Leseprobe 3|2011 (PDF) - Deutsches Technikmuseum Berlin
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3 2011 DEUTSCHES<br />
TECHNIKMUSEUM<br />
BERLIN<br />
Zeitschrift der Stiftung <strong>Deutsches</strong> <strong>Technikmuseum</strong> <strong>Berlin</strong> und der Freunde und Förderer des DTMB e.V. 27. (51.) Jahrgang · Preis: 4.00 €<br />
Schwerpunktthema: Technik und Kunst<br />
Einfach glänzend – Englische Silberkunst im Zucker-Museum<br />
Auf Franz Schwechtens Spuren in <strong>Berlin</strong> und im Deutschen <strong>Technikmuseum</strong>
2<br />
Inhalt<br />
Autorinnen und Autoren dieses Heftes<br />
Arda Akkus<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
im Fachbereich Schifffahrt<br />
Helmut Becker<br />
Vorsitzender der Freunde<br />
der MITROPA e.V.<br />
Dr. Maria Borgmann<br />
Stellvertretende Chefredakeurin<br />
Justyna Czerniak<br />
Projektmitarbeiterin Ladestraße/<br />
Technoversum<br />
Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Leiter Schienenverkehr<br />
Gerhard Kemner<br />
Leiter Fotografie und Film,<br />
Papiertechnik, Schmuckproduktion<br />
DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN 3 | 2011<br />
Zu dieser Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />
Schwerpunktthema: Technik und Kunst<br />
Technik und Kunst – erstaunliche Entdeckungen<br />
im Deutschen <strong>Technikmuseum</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />
„Mächtig bewegte Arbeitsbilder“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Einfach glänzend – Englische Silberkunst im Zucker-Museum . . . . . . . . 10<br />
Straßenbauarbeiten als künstlerisches Motiv in Grafiken und Fotografien . 14<br />
Wie es rund um die Möckernbrücke im Jahr 1865 aussah . . . . . . . . . . 18<br />
Mit Wissenschaft und Kunst zur Erschließung der Welt . . . . . . . . . . . 20<br />
Auf Franz Schwechtens Spuren in <strong>Berlin</strong> und im Deutschen <strong>Technikmuseum</strong> 23<br />
Ehrenpokal für den Eisenbahner Carl Calebow von 1862 . . . . . . . . . . 26<br />
Die Astronomen und ihre Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Edle Papiere aus Gmund – eine Papierfabrik stellt sich vor . . . . . . . . . 30<br />
Blick nach draußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
Objekt des Monats August, September . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
FDTM-Info<br />
34<br />
Jubiläums-DVD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
Freunde der MITROPA e. V. Ein Verein stellt sich vor . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
300 Jahre Lichtgeschichte – die Sammlung Heckmann im Museum . . . . . . . . . 36<br />
2. Kolloquium FDTM – Technik und Stadtgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
SDTB-Info<br />
Ein gelungenes Fest für Günther Gottmann zum 80. Geburtstag . . . . . . . . . 36<br />
Dachsanierung des Lokschuppens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
Mit Schirm, Charme und Staffelstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
Fliegen und Politik: Buchvorstellungen im DTM . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
Tagungsankündigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
Nachruf auf Peter Ressin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
Herbert Liman<br />
Ehrenmitglied des FDTM<br />
Dr. Felix Lühning<br />
Leiter Archenhold-Sternwarte<br />
und Zeiss-Großplanetarium<br />
Manfred Mohn · Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter im Fachbereich Energietechnik<br />
Dr. Bernhard Nickl Leiter Zucker-Museum<br />
Jörg Schmalfuß<br />
Leiter Historisches Archiv<br />
Claudia Schuster<br />
Leiterin Schifffahrt und Geodäsie,<br />
Zeitmessung<br />
Dr. Tiziana Zugaro<br />
Leiterin Presse, Öffentlichkeitsarbeit<br />
und Marketing<br />
Herausgeber:<br />
Stiftung <strong>Deutsches</strong> <strong>Technikmuseum</strong> <strong>Berlin</strong><br />
(SDTB) und Freunde und Förderer des Deutschen<br />
<strong>Technikmuseum</strong>s <strong>Berlin</strong> e.V. (FDTM)<br />
V. i. S. d. P.:<br />
Prof. Dr. Dirk Böndel (Direktor der SDTB)<br />
und Wolfgang Jähnichen (Vorsitzender des<br />
FDTM)<br />
SDTB Trebbiner Straße 9, 10963 <strong>Berlin</strong>,<br />
Tel.: (030) 90 254 0, Fax: (030) 90 25 41 75<br />
Homepage: www.sdtb.de,<br />
