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FOTO: VW AG<br />

TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Verlorenes Kernpaket in einer Kokille für ein Aluminium-Zylinderkurbelgehäuse.<br />

Untersuchungen zum Schwer kraftkokillengießen<br />

von Aluminium-<br />

Zylinderkurbelgehäusen<br />

Auszug aus einer Dissertation<br />

VON MARC BRAUNHARDT, WOLFSBURG,<br />

RÜDIGER BÄHR, MAGDEBURG, KLAUS<br />

EIGENFELD, FREIBERG, UND INGO<br />

NIEDICK, WOLFSBURG<br />

In der Automobilbranche zeigt die Entwicklung<br />

der letzten 30 Jahre, dass der<br />

Anteil an Leichtbauwerkstoffen und<br />

insbesondere an Aluminium im Fahrzeug<br />

stetig zugenommen hat, viele Potentiale<br />

aber noch nicht ausgeschöpft sind [1]. Zeitgleich<br />

sind in den letzten 25 Jahren die<br />

Grenzwerte für NO X, CO X und Partikel für<br />

Fahrzeugabgase drastisch gesenkt worden<br />

[2]. Ausgehend vom europäischen Markt<br />

30 GIESSEREI 99 05/2012<br />

und den dort geltenden Gesetzgebungen<br />

hinsichtlich Emissionen und der gegenläufig<br />

steigenden Ausstattungsvielfalt und Leistung<br />

der Fahrzeuge, kommen neue Motorenkonzepte<br />

zum Tragen. Diese neuen Motorenkonzepte,<br />

die anstelle von Diesel und<br />

Benzin mit alternativen Energiemedien betrieben<br />

werden, bedürfen einer gewissen<br />

Zeit, um im Markt Umsetzung und Akzeptanz<br />

zu finden. Diese Umsetzungsphase,<br />

die sich durchaus über einige Jahrzehnte<br />

erstrecken kann, wird über Hybridlösungen<br />

realisiert. Anhand von Bild 1 wird<br />

deutlich, welche Entwicklung bezüglich<br />

der Motorenkonzepte in den nächsten Jah-<br />

ren bei Pkw und Nkw zu erwarten ist. Es<br />

ist davon auszugehen, dass die bislang dominierenden<br />

Otto- und Dieselmotoren auch<br />

in den kommenden Jahrzehnten mit stark<br />

steigenden Fahrzeugabsatzzahlen die wesentliche<br />

Rolle bei den Antriebstechnologien<br />

spielen [3, 4].<br />

Aus dieser Prognose ergibt sich, dass Verbrennungsmotoren<br />

in den nächsten Jahrzehnten<br />

noch die dominierenden Antriebstechnologien<br />

darstellen werden. Die Hy-<br />

bridisierung und Elektrifizierung der Fahrzeuge<br />

führt zu einer Vergrößerung der Fahrzeugmasse<br />

durch zusätzliche Komponenten<br />

wie den E-Antrieb, die Steuerung und Spei-


chermedien. Um weiterhin wettbewerbsfähig<br />

zu bleiben, liegt auf dem Thema Leichtbau<br />

ein noch größerer Fokus als in den<br />

letzten Jahren. Besonders relevant ist dies<br />

für das schwerste Einzelbauteil im Fahrzeug<br />

– das Zylinderkurbelgehäuse –, <strong>des</strong>sen Gewichtsanteil<br />

ca. 3 bis 4 % an der Fahrzeuggesamtmasse<br />

beträgt. Vom Thema Leichtbau<br />

kommt man schnell auf die eingesetzten<br />

Werkstoffe, die durch ihre unterschiedlichen<br />

Dichten maßgeblich die Masse definieren.<br />

Neben Nischenanwendungen aus<br />

Magnesiumlegierungen sind Gusseisen und<br />

Aluminiumlegierungen die Hauptwerkstoffe<br />

für Zylinderkurbelgehäuse.<br />

In Bild 2 wird eine Gegenüberstellung<br />

der Rohteilgewichte bei Einsatz von Aluminiumlegierungen<br />

(blau) und Gusseisen<br />

(rot) gezeigt. Es gilt entgegen [9, 10] zu beachten,<br />

dass nur die Rohteilgewichte zu<br />

vergleichen sind, da die Integration von<br />

beispielsweise Lagerdeckel und Bedplate<br />

die Aussage verfälscht. Die Darstellung, in<br />

der die Rohteilmassen über der Motorleistung<br />

aufgetragen sind, zeigt den Unterschied<br />

der beiden Werkstoffe. So ist bei<br />

50 kW Motorleistung bereits mit mehr als<br />

15 kg und bei 130 kW mit mehr als 25 kg<br />

Gewichtsdifferenz zwischen Gusseisen zu<br />

Aluminiumlegierungen zu rechnen.<br />

Es ist also davon auszugehen, dass Aluminiumlegierungen<br />

die Zukunftswerkstoffe<br />

