III. § 1 Abs. 2 GOZ – Medizinische Notwendigkeit - BdiZ
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Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
<strong>III</strong>. <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
Zurück zur Kapitelübersicht Allgemeine Bestimmungen der <strong>GOZ</strong> / GOÄ<br />
Zurück zur Ausführlichen Inhaltsübersicht<br />
Normtext:<br />
Vergütungen darf der Zahnarzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst für eine<br />
zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch<br />
notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen<br />
erbracht worden sind.<br />
Hinweis: Der Text des allgemeinen Teils der neuen <strong>GOZ</strong> 2007 ist noch nicht bekannt.<br />
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Einführung<br />
Die medizinische <strong>Notwendigkeit</strong> der Behandlungsleistung ist eine Frage, auf deren Beantwortung offenbar nur Juristen<br />
kommen können. Für einen Zahnarzt ist die Frage, ob seine Behandlung zahnmedizinisch notwendig war, fast schon<br />
ehrenrührig (sonst hätte er sie ja nicht gemacht). Entsprechend pikiert sind vielfach die Antworten gegenüber entsprechenden<br />
Anfragen der PKVen.<br />
Aus juristischer Sicht stellt sich die (zahn)medizinische Behandlung als eine lange Abfolge von jeweils fachlich-logisch<br />
verknüpften Abläufen dar:<br />
1. Der Patient kommt mit Beschwerden.<br />
2. Er erzählt, was er hat / glaubt, zu haben. Der Zahnarzt (notiert sich das und) befragt den Patienten ergänzend<br />
(Anamnese).<br />
3. Der Zahnarzt untersucht den Patienten und erhebt den klinischen Befund.
Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
4. Der Zahnarzt bildet sich seine Meinung über die zunächst vorläufige Diagnose.<br />
5. Der Zahnarzt veranlasst <strong>–</strong> sofern erforderlich <strong>–</strong> eine weitere diagnostische Abklärung, z.B. Röntgenbefund.<br />
6. Nach Auswertung der weiteren Diagnoseschritte kommt der Zahnarzt zur definitiven Krankheitsdiagnose.<br />
7. Der Zahnarzt unterrichtet den Patienten über die Diagnose (Diagnoseaufklärung).<br />
8. Der Zahnarzt überlegt sich auf der Basis der erhobenen Befunde und der Diagnose unter Anwendung seines<br />
Erfahrungswissens und unter Beachtung der wissenschaftlichen Lehrmeinungen, wie er den Patienten behandeln will<br />
(Therapiewahl).<br />
9. Der Zahnarzt erklärt dem Patienten, was man nun machen sollte und könnte (Therapieaufklärung) und welche<br />
Alternativen es zu dem vorgeschlagenen therapeutischen Vorgehen gibt (Aufklärung über<br />
Behandlungsalternativen), damit der Patient eine verantwortliche Entscheidung für eine bestimmte Behandlung<br />
treffen kann.<br />
10. Im Rahmen der vorstehenden Ziffer klärt der Zahnarzt den Patienten auch jeweils über die Vor- und Nachteile der in<br />
Betracht kommenden Therapien sowie die damit verbundenen Risiken auf (Risikoaufklärung). 36<br />
11. Der Patient erteilt seine Einwilligung in die Behandlung, nachdem ihm dazu erforderlichenfalls genügend Zeit<br />
(Zeitpunkt der Aufklärung) gelassen worden ist.<br />
12. Der Zahnarzt führt nunmehr die Behandlung durch.<br />
13. Nach Beendigung der Behandlung informiert er den Patienten über Besonderheiten / Zwischenfälle während der<br />
Behandlung (Verlaufsaufklärung).<br />
14. Schließlich gibt er dem Patienten Ratschläge für sein weiteres Verhalten (Sicherungsaufklärung), damit er den<br />
Therapieerfolg nicht aus Unkenntnis gefährdet (z.B. Nahrungskarenz) oder sonstige vermeidbare therapieinduzierte<br />
Probleme bekommt (z.B. nicht sofort wieder sich ins Auto setzen).<br />
Da die Verknüpfung als logisch gedacht wird, müsste sie aus der Sicht des Juristen jederzeit reproduzierbar und für einen<br />
(sachverständigen) Dritten nachvollziehbar sein<br />
Der BGH hat in einer 1986 verkündeten Entscheidung den Begriff der medizinischen <strong>Notwendigkeit</strong> i.S. der privaten<br />
Krankenversicherungsbedingungen wie folgt definiert:<br />
Von der <strong>Notwendigkeit</strong> einer Behandlung ist auszugehen, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und<br />
wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist, sie als medizinisch notwendig<br />
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36<br />
Den Prozess der Therapiewahl muss man sich als interaktiven Prozess vorstellen, der stets zwischen Therapieaufklärung, Aufklärung über Behandlungsalternativen<br />
und Risikoaufklärung hin- und herspringen kann.
Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
anzusehen. Das ist im Allgemeinen der Fall, wenn eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur<br />
Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit in dem beschriebenen Sinne zu heilen oder zu lindern. 37<br />
Diese beiden Sätze sind seitdem in zahllosen Entscheidungen wiederholt worden.<br />
Der Bundesgerichtshof nennt in der zitierten Entscheidung drei Anforderungskriterien an die Behandlung, damit der private<br />
Krankenversicherungsschutz eingreift:<br />
• objektiv<br />
• vertretbar<br />
• geeignet.<br />
Mit dem Kriterium objektiv ist gemeint, dass weder der Patient noch der behandelnde (Zahn)Arzt die Frage der medizinischen<br />
<strong>Notwendigkeit</strong> verbindlich entscheiden können. 38<br />
Vertretbar ist die medizinische <strong>Notwendigkeit</strong> einer Heilbehandlung, die sowohl in begründeter und nachvollziehbarer als<br />
auch wissenschaftlich fundierter Vorgehensweise das zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine<br />
ihm adäquate, geeignete Therapie anwendet. 39 Nützlichkeit allein reicht noch nicht. 40<br />
Der BGH 41 formulierte hierzu im Jahre 1996:<br />
Die objektive Vertretbarkeit der Behandlung ist bereits dann zu bejahen, wenn sie nach medizinischen Erkenntnissen im<br />
Zeitpunkt ihrer Vornahme als wahrscheinlich geeignet angesehen werden konnte, auf eine Verhinderung der<br />
Verschlimmerung einer Erkrankung oder zumindest auf ihre Verlangsamung hinzuwirken.<br />
Geeignet ist die Behandlung, wenn mit Bezug zur richtigen Diagnose insgesamt ein Konzept zur qualifizierten, d.h.<br />
vollständigen und baldmöglichen Heilung des Patienten verfolgt wird. Letzteres wird in der Regel bejaht, wenn eine für die<br />
entsprechende Krankheitsbehandlung wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode angewandt wird. 42<br />
37 BGH, 17.12.1986 <strong>–</strong> IVa ZR 78/85 <strong>–</strong>, VersR 1987, 278.<br />
38 Vgl. Bach/Moser, <strong>§</strong> 1 MB/KK, Rn. 41.<br />
39 Vgl. Bach/Moser, <strong>§</strong> 1 MB/KK, Rn. 46.<br />
40 Vgl. etwa LG Berlin, 22.12.1988 <strong>–</strong> 7 S 35/88 <strong>–</strong>, VersR 1989, 795.<br />
41 BGH, Urteil vom 10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, VersR 1996, 1224.<br />
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Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung 43 bedeutet dies aber nicht, dass die <strong>Notwendigkeit</strong> einer Heilbehandlung nach<br />
wissenschaftlichen Maßstäben eindeutig festgestellt werden muss, da dies im Hinblick auf die in der medizinischen<br />
Wissenschaft vielfach zutage tretenden Unsicherheiten zu einer Entwertung des Krankenversicherungsschutzes, der zur<br />
<strong>Abs</strong>icherung des Versicherungsnehmers im Krankheitsfall dienen soll, führen würde. Unter Berücksichtigung dieses<br />
Gesichtspunktes sei es deshalb für die Bejahung des Begriffs der medizinischen <strong>Notwendigkeit</strong> als Voraussetzung eines<br />
Leistungsanspruchs in der Krankenversicherung ausreichend, aber auch erforderlich, dass es nach dem objektiven<br />
medizinischen Befund und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der Behandlung<br />
vertretbar ist, eine Behandlung als notwendig einzustufen.<br />
Dass hier die Rechtsprechung eine tautologische Argumentation vornimmt, sei betont. Was „vertretbar“ ist, ist nicht „objektiv“,<br />
sondern eben „subjektiv“. Eine Methode ist entweder objektiv medizinisch notwendig oder sie ist vertretbar. Der Begriff der<br />
Vertretbarkeit enthält notwendigerweise ein subjektives Gestaltungselement. Es widerspricht der allgemeinen Logik, die<br />
objektive Richtigkeit mit subjektiven Annahmen zu begründen. 44<br />
Objektiv würde voraussetzen, dass es im konkreten Fall nur eine richtige Entscheidung gibt, während die Rechtsprechung es<br />
ausdrücklich billigt, dass die privaten Krankenversicherer Behandlungskosten übernehmen, wenn deren Sinnhaftigkeit nur aus<br />
ex ante-Sicht plausibel erschien. 45 Die Rechtsprechung räumt dem Patienten und seinem Arzt damit ungeachtet ihres verbal<br />
anders lautenden Ausgangspunktes einen Beurteilungsspielraum und <strong>–</strong> wenn man es ganz genau nehmen will <strong>–</strong> sogar ein<br />
Tatsachenermessen ein; denn es ist unvermeidbar, dass schon die Feststellung des Krankheitsbefundes und damit der<br />
Tatsachenbasis der Behandlungsplanung einem Interpretationsspielraum unterliegt.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
42<br />
43<br />
Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1986 <strong>–</strong> IVa ZR 78/85 <strong>–</strong>, MedR 1987, 182 [183] (s. GHI, Kapitel M VI.2, S. 160 f.).<br />
BGH, Urteil vom 29.05.1991 <strong>–</strong> IV ZR 151/90 <strong>–</strong>, Vers 1991, 987; OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.03.1996 <strong>–</strong> 12 U 168/95 <strong>–</strong>, VersR 1997, 562 = BDIZ-konkret 1998,<br />
Heft 1, S. 36 = GHI, S. 258 = GU, S. 17.<br />
44<br />
S. dazu näher Ratajczak, Der Behandlungsanspruch des Patienten aus juristischer Sicht, S. 5 [7]; Knott-Thiemann, Die Einlösung des Behandlungsanspruchs in<br />
der privaten Krankenversicherung, S. 35 ff.; Pauly, Medizinisch notwendige Heilbehandlung in der privaten Krankenversicherung nach dem Urteil des BGH vom<br />
26.3.1993 zur „Wissenschaftlichkeitsklausel“, VersR 1996, 1323.<br />
45<br />
Vgl. z.B. OLG Köln, Urteil vom 11.04.1994 <strong>–</strong> 5 U 80/93 <strong>–</strong>, VersR 1995, 447; LG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2000 <strong>–</strong> 11 O 355/96 <strong>–</strong>, n.v.
Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
Entscheidungen:<br />
18. BGH, 20.02.1956 <strong>–</strong> II ZR 6/55 <strong>–</strong> 46<br />
Zur Behandlung einer Krankheit gehört nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit, sondern auch schon die erste ärztliche<br />
Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abzielt, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren<br />
Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden<br />
ist.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
19. BGH, 29.11.1978 <strong>–</strong> IV ZR 175/77 <strong>–</strong> 47<br />
Die Beurteilung einer medizinischen <strong>Notwendigkeit</strong> hängt nicht von der Auffassung des Patienten und auch nicht alleine von<br />
der des behandelnden Arztes ab, sondern obliegt einem neutralen Sachverständigen. Notwendige Heilbehandlungen sind<br />
derartige Maßnahmen aber jedenfalls dann, wenn es nach den damaligen objektiven medizinischen Befunden und<br />
Erkenntnissen vertretbar war, sie als notwendig anzusehen.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
20. BGH, 01.02.1983 <strong>–</strong> VI ZR 104/81 <strong>–</strong> 48<br />
Bestätigendes Revisionsurteil zu OLG Düsseldorf, 05.03.1981 <strong>–</strong> 8 U 99/80 <strong>–</strong> 49<br />
Bestätigendes Berufungsurteil zu LG Duisburg, 05.03.1980 <strong>–</strong> 6 O 633/79 <strong>–</strong> 50<br />
Die medizinische Vertretbarkeit, einen Patienten in die stationäre Heilbehandlung einzuweisen, impliziert nicht automatisch die<br />
medizinische <strong>Notwendigkeit</strong> hierzu.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
46 VersR 1956, 186.<br />
47 NJW 1979, 1250 = Gutachterhandbuch, S. 305 f.<br />
48 VersR 1983, 443 = NJW 1983, 2630.<br />
49 VersR 1995, 821 = NJW-RR 1996, 97.<br />
50 VersR 1995, 821 = NJW-RR 1996, 97.<br />
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Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
21. BGH, 10.01.1984 <strong>–</strong> VI ZR 103/83 <strong>–</strong> 51<br />
Bestätigendes Revisionsurteil zu OLG Düsseldorf, 22.03.1983 <strong>–</strong> U (Kart) 31/82 <strong>–</strong> 52<br />
Der Krankenversicherer ist zu einem generellen Leistungsausschluss berechtigt, nachdem sich der Krankenhausträger stets<br />
geweigert hat, sowohl ihm als auch den Versicherungsnehmern gegenüber ausreichende Belege zur Beurteilung der<br />
medizinischen <strong>Notwendigkeit</strong> der stationären Behandlung zu geben.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
22. BGH, 17.12.1986 <strong>–</strong> IVa ZR 78/85 <strong>–</strong> 53<br />
Aufhebendes Revisionsurteil zu OLG Nürnberg, 28.02.1985 <strong>–</strong> 8 U 1812/84 <strong>–</strong> 54<br />
Aufhebendes Berufungsurteil zu LG Nürnberg-Fürth, 13.04.1984 <strong>–</strong> 10 O 9757/82 <strong>–</strong> 55<br />
Als Heilbehandlung ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, 14.12.1977 <strong>–</strong> IV ZR 12/76 <strong>–</strong>, VersR 1978, 271,<br />
272 = NJW 1978, 1197) jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist,<br />
sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinischen notwendigen Krankenpflege fällt und auf<br />
Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt. Dem wird eine ärztliche Tätigkeit, die auf Verhinderung der Verschlimmerung<br />
einer Krankheit gerichtet ist, gleichzuachten sein (vgl. Bach/Moser, Private Krankenversicherung MB/KK <strong>§</strong> 1 Rn. 7). Dabei sind<br />
die Begriffe "ärztliche Leistung" und "medizinisch notwendige Krankenpflege" in einem weiten Sinne zu verstehen, der<br />
einerseits dem weit gespannten Leistungsrahmen der MBKK (BGH, 30.11.1977 <strong>–</strong> IV ZR 69/76 <strong>–</strong>, VersR 1978, 267 , 268 unter<br />
II, 1) und andererseits dem allgemeinen Sprachgebrauch Rechnung trägt (BGH, 20.02.1956 <strong>–</strong> II ZR 6/55 <strong>–</strong>, VersR 1956, 186<br />
und BGH, 14.12.1977 <strong>–</strong> IV ZR 12/76 <strong>–</strong>, aaO.).<br />
Von der <strong>Notwendigkeit</strong> einer Behandlung ist auszugehen, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und<br />
wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist, sie als medizinisch notwendig anzusehen<br />
(BGH, 29.11.1978 <strong>–</strong> IV ZR 175/77 <strong>–</strong>, VersR 1979, 221, 222 unter <strong>III</strong>.; ebenso Bach/Moser, aaO., <strong>§</strong> 1 Rn. 18 f.). Das ist im<br />
Allgemeinen der Fall, wenn eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die<br />
51<br />
VersR 1984, 274.<br />
52<br />