E-Mail: info@sdtb.de<br />
FDTM Trebbiner Straße 9, 10963 <strong>Berlin</strong><br />
Telefon: (030) 262 20 31, Fax: (030) 26 55 81 85<br />
Homepage: www.fdtmb.de,<br />
E-Mail: info@fdtmb.de<br />
Vom Finanzamt für Körperschaften <strong>Berlin</strong><br />
als besonders förderungswürdig anerkannt.<br />
Steuernummer: 27/655/52092<br />
Newsletterbestellung über E-Mail:<br />
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Die Geschäftsstelle im Stellwerk ist donnerstags<br />
von 10–13 Uhr geöffnet.<br />
Erscheinungsweise:<br />
Die Zeitschrift erscheint mindestens viermal im<br />
Jahr. Namentlich gezeichnete Beiträge stellen<br />
die Meinung des Autors/ der Autorin dar. Nachdruck,<br />
auch auszugsweise, nur unter Angabe<br />
der Quelle und Zusendung eines Belegexemplars<br />
gestattet.<br />
Redaktion:<br />
Michael Ahrendt (FDTM), Dr. Maria Borgmann<br />
(stellv. Chefredakteurin SDTB), Reinhard Demps<br />
(Chefredakteur FDTM), Dr. Alfred Gottwaldt<br />
(stellv. Chefredakteur SDTB), Dr. Tiziana Zugaro<br />
(SDTB)<br />
E-Mail: dtmb-z@fdtmb.de<br />
Redaktionsbeirat:<br />
Andreas Curtius (SDTB), Prof. Joseph Hoppe<br />
(SDTB), Herbert Liman (FDTM), Dr. Felix Lühning<br />
(SDTB), Dr. Christian Neuert (SDTB), Achim Pohlman<br />
(FDTM), Dr. Jürgen Rose (Förderverein der<br />
Archenhold-Sternwarte), Jörg Schmalfuß (SDTB),<br />
Barbara Senst (FDTM), Prof. Dr. Dr. Holger Steinle<br />
(SDTB)<br />
Design:<br />
Rainer J. Fischer, <strong>Berlin</strong>, Tel.: (030) 426 01 95<br />
Alberichstraße 50, 12683 <strong>Berlin</strong>-Biesdorf<br />
E-Mail: rjfischer-grafik-berlin@t-online.de<br />
Druck:<br />
Druckhaus <strong>Berlin</strong>-Mitte GmbH, Schützenstr. 18,<br />
10117 <strong>Berlin</strong>, Ansprechpartnerin: Miriam Rehahn<br />
E-Mail: MRehahn@druckhaus-berlin-mitte.de<br />
Verkaufspreis:<br />
Mitglieder des FDTM erhalten die Zeitschrift im<br />
Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelpreis 4,00 €,<br />
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20,00 € pro Jahr. Bestellung beim FDTM.<br />
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Auflage:<br />
1700 Exemplare<br />
Titelfoto:<br />
„Die Nacht“, Galvanoplastik vom Portikus des<br />
Anhalter Bahnhofs nach einem Entwurf von Ludwig<br />
Brunow. Foto: SDTB/Clemens Kirchner<br />
Verkaufspreis für diese Ausgabe: 4,00 €<br />
ISSN: 1869 – 1358
DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN 3 | 2011<br />
Zu<br />
dieser Ausgabe<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
sind Sie erstaunt, auf dem Titel dieser<br />
Ausgabe die eindrucksvolle Skulptur der<br />
„Nacht“ vom Portal des Anhalter Personenbahnhofs<br />
zu sehen, die sich jetzt im Lokschuppen<br />
des Deutschen <strong>Technikmuseum</strong>s<br />
befindet? Wir hoffen das, denn wir haben<br />
uns vorgenommen, Sie weiter staunen zu<br />
lassen und deshalb als Schwerpunkt die<br />
Beziehung zwischen Technik und Kunst<br />
gewählt. Dieses Thema erweist sich als so<br />
vielfältig, dass wir es hier nur schlaglichtartig<br />
beleuchten und eine erste Annäherung<br />
versuchen können. Die Stiftung <strong>Deutsches</strong><br />
<strong>Technikmuseum</strong> <strong>Berlin</strong> (SDTB) ist reich an<br />
kunsthandwerklichen und künstlerischen<br />
Objekten aller Art in den Ausstellungen, den<br />
Depots sowie in den Archiven und Bibliotheken<br />
der Stiftungshäuser.<br />
Das Wort Technik leitet sich vom griechischen<br />
„téchne“ her, was so viel wie Kunst,<br />
Handwerk, Kunstfertigkeit bedeutet, aber<br />
alle Begriffe in sich vereint. Das Miteinander<br />
von Künstler und Techniker hat sich seit der<br />
Renaissance entwickelt und bis ins 19. Jahrhundert<br />
hinein bestanden, denken Sie nur an<br />
Leonardo da Vinci, dessen Zeichnungen ihn<br />
ja als genialen technischen Erfinder ausweisen,<br />
oder an den großen Architekten Balthasar<br />
Neumann, der wie viele seines Fachs<br />
gleichzeitig Ingenieur im Militärwesen war.<br />
Mit der Entstehung Technischer Hochschulen<br />
trennten sich dann in Deutschland die<br />
Berufsbilder, zum Beispiel in Ingenieure,<br />
Bauingenieure und Architekten. Das Miteinander<br />
von Technik und Kunst ist also in<br />
