theaterWal stadtTheater walfischgasse
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<strong>theaterWal</strong><br />
AusgAbe sepTember 2011 ☎ 512 42 00<br />
die sonne scheint auch auf die mörder<br />
der Tod und das mädchen<br />
wirft aufwühlende Fragen auf und will bequeme Antworten schuldig bleiben<br />
„Der Tod und das Mädchen“ des chilenischen<br />
Dramatikers Ariel Dorfman ist eines der erfolgreichsten<br />
Theaterstücke der letzten Jahre.<br />
Im Spielfilm spielten den Psychothriller unter<br />
der Regie von Roman Polanski Sigourney<br />
Weaver und Ben Kingsley. In der Eigenproduktion<br />
des <strong>stadtTheater</strong>s, mit Anita<br />
Ammersfeld, Hannes Gastinger und Willy<br />
Höller, in der Regie von Thomas Schendel,<br />
werden einmal mehr die Fragen gestellt, die<br />
keine leichten Antworten zulassen.<br />
Die Geschichte spielt in einem Land, das<br />
sich nach langer Diktatur zu einer demokratischen<br />
Regierung bekennt und zeigt die<br />
harschen Spuren, die abstrakte politische<br />
6 <strong>theaterWal</strong><br />
Ideologie in konkreten lebenden Menschen<br />
hinterlassen hat. Es ist ein Drama über sexuelle<br />
Gewalt, über die Liebe und ihre Wunden.<br />
Es wirft viele Fragen auf und entlässt<br />
den Zuschauer nicht aus der Verantwortung,<br />
sie selbst zu beantworten, denn unversehens<br />
sitzt das Publikum auf der Geschworenenbank.<br />
War er´s, war er´s nicht? Was ist die Unschuldsbeteuerung<br />
eines Mannes wert, der<br />
der Vergewaltigung und der Folter angeklagt<br />
wird? Was ist die Erinnerung einer traumatisierten<br />
Frau wert? Ist der Klang einer<br />
Stimme Indiz genug? Können Erinnerungen<br />
täuschen?<br />
Foto: Sepp Gallauer<br />
Wer ist Opfer, Täter, Retter?<br />
eigenproduktion<br />
Auch die Psychologie hat das Phänomen von<br />
Schuld und Wahrheit zu ergründen versucht.<br />
So beschreibt das „Dramadreieck“ nach<br />
Stephen Karpman Beziehungsmuster. Es<br />
besagt, dass, wenn mindestens zwei Personen<br />
aufeinander treffen, sie dazu neigen werden<br />
- situationsbedingt oder weil sich im Lauf<br />
eines Lebens bestimmte Muster aufbauen -<br />
eine von drei Rollen, die des Opfers, des Täters<br />
oder des Retters, anzunehmen. Wechselt<br />
man aber, gedanklich oder im Verhalten, die<br />
Perspektiven, kann jeder bewusst oder unbewusst<br />
in jede dieser Rollen einsteigen oder<br />
hineingeraten:<br />
Paulina in „Der Tod und das Mädchen“, die<br />
Folter und Vergewaltigung überlebt hat, ist<br />
auf den ersten Blick ganz eindeutig Opfer.<br />
Aber ist ein Opfer immer Opfer? Könnte<br />
es auch zum Täter werden? Ist die zerstörte<br />
Paulina noch Opfer, wenn sie Dr. Miranda,<br />
den sie als ihren Folterer zu erkennen meint,<br />
fesselt, quält und mit dem Tod bedroht? Ist<br />
die Umkehr der Ohnmacht, die Lust an der<br />
Macht über den Peiniger, eine Zone, die endlich<br />
vor Verletzlichkeit schützt? Rettet Paulina<br />
gar den Täter, wenn sie ihm einen Ausweg<br />
in die Opferrolle ermöglicht? Bis zu welcher<br />
Grenze ist ein Handeln mit dem Drang nach<br />
Vergeltung für die, die einen gedemütigt, gequält<br />
und verletzt haben, gerechtfertigt?<br />
Und wann wird der Täter zum Opfer? Ist<br />
Roberto Miranda seiner möglichen Schuld<br />
enthoben, wenn er selbst zum Opfer wird?<br />
Was sind Folterer für Menschen? Sind sie<br />
harmloser, wenn sie scheinbar freundlich<br />
sind? Oder hat Folter so oder so nur das eine<br />
Ziel das Opfer in seiner ganzen Integrität,<br />
seinen Körper und seine Seele, zu zerstören,<br />
es auszustoßen, ihm jedes Grundvertrauen zu<br />
rauben, dafür zu sorgen, dass es den Rest seines<br />
Lebens nur noch in Angst, Erniedrigung<br />
und Selbstablehnung ertragen kann, selbst<br />
wenn es entkommt?<br />
Ist Gerardo, Paulinas Mann, wirklich der<br />
Gute, der Retter? Oder gibt es den Zeitpunkt,<br />
an dem ein Retter zum Täter wird? Ist<br />
Gerardo im Recht wenn er verhindern will,<br />
dass seine Frau die Zufallsbekanntschaft Dr.<br />
Miranda umbringen will? Oder macht ihn<br />
gerade das selbst zum Verfolger der Frau, die<br />
er zu beschützen vorgibt? Warum ist sie bei<br />
ihm geblieben und fühlt sich sicher bei ihm,