Blickpunkt - Erfolgsfaktor Familie
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<strong>Blickpunkt</strong><br />
„Ein Betriebskindergarten ist ja so ziemlich das Teuerste, was man basteln<br />
kann. Deshalb hat die Commerzbank sich bereits 1999 das neuartige<br />
Betreuungsarrangement ‚Kids & Co.’ einfallen lassen, nämlich Kinderbetreuung<br />
in Ausnahmefällen. Hierbei handelt es sich um eine spontane<br />
Betreuung von Commerzbanker-Nachwuchs in einer Frankfurter Einrichtung<br />
– ohne Anmeldung, ohne Formalien, und zwar von morgens 6.00<br />
Uhr bis abends 22.00 Uhr. Die dafür erstellte Kosten-Nutzen-Rechnung<br />
pro Jahr sieht folgendermaßen aus: In der Einrichtung entstehen Betriebskosten<br />
von 210.000 Euro, aber 350.000 Euro hätten die Ausfallzeiten<br />
derjenigen ausgemacht, die wegen fehlender Kinderbetreuung nicht zur<br />
Arbeit erscheinen konnten. Insofern haben wir – ganz einfach ermittelt –<br />
140.000 Euro eingespart.“<br />
Ähnliche Berechnungen, sicher auch für andere betriebliche Handlungsfelder<br />
der Work-Life-Balance kann jedes Unternehmen für sich aufstellen.<br />
Angesichts dessen, dass aber die Auditierung ebenfalls nicht unentgeltlich<br />
verläuft, standen dann auch folgende Fragen zur Debatte: Bedarf es überhaupt<br />
einer Auditierung, wo doch die Unternehmen in Deutschland gewaltigen<br />
Sparzwängen unterliegen, u.a. mit Personalabbau reagieren<br />
müssen? Ist das audit berufundfamilie ® nicht zu teuer?<br />
6 Auditfinanzierung<br />
„Teuer ist es nicht“, meint Richard Schulze von der Dyckerhoff AG, die vor<br />
einem Jahr das Grundzertifikat für die Hauptverwaltung mit 285 Mitarbeitern<br />
(32% Frauen, Teilzeitquote 8%) erhielt. „Wir haben 4.500 Euro eingesetzt<br />
für den Berater und 1.500 als Zuschuss zurückbekommen. Für<br />
3.000 Euro ein einträgliches Audit (Orientierungsgespräch, Festlegen der<br />
Vorgehensweise, Besetzung der Projektgruppe, Erfassen des Status quo,<br />
Bestimmen der Zielvorgaben) zu erhalten – nutzbringender geht es nicht.<br />
Seitdem ist auch ein Ruck durch den Betrieb gegangen. Ich kann nur jedem<br />
Unternehmen empfehlen, mit der Auditierung zu beginnen. Sie werden<br />
staunen, wie viele Akteure dann mit im Boot sitzen.“<br />
Frau Dr. Becker konkretisiert die Preisspanne: „In Abhängigkeit von der<br />
Unternehmensgröße reicht sie bis 12.000 Euro. Die berufundfamilie<br />
gGmbH unterstützte die Durchführung des Audits noch bis 31.12.2005<br />
finanziell, zum Schluss nur noch für Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten.<br />
Die Mittel wurden im Zeitverlauf sukzessive verringert und dann<br />
auf bestimmte Landesförderungen verlagert, die es in einigen Bundesländern<br />
gibt.“ Die Preise enthält Übersicht 2.<br />
Für die Commerzbank AG (25.300 Mitarbeiter bundesweit, 50% Frauen,<br />
Teilzeitquote 21%) – sie erhielt am 16.5.2006 bereits zum zweiten Mal<br />
das Zertifikat zum audit berufundfamilie ® und befindet sich in der dritten<br />
Runde – ist der Preis zu vordergründig. Rainer Dahms hält die Folgen für<br />
viel wichtiger: „Wir arbeiten immer weiter an der Umsetzung. Das ganze<br />
Denken funktioniert nur, weil wir Ziele vereinbart haben, die wir immer<br />
wieder relativieren, gewissermaßen als innerbetriebliches Audit durchlaufen<br />
lassen. Einmal im Jahr setzen wir uns mit den Akteuren zusammen,<br />
diskutieren über neue Ideen und Anregungen, über erweiterte Vorstellungen,<br />
aber auch über den Bedarf zur Reparatur oder Adjustierung von familienfreundlichen<br />
Maßnahmen. Insofern ist nicht das Geld interessant,<br />
sondern das Coachen im Prozess selbst.“<br />
Differenziertes Vorgehen muss stets angesagt sein. Und beim Selbstbetrachten,<br />
wie es vor Ort steht, können Anstöße von außen sehr helfen.<br />
Aber das Allerwichtigste ist die Rückendeckung der Unternehmensleitung,<br />
weiß Dr. Löw aus seiner Beratungstätigkeit zu berichten, vgl. Praxistipp.<br />
„Es genügt nicht, wenn irgendjemand in der Hierarchie sagt, in punkto<br />
