28.03.2014 Aufrufe

Download des Gesamtbeitrages

Download des Gesamtbeitrages

Download des Gesamtbeitrages

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

FOTOS: IFG<br />

Die Graphitformabweichungen in siliciumlegiertem Gusseisen mit Kugelgraphit unterscheiden sich in der Struktur vom Chunky-Graphit.<br />

Werkstoff- und fertigungstechnische<br />

Grundlagen der Herstellung und<br />

Anwendung von hoch siliciumhaltigem<br />

Gusseisen mit Kugelgraphit<br />

Teil 2 1) : Impftechnologie, Abweichungen in der Graphitform, Bearbeitbarkeit<br />

VON HERBERT LÖBLICH UND<br />

WOLFRAM STETS, DÜSSELDORF<br />

Impftechnologie zur Einstellung<br />

<strong>des</strong> angestrebten Werkstoffgefüges<br />

in Bezug auf Graphitkugelzahl<br />

und -gestalt<br />

Die mechanischen Eigenschaften von Gusseisen<br />

mit Kugelgraphit (EN-GJS) hängen bei<br />

ferritisch/perlitischem Grundgefüge vom<br />

Anteil Perlit, vom Anteil der perlitstabilisierenden<br />

Legierungselemente, der Abkühlungsgeschwindigkeit<br />

und von der Kugelgestalt<br />

ab. Bei den mit Silicium legierten<br />

mischkristallverfestigten Werkstoffsorten<br />

hängen die mechanischen Eigenschaften<br />

allein vom Si-Gehalt (Teil 1 der Artikelserie,<br />

GIESSEREI 100 (2013), [Nr. 7], S. 30-47,<br />

Bilder 17 bis 19), d. h. von der Genauigkeit<br />

der Einhaltung eines angestrebten Si-Gehaltes<br />

und der Graphitgestalt ab. Für Impfversuche<br />

wurde unter Verwendung der in<br />

Bild 13, Teil 1 der Artikelserie dargestellten<br />

Modelleinrichtung mit immer gleichbleibenden<br />

Impfmittelmengen von 0,3 %<br />

geimpft. Die Impfmittelsorte und die chemische<br />

Zusammensetzung der verwendeten<br />

Impfmittel ist Tabelle 2 in Teil 1 der<br />

Artikelserie zu entnehmen. Die Impfmittel<br />

8, 9 und 11 aus dieser Tabelle sind Mischungen<br />

der Institut für Gießereitechnik<br />

gGmbH (IfG), Düsseldorf, die auf Grund der<br />

42 GIESSEREI 100 08/2013<br />

1)<br />

Teil 1 in GIESSEREI 100 (2013), [Nr. 7], S. 30-47


KURZFASSUNG:<br />

Voraussetzung für maximale mechanische<br />

Eigenschaften sind optimale<br />

Graphitkugelformen, die mit Impftechnologien<br />

der Schmelze, die auf<br />

den Siliciumgehalt und die maximale<br />

Erstarrungszeit abgestimmt sind,<br />

erreicht werden können.<br />

Ein wesentlicher Vorteil der<br />

mischkristallverfestigten Werkstoffe<br />

ist, dass sie sich im Vergleich zu<br />

den ferritisch/perlitischen EN-GJS-<br />

Werkstoffsorten bei gleichen Festigkeiten<br />

durch geringeren Werkzeugverschleiß<br />

kostengünstiger mechanisch<br />

bearbeiten lassen. Die<br />

Werkzeugstandzeit ist bei den ferritischen<br />

Werkstoffsorten EN-<br />

GJS-500-14 und EN-GJS-600-10 gegenüber<br />

den konventionellen ferritisch/perlitischen<br />

Werkstoffen um<br />

etwa 50 bis 60 % länger.<br />

Für den Bearbeiter der ferritischen<br />

mischkristallverfestigten<br />

Werkstoffsorten kann abgeleitet werden,<br />

dass sich bei gleichen Schnittgeschwindigkeiten<br />

die Intervalle zwischen<br />

den Werkzeugwechseln im<br />

Vergleich zu der Bearbeitung der ferritischen/perlitischen<br />

Werkstoffe<br />

verlängern und die Maschinenauslastung<br />

damit besser wird.<br />

Ergebnisse der Gefügeauswertungen für<br />

Stichversuche eingesetzt wurden. Für die<br />

Impfmittel 8 und 9 wurde das handelsübliche<br />

Impfmittel 1 mit 1,2 %*, bzw. 9,4 % Bi<br />

gemischt. Das Impfmittel 11 ist das mit<br />

1,2 % Bi gemischte Impfmittel 7.<br />

Die Ergebnisse der Untersuchungen der<br />

Graphitformen in den Abschnitten der Flügelproben<br />

sind in Bild 1 wiedergegeben.<br />

Dargestellt sind die Abhängigkeiten der Graphitform<br />

von den Wanddicken und von der<br />

chemischen Zusammensetzung <strong>des</strong> Impfmittels.<br />

In Bild 1 sind nur die Zugabemengen<br />

von 0,3 % dargestellt. Deutlich erkennbar<br />

ist, dass bei einer gleichbleibenden<br />

Impfmittelsorte der Anteil an den Graphitformen<br />

V und VI als Summe mit zunehmender<br />

Wanddicke mit einem relativ breiten<br />

Streuband abnimmt. Bei allen eingesetzten<br />

Impfmittelsorten streuen die Summen der<br />

Graphitformen V und VI bei der 5 mm dicken<br />

Platte je nach Impfmittelsorte zwischen<br />

80 und 100 % (Bild 1), lediglich die<br />

ungeimpfte Schmelze weist 70 % der Kugelformen<br />

V und VI auf. Bei 160 mm Wanddicke<br />

vergrößert sich das Streuband von 35<br />

bis auf 90 %. Ursachen für die Aufweitung<br />

<strong>des</strong> Streuban<strong>des</strong> sind die Abhängigkeit der<br />

Graphitform vom Siliciumgehalt und der<br />

chemischen Zusammensetzung <strong>des</strong> Impfmittels.<br />

Anteil Graphitform V + Vl in %<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

0<br />

Wanddicke in mm<br />

Impfmittel:<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

Impfmittel:<br />

0 1 2 3<br />

4 5 6 7<br />

Auf Grund der höheren Abkühlungsgeschwindigkeit<br />

der Normenkonformen<br />

Y-Proben gegenüber den vergleichbaren<br />

Wanddicken der Flügelproben gibt es bei<br />

den Y-Proben geringere Abweichungen in<br />

der Graphitform (Bild 2).<br />

Nur Flügelproben<br />

40 80 120<br />

160<br />

Bild 1: Mit zunehmender Wanddicke nimmt der Anteil an den Graphitformen V und VI<br />

im Grundgefüge ab.<br />

Anteil Graphitform V + VI in %<br />

Anteil Graphitform V + VI in %<br />

Getrennt gegossene Y2-Proben<br />

50<br />

2 3 4 5 6<br />

Si in %<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

Impfmittel:<br />

0 1 2<br />

3 4 7<br />

60<br />

2 3 4 5 6<br />

Si in %<br />

Bild 2: Der Anteil der Graphitformen V + VI nimmt mit höherem Siliciumgehalt ab.<br />

Die getrennt gegossenen Y-2 Proben weisen<br />

mittlere Erstarrungszeiten von ca.<br />

3 min auf, die Y-4 Proben erstarren nach<br />

etwa 16 min. Die 20-mm-Wand der Flügelprobe<br />

erstarrt etwa 10 min nach dem Füllen<br />

der Form, die 60-mm-Wand erstarrt<br />

*Sofern nicht anders vermerkt, handelt es sich bei den prozentualen Angaben zur Zusammensetzung um Massenanteile.<br />

GIESSEREI 100 08/2013 43


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Anteil Graphitform V + Vl in %<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

Impfmittel 1<br />

Si in %<br />

2,48<br />

3,43<br />

4,18<br />

5,04<br />

5,89<br />

30<br />

0 40 80 120 160<br />

Wanddicke in mm<br />

Bild 3: Bei Impfmittel 1 treten bei 160 mm Wanddicke und normalem Si-Gehalt Abweichungen<br />

in der Graphitform auf.<br />

Anteil Graphitform V + Vl in %<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