einem <strong>Technikmuseum</strong> als selbstverständlich<br />
und thematisch gesetzt anzusehen.<br />
Im ersten Beitrag laden wir Sie zu einem<br />
kleinen Spaziergang durch das Deutsche<br />
<strong>Technikmuseum</strong> mit einem Blick hinter die<br />
Kulissen und „erstaunlichen Entdeckungen“<br />
ein. Er soll Sie anregen, sich auch einmal in<br />
den Datenbanken des Historischen Archivs<br />
und im Katalog der Bibliothek umzusehen.<br />
Sie ahnen nicht, welche Schätze dort auf Sie<br />
warten!<br />
Ein immer wiederkehrendes Thema im<br />
Industriebild, das im Zuge der Industrialisierung<br />
im 19. Jahrhundert ein eigenes<br />
Genre wird, ist die Darstellung der Arbeit in<br />
den unterschiedlichsten Bereichen. Die eindrucksvollen<br />
Grafiken des Malers Julius<br />
C. Turner zeigen „mächtig bewegte Arbeitsbilder“<br />
wie Werkhallen, Hüttenwerke, Abraumbagger,<br />
Eisenbahnen oder Straßenfahrzeuge,<br />
also die ganze Welt der Industrie<br />
und des sich rasant entwickelnden Verkehrswesens.<br />
Straßenbauarbeiten mit ihren traditionellen,<br />
aber auch modernen Methoden waren<br />
ebenfalls ein reizvolles Motiv für bildende<br />
Künstler und Fotografen. Die Bilder von Salomon<br />
Sigrist und Hans Krüger stellen eindrücklich<br />
die Schwere der Arbeit dar, die nur<br />
durch kleine Pausen am Rande aufgelockert<br />
wird. Die sich entwickelnde Großtechnik des<br />
Straßen-, insbesondere des Autobahnbaues,<br />
hat bekannte Fotokünstler wie Willy Pragher<br />
oder Oskar Dahlke immer wieder zum Festhalten<br />
gleichermaßen dokumentarischer wie<br />
künstlerischer Motive inspiriert.<br />
Die angewandte Kunst finden Sie in besonders<br />
schöner Ausprägung in der „einfach<br />
glänzenden“ englischen Silberkunst vom 18.<br />
bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Aus<br />
seinen reichen Beständen zeigt das Zucker-<br />
Museum der Stiftung eine kleine Auswahl,<br />
und in dem Beitrag wird erklärt, welche technologischen<br />
Gegebenheiten diesen Kunstwerken<br />
für den vornehm ausgestatteten<br />
Haushalt zugrunde liegen. Auch der Ehrenpokal<br />
für den Eisenbahner Carl Calebow,<br />
der dem Deutschen <strong>Technikmuseum</strong> übereignet<br />
wurde, ist ein schönes Beispiel für die<br />
angewandte Kunst.<br />
Architekten beeinflussen entscheidend das<br />
Bild einer Stadt. Franz Schwechten, der den<br />
berühmt gewordenen Anhalter Personenbahnhof<br />
und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche<br />
entwarf, gehört zu ihnen. Begeben<br />
Sie sich, liebe Leserin und lieber Leser,<br />
auf „Franz Schwechtens Spuren in <strong>Berlin</strong> und<br />
im Deutschen <strong>Technikmuseum</strong>“. Sie werden<br />
staunen! Vor allem der erhalten gebliebene<br />
östliche Kopfbau des ehemaligen Anhalter<br />
Güterbahnhofs, in dem sich heute das Science<br />
Center Spectrum befindet, prägt das<br />
Stadtbild am Gleisdreieck und das Museumsquartier,<br />
das entstehende Technoversum,<br />
auf der Ladestraße.<br />
Einen überraschenden Fund der letzten Zeit<br />
können wir Ihnen erstmals vorstellen: die<br />
älteste bisher bekannte Ansicht der Keimzelle<br />
des Deutschen <strong>Technikmuseum</strong>s „rund<br />
um die Möckernbrücke im Jahr 1865.“ Das<br />
Aquarell ist sehr detailgetreu und zeigt auf<br />
dem Landwehrkanal einen Kaffenkahn, wie<br />
er in der Schifffahrtsausstellung zu sehen ist.<br />
Wissenschaft und Kunst verbündeten sich<br />
insbesondere im 18. Jahrhundert auf großen<br />
Forschungsexpeditionen wie der von James<br />
Cook 1768-1771 mit der ENDEAVOUR. Als es<br />
die Fotografie noch nicht gab, hielt man die<br />
Tiere und Pflanzen ferner tropischer und subtropischer<br />
Länder in künstlerisch hochstehenden<br />
kolorierten Zeichnungen fest. Dank<br />
der Drucktechnik wurden sie in Europa verbreitet<br />
und zu wichtigen Informationsquellen<br />
der global erforschten Natur. Sie stammen<br />
aus der Zeit der Aufklärung und des<br />
Klassizismus. Der Beitrag „Mit Wissenschaft<br />
und Kunst zur Erschließung der Welt“ vermittelt<br />
Ihnen Näheres über diese besondere<br />
Sparte der angewandten Kunst.<br />
Auch Astronomen hatten „ihre Künstler“!<br />
Historische Geräte, wie sie in der Archenhold-Sternwarte<br />
