theaterWal stadtTheater walfischgasse
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nach der probe: die sehnsucht nach normalität<br />
der <strong>theaterWal</strong> im gespräch mit dem ensemble von der Tod und das mädchen<br />
Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die<br />
Thematik von „Der Tod und das Mädchen“<br />
nur allzu real ist, dass Diktatur, Menschenverachtung,<br />
Folter, Vergewaltigung nur<br />
allzu oft genauso und noch viel schlimmer<br />
geschehen sind und weiter geschehen, rührt<br />
das an die Erträglichkeitsgrenze menschlichen<br />
Fassungsvermögens. Gleichzeitig<br />
ist aber dem Ensemble und dem Publikum<br />
die Erleichterung geschenkt zu wissen, dass<br />
Grausamkeit und Unmenschlichkeit am<br />
Theater zwar die Realität abbilden, aber dass<br />
es letztlich doch nur Theater ist.<br />
Ähnlich fühlt es sich an, wenn das Ensemble<br />
nach einer intensiven und anstrengenden<br />
Probe dieser Geschichte von Tätern und<br />
Opfern aus dem tiefsten Sumpf menschlicher<br />
Abgründe wieder in die moderate Alltagsrealität<br />
auftaucht, wenn die Schauspieler wieder<br />
in die Behaglichkeit der eigenen Persönlichkeit<br />
zurückschlüpfen und etwas Harmloses<br />
und Entspanntes tun – zum Beispiel sich einem<br />
Gespräch mit dem <strong>theaterWal</strong> und miteinander<br />
als Theaterkollegen zu stellen.<br />
Aber ganz einfach ist es bei einem Gespräch<br />
dann doch nicht, die ambivalenten Gefühle<br />
und Ansichten, die jede einzelne der Figuren<br />
des Stücks und ihre Handlungen auslösen,<br />
völlig ad acta zu legen. Hier gibt es keine<br />
schwarz-weißen Antworten. Grell ist das<br />
Licht am Theater, grau ist die Farbe der Realität...<br />
Die handelnden Personen in<br />
alphabetischer Reihenfolge:<br />
Anita Ammersfeld (Paulina)<br />
Hannes Gastinger (ihr Mann Gerardo)<br />
Willy Höller (Dr. Miranda)<br />
Sabine Pribil (die Produktionsleiterin)<br />
Thomas Schendel (der Regisseur)<br />
JEDER üBER JEDEN<br />
<strong>theaterWal</strong>: Wenn jeder von euch über jeden<br />
hier etwas Positives und etwas Negatives<br />
sagen müsste, was wäre das?<br />
Der Regisseur: Gastinger ist stur, Höller<br />
diszipliniert und Ammersfeld passt nicht<br />
auf<br />
Thomas Schendel: Etwas Positives?<br />
Anita Ammersfeld: Es fällt ihm nichts ein.<br />
Etwas Positives fällt ihm nicht ein.<br />
Thomas Schendel: Also da kann ich nur<br />
zusammenfassen: drei gute Schauspieler mit<br />
denen es Spaß macht zu arbeiten.<br />
<strong>theaterWal</strong>: Und andererseits?<br />
Thomas Schendel: Andererseits... Hannes<br />
ist ein Sturschädel, Willy reißt sich beispielhaft<br />
zusammen, und Anita ist oft ungeduldig<br />
und passt manchmal nicht auf.<br />
Anita Ammersfeld: Was?<br />
Thomas Schendel: ...passt nicht auf.<br />
Anita Ammersfeld: Das find ich aber jetzt<br />
unfair.<br />
Hannes Gastinger: Ja, das ist ein bisschen<br />
unfair, finde ich.<br />
Hannes Gastinger: Höller ist wunderbar,<br />
Ammersfeld ist wunderbar, Schendel ist<br />
stur<br />
<strong>theaterWal</strong>: Hannes, was gibt‘s Positives<br />