Impfmittel 2<br />

Si in %<br />

2,41<br />

3,29<br />

4,4<br />

5,06<br />

5,97<br />

30<br />

0 40 80 120 160<br />

Wanddicke in mm<br />

Bild 4: Die Anteile an den Graphitformen V und VI sind bei Impfmittel 2 über den untersuchten<br />

Si-Konzentrationsbereich größer als bei Impfmittel 1.<br />

Anteil Graphitform V + Vl in %<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

Nur Flügelproben<br />

Impfmittel:<br />

0 1<br />

8 = 1 + 1,2 % Bi<br />

9 = 1 + 9,4 % Bi<br />

30<br />

0 40 80 120 160<br />

Wanddicke in mm<br />

Bild 5: Die chemische Zusammensetzung <strong>des</strong> Impfmittels beeinflusst entscheidend die<br />

Graphitform.<br />

nach ca. 30 min. Aus diesem Grund wurden<br />

die Auswertungen immer getrennt<br />

nach Y-Proben und Flügelproben durchgeführt,<br />

zumal, wie später noch gezeigt wird,<br />

die Y-Proben im untersuchten Siliciumintervall<br />

nicht die typischen Abweichungen<br />

der Graphitkugelform aufweisen.<br />

Bis zu dem als kritisch für die statischen<br />

mechanischen Eigenschaften gefundenen<br />

Siliciumgehalt von 4,3 % beträgt die Summe<br />

der Graphitformen V + VI in den Gefügen<br />

der getrennt gegossenen Y-Proben minimal<br />

80 % – Bild 2 erfüllt also die meisten<br />

Kundenforderungen nach einer Begrenzung<br />

der Anteile der Graphitformen.<br />

Einen entscheidenden Einfluss auf die<br />

Graphitausbildung nimmt neben der Erstarrungsgeschwindigkeit<br />

die chemische<br />

Zusammensetzung <strong>des</strong> verwendeten Impfmittels.<br />

In den nachfolgenden Auswertungen<br />

(Bilder 3 und 4) wurden exemplarisch<br />

die Wirkungen zweier Impfmittel unterschiedlicher<br />

chemischer Zusammensetzungen<br />

wiedergegeben. In Bild 3 ist die Abhängigkeit<br />

der Graphitform von der Wanddicke<br />

für Siliciumgehalte zwischen 2,48 %,<br />

ein durchaus üblicher Gehalt für EN-GJS,<br />

und 5,89 % Si für das Impfmittel 1 dargestellt.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass das Impfmittel<br />

1 nur bei Gussteilen mit Wanddicken<br />

zwischen 20 und 100 mm und normal<br />

üblichen Si-Gehalten verwendbar ist,<br />

um ausreichende Anteile an denGraphitformen<br />

V und VI zu erzeugen. Bei 160 mm<br />

Wanddicke treten bereits erhebliche Abweichungen<br />

in den Graphitformen auf. Bei<br />

höheren Si-Gehalten ≥ 3,43 % und Wanddicken<br />

≥ 60 mm sind mehr als 50 % <strong>des</strong><br />

Graphits entartet. Bei Wanddicken von<br />

20 mm und Si-Gehalten ≥ 3,43 % ≥ Si<br />

≤ 5,89 % beträgt der Anteil an den Graphitformen<br />

V und VI zwischen 50 und 70 %.<br />

Ergebnisse für ein Impfmittel mit einer anderen<br />

chemischen Zusammensetzung (Beispiel<br />

Impfmittel 2) werden in Bild 4 wiedergegeben.<br />

Das Impfmittel 2 ist ohne weitere<br />

Mengenoptimierung für Siliciumgehalte<br />

bis 4,3 % und Wanddicken<br />

≥ 160 mm einsetzbar. Bei höheren Si-Gehalten<br />

treten auch bei diesem Impfmittel<br />

Graphitformabweichungen auf, die durch<br />

Optimierung der Impfmethode verhindert<br />

werden können, indem die Mengen <strong>des</strong><br />

Impfmittels variiert werden, was ebenfalls<br />

die Graphitform beeinflussen kann. Die<br />

Impfmittel 1 und 2 unterscheiden sich<br />

hauptsächlich im Anteil Bi und im Anteil<br />

an Seltenen Erden, diese beiden Elemente<br />

sind im Impfmittel 1 nicht enthalten.<br />

Bei vergleichbaren Siliciumgehalten von<br />

5 und 6 % beträgt der Anteil an Graphitform<br />

V und VI bei Impfmittel 1 zwischen<br />

30 und 40 %, bei Impfmittel 2 beträgt dieser<br />

Anteil 60 bis 70 %. Das Impfmittel 2 ist<br />

für den dargestellten Anwendungsfall geeigneter<br />

als Impfmittel 1.<br />

44 GIESSEREI 100 08/2013


Die Darstellung in Bild 5 unterstreicht<br />

den Einfluss der chemischen Zusammensetzung<br />

<strong>des</strong> Impfmittels auf die Graphitform.<br />

Bei der Auswertung in Bild 5 wird deutlich,<br />

dass die Wirkung <strong>des</strong> Impfmittels 1, welches<br />

für den Einsatz bei siliciumlegiertem<br />

EN-GJS nicht geeignet ist, durch die Zugabe<br />

von 1,2 % metallischem Wismut wesentlich<br />

verbessert werden kann. Der Anteil an<br />

den Graphitformen V und VI im Grundgefüge<br />

erreicht die Größenordnung, die mit<br />

dem Impfmittel 2 (siehe Bild 5) erzielt wird.<br />

Die Erhöhung der Bi-Zugabemenge auf<br />

9,4 % (Impfmittel 9 in Bild 5) erbrachte keine<br />

Verbesserung in der Graphitform.<br />

Eine weitere Möglichkeit, die Wirkung<br />

eines Impfmittels zu verbessern, ist die Optimierung<br />

der Zugabemenge. Am Beispiel<br />

eines Impfmittels ist die Wirkung einer geänderten<br />

Impfmittelmenge exemplarisch<br />

wiedergegeben (Bild 6). Bei steigenden<br />

Impfmittelmengen verbessert sich die Graphitausbildung<br />

erheblich. 0,15 % <strong>des</strong> Impfmittels<br />

4 führen zu 20 % akzeptierbaren<br />

Graphitformen, bei der 4-fachen Zugabemenge<br />

<strong>des</strong> Impfmittels 4 erhöht sich der<br />

Anteil der Graphitformen V und VI auf<br />

60 %. Neben den Graphitformen wird auch<br />

die Anzahl der Graphitkugeln, in der vorliegenden<br />

Auswertung als Graphitpartikel<br />

bezeichnet, von der chemischen Zusammensetzung<br />

<strong>des</strong> Impfmittels beeinflusst.<br />

Wie in Bild 7 deutlich wird, ist die Erstarrungsgeschwindigkeit<br />

(im Bild 7 als Wanddicke<br />

gekennzeichnet) die dominierende<br />

Größe. Bei Verwendung <strong>des</strong> Impfmittels 2,<br />

welches auch die günstigsten Graphitformen<br />

produziert hat, werden gleichzeitig<br />

die meisten Graphitpartikel gemessen.<br />

Auftreten von Abweichungen in<br />

der Graphitform bei hohen<br />

Si-Gehalten<br />

Bei den siliciumlegierten EN-GJS-Werkstoffsorten<br />

können abhängig von der Erstarrungsgeschwindigkeit<br />

(Wanddicke)<br />

und dem Impfzustand Abweichungen von<br />

den Graphitformen V und VI auftreten, die<br />

die mechanischen Eigenschaften negativ<br />

beeinflussen. Als Beispiele sind stellvertretend<br />

die mechanischen Eigenschaften<br />

und Graphitformen in einer 20-mm-Wand<br />

der Flügelprobe mit vergleichbarem Si-Gehalt<br />

von 4,1 % und unterschiedlichen Impfmitteln<br />

in Bild 8 aufgeführt. Darin sind die<br />

durch das verwendete Bildanalysesystem<br />

klassifizierten Graphitformen verschieden<br />

gefärbt, wobei die für siliciumlegiertes<br />

EN-GJS typischen Graphitformabweichungen<br />

rot dargestellt sind. In Bild 8a sind ca.<br />

10 % Formabweichungen dargestellt, Anteile<br />

von 3 % sind in Bild 8b für einen Si-<br />

Gehalt von 4,18 % wiedergegeben. Der Anteil<br />

an den Graphitformen V und VI beträgt<br />

bei dieser Probe etwa 40 %.<br />

Graphitform V + VI in %<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7<br />