aufbewahrt werden, vereinen<br />
höchste Handwerkskunst mit größter<br />
Präzision und es ist ein besonderes Vergnügen,<br />
mit ihnen umzugehen.<br />
„Edle Papiere aus Gmund“, aus der dortigen<br />
traditionsreichen Papiermanufaktur, haben<br />
eine starke sinnliche Anmutung, und<br />
die hoch technisierten Maschinen faszinieren.<br />
Dieses Wechselspiel ist in künstlerisch<br />
eindrucksvollen schwarz-weißen Fotografien<br />
festgehalten, von denen wir einige in dieser<br />
Ausgabe zeigen.<br />
Die weiteren Beiträge informieren Sie über<br />
wichtige Aktivitäten in der Stiftung.<br />
Das Schwerpunktthema wird Ihnen sicher,<br />
liebe Leserin und lieber Leser, bisher verborgen<br />
gebliebene oder auch unbekannte<br />
Anschauungen und Ansichten vermitteln<br />
und wir versprechen Ihnen: Es wird nicht das<br />
letzte Mal sein, dass wir Sie auf so spannende<br />
Entdeckungsreisen zu Kunstschätzen<br />
mitnehmen, die mit der Technik und ihrer<br />
Geschichte eng verbunden sind!<br />
MARIA BORGMANN<br />
REINHARD DEMPS<br />
3
4<br />
Technik und Kunst –<br />
erstaunliche Entdeckungen<br />
im Deutschen <strong>Technikmuseum</strong><br />
Bei einem Rundgang durch die einzelnen<br />
Abteilungen des Deutschen <strong>Technikmuseum</strong>s<br />
lohnt sich ein „Blick zur Seite“ – auf<br />
das Miteinander von Technik und Kunst.<br />
Erstaunliche Entdeckungen finden sich in<br />
den Ausstellungen genauso wie in den<br />
Beständen des Historischen Archivs der Stiftung<br />
<strong>Deutsches</strong> <strong>Technikmuseum</strong> <strong>Berlin</strong>. Die<br />
Definition von Technik als Teil der Kulturgeschichte<br />
ist ein wesentlicher Grundsatz<br />
im Konzept der Stiftung. So erklärt sich auch<br />
die umfangreiche Sammlung von Gemälden,<br />
Grafiken und anderen Objekten,<br />
die der bildenden und der angewandten<br />
Kunst, dem Kunsthandwerk, aber auch<br />
dem Design zuzuordnen sind.<br />
Kunst und Design<br />
in den Ausstellungen<br />
Gleich in der Historischen Werkstatt in der<br />
Eingangshalle des Deutschen <strong>Technikmuseum</strong>s<br />
bilden das Gemälde von Manfred<br />
Bleßmann, das eine Fabrikhalle des 19. Jahrhunderts<br />
zeigt, und das Werkzeugmaschinen-Ensemble<br />
mit der Dampfmaschine von<br />
DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN 3 | 2011<br />
1860, und ihrem klassizistisch anmutenden<br />
Design, eine harmonische Verbindung von<br />
Technik, Kunst und Ausstellungsinszenierung,<br />
Die Abteilung Textiltechnik überrascht<br />
mit künstlerischen Verwandlungen von Alltagsgegenständen<br />
wie einem Schuh, einer<br />
Handtasche oder einer Steckdose aus ungewöhnlichen<br />
Materialien. Ein Großbild in<br />
Mischtechniken als Collage zeigt im Comic-<br />
s Das Hammer- und Eisenwalzwerk der Firma Borsig in Moabit. Aquarell von A. Mödinger, 1854. Foto: SDTB/Historisches Archiv<br />
s<br />
Plakat „AEG Flammeco Lampen für<br />
Fabrikbeleuchtung“. Es zeigt die<br />
berühmte AEG-Turbinenhalle in <strong>Berlin</strong>-<br />
Moabit von Peter Behrens.<br />
Fotos: SDTB/Historisches Archiv<br />
Stil die Arbeit in einer indischen Stickereifabrik.<br />
Der Zyklus von Bleistiftzeichnungen aus<br />
Textilfabriken der 1930er/ 1940er Jahre ist<br />
ein eindrucksvolles Beispiel für die Industriezeichnung,<br />
das Industriebild.<br />
Erstaunliche Entdeckungen finden sich<br />
auch in der Ausstellung zum Schienenverkehr<br />
in den historischen Lokschuppen. Dort<br />
beeindrucken großformatige Gemälde und<br />
Büsten. Blickfänger im vorderen Bereich des<br />
Lokschuppens 1 sind zwei auf Kupfer gemalte<br />
Bilder von Paul Meyerheim aus dem<br />
Zyklus von sieben Bildern für die Loggia im<br />
Garten der einstigen Borsigvilla in <strong>Berlin</strong>-<br />
Moabit und die Figurengruppe „Tag und<br />
Nacht“ des Bildhauers Ludwig Brunow vom<br />
Portal des früheren Anhalter Bahnhofs. Weitere<br />
Entdeckungen erwarten die Besucher,<br />
so vor allem der Kaiserwagen aus dem Hofzug<br />
Wilhelms II. Im Beamtenhaus zwischen<br />
den beiden Lokschuppen gibt die Ausstellung<br />
zur Schmuckproduktion die vielleicht<br />
unmittelbarste Vorstellung davon, wie eng<br />
Kunst und Technik miteinander verbunden<br />
sind.
DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN 3 | 2011<br />
Die Knochenschiffsmodelle in der Ausstellung<br />
zur Schifffahrt im Neubau und das Kirchenschiffsmodell<br />
der NAUTILUS sind besonders<br />
interessante Beispiele für kunstvollen<br />
Modellbau des 19. Jahrhunderts.<br />
Zum Thema Design gibt es zahlreiche<br />
Objekte: von der Columbia-Druckpresse in<br />
der Drucktechnik über die zahlreichen Radio-<br />
und Fernsehgeräte der Nachrichten-<br />
s Der Flughafen Tempelhof im Bau. Gemälde von August Soeder, 1937. Foto: SDTB/Historisches Archiv<br />
technik, die Apparate der Film- und Fototechnik<br />
oder den Rumpler-Tropfenwagen in<br />
der Luftfahrt-Ausstellung bis zur Präsentation<br />
der Fahrzeuge des Straßenverkehrs in<br />
„Mensch in Fahrt – unterwegs mit Auto &<br />
Co.“ In allen Ausstellungen lohnt sich auch<br />
ein konzentrierter Blick auf die zahlreichen<br />
Objekte in Vitrinen oder in den Inszenierungen<br />
rund um die Protagonisten technischer<br />
Entwicklungen.<br />
Das Science Center Spectrum bietet mehrere<br />
Objekte zum Experimentieren mit Kunst<br />
und Technik: die „Rotographie“, „Big Brother“<br />
und den „Urschrei“. Sonderausstellungen<br />
auf der Galerie der Schifffahrt und in der<br />
Kleinen Galerie der Fototechnik eröffnen<br />
immer wieder spannende Einblicke in verschiedene<br />
Bereiche der Fotokunst.<br />
Historisches Archiv und<br />
Bibliothek – Schatzkammer<br />
und Wissensspeicher<br />
Der Blick hinter die Kulissen, ins Historische<br />
Archiv, öffnet dem – angemeldeten – Besucher<br />
eine wahre Schatzkammer. Sie be-<br />
inhaltet über 100 Gemälde, zahlreiche<br />
Zeichnungen, über 1200 Grafiken, mehr<br />
als 2000 Plakate, Plakatentwürfe, Architekturzeichnungen<br />
sowie eine umfangreiche<br />
Fotosammlung. Alle Objekte stellen<br />
eine reiche Palette der Technik-, Industrie-,<br />
Verkehrs- und Architekturgeschichte aus<br />
mehreren Jahrhunderten dar. Berühmte<br />
Künstler, Architekten und Designer wie Pe-<br />
ter Behrens, Peter Raacke oder Dieter Witte<br />
sind ebenso vertreten wie die „großen Unbekannten“,<br />
zu denen bisher nur wenige bis<br />
gar keine Forschungsergebnisse vorliegen.<br />
In der Museumsbibliothek begegnet man<br />
dem Thema Kunst häufig und auf vielfältige<br />
Weise. Da sind einerseits die Bücher (oft Ausstellungskataloge),<br />
die sich inhaltlich mit einzelnen<br />
Aspekten der Kunst auseinandersetzen,<br />
vor allem aber Bücher, die aufgrund ihrer<br />
Gestaltung zur Buchkunst werden. Meist<br />
machen die Illustrationen und Umschlaggestaltung<br />
ein Buch unverwechselbar.<br />
Auch die Typografie, ein aufwändig gestalteter<br />
Leder- oder ein Blecheinband (wie<br />
abgebildet) können ein Buch zum attraktiven<br />
Ausstellungsobjekt machen. Kunst und<br />
Technik In der Stiftung <strong>Deutsches</strong> <strong>Technikmuseum</strong><br />
<strong>Berlin</strong> – eine Fundgrube, deren<br />
Bestände faszinieren sowie zu neuen Forschungs-<br />
und Ausstellungsprojekten anregen.<br />
Sonderausstellungen zum preußischen<br />
Eisenkunstguss, zu den Architekten Hans<br />
Poelzig, Peter Behrens und seiner Tätigkeit<br />
für die AEG, zu Alfred Grenander und Ri-<br />
chard Brademann und ihren <strong>Berlin</strong>er U- und<br />
S-Bahn-Bauten, zum Fotografen Max Krajewski<br />
sowie „Gestalten für den Gebrauch.<br />
50 Jahre Peter Raacke Design“ haben die<br />
engen Beziehungen zwischen Technik und<br />
Kunst gezeigt.<br />
MARIA BORGMANN<br />
s Buchkunst und Kunstbuch – K.G.P.<br />
Hultén: The machine. As seen at the<br />
end of the mechanical age. The Museum<br />
of Modern Art, New York, 1968.<br />
Foto: Michael Ahrendt<br />
5
10<br />
Einfach glänzend –<br />
Englische Silberkunst<br />
im Zucker-Museum<br />
Das Aufkommen von Zuckergefäßen (Dosen,<br />
