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Datenschutzkontrolle im Internet - Unabhängiges Landeszentrum für ...

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Dr. Alexander Dix<br />

Berliner Beauftragter <strong>für</strong><br />

Datenschutz und Informationsfreiheit<br />

<strong>Datenschutzkontrolle</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> – unmöglich ?<br />

Vortrag<br />

bei der Sommerakademie 2008<br />

„<strong>Internet</strong> 2008 – Alles möglich, nichts privat ?“<br />

1. September 2008<br />

Kiel<br />

Eine Hochschullehrerin erfährt von Freunden, dass sie auf einer Bewertungsplattform<br />

<strong>für</strong> Professoren <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> sexistisch beleidigt wird. Die Betreiber dieser<br />

Plattform lehnen es gegenüber einer anderen betroffenen Person längere Zeit ab,<br />

eine falsche Tatsachenbehauptung auch nur zu sperren.<br />

In den USA werden vermeintliche Sexualstraftäter an den virtuellen Pranger gestellt<br />

mit der Folge, dass einige von ihnen bereits der Lynchjustiz zum Opfer gefallen<br />

sind.<br />

Auf der US-amerikanischen Website rottenneighbor.com kann man nachsehen,<br />

wie andere Zeitgenossen die Nachbarschaft beurteilen, in die man vielleicht ziehen<br />

will. Diese Seite wird inzwischen übrigens auch in Deutschland genutzt mit<br />

der Folge dass z.B. über Berliner Adressen inzwischen solche charmanten Bemerkungen<br />

zu lesen sind: „Hier wohnen zwei Ossi-Schlampen“ oder: „Schmuddelmieter:<br />

schlafen lange, laute Punkmusik, saufen, kotzen vom Balkon, putzen<br />

nicht, grillen tote Igel aufm Grill, der ihnen nicht gehört...“.<br />

Cyberstalking und Cyberbullying greifen <strong>im</strong>mer mehr um sich. Ein besonders<br />

abstoßendes Beispiel bietet die Webseite Betrunkenedekorieren.de, auf der Bilder<br />

veröffentlicht werden, die Unbekannte von Betrunkenen auf Straßen oder<br />

Plätzen gemacht haben, um sie bloßzustellen oder zu erniedrigen. Für den Voy-


eurismus und die Menschenverachtung scheinen keine Grenzen mehr zu existie-<br />

ren.<br />

Google lichtet systematisch die Straßen deutscher Großstädte einschließlich der<br />

Passanten und Fahrzeuge ab, um sie in Kürze über den Dienst Google Streetview<br />

ins <strong>Internet</strong> zu stellen. Mit Hilfe des Tracking Tools Google Analytics ermitteln<br />

deutsche Webseiten-Betreiber die Reichweite ihrer Portale, wobei hinter dem<br />

Rücken der Nutzer personenbezogene Daten über die Nutzung dieser Portale an<br />

Google in Kalifornien übermittelt werden.<br />

Dies sind nur einige Beispiele <strong>für</strong> massive Herausforderungen des Datenschutzes<br />

durch das <strong>Internet</strong>, mit denen sich die Aufsichtsbehörden gegenwärtig auch in<br />

Deutschland auseinandersetzen müssen.<br />

Das <strong>Internet</strong> bietet jedem, der es nutzen kann, weitreichende Möglichkeiten zur<br />

Informationsgewinnung, Selbstdarstellung und Selbstverwirklichung, die vor wenigen<br />

Jahren noch unvorstellbar waren. Zugleich ist das <strong>Internet</strong> kein Rosengarten.<br />

Im Cyberspace wird wie in der realen Welt gegen Recht verstoßen. Die genannten<br />