Impfmittelmenge in %<br />

1500<br />

1200<br />

900<br />

600<br />

300<br />

Graphitform V + VI bei 160 mm<br />

Wanddicke mit Impfmittel Nr. 4<br />

Bild 6: Graphitform V + VI in der 160-mm-Wand bei verschiedenen Impfmittelmengen<br />

– die Impfmittelmenge beeinflusst die Graphitform.<br />

Graphitpartikel/mm 2<br />

Graphitformen V + IV > 80 %<br />

Impfmittel:<br />

1 2 3 4 5 6<br />

7 8 9 11<br />

0<br />

0 40 80 120 160<br />

Wanddicke in mm<br />

Bild 7: Die Anzahl der Graphitpartikel hängt von der Zusammensetzung <strong>des</strong> Impfmittels<br />

ab.<br />

a<br />

Interne<br />

Probenbezeichnung<br />

Impfmittel<br />

Nr.<br />

R m<br />

Rp 0,2<br />

in MPa<br />

Bruchdehnung<br />

in %<br />

in MPa<br />

F3.3 1 553 487 3,2 a<br />

F3.7 2 491 371 19,3 b<br />

Bild 8: a) 10 % Anteil an Graphitformabweichungen; b) 3 % Anteil an Graphitformabweichungen.<br />

b<br />

Bild<br />

Nr.<br />

Die in Bild 9 gezeigte Graphitform<br />

kann bei flüchtiger Betrachtung mit dem<br />

„Chunky-Graphit“ verwechselt werden,<br />

das Graphitwachstum unterscheidet sich<br />

jedoch vom Chunky-Graphit. Wie in [1]<br />

durch Untersuchungen mittels Raster-<br />

Elektronen-Mikroskop (REM) gezeigt,<br />

wächst Chunky-Graphit als zusammenhängender<br />

Körper, indem hexagonale Graphitplatten<br />

übereinandergeschichtet im<br />

Raum wachsen und sich verzweigen. Im<br />

siliciumlegierten EN-GJS sind die Graphitabweichungen<br />

zwischen Dendriten angeordnet,<br />

in denen sich normal ausgebildete<br />

Graphitkugeln befinden. Diese Anordnung<br />

ist mit dem bekannten D-Graphit<br />

GIESSEREI 100 08/2013 45


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Bild 9: Beispiel von Abweichungen der Graphitform bei EN-GJS-600-10.<br />

Bild 10: Graphitformabweichungen in siliciumlegiertem EN-GJS.<br />

Bild 11: Verschleiß der Schneidkeramik an der Freifläche und Schnittparameter bei den<br />

Bearbeitungsversuchen.<br />

Standzeit in min<br />

20<br />

16<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

EN-GJS-500-7 EN-GJS-500-14 EN-GJS-600-3 EN-GJS-600-10<br />

Bild 12: Vergleich der Werkzeugstandzeiten (auf 200 µm begrenzter Freiflächenverschleiß,<br />

Schnittgeschwindigkeit 240 m/min) der vier untersuchten Werkstoffe beim Längsdrehen.<br />