Schalen, Streuer) und -geräten (Streulöffel,<br />
Zangen, Scheren) hängt eng mit dem<br />
gesteigerten Bedarf an Zucker nach Einführung<br />
und Verbreitung der „Luxusgetränke“<br />
Tee, Kaffee und Schokolade in<br />
Europa zusammen. Zunächst als Arzneien<br />
in Apotheken und Gewürzhandlungen verkauft,<br />
wurden sie im Laufe des 17. Jahrhunderts<br />
als Luxusgetränke geschätzt.<br />
Im Zucker-Museum werden dem Thema<br />
entsprechend die der Darreichung von<br />
Zucker dienenden Teile des umfangreichen<br />
Tafelsilbers gesammelt. Die mehrere hundert<br />
silberne Zuckergefäße und -geräte um-<br />
fassende Sammlung besteht aus deutschen,<br />
österreichischen und russischen sowie<br />
aus circa hundert englischen Sammlungsstücken.<br />
Zu diesen englischen Zuckerdosen,<br />
-schalen und -zangen gehören sowohl<br />
Stücke aus edlem (Silber) als auch aus<br />
unedlem Metall (Silber auf Kupfer oder<br />
Messing plattiert).<br />
Diese „Plated“-Gegenstände sind in einer<br />
um die Mitte des 18. Jahrhunderts völlig<br />
neu entwickelten, kostensparenden Herstellungstechnik<br />
gefertigt. Sie führte im<br />
19. Jahrhundert dazu, dass nun auch das<br />
gesamte Bürgertum einen neuen Abnehmerkreis<br />
für solche Silberwaren bildete.<br />
DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN 3 | 2011<br />
Englisches Silber<br />
„Reines“ englisches Silber kann man auf<br />
den ersten Blick erkennen: Es wurde immer<br />
mit einem schreitenden Löwen gestempelt.<br />
Er zeigt von Edinburgh bis London Silber in<br />
Sterling-Qualität an.<br />
Die Stempelung (Punzierung) garantierte<br />
das ordnungsgemäße Abführen der auferlegten<br />
Steuern, diente aber gleichzeitig<br />
s<br />
Zuckerstreuer aus der Frühzeit von George III. Sterling-Silber, London 1761, Meister RP – R. Peaston. Zuckerschale aus der Zeit von<br />
George III. mit damals typischem "bright-cut-Dekor”. Sterling-Silber, innen feuervergoldet, London 1894, Meister TW – Thomas Wallis.<br />
Zuckerzange aus der Regency-Zeit, Sterling-Silber, London 1818, Meister WB – William Bateman. Fotos: Archiv Zucker-Museum<br />
auch zum Schutz des Käufers und der Krone<br />
vor Fälschungen.<br />
Englisches Silber lässt sich fast immer auf<br />
das Jahr genau datieren. Ein im Jahr 1300<br />
erlassenes Gesetz legte fest, dass jegliches<br />
Silber mit einem Leopardenkopf zu stempeln<br />
war. 1363 folgte die Marke des Silberschmiedes,<br />
der im letzten Viertel des<br />
15. Jahrhunderts die Jahresmarke hinzugefügt<br />
wurde. Sie wechselte jedoch nicht zum<br />
1. Januar eines Jahres, sondern wurde zu<br />
unterschiedlichen Daten festgelegt. Im Laufe<br />
der Zeit entstanden verschiedene Stadtgilden,<br />
die zur Unterscheidung eigene Stadtmarken<br />
herausgaben (etwa für London
DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN 3 | 2011<br />
einen Leopardenkopf, einen Anker für die<br />
Stadt Birmingham und die Burg für Edinburgh).<br />
Darüber hinaus war für eine bestimmte<br />
Zeit noch der Kopf des Regenten<br />
als Marke in das Silber eingeschlagen.<br />
Die genaue Bestimmung der Jahreszahl<br />
war aus allen – zumeist vier – Punzen ersichtlich.<br />
Die Jahreszahl selbst war immer als<br />
Buchstabe angegeben, dessen Umfassung<br />
(oval, rund, oder wappenartig) und Form<br />
(Groß- oder Kleinschreibung, dick, dünn)<br />
sich jährlich änderten. Dadurch konnte man<br />
ein Mehrfaches an Jahren, als das Alphabet<br />
Buchstaben hat, durch einen Vergleich mit<br />
den veröffentlichten Buchstaben exakt festlegen.<br />
Es gibt daher wohl kein Silber auf der<br />
Welt, das sich über Jahrhunderte hinweg so<br />
genau datieren lässt wie englisches Silber.<br />
Um Datierung und Herkunft zu bestimmen,<br />
muss man kein Experte sein. Bestimmungsbücher<br />
ermöglichen auch dem Laien die<br />
Entschlüsselung der Punzen.<br />