Beispiele aus der Praxis der Aufsichtsbehörden zeigen, dass Menschen<br />

beleidigt und in ihrem Grundrecht auf Datenschutz verletzt werden. Was kann<br />

man dagegen tun ?<br />

Ein in einer internationalen Kanzlei tätiger Anwalt schrieb Anfang dieses Jahres in<br />

kritischer Absicht, bei den deutschen Aufsichtsbehörden seien bei der Beurteilung<br />

des grenzüberschreitenden Datenverkehrs Tendenzen von „hyperdontia“ zu diagnostizieren.<br />

Hyperdontia (Hyperdontie) steht <strong>für</strong> die „Zahnüberzahl“, den Zahnüberschuss.<br />

Diese Diagnose ist vielleicht <strong>für</strong> die Aufsichtsbehörden schmeichelhaft,<br />

ich halte sie aber nicht <strong>für</strong> zutreffend. Eher könnte man von „hypodontia“ (Anodontie,<br />

Zahnunterzahl) sprechen, oder zumindest habe ich den Eindruck, dass<br />

viele Aufsichtsbehörden, die „Zähne“ die sie haben, nicht einsetzen. Die Gründe<br />

da<strong>für</strong> sind vielfältig.<br />

Zunächst ist festzuhalten, was die Datenschutzaufsicht nicht leisten kann und<br />

auch nicht leisten soll: der um sich greifenden Beleidigung von Menschen auf In-<br />

2


ternet-Plattformen Einhalt gebieten. Das Grundrecht auf Datenschutz wird in<br />

Deutschland zwar wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus der Menschen-<br />

würdegarantie und dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit abge-<br />

leitet, es ist aber mit dem Persönlichkeitsrecht nicht identisch. Es gibt zahlreiche<br />

praktische Probleme des grenzüberschreitenden Persönlichkeitsschutzes, die<br />

auch damit zusammenhängen, dass es international erhebliche Unterschiede <strong>im</strong><br />

Recht zum Schutz der persönlichen Ehre in Abwägung zum Recht auf freie Meinungsäußerung<br />

gibt. Sie zu lösen ist nicht Aufgabe der Datenschutzaufsicht.<br />

Aufgabe der Datenschutzaufsicht ist es, die Einhaltung der Grundregeln des Datenschutzrechts<br />

auch in Online-Medien durchzusetzen. Denn auch das <strong>Internet</strong><br />

ist kein rechtsfreier Raum. Was offline illegal ist, kann online nicht legal sein.<br />

Mit anderen Worten: Die <strong>für</strong> die reale Welt gemachten Regeln des Datenschutzrechts<br />

dürfen durch eine Verlagerung der Datenverarbeitung ins <strong>Internet</strong> nicht<br />

umgangen werden oder an Wirksamkeit verlieren. Ein Beispiel: die SCHUFA<br />

könnte sich nicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes einfach dadurch<br />

entziehen, dass sie ihre gesamten Aktivitäten ins <strong>Internet</strong> verlagert. Die<br />

Beachtung und Durchsetzung datenschutzrechtlicher Grundsätze auch <strong>im</strong> <strong>Internet</strong><br />

ist umso wichtiger, als die technische Entwicklung verstärkt dahin geht, dass<br />

<strong>im</strong>mer mehr Verarbeitungsprozesse von hochintelligenten Rechnern (PCs, Servern)<br />

in das Netz verlagert werden. Das <strong>Internet</strong> ist längst nicht mehr nur eine<br />

Kommunikationsplattform, sondern auch ein riesiger Datenspeicher. Amazon<br />

verkauft seit einiger Zeit nicht mehr nur Bücher und CDs, sondern auch Rechenkapazität.<br />

Immer mehr Menschen speichern ihre Fotos nicht mehr auf dem eigenen<br />

PC, sondern bei Flickr oder anderen webbasierten Diensteanbietern, Videos<br />

werden bei YouTube veröffentlicht. Schon seit geraumer Zeit sind netzbasierte E-<br />