für Zylinderkurbelgehäuse darstellen.<br />

Nach der Definition <strong>des</strong> Werkstoffes gilt<br />

es, die eingesetzten Gießverfahren zu untersuchen.<br />

Ein qualitativer Vergleich der<br />

bislang gängigen Gießverfahren zur Erzeugung<br />

von Zylinderkurbelgehäusen aus Aluminium<br />

wird in [11] beschrieben und in<br />

die hier vorliegende Betrachtung noch einmal<br />

aufgenommen. Dass die bislang genutzten<br />

Fertigungsverfahren noch kein Optimum<br />

darstellen, wird u. a. auch daran deutlich,<br />

dass immer wieder Untersuchungen<br />

wie in [121] vorgenommen werden, um<br />

neue Gießverfahren für Zylinderkurbelgehäuse<br />

zu entwickeln. Produktionsprobleme<br />

entstehen ursächlich auch häufig <strong>des</strong>halb,<br />

weil die Rohteilkonstruktion nicht<br />

optimal auf ein Verfahren abgestimmt ist.<br />

Seit Mitte der 1970er Jahre existieren<br />

die ersten Otto-Zylinderkurbelgehäuse aus<br />

Aluminium und seit Mitte der 1990er Jahre<br />

die ersten Diesel-Zylinderkurbelgehäuse<br />

[8]. Im Gegensatz zu Zylinderköpfen ist<br />

für Zylinderkurbelgehäuse das Temperaturverhalten<br />

bei relativ niedrigen Temperaturen<br />

relevant. Im Zylinderbereich sind<br />

Spitzentemperaturen von lokal max.<br />

240 °C zu erwarten. In dem am stärksten<br />

belasteten Lagerstuhlbereich herrschen lediglich<br />

die maximalen Öltemperaturen von<br />

120 °C. Um einen optimalen Kompromiss<br />

der technischen Möglichkeiten zu finden,<br />

wurden im Rahmen der diesem Beitrag zugrunde<br />

liegenden Arbeit auf Basis der<br />

Autoverkauf in Mio.<br />

KURZFASSUNG:<br />

Aufgrund der Verknappung und der damit verbundenen Preissteigerung fossiler<br />

Energieträger, aber auch infolge verschärfter Umwelt- und Emissionsauflagen, hat<br />

in jüngster Vergangenheit ein verstärktes Umdenken in Bezug auf die Entwicklung<br />

verbrauchsärmerer und kleinvolumigerer Motoren eingesetzt. Durch Aufladung,<br />

Direkteinspritzung und andere technische Entwicklungen sind diese Motoren heutzutage<br />

imstande, bei wesentlich geringeren Verbrauchswerten das gleiche Leistungsvermögen<br />

wie ihre großvolumigen Vorgänger abzurufen und lassen somit<br />

keine Einbußen im Hinblick auf Fahrkomfort und Fahrspaß erkennen. In der Fachwelt<br />

ist diese Tendenz unter dem Begriff Downsizing bekannt. Solche Downsizing-<br />

Konzepte sind jedoch mit einer sehr hohen Leistungsdichte und erheblichen Verbrennungsdrücken,<br />

welche wiederum extrem hohe Bauteilbelastungen – speziell<br />

an den Zylinderköpfen und Zylinderkurbelgehäusen – zur Folge haben, verbunden.<br />

Als weitere Entwicklung ist eine Zunahme von Bauelementen und Aggregaten zur<br />

Hybridisierung oder Erhöhung <strong>des</strong> Fahrkomforts und der Fahrsicherheit zu verzeichnen.<br />

Für die Aufnahme dieser Belastungen und Reduzierung der Fahrzeugmasse<br />

bedarf es einer umfassenden Neuentwicklung der Komponenten und Baugruppen.<br />

Die Automobilindustrie setzt vermehrt auf den Werkstoff Aluminium und versucht,<br />

große Bauteile oder auch Schweißkonstruktionen mittels intelligenter, innovativer<br />

Gießverfahren im Leichtbau abzubilden. Eine der größten Gewichtseinsparungen<br />

ist durch die Einführung von Zylinderkurbelgehäusen (ZKG) aus Aluminium-<br />

Silicium-Legierungen realisierbar.<br />

Im Artikel sind die notwendigen Schritte für die Prozess- und Produktentwicklung<br />

prinzipiell aufgezeigt. Für eine prozesssichere und wirtschaftliche Fertigung<br />

sind wichtige Randbedingungen zu beachten und aufeinander abzustimmen. So<br />

beeinflussen sich Gießlage und Rohteilgestaltung stark. Daneben ist die Werkzeugauslegung<br />

für die Erreichung der mechanischen Eigenschaften und die Taktzeit verantwortlich.<br />