Dieser Umstand hat zur Beliebtheit des<br />
englischen Silbers beigetragen, und es erfreut<br />
sich einer internationalen SammIerleidenschaft.<br />
Sterling-Qualität<br />
und Britannia-Standard<br />
In England sind bis heute reine Silberwaren<br />
in Sterling-Qualität (925/1000) oder sogar<br />
in Britannia-Standard (958/1000) gebräuchlich.<br />
Sterling-Silber (925/1000) ist die meistverwendete<br />
Silberlegierung. Der Name entstand<br />
aus dem alten englischen „Silver-<br />
Penny“, der auf einer Seite einen Stern eingeprägt<br />
hatte. Diese Münze wurde „Starling“<br />
(kleiner Stern) genannt. Im Laufe der<br />
Zeit wurde aus dem Starling der Sterling.<br />
Der Britannia-Standard darf daneben auch<br />
verarbeitet werden, kommt aber hauptsächlich<br />
nur zu bestimmten Anlässen wie<br />
Jubiläen zum Einsatz. Die eigentliche Verwendungszeit<br />
war zwischen 1698 und<br />
1719. Während dieser Zeit war der Britannia-Standard<br />
obligatorisch, danach trifft<br />
man ihn nur noch vereinzelt an. Der Grund<br />
für seine Einführung ist heute nicht mehr<br />
eindeutig festzustellen: Vermutlich ist diese<br />
Qualität auf die aufkommende Gewohnheit<br />
der Silberschmiede zurückzuführen, Silbermünzen<br />
einfach einzuschmelzen und daraus<br />
die Silbergegenstände zu fertigen. Bei der<br />
Verarbeitung von Silber musste eigentlich<br />
eine Steuer abgeführt werden. Damit diese<br />
Steuer durch das Einschmelzen von Silbermünzen<br />
nicht umgangen werden konnte,<br />
erhöhte der Staat im März 1697 durch ein<br />
Gesetz den geforderten Silberanteil für verarbeitetes<br />
Silber auf 958/ 1000. Da die Münzen<br />
aus Sterling-Silber bestanden, war so<br />
s<br />
Zuckerstreuer aus der Zeit von George II., 1741. Ältester Vertreter seiner Art im Zucker-<br />
Museum. Sterling-Silber, London, Meister HH – Henry Hebert.<br />
s Zuckerschale aus der Zeit von George III. Sterling-Silber, London 1894, Meister DD –<br />
Daniel Denney.<br />
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eine betrügerische Steuerhinterziehung nicht<br />
mehr möglich.<br />
Die Silberqualität auf<br />
dem europäischen Festland<br />
Die Situation im übrigen Europa war in Bezug<br />
auf die Silberqualität unterschiedlich.<br />
Bis ins 18. Jahrhundert waren in Deutschland<br />
im Allgemeinen Silberlegierungen von<br />
s<br />
Zuckerstreuer im Queen-Anne-Stil. Galvanisch versilbert auf<br />
unedlem Grundmetall. England, um 1880. Hersteller<br />
JD & Sons.<br />
812,5/1000 oder 875/1000 Silber vorgeschrieben,<br />
die in Not- und Kriegszeiten bis<br />
auf 500/1000 oder gar 375/1000 Silberanteil<br />
absanken. Ab 1871 war 800er Silber<br />
üblich (800/1000), der Silberanteil demnach<br />
erheblich geringer als beim englischen Silber.<br />
Das Silber hatte eine reichseinheitliche<br />
Stempelung mit dem Halbmond und der<br />
Kaiserkrone. Das französische Silber besaß<br />
durchweg einen hohen Feingehalt. Am<br />
Ende des 18. Jahrhunderts waren in Paris<br />
959/1000, in der Provinz zum Teil etwas<br />
niedrigere Legierungen vorgeschrieben.<br />
Belgien, die Niederlande und Österreich-<br />
Ungarn erlaubten im 19. Jahrhundert den<br />
Gebrauch von zwei oder drei Legierungen<br />
mit Feingehalten zwischen 750/1000 und<br />
933/1000.<br />
PIated-Waren<br />
„Plated“ bedeutet plattiert und bezieht sich<br />
auf ein Verfahren, bei dem zwei Metalle<br />
durch Walzen zusammengeschweißt werden.<br />
Das unedlere Metall wird mit dem edleren<br />
Metall verbunden, indem man es durch<br />
zwei Walzen dreht. Dabei entsteht durch den<br />
hohen Druck Hitze und es entwickelt sich<br />
eine Verschweißung zwischen den beiden<br />
Metallschichten. Durch die Erhitzung beim<br />
Walzen wird die Verbindung der beiden<br />
Metalle so innig, dass das Rohmaterial zu<br />
einem Blech kaschiert und dieses sowohl<br />