Mail-Anbieter wie Hotmail, GMX, web.de oder G-Mail erfolgreich. Cloud Computing<br />

heißt das Stichwort; das einzelne Datenverarbeitungsgerät, das der Nutzer<br />

mehr oder weniger zu kontrollieren glaubt, löst sich zunehmend in der „Wolke“<br />

des <strong>Internet</strong>s auf. In den nächsten vier Jahren soll sich der globale Datenverkehr<br />

von z.Zt. 10,7 auf 43,6 Exabyte vervierfachen 1<br />

. Ein Exabyte entspricht etwa der<br />

Datenmenge auf 200 Millionen DVDs.<br />

1<br />

Nach einer Cisco-Studie, zit. nach Rohwetter, Revolution mit Ansage, ZEIT v. 24.7.2008,<br />

S.19 f.<br />

3


Diese technische Entwicklung macht deutlich, wie wichtig eine effektive <strong>Datenschutzkontrolle</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Internet</strong> ist. Es reicht nicht aus, den Nutzern zu empfehlen,<br />

ihre Daten nur vertrauenswürdigen Anbietern zur Speicherung anzuvertrauen.<br />

Man muss ihnen auch Hilfe anbieten können, wenn das Vertrauen enttäuscht<br />

worden ist, wenn die E-Mails nicht vertraulich behandelt werden oder Nutzungsprofile<br />

<strong>für</strong> Werbezwecke genutzt oder sogar veräußert werden.<br />

Der Satz, das <strong>Internet</strong> sei kein rechtsfreier Raum, wird zuweilen mit einem ohnmächtigen<br />

Schulterzucken und dem Hinweis erwidert, in einem Netz ohne Grenzen<br />

hätten nationale Gesetze und erst recht nationale Behörden keine Durchsetzungschance.<br />

Für einen derartigen Fatalismus besteht aber kein Grund. Der resignative<br />

Schluss, man könne das <strong>Internet</strong> weder regulieren noch kontrollieren, ist<br />

falsch. Das <strong>Internet</strong> ist – auch <strong>im</strong> Zeitalter des Cloud Computing – keine frei<br />

schwebende Wolke, sondern es ruht auf Pfeilern, die in einzelnen Staaten stehen<br />

2<br />

. Es wird mit Hilfe von Netzknotenrechnern betrieben, auf Servern liegen die<br />

<strong>im</strong> Netz angebotenen Inhalte und über Router werden Nachrichten um die Welt<br />

geleitet. Alle diese Datenverarbeitungsanlagen unterliegen nationalem Recht und<br />

der Aufsicht nationaler Behörden. Natürlich gibt es nicht in allen Ländern der Erde<br />

Datenschutzgesetze und Datenschutzbehörden. Aber die Länder, in denen es<br />

solche Gesetze gibt (z.B. die gesamte Europäische Union), dürfen nicht auf die<br />

Durchsetzung dieser Regeln verzichten, weil sie Teil eines weltumspannenden<br />

Netzes sind. Das tun staatliche Behörden übrigens auch in anderen Zusammenhängen<br />

wie der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kr<strong>im</strong>inalität bekanntlich<br />

nicht. Globalisierung ist keine Rechtfertigung <strong>für</strong> die Passivität der Nationalstaaten.<br />

Zwar gibt es bisher keine völkerrechtlichen Konventionen z.B. auf der<br />

Ebene der Vereinten Nationen, aber nationales Recht beansprucht auch Geltung<br />

<strong>im</strong> <strong>Internet</strong>, es wird durch die Nutzung des <strong>Internet</strong> nicht außer Kraft gesetzt.<br />

2<br />

So schon das Budapest-Berlin-Memorandum (Bericht und Empfehlungen zu Datenschutz<br />

und Privatsphäre <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>) der Internationalen Arbeitsgruppe zum Datenschutz in der<br />

Telekommunikation von 1996, in: Internationale Dokumente zum Datenschutz bei Telekommunikation<br />

und Medien 1983-2006, S. 73, 82, <strong>im</strong> Anschluss an J. Reidenberg. Vgl. auch das<br />

umfassende Arbeitspapier 37 der Art. 29-Gruppe „Privatsphäre <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> – ein integrierter<br />

