich habe es ja gleich gesagt<br />
...“. Kein Wunder: Als direkter Erfolg<br />
des nach zwei Jahren umgesetzten<br />
EUP stieg die Produktion der eingebundenen<br />
Vertriebspartner um<br />
31% gegenüber dem Vorjahr. Die<br />
nicht „eingeschätzten Vertriebspartner“<br />
dümpelten dagegen mit 5,4%<br />
sogar noch unter dem Branchenschnitt.<br />
Wo steht<br />
der Vermittler?<br />
Es gibt eine große Zahl von Vermittlern<br />
für Versicherungen, vornehmlich,<br />
wenn sie ihre Berufstätigkeit aufnehmen,<br />
die nicht darüber informiert<br />
sind, in welchem wirtschaftspolitischen<br />
Umfeld sie eigentlich arbeiten.<br />
Im Zeitalter der Globalisierung wird<br />
für jeden von ihnen immer wichtiger,<br />
seinen Standpunkt zu erkennen – und<br />
dass es außer dem Dreieck „Kunde –<br />
Agent –- Versicherer“ Institutionen<br />
gibt, die mitbestimmend dafür sind,<br />
dass seine grundsätzlichen Interessen<br />
gewahrt werden.<br />
Zu solcherlei Aufklärung will die neu<br />
erschienene Broschüre „Zeitdoku-
SEITE 548 NR. 17/1. SEPTEMBER 2001<br />
mentation 2000/2001– 10 Jahre VV-<br />
ME“ einen Beitrag leisten. Sie wurde<br />
von der „Vereinigung der hauptberuflichen<br />
Vertreter bei den MecklenburgischenVersicherungs-Gesellschaften<br />
e.V.“ aus Anlass ihres 10-jährigen<br />
Bestehens herausgebracht.<br />
Darin stellen sich mit ihren Arbeitsfeldern<br />
vor: Bundesverband Deutscher<br />
Versicherungskaufleute (BVK), Ar-<br />
EU-Vermittler-Richtlinie –<br />
Ein Sturm im Wasserglas?<br />
Ab dem 1. Januar 2004 stehen Versicherungsvermittler,<br />
und hier insbesondere<br />
die Versicherungsmakler,<br />
buchstäblich im Regen, wenn sie bis<br />
dahin nicht lizenziert sind. Versicherungsgesellschaften<br />
dürfen dann von<br />
diesen Vermittlern keine Dienstleistungen<br />
mehr annehmen. So steht es<br />
zumindest in dem Brüsseler Entwurf<br />
zur EU-Vermittler-Richtlinie.<br />
Mit diesem Inhalt wird in der Makler-<br />
Szene Stimmung gemacht. Es werden<br />
Seminare abgehalten, in denen<br />
den Vermittlern deutlich gemacht<br />
werden soll, dass sie aufgrund der<br />
vorliegenden Empfehlung de facto ab<br />
diesem Stichtag kein privates Geschäft<br />
mehr vermitteln dürfen. Und<br />
bekanntlich verdient man mit der<br />
Angst der Menschen immer gut! Immerhin<br />
sind in Deutschland rd.<br />
30.000 Makler bei der AVAD registriert,<br />
von denen ungefähr die Hälfte<br />
als „Karteileichen“ gelten. Von der<br />
anderen Hälfte werden ca. 10% von<br />
den Maklerverbänden vertreten, so<br />
dass 13.500 Makler vor dem „Aus“<br />
stünden. Ein gewaltiges Potenzial für<br />
Seminare!<br />
Und wenn man das Thema konsequent<br />
zu Ende denkt, müsste man zu<br />
dem Ergebnis kommen, dass die<br />
Makler sogar ihre Bestände verlören<br />
– und das ohne Abfindung!<br />
Die Zeitschrift für Versicherungswesen<br />
hat bei den Versicherern und Verbänden<br />
nachgefragt und sie um eine<br />
Stellungnahme zur Vermittler-Richtli-<br />
beitskreis Vertretervereinigungen der<br />
Deutschen Assekuranz (AVV), Aktionsgemeinschaft<br />
wirtschaftlicher<br />
Mittelstand (AWM) und der Bundesverband<br />
der Assekuranzführungskräfte<br />
VGA. Die Broschüre kann zum<br />
Selbstkostenpreis von 10 DM bestellt<br />
werden bei: VV-ME, Postfach<br />
690237, 30611 Hannover, Fax 0511-<br />
550971 oder E-Mail: sekretariat@vvme.de.<br />
nie gebeten. Dabei war guter Rat teuer.<br />
Bei unseren Recherchen glaubten<br />
wir teilweise sogar, dass das oben<br />
beschriebene Szenario tatsächlich so<br />
oder ähnlich eintreten wird, weil manche<br />