bei Gusseisen mit Lamellengraphit vergleichbar.<br />

D-Graphit wird auch unterkühlter Graphit<br />

genannt, weil bei der Kristallisation<br />

der Schmelze mittels thermischer Analyse<br />

eine größere Unterkühlung gemessen<br />

wird als z. B. bei der Ausscheidung von A-<br />

Graphit. Nach einer Tiefätzung <strong>des</strong> in Bild 9<br />

gezeigten Gefüges und der Untersuchung<br />

mit dem REM ergibt sich ein Hinweis auf<br />

das Wachstum <strong>des</strong> Graphits. Im Gegensatz<br />

zum plättchenförmigen Wachstum <strong>des</strong><br />

Chunky-Graphits besteht der Graphit aus<br />

aneinandergereihten kleinen Graphitkugeln<br />

(Bild 10).<br />

Die Vergleichbarkeit <strong>des</strong> Aussehens<br />

der Graphitanordnung mit dem D-Graphit<br />

in EN-GJL lässt vermuten, dass das Auftreten<br />

der Graphitabweichung durch eine<br />

stärkere Unterkühlung in der Abkühlungskurve<br />

entweder im Gussstück oder<br />

im Quick-Cup-Tiegel der thermischen Analyse<br />

angezeigt wird. Bei den Schmelzversuchen<br />

wurde jeweils ein Tiegel für die<br />

thermische Analyse abgegossen und im<br />

thermischen Zentrum der verschiedenen<br />

Wanddicken der Flügelprobe eine Abkühlungskurve<br />

aufgenommen. Bei den jeweiligen<br />

Abkühlungskurven wurden die Unterkühlungen<br />

und Erstarrungszeiten entsprechend<br />

der BDG-Richtlinie P 350 [2]<br />

ermittelt. Diese Merkmale wurden mit den<br />

Gefügemerkmalen der Graphitformen V<br />

und VI und den Abweichungen von der<br />

Graphitform korreliert. Dabei wurde festgestellt,<br />

dass keine statistisch gesicherte<br />

Beziehung zwischen diesen Größen besteht.<br />

Damit gibt die Abkühlungskurve<br />

bei siliciumlegiertem EN-GJS keine Hinweise<br />

auf eine vorliegende mögliche Graphitabweichung.<br />

Verringerungen der<br />

Schallgeschwindigkeit, mit denen die Graphitformabweichung<br />

im Gussstück detektierbar<br />

sein könnte, finden durch diese<br />

Graphitform nicht statt.<br />

46 GIESSEREI 100 08/2013


Die bei hohen Si-Gehalten auftretende<br />

Abweichung in der Graphitform hat ähnliche<br />

Auswirkungen auf die mechanischen<br />

Eigenschaften wie Chunky-Graphit (Tabelle<br />

in Bild 8), die Bruchdehnung wird als<br />

erste Größe vermindert.<br />

Bei der Erarbeitung einer Impftechnologie<br />

zur Einstellung <strong>des</strong> angestrebten<br />

Werkstoffgefüges in Bezug auf Graphitkugelzahl<br />

und -gestalt wurde festgestellt, dass<br />

bei siliciumlegiertem EN-GJS ein optimales<br />

Gefüge hinsichtlich der Kugelzahlen<br />

und Kugelgestalt mit wismuthaltigem Impfmittel<br />

erzielt wird. Ein Anstieg <strong>des</strong> Wismutgehalts<br />

nach Zugabe <strong>des</strong> wismuthaltigen<br />

Impfmittels im Eisen ist analytisch<br />

nicht nachweisbar. Die Spurenelemente<br />

werden im IfG grundsätzlich mit der<br />

ICP-OES (Inductive Coupled Plasma-Optical<br />

Emission Spectrometrie) nasschemisch<br />

bestimmt. Beim Vergleich der Wirkungen<br />

der chemischen Zusammensetzungen von<br />

Impfmitteln wurden die Bi-Gehalte im<br />

Gussstück ermittelt. Bei dem wismuthaltigen<br />

Impfmittel 2 und dem kein Bi enthaltenden<br />

Impfmittel 1 wurden jeweils Bi-Gehalte<br />

< 5 ppm ermittelt. Bei einem theoretischen<br />

Ausbringen von 100 % <strong>des</strong> mit dem<br />

Impfmittel zugegebenen Bi sollten bei einem<br />

Gehalt von 1 % Bi im Impfmittel<br />

2,30 ppm Bi im Gussstück enthalten sein.<br />

Die Nachweisgrenze <strong>des</strong> Analysenverfahrens<br />

beträgt 5 ppm, was bedeutet, dass Bi<br />

nach dem Stand der Technik analytisch<br />

nicht nachweisbar ist, die Wirkung bei Verwendung<br />

von wismuthaltigem Impfmittel<br />

jedoch deutlich an Gefügeverbesserungen<br />

erkennbar ist.<br />

Vergleichende Untersuchung der<br />

Bearbeitbarkeit von Gussteilen<br />

aus EN-GJS-500-7 mit<br />

EN-GJS-500-14 und EN-GJS-600-3<br />

mit EN-GJS-600-10<br />

Durch die gleichmäßige Härte ist der Werkzeugverschleiß<br />

beim ferritischen Werkstoff<br />

wesentlich geringer als beim ferritisch/perlitischen<br />

Werkstoff EN-GJS-500-7. Die Bearbeitbarkeit<br />

verbessert sich nach Angaben<br />

von L. E. Björkegren, K. Hamberg und<br />

B. Johannesson [3] um 10 %, wobei die<br />

Werkzeugstandzeiten nicht als Verschleiß,<br />

sondern als Verschleißindizes angegeben<br />

werden. Bei den Auswertungen waren die<br />

Siliciumgehalte auf 3,75 % Si begrenzt. Aus<br />

diesem Grund lag es nahe, die Bearbeitbarkeit<br />

der Werkstoffe EN-GJS-500-7 mit<br />

EN-GJS-500-14 und EN-GJS-600-3 mit<br />

EN-GJS-600-10 zu vergleichen.<br />

Zur Bewertung der Zerspanbarkeit wurden<br />

die vier zu untersuchenden Werkstoffe<br />

in Form von Zylindern mit einem Durchmesser<br />

von 120 mm und einer Länge von<br />

300 mm gegossen. Aus den thermischen<br />

Zentren eines Zylinders je Werkstoff wurde<br />

eine Zugprobe herausgearbeitet. Aus<br />

dem Stabkopf wurde ein Schliff für die metallographische<br />

Untersuchung entnommen.<br />

Vor den Zerspanversuchen wurde die<br />

Gusshaut in einem zusätzlichen Bearbeitungsschritt<br />

entfernt.<br />

Die Ergebnisse der Zugversuche sind in<br />

Tabelle 1 aufgeführt. Bei der Bewertung<br />

der Ergebnisse der Zugproben ist zu beachten,<br />

dass die Probenahme aus dem Gussteilzentrum<br />

erfolgte.<br />

Im Rahmen der Untersuchungen wurde<br />

die Standzeit <strong>des</strong> Bearbeitungswerkzeugs<br />

zur Bewertung der Zerspanbarkeit der vier<br />

untersuchten Gusseisenwerkstoffe gewählt.<br />

Nach DIN 6583 beschreibt die Standzeit die<br />

Dauer, die bis zum Erreichen eines Standkriteriums<br />

unter gewählten gleichen Zerspanungsbedingungen<br />

verstreicht. Bei den<br />

Untersuchungen wurde als Standzeit diejenige<br />

Zeit ermittelt, bei der ein auf 200 µm<br />

begrenzter Freiflächenverschleiß erreicht<br />

wurde (Bild 11).<br />

Die Ergebnisse der Untersuchungen<br />

(Bild 12) zur Werkzeugstandzeit bei der<br />

Bearbeitung der EN-GJS Werkstoffe<br />

EN-GJS-500-7, EN-GJS-500-14, EN-GJS-600-3<br />

und EN-GJS-600-10) zeigen, dass die Werkstoffe<br />

mit ferritischem Grundgefüge besser<br />

bearbeitbar sind als die ferritisch/per-<br />

GIESSEREI 100 08/2013 47


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Standzeit in min<br />

20<br />

16<br />

12<br />

8<br />

4<br />

0<br />

EN-GJS-500-7<br />

240 m/min<br />

EN-GJS-500-14<br />

Schnittgeschwindigkeit<br />

320 m/min<br />

Bild 13: Bei höheren Schnittgeschwindigkeiten vermindern sich die<br />

Werkzeugstandzeiten (auf 200 µm begrenzter Freiflächenverschleiß).<br />

litischen Werkstoffe. Die Werkzeugstandzeiten<br />

verlängern sich bei den ferritischen<br />

Werkstoffen um etwa 50 bis 60 % (Bild 12).<br />

Die Werkzeugstandzeitverlängerung bei<br />

der Bearbeitung der ferritischen Werkstoffe<br />

ist auch bei Erhöhung der Schnittgeschwindigkeit<br />

von 240 auf 320 m/min erkennbar<br />

(Bild 13). Bei den beiden verglichenen<br />

Werkstoffen EN-GJS-500-7 und<br />

EN-GJS-500-14 reduziert sich durch die höhere<br />

Schnittgeschwindigkeit die Werkzeugstandzeit<br />

um ca. 60 %, bei EN-GJS-500-14<br />

ist die Werkzeugstandzeit bei der höheren<br />

Schnittgeschwindigkeit um ca. 30 % länger<br />

als bei EN-GJS-500-7.<br />

Weitere Untersuchungen zur Werkzeugstandzeit<br />

bei der Bearbeitung von Gussteilen<br />

werden im nächsten Abschnitt beschrieben.<br />

Abguss von Referenzgussstücken<br />

und Gussteilprüfung<br />

Bild 14: Planetenträger als Referenzgussstück.<br />

Bild 15: Prüfschema bei den Serienplanetenträgern.<br />

In zwei Gießereien wurden Seriengussteile,<br />

die üblicherweise in dem ferritisch/perlitischen<br />

Werkstoff EN-GJS-600-3 abgegossen<br />

wurden, ohne Änderung <strong>des</strong> Anschnittund<br />