EU-Ansatz zum Online-Datenschutz“ von 2000,<br />

http://ec.europa.eu/justice_home/fsj/privacy/docs/wpdocs/2000/wp37de.pdf<br />

4


Entscheidend ist deshalb zunächst die Frage, welches Recht auf einen Daten-<br />

verarbeitungsvorgang anzuwenden ist. Die Europäische Datenschutzrichtlinie von<br />

1995 sieht vor, dass auch solche verantwortlichen Stellen sich an europäisches<br />

Datenschutzrecht zu halten haben, die keine Niederlassung in der Europäischen<br />

Union haben, aber „zum Zwecke der Verarbeitung personenbezogener Daten auf<br />

automatisierte oder nicht automatisierte Mittel zurückgreift, die <strong>im</strong> Hoheitsgebiet<br />

eines EU-Mitgliedstaats belegen sind, es sei denn, dass diese Mittel nur zum<br />

Zweck der Durchfuhr durch das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft verwendet<br />

werden.“ (Art. 4 (1)(c) Datenschutzrichtlinie). Das bezieht sich zunächst auf<br />

die bereits erwähnten Rechenzentren, Router- und Serverstandorte. Aus diesem<br />

Grund muss auch ein in den USA ansässiges Unternehmen wie Google Inc.<br />

sich an europäisches Datenschutzrecht halten und die Anordnungen europäischer<br />

Datenschutzbehörden befolgen. Denn Google betreibt in Europa, in Irland,<br />

aber auch in Deutschland Rechenzentren und acquiriert Anzeigenkunden. Die<br />

Anwendbarkeit europäischen Datenschutzrechts hängt deshalb nicht davon ab,<br />

dass eine verantwortliche Stelle ihren Hauptsitz in Europa hat. Die Gruppe nach<br />

Artikel 29 der Datenschutzrichtlinie hat deren Anwendbarkeit in der Folge noch<br />

weiter interpretiert, indem sie auch solche Unternehmen dem europäischen Recht<br />

unterworfen hat, die lediglich auf Rechenkapazitäten in der Europäischen Union<br />

zugreifen 3<br />

. Ein solcher Zugriff kann schon darin liegen, dass z.B. ein USamerikanischer<br />

Anbieter versucht, ein Cookie auf einem PC in der EU zu platzieren.<br />

Auch die systematische Datenerhebung durch Kamerawagen, die <strong>im</strong> Moment<br />

in zahlreichen deutschen Großstädten stattfindet und die schließlich Geodaten<br />

aus Google Maps mit Bildern ganzer Straßenzüge zu dem neuen Dienst<br />

Google Streetview verknüpfen soll, unterliegt selbst dann deutschem Datenschutzrecht,<br />

wenn sie <strong>im</strong> Auftrag der amerikanischen Google-Mutter erfolgt. Das<br />

Bundesdatenschutzgesetz gilt ausdrücklich auch <strong>für</strong> verantwortliche Stellen, die<br />

ihren Sitz außerhalb Europas haben und Daten in Deutschland erheben, verarbeiten<br />

oder nutzen. Sie haben einen Inlandsvertreter zu benennen 4<br />

.<br />

3<br />

vgl. zuletzt die Stellungnahme 1/2008 zu Datenschutzfragen <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

Suchmaschinen, Working Paper 148,<br />

http://ec.europa.eu/justice_home/fsj/privacy/docs/wpdocs/2008/wp148_de.pdf<br />

4<br />

§ 1 Abs. 5 Sätze 2 und 3 BDSG.<br />

5


5<br />

Vor diesem Hintergrund kann man durchaus die Auffassung vertreten, dass auch<br />

der in den USA ansässige Betreiber der Webseite rottenneighbor.com europäischem<br />