VersR 1984, 274 = MedR 1986, 328.<br />
53<br />
BGHZ 99, 228 = VersR 1987, 278 = NJW 1987, 703 = MedR 1987, 182.<br />
54<br />
NJW 1985, 2203.<br />
55<br />
NJW 1984, 1828.<br />
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Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
geeignet ist, die Krankheit in dem beschriebenen Sinne zu heilen oder zu lindern. Soweit es sich um den Ersatz vitaler<br />
körperlicher Funktionen handelt, entspricht das dem allgemeinen Verständnis der Krankenversicherungsbedingungen.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
23. BGH, 29.05.1991 <strong>–</strong> IV ZR 151/90 <strong>–</strong> 56<br />
Aufhebendes Revisionsurteil zu OLG Koblenz, 06.04.1990 <strong>–</strong> 10 U 173/89 <strong>–</strong> 57<br />
Aufhebendes Berufungsurteil zu LG Trier, 21.12.1988 <strong>–</strong> 5 O 110/86 <strong>–</strong> 58<br />
Leitsatz:<br />
Ein Versicherer, der seine Leistungen nach <strong>§</strong> 5 <strong>Abs</strong>. 2 MBKK kürzen will, ist dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass die<br />
Heilbehandlung das medizinisch notwendige Maß überschritten hat.<br />
Aus der Entscheidungsbegründung:<br />
Die medizinische <strong>Notwendigkeit</strong> beurteilt sich nach objektiven und anerkannten ärztlichen Erkenntnissen. Sie ist dann<br />
gegeben, wenn und solange es nach den zur Zeit der Planung und Durchführung der Therapie erhobenen objektiven<br />
Befunden und den hierauf beruhenden ärztlichen Erkenntnissen vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Schränkt das<br />
Versicherungsunternehmen seine Leistungspflicht ein, ist es als Versicherer für die tatsächlichen Voraussetzungen einer<br />
solchen Einschränkung der Leistungspflicht als Versicherer darlegungs- und beweispflichtig belastet.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
24. BGH, 10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong> 59<br />
Aufhebendes Revisionsurteil zu OLG Celle, 06.04.1995 <strong>–</strong> 8 U 202/94 <strong>–</strong> 60<br />
Bestätigendes Berufungsurteil zu LG Lüneburg, 22.07.1994 <strong>–</strong> 8 O 29/93 <strong>–</strong> 61<br />
Leitsätze:<br />
56<br />
VersR 1991, 987 = NJW-RR 1991, 1244.<br />
57<br />
Nicht veröffentlicht.<br />
58<br />
Nicht veröffentlicht.<br />
59<br />
BGHZ 133, 208 = NJW 1996, 3074 = VersR 1996, 1224 = MedR 1997, 172 = ArztR 1998, 106.<br />
60<br />
VersR 1995, 821 = NJW-RR 1996, 97.<br />
61<br />
Nicht veröffentlicht.<br />
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Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
1. Als Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist,<br />
sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf<br />
Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleichzusetzen, die auf eine<br />
Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist.<br />
2. Für die Frage, ob eine Heilbehandlung medizinisch notwendig ist, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. So kommt es für<br />
die Beurteilung der medizinischen <strong>Notwendigkeit</strong> der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers<br />
noch auf die des behandelnden Arztes an. Vielmehr ist die Behandlung dann notwendig, wenn sie nach den objektiven<br />
medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als<br />
notwendig anzusehen.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
25. BGH, 12.03.2003 <strong>–</strong> IV ZR 278/01 <strong>–</strong> 62<br />
Bestätigendes Revisionsurteil zu OLG Frankfurt/M., 10.10.2001 <strong>–</strong> 7 U 192/00 <strong>–</strong> 63<br />
Abänderndes Berufungsurteil zu LG Wiesbaden, 10.11.2000 <strong>–</strong> 1 O 78/00 <strong>–</strong> 64<br />
Leitsätze:<br />
1. Zur Ermittlung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen den beiderseitigen Leistungen sind die von einer Privatklinik<br />
berechneten Pauschalvergütungen mit den Entgelten zu vergleichen, die andere nicht der Bundespflegesatzverordnung<br />
unterworfene Privatkliniken für vergleichbare Krankenhausleistungen nach einem entsprechenden Abrechnungsmodus<br />
verlangen.<br />
2. Mit der Wendung „medizinisch notwendige Heilbehandlung“ in <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 Satz 1 MBKK 76 hat der Versicherer keine<br />
Beschränkung seiner Leistungspflicht auf die kostengünstigste Behandlung erklärt.<br />
3. Das Kürzungsrecht des Versicherers bei sog. Übermaßbehandlung gemäß <strong>§</strong> 5 <strong>Abs</strong>. 2 MBKK 76 erstreckt sich nicht auf<br />
Übermaßvergütungen (Aufgabe von BGH, 30.11.1977 <strong>–</strong> IV ZR 69/76 <strong>–</strong>, VersR 1978, 267).<br />