Gesellschaften uns gleich an den<br />
Gesamtverband der Versicherungswirtschaft<br />
verwiesen oder unsere Anfrage<br />
dorthin zur Beantwortung weitergeleitet<br />
haben. Andererseits erhielten<br />
wir Anrufe mit dem Hinweis,<br />
man könne unsere Fragen nicht<br />
schriftlich beantworten, wolle uns<br />
aber gern Hintergrundinformationen<br />
geben.<br />
Natürliches Misstrauen ist immer gut,<br />
und so wurden wir hellhörig, zumal<br />
nur der BDVM (Bund Deutscher Versicherungsmakler)<br />
als Maklerorganisation<br />
bereit war, auf die Thematik<br />
einzugehen und umfassende Informationen<br />
bereit zu stellen. Beim<br />
größten deutschen Vermittler-Interessenverband,<br />
dem Bundesverband<br />
deutscher Versicherungskaufleute<br />
(BVK), war unsere Anfrage verloren<br />
gegangen und bedurfte einer Erinnerung,<br />
der VMV antwortete überhaupt<br />
nicht. Dabei gingen wir eigentlich davon<br />
aus, dass gerade die Vermittlerorganisationen<br />
ein bedeutendes Interesse<br />
an diesem Thema haben<br />
müssten, weil die von ihnen vertretene<br />
Klientel besonders betroffen ist.<br />
Wie geht es weiter?<br />
Die Mitgliedsstaaten haben den Entwurf<br />
zur Stellungnahme erhalten. Die<br />
Schweden, die bis zum 30. Juni 2001<br />
die Präsidentschaft inne hatten, haben<br />
einen Vorschlag zum vorliegenden<br />
Entwurf gemacht, der im Europäischen<br />
Rat voraussichtlich noch<br />
im September d. J. zur Abstimmung<br />
vorgelegt wird. Dann wird im Rat und<br />
im Parlament beraten. Erfahrungsgemäß<br />
– so der GDV – ergeben sich<br />
dann Änderungsvorschläge, die an<br />
die Kommissionen weiter geleitet<br />
werden, ggfs. auch an den Vermittlungsausschuss.<br />
Wenn dann die Vermittler-Richtlinie<br />
verabschiedet wird, haben die Mitgliedsländer<br />
noch bis zu drei Jahre<br />
Zeit, sie in nationales Recht umzuwandeln.<br />
Fest scheint allerdings<br />
schon zu stehen, dass alle Versicherungsvermittler<br />
in einem zentralen<br />
Register registriert sein müssen. Wo<br />
dies nun angesiedelt wird, ist noch<br />
offen, aber von untergeordneter Bedeutung.<br />
Die Vermittler werden einen<br />
Leistungsnachweis erbringen müssen.<br />
Ob die Befähigung zum BWV<br />
ausreicht, ist noch nicht abschließend<br />
geklärt. Man geht aber innerhalb<br />
der Versicherungswirtschaft davon<br />
aus.<br />
Nach derzeitigem Stand der Dinge<br />
scheint es so zu werden, dass nebenberufliche<br />
Vermittler diesen Nachweis<br />
nicht zu erbringen haben. Dagegen<br />
wehren sich die Vermittlerverbände.<br />
Es bleibt aber abzuwarten, ob<br />
sie sich gegen die Lobby der Versicherer<br />
durchsetzen können. Aus<br />
Sicht der Verbraucher tun sich die<br />
Versicherer damit keinen Gefallen,<br />
wenn sie auf Qualitätszertifikate verzichten.<br />
Hier ist insbesondere an die<br />
Strukturvertriebe und die vielen „Vertrauensleute“<br />
in den Behörden zu<br />
denken.<br />
Für alle bereits heute tätigen hauptberuflichen<br />
Versicherungsvermittler<br />
scheint Entwarnung angesagt: Man<br />
strebt von deutscher Seite an, dass<br />
die Vermittler mit mehrjähriger Berufstätigkeit<br />
und -erfahrung keine<br />
neuen Prüfungen mehr ablegen sollen.<br />
Die Bundesregierung bemüht<br />
hier sogar das Grundgesetz im Hinblick<br />
auf die Gewerbefreiheit. Ob sie<br />
damit allerdings gut beraten ist, ist<br />
zweifelhaft, wenn man an die Zugangsvoraussetzungen<br />
der Freien<br />
Berufe denkt. Auch hier ist die Gewerbefreiheit<br />
nicht unbedingt ersichtlich.<br />
BERND SEEHER