Speisersystems zum Vergleich in dem<br />

Werkstoff EN-GJS-600-10 abgegossen. Bei<br />

einem Gussteil handelte es sich um einen<br />

Planetenträger mit einem Gewicht von ca.<br />

40 kg. Die Planetenträger laufen in Serie<br />

auf einer Formanlage und werden von der<br />

Gießerei bearbeitet an den Kunden ausgeliefert.<br />

Planetenträger unterliegen besonderen<br />

Anforderungen an Volumendefizite<br />

in bestimmten Bereichen, da sie die bei einem<br />

Getriebe auftretenden Kräfte übertragen<br />

müssen. Eine Übersichtszeichnung ist<br />

in Bild 14 wiedergegeben. Die in der Zeichnung<br />

rot markierten Flächen wurden für<br />

den Vergleich <strong>des</strong> Werkzeugverschleißes<br />

bearbeitet. Es wurden jeweils 30 Planetenträger<br />

aus dem Werkstoff EN-GJS-600-3 und<br />

dem Werkstoff EN-GJS-600-10 mit den gleichen<br />

Bearbeitungsparametern bearbeitet<br />

und der Freiflächenverschleiß bei den Keramikplättchen<br />

verglichen. Für den Vergleich<br />

der mechanischen Eigenschaften<br />

und <strong>des</strong> Härteverlaufs im Gussstück wurden<br />

pro Werkstoff ein Planetenträger in der<br />

Mitte geteilt, der Härteverlauf gemessen<br />

und Zugproben herausgearbeitet. Der Härtemessverlauf<br />

und die Zugprobenlage für<br />

den Werkstoff EN-GJS-600-3 sind in Bild 15<br />

dargestellt. Für den Werkstoff EN-GJS-600-10<br />

wurde die gleiche Prüfanordnung verwendet.<br />

Die gemessenen Härteverläufe sind in<br />

Bild 16 gegenübergestellt. Die mittlere Brinellhärte<br />

beträgt bei dem Planetenträger<br />

aus dem Werkstoff EN-GJS-600-10 etwa<br />

220 HBW. Bis auf die ersten drei Messwerte,<br />

die sich in den geringsten Wanddicken<br />

<strong>des</strong> Planetenträgers befinden, liegen die<br />

Messungen auf gleichem Niveau. Bei dem<br />

Werkstoff EN-GJS-600-3 liegt die mittlere<br />

48 GIESSEREI 100 08/2013


Härte bei etwa 225 HBW, die Messwerte<br />

der ersten drei Punkte weichen zu niedrigeren<br />

Brinellhärtewerten hin ab.<br />

Die an den aus den Gussstücken herausgearbeiteten<br />

Zugproben gemessenen<br />

0,2-%-Dehngrenzen liegen bei EN-GJS-600-10<br />

mit 508 MPa bzw. 503 MPa um 125 MPa<br />

höher als bei EN-GJS-600-3. Die Zugfestigkeiten<br />

sind mit 633 MPa und 638 MPa bei<br />

EN-GJS-600-10 und 646 MPa bzw. 675 MPa<br />

bei EN-GJS-600-3 vergleichbar. Die Bruchdehnungen<br />

bei EN-GJS-600-10 liegen mit<br />

14,7 % und 18 % über den Normwerten. Bei<br />

EN-GJS-600-3 betragen die Bruchdehnungen<br />

4,4 % und 7,9 % (Tabelle 2).<br />

Das Gefüge <strong>des</strong> Planetenträgers (Bild 17)<br />

entspricht dem herkömmlichen ferritisch/<br />

perlitischen Werkstoff EN-GJS-600-3 mit ca.<br />

10 bis 20 % Ferrit im Grundgefüge. Das Gefüge<br />

<strong>des</strong> Planetenträgers aus EN-GJS-600-10<br />

besteht aus 100 % Ferrit (Bild 18). Die Graphitausbildung<br />

und die Größe der Graphitkugeln<br />

beider Werkstoffe sind vergleichbar.<br />

Der an den Schneidplättchen gemessene<br />

Freiflächenverschleiß bei der Bearbeitung<br />

der beiden Werkstoffe ist gleichgroß,<br />

was offensichtlich auf die niedrige Anzahl<br />

an bearbeiteten Teilen zurückzuführen ist.<br />

Die Schneidkeramikplättchen wurden<br />

nach der Bearbeitung von jeweils 30 Gussteilen<br />

gewechselt.<br />

Als weitere Referenzgussteile wurden<br />

je 5 im Handformguss hergestellte Planetenträger<br />

der Werkstoffe EN-GJS-600-3 und<br />

EN-GJS-600-10 mit einem Gewicht von ca.<br />

300 kg/Stück abgegossen. Für die Abgüsse<br />

wurde das bestehende Anschnitt- und<br />

Speisersystem unverändert übernommen.<br />

Die unbearbeiteten Rohteile wurden von<br />

der Gießerei bei Warenausgang mittels Ultraschall<br />

nach den Spezifikationen <strong>des</strong> Kunden<br />

geprüft, registrierpflichtige Anzeigen<br />

wurden nicht gefunden. Die mechanischen<br />

Eigenschaften an Probestäben waren:<br />

> EN-GJS-600-3, Charge 6702-12,<br />

Schmelze 1849.1,<br />

Rp 0,2 = 461 MPa,<br />

R m = 760 MPa,<br />

A = 7 %<br />

> EN-GJS-600-10, Charge 6722-12,<br />

Schmelze 1891,<br />

Rp 0,2 = 507 MPa,<br />

R m = 601 MPa,<br />

A = 18 %.<br />

Zu bemerken ist auch hier, dass die<br />

0,2 %-Dehngrenze bei EN-GJS-600-10 höher<br />

ist als bei EN-GJS-600-3.<br />

Die Gussteile wurden bei dem Kunden<br />

der Gießerei bearbeitet. Nach der Bearbeitung<br />

wurde an allen Teilen nochmals eine<br />

Ultraschall-Prüfung durchgeführt, mit dem<br />

Ergebnis, dass keine registrierpflichtigen<br />

Anzeigen gefunden wurden.<br />

In Bild 19, der technischen Darstellung<br />

<strong>des</strong> Planetenträgers, sind die bearbeiteten<br />

Tabelle 1: Ergebnisse der Zugproben, entnommen aus jeweils einem Gussteil (Rp 0,2<br />

– 0,2-%-Dehngrenze, R m – Zugfestigkeit, A – Bruchdehnung, Z – Einschnürung).<br />

Werkstoff Interne IfG-Proben- Rp 0,2 R m A Z HBW<br />

Nummer in MPa in MPa in % in % 10/3000<br />

Mittelwert<br />

EN-GJS-500-7 119623 358 590 11,2 7 199<br />

EN-GJS-500-14 121742 387 501 11,3 10 175<br />

EN-GJS-600-3 119625 416 615 3,7 3 228<br />

EN-GJS-600-10 125266 447 561 19,3 21 195<br />

Tabelle 2: Vergleich der im Gussstück gemessenen Festigkeiten (d 0 – Probendurchmesser).<br />

Werkstoff Interne d o Rp 0,2 R m A Z<br />

IfG-Proben- in mm in MPa in MPa in % in %<br />

Nummer<br />

EN-GJS-600-3 Pos. 1 131136 6,00 372 675 7,9 3<br />

EN-GJS-600-3 Pos. 2 131137 11,98 375 646 4,4 3<br />

EN-GJS-600-10 Pos. 1 131138 6,00 503 638 18,0 16<br />

EN-GJS-600-10 Pos. 2 131139 11,98 508 633 14,7 13<br />

Tabelle 3: Mechanische Kennwerte der Zugproben aus einer Bordscheibe bei unterschiedlichen<br />

Prüftemperaturen.<br />

Kennwert<br />

Prüftemperatur<br />

-20 °C -10 C° Raumtemperatur<br />

R m in MPa 532 517 570<br />

Rp 0,2 in MPa 400 392 457<br />

A in % 19,5 17,5 20,8<br />

Z in % 18 14 25<br />

Flächen rot gekennzeichnet, die für die Beurteilung<br />

<strong>des</strong> Werkzeugverschleißes herangezogen<br />

wurden. Diese Flächen wurden<br />

immer mit gleichen Schnittparametern bearbeitet,<br />

sodass ein direkter Vergleich <strong>des</strong><br />

Plättchenverschleißes möglich ist. Die<br />

Messwerte für den Freiflächenverschleiß<br />

(wobei dieser auf die Untersuchung eines<br />

Keramikplättchens pro bearbeitetem Planetenträger<br />

bezogen ist) streuen sehr stark,<br />

die Grundtendenz, dass EN-GJS-600-10 besser<br />

bearbeitbar ist als EN-GJS-600-3, ist auch<br />

in Bild 20 erkennbar. Der Mittelwert <strong>des</strong><br />

Freiflächenverschleißes liegt bei<br />

EN-GJS-600-10 um ca. 30 % niedriger als bei<br />

EN-GJS-600-3. Der maximale Plättchenverschleiß<br />

ist bei EN-GJS-600-3 gegenüber<br />

EN-GJS-600-10 um 100 % höher.<br />

In einer Gießerei wurde bei Seiltrommeln<br />

in Zusammenarbeit mit dem Kunden<br />

ein Werkstoffwechsel vorgenommen. Im<br />

Verlauf der Erstmusterprüfung wurden auf<br />

Wunsch <strong>des</strong> Kunden verschiedene Prüfungen<br />

am Gussteil durchgeführt. Zunächst<br />

wurden aus einer Bordscheibe Zugproben<br />

herausgearbeitet (Bild 21), die bei unterschiedlichen<br />

Prüftemperaturen (-20 °C,<br />

-10 °C und Raumtemperatur) geprüft wurden.<br />

Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 aufgeführt.<br />

Zu den Ergebnissen ist anzumerken,<br />

dass es sich um Zugproben aus dem<br />

Gussstück handelt und dass drei Chargen<br />

GIESSEREI 100 08/2013 49


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Härte HB<br />

230<br />

HB EN-GJS-600-10<br />

226<br />

222<br />

218<br />

214<br />

HB EN-GJS-600-3<br />

210<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Laufende Nummer<br />

Bild 16: Gemessene Härteverläufe in den Planetenträgern.<br />

Bild 17: Gefüge <strong>des</strong> Werkstoffes EN-GJS-600-3 an zwei Stellen <strong>des</strong> Planetenträgers.<br />