Datenschutzrecht unterliegt, denn zum einen hinterlässt er Cookies auf<br />

den Rechnern der europäischen Nutzer, zum anderen verwendet er Google Analytics,<br />

was dazu führt, dass Nutzerdaten unbemerkt in die USA übermittelt werden.<br />

Vor allem aber muss Google sich fragen lassen, weshalb es rottenneighbor.com<br />

die Nutzung seines Kartendienstes Google Maps gestattet. Zu Recht hat<br />

der Direktor der Landesanstalt <strong>für</strong> Medien Nordrhein-Westfalen Google dazu aufgefordert,<br />

diesen digitalen Pranger nicht länger zu unterstützen 5<br />

. Die Rechtfertigung<br />

von Google, wenn Google Maps nicht genutzt werden könne, würden andere<br />

Karten genutzt, ist wenig überzeugend. Wenn Google sich den Wünschen der<br />

chinesischen Behörden bezüglich der Ausfilterung best<strong>im</strong>mter Suchergebnisse<br />

beugt und in Indien darüber nachdenkt, Hinweise auf Homosexualität aus den<br />

Trefferlisten zu entfernen, weil dieses Thema in der indischen Gesellschaft tabuisiert<br />

ist, dann ist nicht einzusehen, weshalb Google keine Rücksicht auf europäische<br />

Vorstellungen von Persönlichkeitsrechtsschutz nehmen will. Gerade ein<br />

weltweit dominierendes Unternehmen wie Google muss nicht jedes denkbare, ethisch<br />

inakzeptable Geschäft machen, weil es sonst andere machen würden.<br />

Erst recht unterliegen solche Anbieter europäischem und deutschem Datenschutzrecht,<br />

die selbst ihren Sitz hierzulande haben und <strong>im</strong> Rahmen ihrer Webangebote<br />

personenbezogene Nutzerdaten entweder speichern oder übermitteln.<br />

Das gilt etwa <strong>für</strong> alle deutschen Betreiber kommerzieller Webseiten, die deren<br />

Reichweite durch Einsatz von Google Analytics feststellen und verbessern wollen.<br />

Sie haben deshalb kürzlich Post von deutschen Aufsichtsbehörden, allen voran<br />

vom Unabhängigen Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein bekommen. Es gilt<br />

genauso <strong>für</strong> die Anbieter von social communities, sozialen Netzwerken wie studiVZ<br />

und XING, um nur zwei zu nennen, oder Anbieter von Bewertungsportalen<br />

wie meinprof.de oder whofinance.de, die in der Bundesrepublik ihren Sitz haben<br />

und sich schon deshalb an deutsches Datenschutzrecht halten müssen.<br />

Zuweilen wehren sich die betroffenen Unternehmen gegen die Durchsetzung von<br />

allgemein geltenden Datenschutzregeln mit erstaunlichen Argumenten. So wird<br />

Am virtuellen Pranger, Süddeutsche Zeitung v.27.8.2008, S. 10.<br />

6


6<br />

der zuständigen Aufsichtsbehörde, die gegenwärtig die Vorschriften des Bundes-<br />

datenschutzgesetzes gegenüber den Betreibern des Bewertungsportals<br />

meinprof.de durchzusetzen sucht, entgegengehalten, dies sei Zensur. Der Vor-<br />

wurf ist nicht nur unbegründet, sondern auch absurd. Zum einen werden auf Bewertungsportalen<br />

nicht nur Meinungen geäußert (allerdings nicht von den Portalbetreibern,<br />

sondern von anonymen Nutzern), sondern auch – teilweise unzutreffende<br />

oder bestrittene - Tatsachen behauptet. Zum anderen können auch Meinungen<br />

personenbezogene Daten sowohl über die bewertende als auch über die<br />

bewertete Person enthalten.<br />

Schließlich aber- und das ist das Entscheidende – ist das Bundesdatenschutzgesetz<br />

ein allgemeines Gesetz, das sich nicht gegen best<strong>im</strong>mte Meinungen richtet,<br />

und das jeder, der personenbezogene Meinungen in Form einer recherchierbaren<br />