Auch die Laufflächentechnologie entscheidet maßgeblich über die<br />

Wirtschaftlichkeit und Produkttauglichkeit. In Summe zeigt das Schwerkraftkokillengießen<br />

besondere Vorteile gegenüber den bestehenden Verfahren und wird zukünftig<br />

sicherlich als alternatives Fertigungsverfahren an Bedeutung gewinnen.<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

2000<br />

Benzin-Hybrid<br />

Benzin-Hybrid Plug-in<br />

Diesel-Hybrid<br />

herkömmliche<br />

Antriebe<br />

2010<br />

2020<br />

Jahr<br />

Bild 1: Prognose der Motorentechnologien für Hybrid- sowie Elektro-Pkw und -Nkw<br />

in den kommenden Jahrzehnten, nach [5-7].<br />

DIN 8580 alle Urformverfahren bewertet.<br />

Dabei zeigte das bislang in Großserie nicht<br />

eingesetzte Schwerkraftkokillengießen theoretisch<br />

ein erhebliches Potential. Um dieses<br />

Gießverfahren für Zylinderkurbelgehäuse<br />

zu adaptieren, sind die Werkzeugauslegung,<br />

die Eigenschaften und,<br />

besonders bei untereutektischen Aluminium-Silicium-Legierungen,<br />

die Laufflächentechnologie<br />

zu betrachten. Die einzelnen<br />

Schritte, die es im Rahmen einer Dissertation<br />

zu untersuchen galt, sind in Bild 3 vereinfacht<br />

zusammengefasst.<br />

Diesel-Hybrid Plug-in<br />

Elektroauto<br />

Brennstoffzellen-Fahrzeug<br />

2030<br />

2040<br />

Werkzeugauslegung<br />

2050<br />

Bei der Werkzeugauslegung stellt sich zu<br />

Beginn die Frage: Wie wird das Bauteil in<br />

die Form gelegt? Das Bauteil kann in der<br />

Erstarrungslage theoretisch auf allen<br />

sechs Außenseiten stehen. Jede Erstarrungslage<br />

zeigt sich hinsichtlich der<br />

schwerkraftgetriebenen Speisung mehr<br />

oder weniger günstig. Um die beste Erstarrungslage<br />

zu definieren und das Rohteil<br />

daraufhin zu optimieren, ist ein Werkzeug<br />

in der frühen Phase der Produktent-<br />

GIESSEREI 99 05/2012 31


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Rohteilmasse in kg<br />

60<br />

50<br />

40<br />

Rohteilmasse =<br />

0,15 • Motorleistung + 24,1 R² = 0,5281<br />

30<br />

20<br />

Aluminium-Legierungen<br />

Gusseisen-Legierungen<br />

Linear (Aluminium-Legierungen)<br />

10<br />

Linear (Gusseisen-Legierungen)<br />

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500<br />

Motorleistung in kW<br />

32 GIESSEREI 99 05/2012<br />

Rohteilmasse =<br />

0,10 • Motorleistung + 10,5 R² = 0,8979<br />

Bild 2: Motorleistungen in Abhängigkeit von der Masse der Zylinderkurbelgehäuse-<br />

Rohteile [13] (R² – Bestimmtheitsmaß, Aussage über Güte der Schätzung).<br />

Bild 3: Vorgehensweise bei der Adaption <strong>des</strong> Schwerkraftkokillengießens auf<br />