getrieben als auch ziseliert werden kam.<br />
Die beste Qualität dieser Verarbeitungsmethode<br />
in Bezug auf Verarbeitung, Robustheit<br />
und Solidität besitzt das Sheffield Plated, das<br />
der Messerschmied Thomas Boulsover im<br />
Jahre 1743 in Sheffield entwickelte. Auch an<br />
anderen Orten in England, wie in Birmingham<br />
oder London, wurden Metalle plattiert.<br />
Das häufig benutzte Kupferblech wurde auf<br />
einer Seite durch Aufwalzen einer Silberfolie<br />
mit einem fest haftenden Überzug versehen,<br />
die Rückseite meist verzinnt.<br />
Kurz vor 1770 kamen Verfahrenstechniken<br />
auf, mit deren Hilfe man die Kupfer-<br />
DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN 3 | 2011<br />
bleche auf beiden Seiten plattieren konnte.<br />
Die Veredelung von Gebrauchsmetallen<br />
durch das Aufwalzen von Silber oder Gold<br />
ist jedoch sehr kostspielig, da das Material<br />
(zum Beispiel beim Silver-Plated) einen recht<br />
hohen Edelmetallanteil aufweist.<br />
Galvanisches Verfahren<br />
Später wurde der Begriff auch auf das gal-<br />
s Zuckerstreuer aus frühviktorianischer Zeit. Sterling-Silber, London,<br />
1851. Gefertigt in der Silberschmiede Robert Hennell III &<br />
Sons (RH). Die 1736 gegründete Werkstatt besteht bis heute.<br />
vanische oder elektrolytische Verfahren<br />
angewendet. So umfasst der Begriff „Plated“<br />
heute in England zum einen nach den<br />
alten Verfahren hergestellte Objekte, die<br />
sehr hoch gehandelt werden, zum anderen<br />
auch die galvanische Veredelung auf unterschiedlichen<br />
Grundmetallen. Die dabei aufgetragene<br />
Schicht beträgt hier jedoch kaum<br />
1/10 mm. Auf diese Weise kam man mit<br />
bedeutend weniger Silber aus, da die Auftragsdicke<br />
kontrolliert und dünner gehalten<br />
werden konnte (heute üblicherweise 5–18<br />
µm bei Schmuck und etwa 36 µm bei<br />
Gebrauchsgegenständen). Um 1800 setzte<br />
sich das galvanische Verfahren endgültig<br />
durch, da die elektrolytische Veredelung<br />
wesentlich preisgünstiger war als das Aufwalzen<br />
einer edleren Metallschicht (Plattie-
DEUTSCHES TECHNIKMUSEUM BERLIN 3 | 2011<br />
ren). Außerdem konnte das Material nach<br />
der Elektroplattierung problemloser verarbeitet<br />
werden, weil es nicht so dick wie das<br />
nach dem alten Verfahren plattierte Metall<br />
war. Plated-Gegenstände erhielten zunächst<br />
einen zusätzlichen Wert, wenn das unedlere<br />
Metall aus Kupfer bestand und nach<br />
einiger Zeit des Gebrauchs an besonders<br />
abgenutzten Stellen rötlich zum Vorschein<br />
kam. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert,<br />
als man meinte, das durchscheinende<br />
Kupfer verleihe dem Gegenstand ein abgenutztes<br />
Aussehen. Heute dagegen besitzt<br />
die ursprüngliche Kupfer-Silber-Verarbeitung<br />
wieder besonderen Wert, weil sie das<br />
ältere und somit als kostbarer angesehene<br />
Material darstellt.<br />
BERNHARD NICKL<br />
s Zuckerschale. Sterling-Silber, London 1904. Meister JBC – John Bodman Carrington.<br />
Auf der Schalenunterseite zusätzlicher Stempel Carrington<br />
C. – London – 130 Regent St.<br />
Literatur<br />
Arthur G. Grimwade: London Goldsmiths 1697–<br />
1837, Their Marks & Lives. London 1990<br />
Ian Pickford (ed.): Jackson's Silver & Gold Marks<br />
of England. Scotland & Ireland. Antique Collectors'<br />
Club, Woodbridge 1989<br />
Percy Hennell: The Hennells - a continuity of<br />
craftsmanship. Oxley Press, Nottingham.<br />
Bradbury's Book of Hallmarks. J.W. Northend<br />
Ltd., Sheffield, England 1985.<br />
s Die Punze zeigt das Meisterzeichen von John Bodman Carrington JBC, den schreitenden Löwen als Zeichen für Sterling-Qualität, den<br />
Leopardenkopf als Stadtmarke von London und den Buchstaben i für die genaue Jahreszahl 1904. Foto: SDTB/Bernhard Nickl<br />
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