Aus der Entscheidungsbegründung:<br />
Eine Heilbehandlungsmaßnahme ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH dann medizinisch notwendig, wenn es nach<br />
den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war,<br />
62<br />
BGHZ 154, 154 = NJW 2003, 1596 = VersR 2003, 581 = MedR 2003, 403 = GesR 2003, 170 = Abrechnungshandbuch, S. 346 ff.<br />
63<br />
NJW-RR 2002, 241 = VersR 2002, 222 = MedR 2002, 258.<br />
64<br />
Nicht veröffentlicht.<br />
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sie als medizinisch notwendig anzusehen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte<br />
Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen oder zu lindern.<br />
Nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur muss die Heilbehandlung zusätzlich unter Kostenaspekten<br />
vertretbar sein. Seien zwei medizinisch gleichwertige, kostenmäßig aber um ein Vielfaches auseinander liegende<br />
Möglichkeiten der Behandlung gegeben, so bestehe eine Leistungspflicht nur für die kostengünstigere. Eine zum gleichen<br />
Behandlungserfolg führende, erheblich teurere Heilbehandlung sei Luxus, jedoch keine notwendige Heilmaßnahme. Der<br />
Versichertengemeinschaft sei die Übernahme luxuriöser Behandlungen nicht zumutbar. Anderenfalls würden die<br />
versicherungstechnischen Kalkulationsgrundlagen gesprengt. Diese Ansicht teilt der Senat nicht.<br />
Die Einbeziehung von Kostengesichtspunkten lässt sich <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 Satz 1 MBKK 76 im Wege der Auslegung nicht<br />
entnehmen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nicht „gesetzesähnlich“ auszulegen, sondern so, wie ein<br />
durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des<br />
erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines<br />
Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit <strong>–</strong> auch <strong>–</strong> auf seine Interessen an.<br />
Ein solcher Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der auszulegenden Klausel aus und berücksichtigt ihren Zweck und den<br />
erkennbaren Sinnzusammenhang. Er kann aus dem Wortlaut des <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 S. 1 MBKK 76 nicht ersehen, dass auch<br />
finanzielle Aspekte bei der Beurteilung der medizinischen <strong>Notwendigkeit</strong> der Heilbehandlung eine Rolle spielen sollen. <strong>§</strong>1<br />
<strong>Abs</strong>. 2 S. 1 MBKK 76 stellt nur auf die „medizinisch notwendige“ und nicht auf die „medizinische und notwendige“, die<br />
„notwendige medizinische“, die „medizinisch nur notwendige“ oder gar auf die „medizinisch und wirtschaftlich notwendige“<br />
Heilbehandlung ab. „Medizinisch“ bezieht sich gerade auf „notwendig“. Dieser sprachliche Zusammenhang macht bei<br />
verständiger Lektüre deutlich, dass die <strong>Notwendigkeit</strong> der Heilbehandlung allein aus medizinischer Sicht zu beurteilen ist.<br />
Daraus entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass es auf seine laienhaften Vorstellungen oder die<br />
Einschätzung des behandelnden Arztes nicht ankommt. Auch nach dem ihm erkennbaren Sinnzusammenhang wird er in<br />
diese Beurteilung Kostengesichtspunkte nicht hineinlesen. Er versteht wohl, dass ihm nicht die Kosten für jede beliebige<br />
Behandlungsmaßnahme erstattet werden, sondern nur für solche, die objektiv geeignet ist, sein Leiden zu heilen, zu bessern<br />
oder zu lindern. dass darüber hinaus der Versicherer seine Leistungspflicht nur auf die billigste Behandlungsmethode<br />
beschränken will, erschließt sich dem Versicherungsnehmer dagegen nicht. Aus seiner Sicht verliert eine medizinisch<br />
anerkannte Heilbehandlung das qualifizierende Merkmal „notwendig“ im Einzelfall nicht deshalb, weil sie teurer ist als eine<br />
nach Einschätzung des Versicherers gleichwertige, aber kostengünstigere Behandlung. Zudem ist für den<br />
Versicherungsnehmer nicht erkennbar, nach welchen Maßstäben die medizinische Gleichwertigkeit von Heilbehandlungen zu<br />
beurteilen sein soll. Übernimmt der Versicherer die Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung ohne für den<br />
durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Einschränkung, so kann er ihn grundsätzlich nicht auf einen billigeren<br />
oder den billigsten Anbieter einer Heilbehandlung verweisen, die er für medizinisch gleichwertig hält. Die Krankenversicherung<br />
kann den Erstattungsanspruch des Versicherungsnehmers auch nicht entsprechend <strong>§</strong> 5 <strong>Abs</strong>. 2 MBKK 76 kürzen.
Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
Diese Regelung räumt dem Versicherer lediglich die Befugnis ein, bei das medizinisch notwendige Maß übersteigenden<br />
Heilbehandlungen (sog. Übermaßbehandlungen) seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabsetzen. Will der<br />
Versicherer von dieser Einschränkung der Leistungspflicht Gebrauch machen, so hat er darzulegen und zu beweisen, dass<br />
bei einer an sich medizinisch notwendigen Heilbehandlung eine einzelne Behandlungsmaßnahme medizinisch nicht<br />
notwendig war. Die Übermaßregelung erstreckt sich nach herrschender Meinung auch auf einen im Verhältnis zum<br />
medizinisch notwendigen Behandlungsumfang überhöhten Vergütungsansatz des Arztes bzw. des Krankenhausträgers (<strong>§</strong> 5<br />
MBKK Rn. 64 m.w.N.). Diese Ausdehnung der Kürzungsbefugnis geht auf die frühere Senatsrechtsprechung zurück, nach der<br />
es bei einer Übermaßvergütung ebenso wie bei der von <strong>§</strong> 5 <strong>Abs</strong>. 2 MBKK 76 unmittelbar geregelten Übermaßbehandlung<br />
darum geht, die durch den Versicherungsfall verursachte Kostenbelastung in vertretbaren Grenzen zu halten.<br />
An dieser Auffassung, die durch das damalige Verständnis von einer gesetzesähnlichen Auslegung Allgemeiner<br />
Versicherungsbedingungen geprägt gewesen sein mag, hält der Senat nicht fest. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer<br />
kann schon dem Wortlaut des <strong>§</strong> 5 <strong>Abs</strong>. 2 MBKK 76 nicht entnehmen, dass mit der Überschreitung des medizinisch<br />
notwendigen Maßes auch ein wirtschaftliches Übermaß gemeint ist. Ebenso wie in <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 S. 1 MBKK 76 sind die Begriffe<br />
„medizinisch“ und „notwendig“ miteinander verbunden. Bei verständiger Würdigung dieses Zusammenhangs wird ein<br />
Durchschnittsversicherungsnehmer auch der Regelung des <strong>§</strong> 5 <strong>Abs</strong>. 2 MBKK 76 entnehmen, dass sich das notwendige Maß<br />
nicht nach seinen subjektiven Vorstellungen oder denen seines Arztes, sondern nach objektiven medizinischen<br />
Gesichtspunkten bestimmt. Auch wenn er als Ziel der Übermaßregelung erkennen kann, dass der Versicherer sich vor einer<br />
unnötigen Kostenbelastung schützen will, bezieht er die Kürzungsbefugnis auf Heilbehandlungsmaßnahmen, die aus<br />
medizinischer Sicht nicht mehr oder nicht in dem abgerechneten Umfang notwendig waren. Ihm erhellt sich indes nicht, dass<br />
er trotz uneingeschränkter medizinischer <strong>Notwendigkeit</strong> der Heilbehandlung reduzierte Versicherungsleistungen erhalten soll.<br />
Ferner ist die Krankenversicherung nicht nach <strong>§</strong> 242 BGB zur Kürzung ihrer Leistungen gegenüber dem<br />
Versicherungsnehmer berechtigt. Das private Versicherungsverhältnis untersteht in besonderem Maße den Grundsätzen von<br />
Treu und Glauben. Der Versicherungsnehmer muss bei der Inanspruchnahme einer besonders kostenträchtigen und nicht<br />
vital lebensnotwendigen Behandlung in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die<br />
Versichertengemeinschaft nehmen. Der Versicherer braucht deshalb jedenfalls ganz unverhältnismäßige Kosten dafür nicht<br />
zu erstatten.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
26. BGH, 28.04.2004 <strong>–</strong> IV ZR 42/03 <strong>–</strong> 65<br />
Nichtzulassungsbeschluss zu OLG Köln, 15.01.2003 <strong>–</strong> 5 U 140/01 <strong>–</strong> 66<br />
65 NJW-RR 2004, 1399.<br />
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Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
Berufungsurteil zu LG Köln, 13.06.2001 <strong>–</strong> 23 O 347/99 <strong>–</strong> 67<br />
Die Beweislast für die medizinische <strong>Notwendigkeit</strong> einer Heilbehandlung i.S.v. <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 Satz 1 MB/KK 1994 und 1976 trägt<br />
der Versicherungsnehmer. Ist dies unstreitig oder wird bewiesen, hat der Versicherer zu beweisen, dass die Voraussetzungen<br />
des Leistungsausschlusses für eine Übermaßbehandlung nach <strong>§</strong> 5 <strong>Abs</strong>. 2 MBKK 1994 und 1976 vorliegen, wobei eine nicht<br />
ordnungsgemäße ärztliche Dokumentation zu Lasten des Versicherers geht (Festhaltung BGH, 12.03.2003 <strong>–</strong> IV ZR 278/01 <strong>–</strong>,<br />