Zylinderkurbelgehäuse.<br />

stehung notwendig, wie Bild 4 verdeutlicht.<br />

Im frühen Entwicklungsstadium ist der<br />

Ausdetaillierungsgrad <strong>des</strong> Bauteils geringer.<br />

Somit ist es einfacher, gießtechnische<br />

Belange durch die hohe Änderungsfreiheit<br />

zu berücksichtigen. Üblicherweise wird<br />

der Gießer erst nach der Vergabe <strong>des</strong> Bauteils<br />

an den Serienlieferanten (ca. zwei Jahre<br />

vor Produktionsanlauf) intensiv an der<br />

Produktentwicklung beteiligt. Ab diesem<br />

Zeitpunkt wird die gießtechnische Simulation<br />

eingesetzt. Mit Hilfe einer Bewertungsmatrix<br />

kann dem Bauteilkonstrukteur<br />

ein Werkzeug an die Hand gegeben<br />

werden, selbst das Bauteil gießtechnisch<br />

zu bewerten und schon drei Jahre vor dem<br />

Einsatz die Bauteillage zu definieren sowie<br />

das Zylinderkurbelgehäuse dahingehend<br />

zu optimieren. Diese Bewertungsmatrix<br />

kann nicht die Kompetenz <strong>des</strong> Gießers ersetzten,<br />

sie hilft jedoch, grundlegende Fehlauslegungen<br />

<strong>des</strong> Rohteils zu vermeiden.<br />

Zur Entwicklung dieser Bewertungsmatrix<br />

ist ein objektiver Notenschlüssel notwendig,<br />

um die Gießlagen gegeneinander<br />

abzuwägen und die Risikostellen eindeutig<br />

zu kategorisieren. Mit Hilfe einer idealisierten<br />

Geometrie ähnlich einer Flachzugprobe<br />

(vgl. Tabelle 1, Bild 5) konnten<br />

verschiedene Wanddicken- und Höhenverhältnisse<br />

simuliert und über das Lunkervolumen<br />

aufgetragen werden. In Kombination<br />

mit den Porositätsanforderungen<br />

der Lastenhefte ist eine Einteilung in ein<br />

Notensystem von 1 bis 9 möglich.<br />

Mit Hilfe <strong>des</strong> Notenschlüssels kann die<br />

Speisung entlang der Gravitation von einer<br />

Bauteilebene zur nächsten bewertet<br />

werden. Hierzu sind CAD-Schnitte <strong>des</strong> Bauteils<br />

in allen relevanten Bereichen, im folgenden<br />

Funktionsbereiche genannt, notwendig.<br />

Durch manuelle oder automati-<br />

Grad der Ausdetaillierung<br />

Änderungsfreiheit<br />

Bewertungsmatrix<br />

Simulation<br />

Meilensteine<br />

A B C D E F G H I J<br />

- 42 - 39 - 33 - 27 - 23 - 18 - 12 -8 -6 -3<br />

Monate vor Produktionsstart<br />

Bild 4: Änderungsfreiheit im Produktentstehungsprozess in Abhängigkeit ausgewählter Meilensteine.


Tabelle 1: Objektiver Notenschlüssel zur Bewertung der inneren Bauteilspeisung und Gießlagen (vgl. Bild 5).<br />

Note Beschreibung Beurteilung Notenschlüssel<br />

1 kein Lunkerrisiko i. O. h 3/(h 3 + h 2) 15,00 mm³ n. i. O.* h 3/(h 3 + h 2) ≤ 45 % h 3/b 3 ≤ 600 % b 3/b 2 ≥ 10 %<br />

* in Teilbereichen zulässig, abhängig von Bauteillastenheft und/oder Prüfvorschrift<br />