Bild 18: Gefüge <strong>des</strong> Planetenträgers aus dem Werkstoff EN-GJS-600-10.<br />

geprüft wurden. Ein wesentlicher Einfluss<br />

der Prüftemperatur ist nicht erkennbar.<br />

Zusätzlich zu den Zugproben aus dem<br />

Gussstück wurde ein Faltversuch nach DIN<br />

50111 vereinbart, der nachstehend kurz<br />

beschrieben ist (Bild 22). Zwischen zwei<br />

Lagern von 100 mm Dicke (50 mm Radius)<br />

mit einem Abstand der Maximalpunkte<br />

von 187,5 mm wird ein 12,5 mm dicker<br />

Streifen aus dem Gussstück gebogen und<br />

der Biegewinkel bestimmt, bei dem erste<br />

Risse auftreten. Der geprüfte Streifen wies<br />

nach Erreichen eines Biegewinkels von 88°<br />

erste Risse auf. Diese Prüfergebnisse erhöhten<br />

die Akzeptanz <strong>des</strong> Werkstoffs.<br />

Diskussion der Ergebnisse und<br />

Folgerungen für die Praxis<br />

Auf der Grundlage allgemein üblicher Analysen<br />

für EN-GJS wurden in den Schmelzlaboren<br />

beider am Projekt beteiligten Institute<br />

(Österreichisches Gießerei-Institut<br />

(ÖGI), Leoben, und IfG, Düsseldorf) Schmelzen<br />

erstellt, mit denen überprüft wurde,<br />

ob bei vergleichbaren Abkühlungsbedingungen<br />

und geometrisch gleichen Gusskörpern<br />

ähnliche mechanische und Gefügeeigenschaften<br />

erzielt werden. Das Einsatzmaterial<br />

für diese Schmelzen ist bei beiden<br />

Forschungsstellen gleich, die Art der Mg-<br />

Behandlung ist unterschiedlich. Wie zu erwarten<br />

war, ist, bedingt durch die unterschiedlichen<br />

metallurgischen Verfahrenstechniken,<br />

ein Gefüge erzielt worden,<br />

welches erst durch Änderung der Impftechnik<br />

angeglichen werden konnte. Damit<br />

wurde einmal mehr gezeigt, dass bei<br />

geänderten metallurgischen Voraussetzungen,<br />

wie z. B. unterschiedlichen Behandlungsverfahren,<br />

bei Verwendung gleicher<br />

Impfmittel der Keimhaushalt und die Anzahl<br />

der Keime durchaus unterschiedlich<br />

beeinflusst werden.<br />

Um den Zusammenhang zwischen Siliciumgehalt<br />

und mechanischen Eigenschaften<br />

festzustellen, wurden Schmelzen mit<br />

Si-Gehalten zwischen 2,5 und 6 % erstellt,<br />

die auf einer konstant gehaltenen Grundanalyse<br />

an Mn, P, S und Mg mit gleichem<br />

Einsatzmaterial basieren, damit der Einfluss<br />

von verschiedenen Anteilen an Spurenelementen<br />

ausgeschaltet wird. Bei Steigerung<br />

<strong>des</strong> Si-Gehalts wurde der Kohlenstoffgehalt<br />

verringert und auf einen<br />

Sättigungsgrad S c von ~1 abgestimmt. Es<br />

konnten optimale Eigenschaftskombinationen<br />

aus R m , Rp 0,2 und A mit steigenden<br />

Zugfestigkeiten und Dehngrenzen bis zu<br />

einem Si-Gehalt von 4,3 % ermittelt werden.<br />

Über diesen Grenzgehalt hinaus verschlechterten<br />

sich die Ergebnisse sehr<br />

schnell. Der Ferrit <strong>des</strong> Grundgefüges versprödet<br />

mit Überschreitung <strong>des</strong> Si-Gehaltes<br />

von 4,3 % sehr stark. Die für die Herstellung<br />

<strong>des</strong> EN-GJS-600-10 anzustrebende<br />

50 GIESSEREI 100 08/2013


Analysenspanne von 4 bis 4,2 % Silicium<br />

(einschließlich dem Siliciumgehalt <strong>des</strong><br />

Impfmittels) ist äußerst gering und für eine<br />

sichere reproduzierbare Fertigung im<br />

Schmelzbetrieb kaum einhaltbar. Der<br />

Schmelzbetrieb versucht durch Änderung<br />

der Behandlungsmittelmenge möglichst einen<br />

konstanten Mg-Gehalt in der Schmelze<br />

zu erzielen und reagiert damit auf Einflüsse<br />

auf das Magnesium-Ausbringen, wie<br />

Temperatur der Schmelze und Schwefelgehalt.<br />

Da alle Magnesiumbehandlungsmittel,<br />

außer Rein-Magnesium, Silicium<br />

enthalten, ändert sich mit der Zugabemenge<br />

an Behandlungsmittel gleichzeitig der<br />

Silicium-Endgehalt. Für eine sichere und<br />

reproduzierbare Fertigung von EN-<br />

GJS-600-10 ist es also wichtig, die Siliciumstreuungen<br />

zu minimieren. Die Streuung<br />

der Si-Gehalte liegt, bedingt durch das<br />

wechselnde Ausbringen der siliciumhaltigen<br />

Mg-Vorlegierung und <strong>des</strong> siliciumhaltigen<br />

Impfmittels, höher als 0,2 % Si. Hier<br />

muss das Prozessfenster für eine sichere<br />

Fertigung auf jeden Fall erweitert werden.<br />

Der Einfluss von nennenswerten Gehalten<br />

an perlit- und carbidstabilisierenden<br />

Elementen wurde in mehreren Versuchen<br />

exemplarisch untersucht. Bei diesen Versuchen<br />

wurden Schmelzen mit entsprechend<br />

hohen Elementgehalten erstellt, bei<br />

denen Carbidausscheidungen zu erwarten<br />

waren. Bei den metallographischen Untersuchungen<br />

dieser Proben wurden keine<br />

Carbide gefunden, die Probe mit sehr hohen<br />

Chromgehalten von 0,6 % wies lediglich<br />

durch einen höheren Perlitanteil im<br />

Gefüge eine verminderte Bruchdehnung<br />

auf. Thermodynamische Modellrechnungen<br />

der zu erwartenden Phasenanteile erbrachten<br />

keine plausiblen Ergebnisse. In<br />

einem Anschlussprojekt sollen aus diesem<br />

Grund Berechnungen mit der Thermodynamik-Software<br />

J-MatPro zur Begleitung<br />

der Versuche zusätzlich mit einbezogen<br />

werden. In diesem Projekt erfolgt der Abgleich<br />

der berechneten Ergebnisse mit den<br />

realen Messungen und Anpassungen durch<br />

den Hersteller.<br />

Die Basisschmelze zur Herstellung von<br />

EN-GJS wird bei bestimmten Anwendungsfällen<br />

bis zu 60 % aus Stahlschrott erschmolzen,<br />

besteht also aus wiederverwerteten<br />

Materialien. Dieser Wiederverwertungsweg<br />

wird durch den zunehmenden Einsatz<br />

von legierten hochfesten Stahlblechen,<br />

z. B. in der Automobilindustrie, erschwert.<br />

Legierungselemente, die die Festigkeit von<br />

Walzstahl erhöhen, wie Mn, Cr, V, Ti verursachen<br />

im Gusseisen mit Kugelgraphit, insbesondere<br />

in dickwandigen Gussteilen, Carbidausscheidungen,<br />

die die mechanischen<br />

Eigenschaften und die Bearbeitbarkeit negativ<br />

beeinflussen. Die vorliegenden Untersuchungen<br />

im Rahmen <strong>des</strong> Projekts haben<br />

gezeigt, dass das siliciumlegierte Gussei-<br />

Bild 19: Bearbeitete Flächen (rot) für die Beurteilung <strong>des</strong> Werkzeugverschleißes.<br />

Freiflächenverschleiß in µm<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

EN-GJS-600-3<br />

135<br />

165<br />

EN-GJS-600-10<br />

288<br />

210<br />

476<br />

271<br />

Minimum Mittelwert Maximum<br />

Bild 20: Freiflächenverschleiß bei der Bearbeitung von Planetenträgern aus den Werkstoffen<br />