Datenbank verarbeitet, zu beachten hat. Auch das allgemeine Gesetz muss<br />

zwar <strong>im</strong> Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden, aber niemand wird ernsthaft<br />

behaupten können, dass eine Meinungsäußerung dadurch verhindert wird,<br />

dass man den Betroffenen von der Einstellung seiner Bewertung in eine Datenbank<br />

vorab benachrichtigt. Das gilt gerade in Fällen, in denen – wie eingangs geschildert<br />

- Dozentinnen sexistisch beleidigt werden. Was demgegenüber wirkliche<br />

<strong>Internet</strong>-Zensur ist, kann man in China und in Saudi-Arabien beobachten.<br />

Stichwort <strong>Internet</strong>-Zensur in China: Die „Große chinesische Firewall“, also der<br />

Versuch, mit erheblichem Aufwand den Zugriff auf das <strong>Internet</strong> zu kontrollieren,<br />

um politisch missliebige Informationen auszublenden, ist ebenso wie der Versuch<br />

des IOC, als Lizenzgeber <strong>für</strong> NBC 6<br />

aus urheberrechtlichen Gründen die Bilder<br />

von den Olympischen Spielen mithilfe des sog. Geoblocking best<strong>im</strong>mten zahlenden<br />

Abonnenten in den USA vorzubehalten, kein Vorbild <strong>für</strong> eine rechtsstaatliche<br />

und der Informationsfreiheit entsprechende <strong>Datenschutzkontrolle</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong>.<br />

Zudem wäre jeder Versuch, das <strong>Internet</strong> mit Techniken des Zoning oder der Geolocation<br />

zu „reterritorialisieren“, also nur den Zugriff auf solche Seiten zuzulassen,<br />

die den europäischen Datenschutzregeln entsprechen, technisch zum Scheitern<br />

verurteilt.<br />

Siehe http://www.nbcolympics.com<br />

7


Andererseits wird den Datenschutz-Aufsichtsbehörden von deutschen <strong>Internet</strong>-<br />

Unternehmen gern entgegengehalten, sie wollten oder würden – etwa <strong>im</strong> Bereich<br />

der personalisierten Werbung in sozialen Netzwerken – die notwendigen Finanzierungsgrundlagen<br />

<strong>für</strong> e-commerce hierzulande zunichte machen und<br />

zugleich ausländischen Anbietern dadurch Vorteile verschaffen. Abgesehen davon,<br />

dass die sozialen Netzwerke (z.B. studiVZ) mittlerweile selbst einräumen,<br />

dass mit personalisierter Werbung die Profitabilität solcher Angebote nicht sicher<br />

zu stellen ist, wird dabei übersehen, dass die Datenschutzbehörden in Deutschland<br />

längst keine Kirchturmpolitik mehr betreiben. Sie st<strong>im</strong>men sich auf europäischer<br />

und internationaler Ebene mit ihren Kollegen ab, um Grundsätze zu formulieren,<br />

die auch von ausländischen Wettbewerbern zu beachten sind. So finden<br />

sich die Grundsätze, die der Düsseldorfer Kreis etwa <strong>für</strong> soziale Netzwerke formuliert<br />

hat, auch <strong>im</strong> sog. Rom-Memorandum 7<br />

wieder, das die Internationale Arbeitsgruppe<br />

zum Datenschutz in der Telekommunikation (sog. Berlin Group) formuliert<br />

hat, in der Vertreter von Datenschutzbehörden aus aller Welt zusammenarbeiten.<br />

Dort, wo europäische Datenschutzbehörden Kompetenzen und Einwirkungsmöglichkeiten<br />

haben, sollten sie sie stärker als bisher nutzen. Ich plädiere nicht da<strong>für</strong>,<br />

dass Datenschutzbeauftragte in- und ausländische <strong>Internet</strong>-Anbieter bei entsprechenden<br />