und Negatives über die anderen zu sagen?<br />
Hannes Gastinger: Zu Willy Höller kann<br />
ich nur ganz wenig sagen, weil wir uns erst<br />
kennen lernen. Da kann ich jetzt nach den<br />
paar Proben, die wir gehabt haben, nur sagen,<br />
es ist wunderbar mit ihm zu arbeiten.<br />
Mit Anita habe ich eine wunderbare Partnerin,<br />
wo in einer spontanen Art und Weise<br />
ganz viel zurück kommt auf das ich dann<br />
auch genauso direkt wieder reagieren kann.<br />
Obwohl sie eine sehr überlegte und überlegene<br />
Schauspielerin ist und immer alles ge-<br />
Foto: Sepp Gallauer<br />
<strong>theaterWal</strong><br />
www.stadttheater.org<br />
Interview<br />
nau wissen will, ist das bei ihr trotzdem keine<br />
Kopfgeburtsgeschichte, sondern immer dort<br />
basiert, wo es hingehört. Das Negative... mir<br />
fällt da im Moment …<br />
Anita Ammersfeld: Du kannst es ruhig sagen!<br />
Hannes Gastinger: … ich überlege ja gerade.<br />
Bei der letzten Produktion (Anmerkung<br />
der Redaktion: „Kleine Eheverbrechen“)<br />
habe ich manchmal das Gefühl gehabt, du<br />
bist eigentlich woanders, also eher bei deinem<br />
Hauptjob als Direktorin. Es war dann<br />
aber wieder schön, dass wir das beide auch<br />
immer sofort gemerkt haben und beim<br />
nächsten Mal war’s sofort wieder ganz neu<br />
und ganz da.<br />
<strong>theaterWal</strong>: Und wie ist der Thomas Schendel?<br />
Hannes Gastinger: Thomas ist ein Sturschädel,<br />
um es zurück zu geben. Auf der anderen<br />
Seite ist es wunderbar, dass er auch selber<br />
Schauspieler ist, weil er versteht, was wir<br />
da oben treiben. Er ist aber trotzdem auch<br />
ein konzeptioneller Mensch, und obwohl er<br />
sicher eine genaue Vorstellung davon hat, wie<br />
er das spielen würde, ist er irrsinnig offen für<br />
Dinge, die von uns kommen. Und er ist sehr,<br />
sehr genau und das ist für mich auch sehr<br />
wichtig und gut.<br />
<strong>theaterWal</strong>: Du hast es schwer. Thomas<br />
Schendel ist stur und Anita Ammersfeld lebt<br />
auf einem anderen Planeten.<br />
Anita Ammersfeld: Nur wenn ich gerade<br />
Direktorin bin.<br />
Anita Ammersfeld: Schendel zerstört Sessel,<br />
Gastinger widerspricht, Höller bleibt<br />
geduldig<br />
<strong>theaterWal</strong>: Willst du auch etwas sagen,<br />
Chefin?<br />
Anita Ammersfeld: Soll ich?<br />
<strong>theaterWal</strong>: Probier‘s einmal! Positives,<br />
Negatives über deine Mitspieler und deinen<br />
Regisseur?<br />
Anita Ammersfeld: Also ich fang‘ beim Regisseur<br />
an. Was mich mit dem Thomas verbindet<br />
ist, dass ich ihm grenzenlos vertrauen<br />
kann. Was ich noch an ihm schätze ist seine<br />
Genauigkeit, seine Liebe zum Detail, weil<br />
er ist pingelig, gnadenlos, also wirklich gnadenlos<br />
pingelig. Andererseits, womit er mich<br />
wahnsinnig macht: er ist pingelig, gnadenlos<br />
pingelig.<br />
<strong>theaterWal</strong>: Orte ich da eine Seelenverwandtschaft?<br />
Anita Ammersfeld: Jaja, da sind wir uns sehr<br />
ähnlich. Aber wenn’s gelungen ist, bin ich unglaublich<br />
glücklich, dass ich mich überwun-<br />
<strong>theaterWal</strong> 9