Beruf und <strong>Familie</strong> müssen wir etwas oder mehr machen. Das funktioniert<br />
nur mit dem Commitment der obersten Führungsspitze. Und dieses bekommen<br />
Sie meist nur aufgrund vorgeschlagener Modelle, die sich auch<br />
rechnen. Setzen Sie außerdem entsprechende Veränderungen nicht radi-<br />
Übersicht 2<br />
Auditpreise<br />
Die Preise (zzgl. MwSt) für die Durchführung des audit berufundfamilie ®<br />
verteilen sich wie folgt:<br />
– bis 50 Beschäftigte 5.000 Euro<br />
– bis unter 100 Beschäftigte 8.500 Euro<br />
– bis unter 500 Beschäftigte 10.000 Euro<br />
– bis unter 3.000 bzw. Institutionen<br />
bis unter 1.000 Beschäftigte 12.000 Euro<br />
Bei Unternehmen mit mehr als 3.000 bzw. Institutionen mit mehr als<br />
1.000 Beschäftigten richtet sich der Preis nach der Anzahl der durchzuführenden<br />
Auditierungen.<br />
❙❙❙<br />
kal um. Machen Sie kleine Schritte, um all die Beschäftigten vor Ort mitzunehmen.<br />
Aus der Bestandsaufnahme heraus sollten Sie Vorhaben anvisieren.<br />
Auf jeden Fall müssen die Maßnahmen zum jeweiligen Geschäftsmodell<br />
und zur Unternehmenskultur passen. Ansonsten gibt es Widerstände.<br />
Nicht vergessen sei die rechtssichere Abwicklung vieler Maßnahmen<br />
mit dem Betriebsrat in Form von Betriebsvereinbarungen. Insofern ist es<br />
wichtig, dass die institutionalisierte und auch offizielle Kommunikation<br />
vorhanden ist.“<br />
7 Väter ermutigen<br />
Dieser Punkt schließlich – es lässt sich aus Platzgründen leider nicht alles<br />
Debattierte wiedergeben – soll noch zur Sprache kommen. Denn immer<br />
wieder leicht über die Lippen gehen die Worte: <strong>Familie</strong>nbewusste Personalpolitik<br />
betrifft Frauen und Männer gleichermaßen; entsprechende Konzepte<br />
bleiben wirkungslos, wenn sie sich nur auf das weibliche Geschlecht<br />
beschränken.<br />
Leider aber berücksichtigt die Erwerbswelt die stärkere Verpflichtung auch<br />
von Vätern noch sehr ungenügend. Als sich z.B. Jürgen Klinsmann aus<br />
familiären Gründen (zunächst) aus dem Berufsfußball zurückzog, wurde<br />
er u.a. mit den Vorwürfen belastet: <strong>Familie</strong> hätten auch andere Führungskräfte.<br />
Für sie alle sei er ein schlechtes Beispiel.<br />
Nach-, besser umdenken, muss also unter Managern angesagt sein. Denn<br />
mit der Einführung des Elterngeldes ab 2007, insbesondere den gesetzlich<br />
in Aussicht gestellten Vätermonaten, könnten sie verstärkt mit Auszeiten<br />
des männlichen Geschlechts aus <strong>Familie</strong>ngründen konfrontiert werden.<br />
Dann bedarf es hoffentlich keiner vierseitigen Begründung eines Akademikervaters<br />
für die Inanspruchnahme des gesetzlichen Rechts auf Freistellung,<br />
wie sie Dr. Löw vor 20 Jahren noch in der Personalabteilung erlebte.<br />
Natürlich wird die Väterquote (1,6% aller Väter in Elternzeit, 5,2% aller<br />
abhängig beschäftigten Männer in Teilzeit) nicht sprunghaft steigen,<br />
schon aus finanziellen Gründen (Frauen verdienen bekanntlich noch immer<br />
weniger als Männer). Aber Personalchef Rainer Dahms sieht schon<br />
einen Bewusstseinswandel. Seine Commerzbank kann auch auf Vorreiter<br />
wie Gregor Schulz und Stefan Barthmann verweisen; beide arbeiten in<br />
Teilzeit, um mehr vom eigenen Nachwuchs zu haben. Außerdem gibt es<br />
dort Vätergruppen, die sich vernetzen.<br />
8 Fazit<br />
Runde Tische bieten sehr gute Möglichkeiten zur Diskussion von Ideen<br />
und Visionen, zum schnellen Zugriff auf Informationen und Expertenwissen,<br />
zum Abruf von Erfahrungen und Meinungen. Deshalb sollten sie als<br />
ständige Einrichtungen etabliert sein. Und sie sind es auch, denn es soll<br />
derzeit allein in Deutschland rund 220 solch aktiver Tischrunden mit über<br />
3.500 Mitgliedern geben. Dem ersten „Media Round Table“ zur familienbewussten<br />
Personalpolitik könnte bei AuA demnächst einmal eine Neuauflage<br />
mit einem weiteren brennenden Thema folgen.<br />
Margot Strehmel<br />
Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi · 10/06