Anlässen <strong>im</strong>mer gleich mit Sanktionen bedrohen sollten. Aber sie sollten<br />

ihre Möglichkeiten auch nicht unterschätzen und sie bei Bedarf einsetzen.<br />

Gerade die Diskussion um die Speicherdauer von Nutzungsdaten durch<br />

Suchmaschinen-Betreiber hat gezeigt, dass die Datenschutzbehörden eine<br />

Verbesserung der Datenschutzstandards bereits dadurch bewirken können, dass<br />

sie eine internationale Diskussion in Gang setzen. Den Anfang hat auch hier die<br />

Internationale Arbeitsgruppe zum Datenschutz in der Telekommunikation 2006<br />

gemacht. Sicherlich: Google als Marktführer in diesem Bereich hat sich bisher nur<br />

bereit gefunden, seine bisherige Speicherpraxis unzureichend zu modifizieren, indem<br />

das Unternehmen von einer unbegrenzten Speicherung der Suchanfragen<br />

7<br />

http://www.datenschutzberlin.de/content/Europa+%252F+International/International+Working+Group+on+Data+Protecti<br />

8


zu einer Speicherdauer von 18 Monaten übergegangen ist. Aber der Prozess ist<br />

noch nicht zuende. Mittlerweile bekommt Google datenschutzfreundliche Konkurrenz.<br />

Die Meta-Suchmaschine Ixquick ist <strong>im</strong> Juli dieses Jahres hier in Kiel mit<br />

dem ersten Europäischen Datenschutz-Gütesiegel ausgezeichnet worden, weil<br />

sie keine Nutzerdaten nach dem Ende des Suchvorgangs speichert. Wenig später<br />

ist in den USA die Suchmaschine Cuil an den Start gegangen, die ebenfalls eine<br />

datenschutzfreundliche Alternative zu Google anbietet. Die Art. 29-Gruppe hat in<br />

ihrer Stellungnahme zu Suchmaschinen vom April dieses Jahres 8<br />

klar gemacht,<br />

dass in Europa – bei gewissen nationalen Unterschieden – Suchanfragen nicht<br />

eineinhalb Jahre lang personenbezogen gespeichert werden dürfen. Dabei wurde<br />

explizit darauf verwiesen, dass in best<strong>im</strong>mten Mitgliedstaaten (nämlich insbesondere<br />

Deutschland) die Nutzerdaten nach dem Ende der Suche überhaupt nicht<br />

gespeichert bleiben dürfen.<br />

Wie aber kann <strong>Datenschutzkontrolle</strong> in den Fällen funktionieren, in denen kein europäisches<br />

Datenschutzrecht anwendbar ist, weil der Anbieter nicht auf Mittel zur<br />

Datenverarbeitung in Europa zurückgreift ? In solchen Situationen sind die Datenschutzbehörden<br />

auf die Mithilfe der Betroffenen angewiesen: diese sollten verstärkt<br />

ihre Rechte auch gegenüber ausländischen Betreibern geltend machen,<br />

also Löschung von unzutreffenden oder gar verleumderischen Inhalten verlangen.<br />

Das kann man schriftlich oder per e-mail tun, selbst wenn man nicht die<br />

Mittel hat, um die Dienste eines teueren amerikanischen Anwalts in Anspruch zu<br />

nehmen oder selbst ein US-Gericht anzurufen. Auch hier ist Fatalismus fehl am<br />

Platze. Nichtdeutsche oder außereuropäische Anbieter sollten wissen, welche<br />

Datenschutzstandards hier gelten, und sie sollten sich mit ihnen auseinandersetzen.<br />

Unabhängig von juristischen Erwägungen kann es sich kaum ein Unternehmen<br />

auf die Dauer leisten, <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> Dienste anzubieten, die <strong>im</strong> eklatanten Widerspruch<br />

zu anerkannten Rechtsgrundsätzen einer ganzen Region wie Europa<br />

stehen.<br />

Und noch etwas kann den Datenschutz <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> befördern: Öffentlichkeit und<br />