sche Wanddickenanalyse kann so die<br />

Bewertung in allen sechs möglichen Gießlagen<br />

erfolgen. Die Summe der einzelnen<br />

Bewertungen ergibt eine Note für die jeweilige<br />

Gießlage. Darüber hinaus werden<br />

einzelne Risikobereiche identifiziert. Beispielhaft<br />

ist in Bild 6 ein Ausschnitt aus<br />

über 700 Einzelbewertungen gezeigt.<br />

Ist die Gießlage definiert, bietet die Bewertungsmatrix<br />

auch die Möglichkeit zur<br />

Einschätzung der am besten geeigneten<br />

Gießlaufgeometrie. In Kombination mit der<br />

Gießlage kann jetzt mit Hilfe der gießtechnischen<br />

Simulation die Gießtechnik (Gießlauf,<br />

Anschnitte, Speiser) entwickelt werden.<br />

Nach Auslegung der Temperierung<br />

resultiert dies schließlich in der Werkzeugkonstruktion<br />

und dem Bau der Gießereibetriebsmittel.<br />

Lokale Bauteileigenschaften<br />

Bei der Adaption eines Gießverfahrens auf<br />

eine neue Produktgruppe gilt es, in allen<br />

an der Entwicklung beteiligten Fakultäten<br />

Vertrauen zu schaffen. Dazu gehört u. a.<br />

eine Abschätzung der zu erwartenden lokalen,<br />

mechanischen Eigenschaften. Zur<br />

Bestimmung von Übertragungsfunktionen<br />

von bislang simulierbaren Größen z. B. auf<br />

die Zugfestigkeit wurde eine Wanddickenanalyse<br />

an Aluminiumzylinderkurbelgehäusen<br />

durchgeführt. Die Wanddicken<br />

konnten dann in Form von Stabdurchmessern<br />

in eine Versuchskokille übertragen<br />

werden. Nach Abgüssen unter gleichen<br />

Randbedingungen am IFQ der Otto-von-<br />

Guericke Universität, Magdeburg, boten<br />

die dort entnommenen Zug- und Gefüge-<br />

proben die Grundlage für die linearen Regressionen<br />

zur Eigenschaftsermittlung. Auf<br />

der Basis der Erstarrungsbedingungen lieferten<br />

theoretische Grundlagen eine Gefügeverteilung<br />

und die Implementierung der<br />

Regressionen eine Festigkeitsverteilung<br />

über das gesamte Bauteil. Das Vorgehen<br />

ist vereinfacht in Bild 7 verdeutlich. Die<br />

Simulation zeigte bei Verwendung der gleichen<br />

Legierung für porenarmen Guss eine<br />

sehr gute Übereinstimmung mit den in<br />

der Praxis gewonnenen Werten. Eine weitere<br />

Grundlage zur Etablierung eines neuen<br />

Gießverfahrens ist der Vergleich mit<br />

bestehenden Verfahren hinsichtlich der<br />

Lunkervolumen Unterteil und Verbindung in cm 3<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Verhältnis h / h + h in %<br />

3 3 2<br />

Verhältnis h / b in %<br />

3 3<br />

Verhältnis h / b in %<br />

3 2<br />

Eigenschaften. So lässt die Gefügekenngröße<br />

<strong>des</strong> Dendritenarmabstan<strong>des</strong> (DAS) sowohl<br />

Rückschlüsse auf das Erstarrungsverhalten<br />

als auch auf die Festigkeiten zu.<br />

Der Druckguss zeigt mit max. 18 µm sehr<br />

niedrige DAS-Werte über das gesamte Bauteil<br />

hinweg (Bild 8). Dies lässt auf eine<br />

schnelle und homogene Erstarrung schließen.<br />

Im Niederdruckguss ist der DAS im<br />

Lagerstuhl am höchsten, was in der Anbindung<br />

<strong>des</strong> Steigrohres und der damit verbundenen<br />

längsten Erstarrung in dem Bereich<br />

korreliert. Die durch das statische<br />

Schwerkraftgießen hergestellte Probe zeigt<br />

einen leichten Erstarrungsgradienten in<br />

0<br />

1 10<br />

100 1000<br />

Verhältnisse<br />

Bild 5: Lunkervolumen in Unterteil und Verbindung in Abhängigkeit von den<br />

geometrischen Verhältnissen <strong>des</strong> Probekörpers (vgl. Tabelle 1).<br />

GIESSEREI 99 05/2012 33


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Richtung der brennraumseitig angebrachten<br />

Speiser. Die steigende Gießweise und<br />

die Kühlung der Brennräume wirken dem<br />

entgegen. Die durch das dynamische<br />

Schwerkraftgießen hergestellte Probe zeigt<br />

durch das schichtweise Formfüllen einen<br />

Erstarrungsgradienten in Richtung der<br />

schürzenseitig angebrachten Speiser, wobei<br />

der Lagerstuhl selbst sehr stark gekühlt<br />

ist. Das DAS-Niveau ist bei druckgegossenen<br />

Bauteilen am geringsten.<br />

Eine weitere qualitätsdefinierende<br />

Kenngröße ist die Porosität. Das Druckgie-<br />

34 GIESSEREI 99 05/2012<br />

ßen bewirkt auf Grund <strong>des</strong> schnellen, turbulenten<br />

Formfüllens die größte Porosität,<br />

gefolgt von dem statischen Schwerkraftgießen,<br />

das ebenfalls durch eine fallende<br />

Gießweise Turbulenzen und damit Porosität<br />

hervorruft. Deutlich vorteilhafter zeigen<br />

sich das Niederdruckgießen und das<br />

statische Schwerkraftgießen mit Mittelwerten<br />

um und unter 0,1 % (Bild 9).<br />

Die Summe aus den Gefügeeigenschaften<br />

und der Porosität definiert die mechanischen<br />

Eigenschaften. Lokal konnten im<br />

Niederdruck- und statischen Schwerkraft-<br />

Bild 6: Ausschnitt aus einer Bewertungsmatrix für die Gießlagendefinition.<br />

Tabelle 2: Unterschiedliche Gießtechnologien zur Bestimmung <strong>des</strong> Einflusses auf die Laufflächeneignung.<br />

gießen die besten Werte gemessen werden.<br />

Über das gesamte Bauteil hinweg bewirkte<br />

aber das dynamische Schwerkraftgießen<br />

die höchsten Festigkeiten.<br />

Laufflächentechnologien<br />

Neben dem Nachweis der Festigkeiten und<br />

der Erfüllung der Dichtigkeitsanforderungen<br />

ist bei untereutektischen Aluminium-<br />

Silicium-Legierungen das Thema der Lauffläche<br />

zu betrachten. Untereutektische Legierungen<br />

sind als Reibpartner für den<br />

Eigenschaft ZKG A ZKG B ZKG C ZKG D<br />

Formmaterial Formstoff Stahl Stahl Stahl<br />

Material der Zylinderpinole Stahl Stahl gekühlt Formstoff und Stahl Stahl gekühlt<br />