EN-GJS-600-3 und EN-GJS-600-10.<br />

GIESSEREI 100 08/2013 51


TECHNOLOGIE & TRENDS<br />

Bild 21: Lage der Zugproben in der Bordscheibe der Seiltrommel.<br />

Bild 22: Faltversuch an einem Abschnitt aus einer<br />

Seiltrommel, Werkstoff EN-GJS-500-14.<br />

Anteil Graphitform V + VI in %<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

zunehmender<br />

Siliciumgehalt<br />

Impftechnik<br />

gut<br />

Impftechnik<br />

schlecht<br />

weise auf die Verwendung von Wismut in<br />

Impfmitteln zur Graphitfeinung in Gusseisen<br />

mit Kugelgraphit. Im Vergleich von<br />

FeSi-75 mit und ohne Wismut erhöht das<br />

wismuthaltige Impfmittel gegenüber dem<br />

Impfmittel ohne Wismut die Graphitkugelzahlen<br />

und verlängert den Abklingeffekt.<br />

Die vorliegenden Gefügeauswertungen<br />

der Silicium-Legierungsversuche haben ergeben,<br />

dass bei konstantem Siliciumgehalt<br />

die Haupteinflussgröße auf die Kugelgestalt<br />

die Erstarrungszeit ist. Zusätzlich beeinflusst<br />

die chemische Zusammensetzung <strong>des</strong> Impfmittels<br />

und die Impfmittelmenge die Graphitformen.<br />

Ein gewisser Anteil an Wismut<br />

im Impfmittel ist notwendig, um einen genügend<br />

hohen Anteil an den Graphitformen<br />

V und VI zu erzielen. Neben der Erstarrungszeit<br />

und der Impfmittelsorte beeinflusst der<br />

Siliciumgehalt der Schmelze die Graphitformen.<br />

Abhängig von der Wanddicke und dem<br />

Siliciumgehalt treten Abweichungen in der<br />

Graphitform auf, die dem bekannten Chunky-Graphit<br />

sehr ähnlich sehen, jedoch einem<br />

anderen Wachstumsmechanismus unterliegen.<br />

Die Abweichungen in der Graphitform<br />

im Si-legierten Gusseisen mit Kugelgraphit<br />

bestehen aus sehr vielen aneinandergereihten,<br />

sehr kleinen Graphitkugeln. Chunky-<br />

Graphit wächst als zusammenhängender<br />

Körper schichtweise aus hexagonalen Graphitplatten<br />

[1]. Bei der Ausscheidung von<br />

Chunky-Graphit verändert sich der im Gussstück<br />

gemessene Abkühlungsverlauf dahingehend,<br />

dass die Unterkühlung größer und<br />

die Erstarrungszeit bei gleichen Wärmeableitungsbedingungen<br />

der Form deutlich verlängert<br />

werden. Ein derartiges Phänomen<br />

konnte bei Auftreten der typischen Graphitformabweichung<br />

in den Abkühlungskurven<br />

der Siliciumlegierungsversuche nicht nachgewiesen<br />

werden. Der Bildungsmechanismus<br />

kann analog der Vermeidung von Chunky-Graphit<br />

bei herkömmlichem Gusseisen<br />

mit Kugelgraphit durch die Impftechnik und<br />

die chemische Zusammensetzung <strong>des</strong> Impfmittels<br />

(insbesondere wismuthaltige Impfmittel)<br />

beeinflusst werden. Ansteigende Bi-<br />

Gehalte durch das Impfen mit wismuthaltigem<br />

Impfmittel oder Anreicherungen von<br />

Störelementen konnten in der näheren Umgebung<br />

der Graphitabweichungen mit herkömmlichen<br />

zur Verfügung stehenden Analysenmethoden<br />

nicht nachgewiesen werden.<br />

Die Untersuchungsergebnisse zeigen<br />

auch, dass es extrem schwierig ist, das für<br />

die Produktion von Gussteilen mit sehr unterschiedlichen<br />

Wanddicken optimale<br />

Impfmittel und die optimale Impfmittelmengen<br />

zu finden. Sowohl der Anteil an<br />

Silicium, die Impfmittelzusammensetzung<br />

und die Impftechnik beeinflussen neben<br />

der Wanddicke die Graphitform (Bild 23).<br />

Bei geänderten metallurgischen Voraussetzungen,<br />

wie z. B. unterschiedlich hohen<br />

Sauerstoffgehalten vor dem Impfen, kön-<br />

Impfmittelzusammensetzung<br />

50<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200<br />

Wanddicke in mm<br />

Bild 23: Schematischer Zusammenhang zwischen Gefüge und Impftechnologie.<br />

sen mit Kugelgraphit wesentlich höhere<br />

Gehalte an perlit- und carbidstabilisierenden<br />

Elementen toleriert, ohne dass ein negativer<br />

Einfluss dieser Elemente auf das<br />

Gefüge und die mechanischen Eigenschaften<br />

bemerkt werden kann. Es zeigte sich,<br />

dass bei der Anwesenheit von 0,3 % Cr ca.<br />

5 % Perlit und keine Carbide vorliegen. Im<br />

herkömmlichen EN-GJS bilden sich hier bereits<br />

(Fe, Cr) 3 C-Ausscheidungen. Bei 1,0 %<br />

Mn hat sich wider Erwarten bei diesem hohen<br />

Anteil eines Perlitbildners trotzdem<br />

noch ein vollständig ferritisches Gefüge eingestellt.<br />

In beiden Fällen werden sehr gute<br />

Zähigkeitseigenschaften erreicht. Dies<br />

bietet das Potential, auch kostengünstigere,<br />

niedriglegierte Schrotte im metallischen<br />

Einsatz zu verwenden.<br />

Über Theorie und Praxis <strong>des</strong> Impfens<br />

von Gusseisenschmelzen ist sehr viel publiziert<br />

worden, wobei die unterschiedlichsten<br />

Lehrmeinungen vertreten werden.<br />

Eine ganz ausgezeichnete, zusammenfassende<br />

Darstellung über die „Impfbehandlung<br />

von Gusseisenschmelzen“ gibt Henke<br />

in [4]. So gibt Henke auch bereits Hin-<br />

52 GIESSEREI 100 08/2013


nen die gleichen Impfmittel den Keimhaushalt<br />

und die Anzahl der Keime durchaus<br />

unterschiedlich beeinflussen. Aus diesem<br />

Grund führen die gleichen Impfmittel, in<br />

verschiedenen Gießereien angewendet, zu<br />

völlig unterschiedlichen Ergebnissen.<br />

Zur Bewertung der Bearbeitbarkeit wurden<br />

die zu vergleichenden Werkstoffe<br />

EN-GJS-500-7, EN-GJS-500-14, EN-GJS-600-3<br />

und EN-GJS-600-10 in Form von Zylindern<br />

mit einem Durchmesser von 120 mm und<br />

einer Länge von 300 mm gegossen. Vor den<br />

Zerspanversuchen wurde die Gusshaut in<br />

einem zusätzlichen Bearbeitungsschritt<br />

entfernt. Die Gussteile wurden mit jeweils<br />

den gleichen Bearbeitungsparametern zerspant.<br />

Das Beurteilungskriterium für den<br />

Verschleiß war die Bearbeitungszeit, in der<br />

ein Freiflächenverschleiß von 200 µm an<br />

den Keramikplättchen aufgetreten ist. Die<br />

Werkzeugstandzeit ist bei den ferritischen<br />

Werkstoffsorten EN-GJS-500-14 und<br />

EN-GJS-600-10 gegenüber den ferritisch/<br />

perlitischen Werkstoffen um etwa 50 bis<br />

60 % länger. Diese Angabe gilt nur für die<br />

vergleichbaren Bearbeitungsparameter,<br />

insbesondere für die Schnittgeschwindigkeit<br />

von 240 m/min und für das Längsdrehen.<br />

Wird die Schnittgeschwindigkeit um<br />

25 % erhöht, so vermindert sich die Standzeit<br />

um etwa 50 %. Es besteht kein linearer<br />

Zusammenhang zwischen Schnittgeschwindigkeit<br />

und Werkzeugverschleiß.<br />

Für den Bearbeiter der ferritischen<br />

Werkstoffsorten kann abgeleitet werden,<br />

dass sich bei gleichen Schnittgeschwindigkeiten<br />

die Intervalle zwischen den Werkzeugwechseln<br />

im Vergleich zu der Bearbeitung<br />

der ferritisch/perlitischen Werkstoffe<br />

verlängern und die Maschinenauslastung<br />

damit besser wird. Eine weitere Möglichkeit<br />