NJW 2003, 1569).<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
27. BGH, 21.09.2005 <strong>–</strong> IV ZR 113/04 <strong>–</strong> 68<br />
Teilweise abänderndes Revisionsurteil zu OLG München, 23.03.2004 <strong>–</strong> 25 U 4788/03 <strong>–</strong> 69<br />
Aufhebendes Berufungsurteil zu LG München I, 16.09.2003 <strong>–</strong> 25 O 7593/02 <strong>–</strong> 70<br />
Krankheit im Sinne der Bedingungen ist ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder<br />
Geisteszustand. Die Krankheit des Klägers ist seine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege<br />
Kinder zu zeugen. Demgegenüber stellt die Kinderlosigkeit des Klägers und seiner Ehefrau keine Krankheit im Sinne der<br />
Bedingungen und auch keine die Erkrankung des Klägers derart kennzeichnende Krankheitsfolge dar, dass davon<br />
gesprochen werden könnte, mit dem Ende der Kinderlosigkeit sei auch eine endgültige Linderung der Krankheit eingetreten<br />
(vgl. dazu BGH, 17.12.1986 <strong>–</strong> IVa ZR 78/85 <strong>–</strong>, BGHZ 99, 228 , 230; ferner BGH, 03.03.2004 <strong>–</strong> IV ZR 25/03 <strong>–</strong>, BGHZ 158, 166<br />
und BGH, 12.11.1997 <strong>–</strong> IV ZR 58/97 <strong>–</strong>, VersR 1998, 87 unter 2 a). Vielmehr besteht die Sterilität des Klägers auch nach der<br />
Geburt seines Sohnes fort. Deshalb kann der Wunsch nach einem weiteren Kind auch erneut den Bedarf auslösen, die<br />
gestörten Körperfunktionen durch medizinische Maßnahmen zu ersetzen. Aus der Entscheidung BGH, 17.12.1986 <strong>–</strong> IVa ZR<br />
78/85 <strong>–</strong>, BGHZ 99, 228, 233 ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Senat dort im Rahmen der Untersuchung, inwieweit die<br />
künstliche Befruchtung eine Linderung der Unfruchtbarkeit einer Frau herbeiführen könne, die Frage aufgeworfen, ob nach<br />
eingetretener Mutterschaft nach allgemeinem Sprachgebrauch noch davon gesprochen werden könne, die Frau sei<br />
unfruchtbar, oder ob nicht eine Heilung eingetreten sei. Er hat aber zugleich deutlich gemacht, dass die Sterilität als Krankheit<br />
66 Nicht veröffentlicht.<br />
67 Nicht veröffentlicht.<br />
68 VersR 2005, 1673 = NJW 2005, 3783.<br />
69 FamRZ 2005, 106.<br />
70 Nicht veröffentlicht.<br />
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Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
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auch nach Geburt eines ersten Kindes fortbestehe und sich deshalb die Frage der erneuten Anwendung der Technologie der<br />
homologen In-vitro-Fertilisation weiter stellen könne (BGH, 17.12.1986 <strong>–</strong> IVa ZR 78/85 <strong>–</strong>, aaO., S. 230, 233).<br />
Mit dem Begriff der medizinischen <strong>Notwendigkeit</strong> einer Heilbehandlung wird <strong>–</strong> für den durchschnittlichen<br />
Versicherungsnehmer erkennbar <strong>–</strong> zur Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und<br />
Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (BGH, 10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, BGHZ 133, 208 , 212 f.; 154, 154, 166 f.; BGH,<br />
14.12.1977 <strong>–</strong> IV ZR 12/76 <strong>–</strong>, VersR 1978, 271 unter II 1). Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des<br />
Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGH, 10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, BGHZ 133 aaO. m.w.N.),<br />
sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung.<br />
Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest,<br />
folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGH, 10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, BGHZ 133 aaO.).<br />
Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt<br />
insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die<br />
Behandlung als notwendig anzusehen (BGH, 10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, BGHZ 133 aaO.; 154, 154, 166 f.; BGH,<br />
14.12.1977 <strong>–</strong> IV ZR 12/76 <strong>–</strong>, VersR 1979, 221 unter <strong>III</strong>; BGH, 29.05.1991 <strong>–</strong> IV ZR 151/90 <strong>–</strong>VersR 1991, 987 unter 2 a). Ob<br />
dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die<br />
Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (vgl. BGH,<br />