Erstarrungslage (unten) Brennraumseite Brennraumseite Lagerstuhlseite Lagerstuhlseite<br />

Bauteillage relativ zur<br />

Form (Koordinaten)<br />

x a<br />

y = b 1 21 2 z -c<br />

x a<br />

y = b 1 21 2 z -c<br />

x a<br />

y = b 1 21 2 z c<br />

Gießen statisch dynamisch 90° statisch statisch<br />

Rohteil gießtechnisch für diese Gießlage für diese Gießlage nein ja<br />

optimiert konstruiert konstruiert<br />

x a<br />

y = b 1 21 2 z c


Bild 7: Vorhersage der lokalen mechanischen Eigenschaften mit Hilfe der Gießsimulation.<br />

Bild 8: Örtliche Verteilung der Dendritenarmabstände in Zylinderkurbelgehäusen (AlSI9Cu3), hergestellt mit verschiedenen Gießverfahren.<br />

Kolben nicht ausreichend, sodass eine Modifikation<br />

<strong>des</strong> Zylinderrohres erfolgen<br />

muss. Dabei werden die Konzepte von monolithischen,<br />

quasi-monolithischen und heterogenen<br />

Zylinderkurbelgehäusen unterschieden<br />

(Bild 10).<br />

Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen<br />

standen besonders die Anforderungen<br />

<strong>des</strong> jeweiligen Verfahrens an das<br />

Gussgefüge von Schwerkraftgussteilen im<br />

Vordergrund. Somit wurden übereutektische<br />

Aluminium-Silicium-Legierungen auf<br />

Grund der schlechten Gießbarkeit unter<br />

Schwerkraft nicht näher untersucht. Detailliertere<br />

Betrachtungen konnten an beschichteten<br />

und laserlegierten Zylinderrohren<br />

sowie an eingegossenen GJL-Buchsen<br />

erfolgen. Besonders das günstige Laserlegierverfahren<br />

stand hier im Mittelpunkt,<br />

da es von allen Verfahren die höchsten Ge-<br />

fügeanforderungen an den Grundwerkstoff<br />

stellt. Aus den in Bild 11 dargestellten Prozessfehlern<br />

beim Laserlegieren sind die<br />

rechten beiden Fehlerursachen relevant,<br />

da diese meist im Grundwerkstoff begründet<br />

liegen.<br />

Zur Definition der Anforderungen dienten<br />

Abgüsse aus Werkzeugen mit verschiedenen<br />

Gießtechnologien, Gießsystemen,<br />

Formstoffen und Bauteillagen. Die Kom-<br />

GIESSEREI 99 05/2012 35


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Bild 9: Örtliche Verteilung der Porosität in Zylinderkurbelgehäusen (AlSI9Cu3), hergestellt mit verschiedenen Gießverfahren.<br />

binationen sind in Tabelle 2 zusammengefasst.<br />

Durch die Analyse mehrerer hundert<br />

Schliffbilder konnten die Anforderungen<br />

an den Grundwerkstoff mit einer lokalen<br />

Randporosität von max. 1 % definiert werden.<br />

Um die Größe einzelner Poren zu be-<br />

36 GIESSEREI 99 05/2012<br />

Aluminium-Zylinderkurbelgehäuse (ZKG)<br />

monolithische ZKG quasi-monolithische ZKG heterogene ZKG<br />

übereutektische<br />

AlSi-Legierung<br />

Beschichtungen<br />

Plasmaspritzen<br />

„Fe, FeMo, FeC”<br />

Bild 10: Auswahl von Beschichtungstechnologien für Zylinderkurbelgehäuse.<br />

lokale Werkstoffbehandlung <br />

grenzen, ist ein DAS von weniger als<br />

25 µm nötig. Kleinere DAS ermöglichen<br />

eine größere Anzahl fein verteilter kleiner<br />

Poren, die für den Legiervorgang nicht<br />

schädlich sind. Größere DAS bedingen<br />

Einzelporen, die die Schicht lokal und ggf.<br />

auch das Ergebnis <strong>des</strong> gesamten Legier-<br />

„nasse“<br />

Buchsen<br />

„trockene“<br />

Buchsen<br />

Laserlegieren Gusseisen Buchsen<br />

prozesses zerstören. Beispielhaft ist in<br />

Bild 12 die Verteilung <strong>des</strong> DAS im Steg<br />

eines 3-Zylinderkurbelgehäuses von Zylinder<br />

1 bis 2 gezeigt. Nach der Rohteilbearbeitung<br />

weist das Grundgefüge einen<br />

DAS-Wert in beiden Zylindern von<br />

ca. 18 µm auf.