die Auslastung der Bearbeitungsmaschinen<br />

zu verbessern, ist die Erhöhung<br />

der Schnittgeschwindigkeit gegenüber den<br />

ferritisch/perlitischen Werkstoffsorten. Mit<br />

dieser Vorgehensweise können größere<br />

Stückzahlen bei gleichem Werkzeugverschleiß<br />

bearbeitet werden.<br />

Die Abgüsse der Referenzgussteile und die<br />

Abgüsse der Bearbeitungsproben, die ebenfalls<br />

Seriengussteile waren, haben gezeigt,<br />

dass für die Herstellung von Gussteilen<br />

aus den mischkristallverfestigten EN-GJS-<br />

Werkstoffen die Anschnitt- und Speisersysteme<br />

für Gussteile aus ferritisch/perlitischen<br />

Werkstoffen ohne Änderung übernommen<br />

werden können. Die Gussteile<br />

wiesen im Vergleich keine vermehrten Porositäten<br />

auf. Bei Neuteilen oder Werkstoffumstellungen<br />

auf die siliciumlegierten<br />

Werkstoffe können zur Anschnitt- und Speiserauslegung<br />

die Erfahrungen aus der Produktion<br />

der ferritisch/perlitischen Werkstoffsorten<br />

übernommen werden.<br />

Bei den Schmelzversuchen zu dem vorliegenden<br />

Projekt „CORNET“ (AiF-Nr.- 41 EN)<br />

und vor allen Dingen im Verlauf der Begleitung<br />

der Einführung der mischkristallverfestigten<br />

siliciumlegierten Werkstoffsorten<br />

in einigen Gießereien hat sich gezeigt, dass<br />

neben der optimierten Impftechnik einige<br />

wichtige Punkte zu beachten sind:<br />

> Die Plättchen für die Spektrometerproben<br />

müssen ausreichend dünn dimensioniert<br />

werden, sodass Proben bei hohen<br />

Si-Gehalten weiß erstarren können.<br />

Bei teilweise grau erstarrten Proben<br />

werden vom Spektrometer fehlerhafte<br />

Analysen angezeigt.<br />

> Bei häufiger Probenahme darf die Kokillentemperatur<br />

nicht so weit ansteigen,<br />

dass die Spektrometerproben grau<br />

erstarren.<br />

> Die wichtigste Voraussetzung zur reproduzierbaren<br />

Herstellung der silicium-legierten<br />

Werkstoffe ist die Kalibrierkurve<br />

<strong>des</strong> Spektrometers. Das Spektrometer<br />

muss in der Lage sein, die<br />

hohen Si-Gehalte genau zu bestimmen,<br />

da, wie gezeigt, bei der Werkstoffsorte<br />

EN-GJS-600-10 der Gehalt von 4,3 % Si<br />

nicht überschritten werden und der maximale<br />

Gehalt, um die Normwerte einhalten<br />

zu können, um 0,2 % Si streuen<br />

darf. Aus Sicherheitsgründen sollte der<br />

Siliciumgehalt für die Werkstoffsorte<br />

EN-GJS-600-10 zwischen 4,0 und 4,2% Si<br />

eingestellt werden.<br />

> Wegen der einzuhaltenden Genauigkeit<br />

der Siliciumgehalte ist es unerlässlich,<br />

bei der Gattierungszusammenstellung<br />

die Größe <strong>des</strong> Siliciumeintrags durch<br />

die Mg-Vorlegierung und das Impfmittel<br />

zu berücksichtigen.<br />

Zusammenfassung<br />

Aufgrund der Eigenschaften der siliciumlegierten<br />

EN-GJS-Werkstoffe – hohe Festigkeit<br />

bei vergleichsweise guter Dehnung,<br />

gleichmäßige Härteverteilung und bessere<br />

Bearbeitbarkeit – ist in Zukunft eine starke<br />

Nachfrage nach diesen Werkstoffen zu<br />

erwarten. Silicium als Ferritbildner erhöht<br />

die Festigkeit und Härte durch Mischkristallverfestigung,<br />

es entsteht ein ferritisches<br />

Grundgefüge mit Zugfestigkeiten, vergleichbar<br />

den ferritisch/perlitischen Sorten. Mit<br />

Überschreiten eines Siliciumgrenzgehalts<br />

von 4,3 % vermindern sich die Festigkeiten<br />

und die Bruchdehnungen sehr schnell.<br />

Die durch Silicium mischkristallverfestigten<br />

Werkstoffsorten bieten das Potential,<br />

auch kostengünstigere, niedriglegierte<br />

Schrotte im metallischen Einsatz zu verwenden,<br />

ohne dass Perlit oder Carbide im<br />

Gefüge auftreten.<br />

Voraussetzungen für optimale Graphitkugelformen<br />

und damit optimale mechanische<br />

Eigenschaften sind Impftechnologien,<br />

die auf den Siliciumgehalt und die maximale<br />

Erstarrungszeit abgestimmt sind.<br />

Die Herstellung von Gussstücken hinsichtlich<br />

der Werkstoffeigenschaften und<br />

der Herstell- und Bearbeitungskosten kann<br />

optimiert werden. Eine Optimierung bedeutet<br />

Umsetzung der günstigeren mechanischen<br />

Eigenschaften, entweder in geringere<br />

Wanddicken (Leichtbauweise) oder<br />

höhere Belastung der Gussteile ohne geometrische<br />

Änderungen.<br />

Die mischkristallverfestigten Werkstoffe<br />

lassen sich durch den geringeren Werkzeugverschleiß<br />

kostengünstiger bearbeiten.<br />

Vorhandene Modelleinrichtungen und<br />

Anschnittsysteme können ohne Änderungen<br />

mit den neuen Werkstoffen abgegossen<br />

werden.<br />

Durch die erzielten Ergebnisse der untersuchten<br />

gießtechnologischen Eigenschaften<br />

konnten im Vorfeld befürchtete<br />

Nachteile, wie z. B. vermehrte Seigerungen<br />

und vermehrtes Auftreten von Mikroporositäten,<br />

ausgeräumt werden.<br />

Mit einem Qualitätsvorsprung in Bezug<br />

auf Fehlervermeidung, Reduzierung von<br />

Ausschuss und Kosteneinsparung bei den<br />

Rohstoffen können die Gießereien am<br />

Standort Deutschland und Österreich ihre<br />

internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten<br />

und ausbauen.<br />

Das IGF-Vorhaben 41 EN der Forschungsvereinigung<br />

Gießereitechnik e. V.<br />

FVG, Sohnstraße 70, 40237 Düsseldorf,<br />

wurde über die AiF im Rahmen <strong>des</strong> Programms<br />

zur Förderung der industriellen<br />

Gemeinschaftsforschung und -entwicklung<br />

(IGF) vom Bun<strong>des</strong>ministerium der Wirtschaft<br />

und Technologie aufgrund eines Beschlusses<br />

<strong>des</strong> Deutschen Bun<strong>des</strong>tages gefördert.<br />

Hierfür sei an dieser Stelle herzlich<br />

gedankt. Der Dank gilt auch den<br />

Gießereien, die das Projekt in Sitzungen<br />

<strong>des</strong> projektbegleitenden Arbeitskreises unterstützt<br />

haben. Besonderer Dank gilt den<br />

Firmen (in alphabetischer Reihenfolge):<br />

Buchholz + Cie. GmbH, Zweibrücken,<br />

DESCH Antriebstechnik GmbH & Co. KG,<br />

Arnsberg, Harz Guss Zorge GmbH, Zorge,<br />

Schonlau-Werke – Maschinenfabrik und<br />

Eisengießerei GmbH & Co. KG, Geseke, SLR-<br />

Gusswerk II – Betriebs GmbH, Steyr, Österreich,<br />

die das Projekt mit der Produktion<br />

von Gussteilen, der Bearbeitung und<br />

der Bereitstellung von Produktions- und<br />

Prüfdaten unterstützt haben.<br />

Dr.-Ing. Herbert Löblich und Dr.-Ing. Wolfram<br />

Stets, Institut für Gießereitechnik<br />

gGmbH (IfG), Düsseldorf<br />

Literatur:<br />

[1] Giesserei 93 (2006), [Nr. 6], S. 28-41.<br />

[2] BDG-Richtlinie P 350, Stand 09/2009.<br />

Bun<strong>des</strong>verband der Deutschen Gießerei-Industrie<br />

BDG, Düsseldorf.<br />

[3] Gießerei-Praxis (1999), [Nr. 1], S. 11-17.<br />

[4] Gießerei-Praxis (1980), [Nr. 5/6], S. 57/76.<br />

GIESSEREI 100 08/2013 53

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!