Transparenz. Im Entwurf der geänderten EU-Richtlinie <strong>für</strong> den Datenschutz bei<br />

on+in+Telecommunications++%28IWGDPT%29/Working+Papers+and+Common+Positions+<br />

adopted+by+the+Working+Group%3A<br />

9


8<br />

der elektronischen Kommunikation sind Regeln <strong>für</strong> die Einführung von Informati-<br />

onspflichten bei Sicherheitslücken nach dem Muster der in den meisten US-<br />

Bundesstaaten vorgeschriebenen security breach notification vorgesehen. Es ist<br />

sehr zu hoffen, dass diese Veröffentlichungs- und Benachrichtigungspflich-<br />

ten weder <strong>im</strong> europäischen Gesetzgebungsverfahren noch bei der Umsetzung<br />

der Richtlinie in deutsches Recht verwässert oder gar fallen gelassen werden.<br />

Nichts hat die Debatte um den Datenschutz in den USA so sehr vorangebracht<br />

wie die gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichung von Sicherheitsmängeln und<br />

Einbrüchen in Datenbanken.<br />

Fazit<br />

Das <strong>Internet</strong> ist kein rechts- und kontrollfreier Raum. <strong>Datenschutzkontrolle</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong><br />

ist zwar schwierig, aber keineswegs unmöglich. Deutsches und europäisches<br />

Datenschutzrecht gilt <strong>für</strong> alle Anbieter von <strong>Internet</strong>-Seiten oder –Diensten,<br />

die auf in Europa belegene Mittel zur Datenverarbeitung (Server, Router, Cookies<br />

auf Nutzer-PCs) zurückgreifen. Das gilt auch <strong>für</strong> Anbieter, die ihren Sitz außerhalb<br />

von Europa haben. Die Datenschutzbehörden in Europa sind von ihrer Ausstattung<br />

und ihren Befugnissen her sicher nicht in der Lage, jeden Datenschutzverstoß<br />

<strong>im</strong> <strong>Internet</strong> durch Anbieter, die dem europäischen Datenschutzrecht unterliegen,<br />

zu ahnden oder gar zu verhindern. Aber sie sollten sich der Zähne, die<br />

sie haben, bewusst sein und sie auch bei Bedarf zeigen und einsetzen.<br />

<strong>Datenschutzkontrolle</strong> <strong>im</strong> <strong>Internet</strong> hat weder etwas mit Zensur noch mit Wettbewerbsverzerrung<br />

zu tun. Natürlich müssen Ranking-Seiten die Betroffenen benachrichtigen,<br />

bevor sie Bewertungen über sie veröffentlichen, und sie müssen<br />

bestrittene Fakten sperren. Ebenso natürlich dürfen soziale Netzwerke wie studiVZ<br />

oder Facebook die Registrierung nicht davon abhängig machen, dass man<br />

personalisierte Werbung akzeptiert. Schließlich sind auch die Betroffenen aufgerufen,<br />

stärker als bisher ihre Rechte selbst gegen solche <strong>Internet</strong>-Anbieter wahrzunehmen,<br />

die formaljuristisch nach europäischem Datenschutzrecht nicht zu belangen<br />

sind. Dabei können ihnen die Datenschutzbehörden Hilfestellung leisten.<br />

Auch Wettbewerbsaspekte können zugunsten des Datenschutzes <strong>im</strong> <strong>Internet</strong><br />

http://ec.europa.eu/justice_home/fsj/privacy/docs/wpdocs/2008/wp148_de.pdf<br />

10


fruchtbar gemacht werden, etwa indem noch mehr datenschutzfreundliche Inter-<br />

net-Angebote mit Gütesiegeln ausgezeichnet werden. Das europäische Gütesie-<br />

gel <strong>für</strong> die Meta-Suchmaschine Ixquick war hier<strong>für</strong> ein viel versprechender Auf-<br />

takt.<br />

11

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