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

200 m<br />

Optimale<br />

Legierungsschicht:<br />

homogene Verteilung<br />

der Siliciumprimärausscheidung<br />

Flächenanteil der<br />

Si- Ausscheidung<br />

bei ca. 20 bis 30 %<br />

Zusammenfassung<br />

Bei zukünftigen Motorengenerationen wird<br />

aufgrund strengerer Umweltanforderungen<br />

sowie der Forderungen nach sinkendem<br />

Kraftstoffverbrauch und Fahrzeuggewicht<br />

die Nutzung von Aluminium als Zylinderkurbelgehäusewerkstoff<br />

weiter<br />

zunehmen. Auch die Auswahl der Herstellungsverfahren<br />

wird dahingehend weiter<br />

38 GIESSEREI 99 05/2012<br />

Fehler: Riss in der<br />

Legierungsschicht<br />

Mögliche Ursache:<br />

erhöhter Anteil an<br />

Siliciumprimärausscheidungen<br />

Bild 11: Prozessfehler beim Laserlegieren.<br />

Dendritenarmabstand in µm<br />

Rohmaß<br />

1,9 mm<br />

4,6 mm<br />

Fehler: Legierungsschicht<br />

besteht aus<br />

fast reinem Eutektikum<br />

Mögliche Ursache:<br />

Prozessfehler beim<br />

Laserlegieren<br />

8,29 mm<br />

Fehler: Prozessporen<br />

Mögliche Ursache:<br />

gelöster Wasserstoff<br />

im Gefüge<br />

erhöhte Laserleistung<br />

zu geringer Vorschub<br />

hohe Luftfeuchtigkeit<br />

beim Legieren<br />

feuchtes<br />

Siliciumpulver<br />

Fertigmaß Bearbeitung<br />

Zylinder 1 Zylindersteg<br />

Bild 12: Verteilung <strong>des</strong> Dendritenarmabstan<strong>des</strong> im Zylindersteg.<br />

eingeschränkt, dass ein Gießen von Bauteilen<br />

mit hoher Funktionsintegration gewünscht<br />

und eine Umsetzung der Closed-<br />

Deck-Bauweise zwingend erforderlich ist.<br />

Für eine wirtschaftliche Fertigung qualitativ<br />

hochwertiger, komplexer Zylinderkurbelgehäuse<br />

gilt es, Prozess- und Produktentwicklung<br />

sehr früh zusammenzuführen.<br />

Besonders die richtige Wahl der Bauteillage<br />

und der entsprechenden speisungsge-<br />

Fehler: Riss in der Legierungsschicht<br />

Mögliche Ursache:<br />

Lunker und Poren im Grundwerkstoff<br />

Zylinder 2<br />

rechten Konstruktion <strong>des</strong> Rohteils hat einen<br />

wesentlichen Einfluss auf die erreichbaren<br />

Eigenschaften und Abgussqualitäten.<br />

Die Rohteilkonstruktion bestimmt somit<br />

maßgeblich die Wirtschaftlichkeit der späteren<br />

Produktion mit. Die Bewertungsmatrix<br />

zur Gießlagenbewertung hilft dem Bauteilkonstrukteur,<br />

Speisungswege zu bewerten<br />

und das Rohteil gießtechnisch zu<br />

optimieren.