10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, BGHZ 133, 208 , 215). So kann es bei unheilbaren lebensbedrohlichen Erkrankungen vertretbar<br />
sein, auch Behandlungsversuche als notwendig anzusehen, die mit nicht nur ganz geringer Wahrscheinlichkeit ihr Ziel<br />
erreichen und denen notwendigerweise Versuchscharakter anhaftet (BGH, 10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, BGHZ 133 aaO.).<br />
Liegt hingegen <strong>–</strong> wie hier <strong>–</strong> eine leichtere, insbesondere keine lebensbedrohende oder -zerstörende Krankheit vor, erweist<br />
sich die in Aussicht genommene Heilbehandlung also als nicht vital lebensnotwendig und sind ihre Erfolgsaussichten in<br />
Abhängigkeit von bestimmten Voraussetzungen bereits umfangreich erforscht, so lässt erst ein höherer Grad der<br />
Erfolgswahrscheinlichkeit es als vertretbar erscheinen, die Maßnahme als bedingungsgemäß notwendig anzusehen. …<br />
Von einer nicht mehr ausreichenden Erfolgsaussicht <strong>–</strong> und damit von einer nicht mehr gegebenen bedingungsgemäßen<br />
medizinischen <strong>Notwendigkeit</strong> der IVF/ICSI-Behandlung <strong>–</strong> ist dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein<br />
Embryotransfer (Punktion) zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von<br />
15 % nicht mehr erreicht wird (vgl. dazu BGH, 17.12.1986 <strong>–</strong> IVa ZR 78/85 <strong>–</strong>, BGHZ 99, 228 , 235, wo eine<br />
Erfolgswahrscheinlichkeit von 15-20 % als noch ausreichend erachtet worden ist). Das ist nach den von dem gerichtlich<br />
bestellten Sachverständigen referierten Daten aus dem Deutschen IVF-Register im Durchschnitt bei Frauen nach Vollendung<br />
des 40. Lebensjahrs der Fall, kann aber aufgrund der vorgenannten individuellen Faktoren im Einzelfall früher oder später<br />
eintreten.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong>
Urteile rund um die zahnärztliche Abrechnung <strong>–</strong> Teil 1 <strong>–</strong><br />
28. BGH, 08.02.2006 <strong>–</strong> IV ZR 131/05 <strong>–</strong> 71<br />
Aufhebendes Revisionsurteil zu LG Bremen, 12.05.2005 <strong>–</strong> 6 S 408/04 <strong>–</strong> 72<br />
Bestätigendes Berufungsurteil zu AG Bremen, 30.11.2004 <strong>–</strong> 4 C 144/04 <strong>–</strong> 73<br />
Mit dem Begriff der medizinisch notwendigen Heilbehandlung wird nach ständiger Rechtsprechung des Senats zur<br />
Bestimmung des Versicherungsfalles ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt<br />
(BGH, 21.09.2005 <strong>–</strong> IV ZR 113/04 <strong>–</strong> unter II 3 a; BGH, 12.03.2003 <strong>–</strong> IV ZR 278/01 <strong>–</strong>, BGHZ 154, 154 , 166 f.; BGH,<br />
10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, BGHZ 133, 208, 212 f.; BGH, 14.12.1977 <strong>–</strong> IV ZR 12/76 <strong>–</strong>, VersR 1978, 271 unter II 1). Insoweit<br />
hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGH,<br />
10.07.1996 <strong>–</strong> IV ZR 133/95 <strong>–</strong>, BGHZ 133, 208 aaO. m.w.N.), sondern von den objektiven medizinischen Befunden und<br />
Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu<br />
heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des<br />
Versicherers. Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar<br />
ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar<br />
erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur anhand der im Einzelfall<br />
maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie<br />
bezogenen Heilbehandlung bestimmen.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
29. OLG Hamm, 15.03.1972 <strong>–</strong> 20 U 175/71 <strong>–</strong> 74<br />
In der privaten Krankenversicherung ist die <strong>Notwendigkeit</strong> der stationären Heilbehandlung nach objektiven Gesichtspunkten<br />
zu bestimmen. Die Ansicht des behandelnden Arztes ist nicht allein entscheidend. Seine Stellungnahme ist nur als ein<br />
Beweismittel neben anderen Beweisen zu würdigen.<br />
Zurück zum <strong>Abs</strong>chnitt <strong>§</strong> 1 <strong>Abs</strong>. 2 <strong>GOZ</strong> <strong>–</strong> <strong>Medizinische</strong> <strong>Notwendigkeit</strong><br />
71 VersR 2006, 535 = NJW-RR 2006, 678.<br />
72 Nicht veröffentlicht.<br />
73 Nicht veröffentlicht.<br />
74 VersR 1972, 777.<br />
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