Bei der im Rahmen der hier vorgestellten<br />

Arbeit durchgeführten Werkzeugauslegung<br />

für schwerkraftgegossene Zylinderkurbelgehäuse<br />

war auf die Anforderungen der<br />

Funktionsbereiche im Zylinderkurbelgehäuse<br />

einzugehen. Insbesondere betraf dies den<br />

Lagerstuhl und die Zylinderlaufflächen. Eine<br />

intensive Kühlung für gute mechanische<br />

Eigenschaften und Porenfreiheit im Zylinderrohr<br />

gilt es vorzusehen. Durch Poren und<br />

Lunker im Gussgefüge kann es zu einer Beschädigung<br />

der Laufflächentechnologie kommen.<br />

Die detaillierten Anforderungen sind<br />

in der hier beschriebenen Arbeit [14] für<br />

den Gießprozess definiert.<br />

Um eine Akzeptanz <strong>des</strong> Schwerkraftgießens<br />

für Zylinderkurbelgehäuse in der Bauteilentwicklung<br />

zu finden, ist ein Wissenstransfer<br />

aus dem Gießprozess in den Entwicklungsprozess<br />

hilfreich. Dies kann zum einen<br />

über die Bewertungsmatrix, zum anderen<br />

über CAE-Methoden erfolgen. Hierbei kann<br />

die Gießsimulation eine Abschätzung der<br />

Gussqualität und der Eigenspannungsverteilung<br />

ermöglichen und damit den Wissenstransfer<br />

fördern. Die mit Hilfe der Versuchskokille<br />

ermittelten Übertragungsfunktionen<br />

liefern eine lokale Verteilung der mechanischen<br />

Eigenschaften und können auf die Berechnungsnetze<br />

der Bauteilentwicklung übertragen<br />

werden. Damit können Zylinderkur-<br />

belgehäuse genauer und differenzierter<br />

ausgelegt werden, und eine Über- und Unterdimensionierung<br />

ist somit vermeidbar.<br />

Sind alle Randbedingungen der Prozess-<br />

und Produktentwicklung erfolgreich umgesetzt,<br />

ist ein Vergleich der Verfahren<br />

sinnvoll. Hinsichtlich mechanischer Eigenschaften,<br />

der Porenfreiheit und der Kosten<br />

zeigt das dynamische Schwerkraftgießen<br />

in Kokille Vorteile gegenüber den bislang<br />

eingesetzten Niederdruck- und<br />

Druckgießverfahren. Bezogen auf die Fertigungskosten<br />

ist ein Umstieg auf das statische<br />

Schwerkraftgießen in Kokille anzustreben,<br />

allerdings ist hier häufig mit Einbußen<br />

in der Qualität zu rechnen.<br />

Das Schwerkraftgießen in Kokillen wird<br />

aus wirtschaftlichen, technischen und qualitativen<br />

Gründen als zukünftige Gießtechnologie<br />

Anwendung in der Serienproduktion<br />

von Zylinderkurbelgehäusen in Aluminium<br />

finden!<br />

Dr.-Ing. Marc Braunhardt, Volkswagen Aktiengesellschaft,<br />

Wolfsburg, Prof. Dr. Rüdiger<br />

Bähr, Institut für Fertigungstechnik und Qualitätssicherung,<br />

Otto-von-Guericke Universität<br />

Magdeburg, Magdeburg, Prof. Dr.-Ing.<br />

Klaus Eigenfeld, TU Bergakademie Freiberg,<br />

Freiberg, Dr.-Ing. Ingo Niedick, Volkswagen<br />

Aktiengesellschaft, Wolfsburg<br />

IBB_174x85mm_VC141 13.12.2007 14:37 Uhr Seite 1<br />

Literatur:<br />

[1] Giesserei-Praxis 51 (2000) Nr. 5, S. 203–<br />

207.<br />

[2] Giesserei-Praxis 60 (2009) Nr. 5, S. 163-170.<br />

[3] Giesserei Praxis 61 (2010) Nr. 1/2,<br />

S. 26-31.<br />

[4] Giesserei 97 (2010) Nr. 8, S. 34-37.<br />

[5] ADAC Motorwelt (2009) Nr. 12, S. 26.<br />

[6] Gravigny, F.: Polk View: The state of the<br />

U.S. hybrid sector. R. L. Polk & Co., Southfield,<br />

Mi, USA, 2009.<br />

[7] Zewatsky, M.: Polk View: Asia pacific region<br />

propels growth of hybrid market. R. L. Polk<br />

& Co., Southfield, Mi, USA, 2010.<br />

[8] Automobil Revue (2002) Nr. 37, S. 22.<br />

[9] Niehues, J.: Leichtbau mit Motorblöcken<br />

aus Aluminium. Bericht: KS Aluminium Technologie,<br />

2008. http://lbsneu.schule-bw.de/.<br />

[10] ATZ-extra in Werkstoffe Eisen (2007),<br />

S. 976-980.<br />

[11] Giesserei 92 (2005) Nr. 1, S. 22-29.<br />

[12] Giesserei-Praxis (2003) Nr. 9, S. 378-387.<br />

[13] Bähr, R.; Braunhardt, M.; Scharf, S.: Gießtechnische<br />

Untersuchungen zur Serienüberführung<br />

eines Zylinderkurbelgehäuses der neuesten<br />

Generation. Magdeburger Maschinenbautage,<br />

2009. Tagungsband S. 1-10.<br />

[14] Braunhardt, M.: Untersuchungen zum<br />

Schwerkraftkokillengießen von Aluminium-Zylinderkurbelgehäusen.<br />

Dissertation, Otto-von-<br />

Guericke-Universität Magdeburg, 2012.<br />

GIESSEREI 99 05/2012 39

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