Ausgabe 27: "Arbeitswelt", November 2003 - Die andere Seite des ...
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16 die <strong>andere</strong> seite<br />
Ein Portrait<br />
Arbeit und Behinderung<br />
Sie ist jung und hat beruflichen Ehrgeiz.Sie hat<br />
eine KV Ausbildung abgeschlossen und hat<br />
einige Jahre Berufserfahrung im Verkauf.<br />
Langfristige Kontakte mit der Kundschaft zu<br />
pflegen ist ihr wichtiger als kurzfristige Verkaufserfolge<br />
zu erzielen. Ihre Stärke: eine ausgeprägte<br />
technische Auffassungsgabe. Der<br />
Computer ist ihre Passion. Regina Reusser ist<br />
heute auf Stellensuche. Sie ist seit 10 Jahren<br />
blind. Der <strong>andere</strong>n seite erzählt sie von ihren<br />
Bewerbungen, Berufszielen und den Schwierigkeiten,<br />
die sich ihr entgegen stellen.<br />
von Ueli Meier<br />
Regina Reusser wohnt, zusammen mit<br />
ihrem Lebenspartner in einer Zürcher<br />
Agglomerationsgemeinde. Durch Vermittlung<br />
von Albert Wiss, Sozialarbeiter<br />
an der Beratungs- und Rehabilitationstelle<br />
<strong>des</strong> Schweizerischen Blindenbun<strong>des</strong>,<br />
treffen wir uns in <strong>des</strong>sen<br />
Büroräumen an der Wartstrasse in Winterthur.<br />
Mit ihrem zuverlässigen Blindenhund<br />
Zeff und dem GA ist Regina<br />
Reusser mobil. Sie kommt zusammen<br />
mit ihrem Lebenspartner, nach Winterthur.<br />
Als einzige Sehbehinderte<br />
in der Gewerbeschule<br />
Seit Geburt ist Regina Reusser sehbehindert.<br />
Zur Schule ging sie in ein Internat<br />
für Sehbehinderte. Dort lernte sie normal<br />
lesen und schreiben. In der Freizeit<br />
fand sie grosse Freude am Velofahren.<br />
<strong>Die</strong> Sehkraft liess aber im Lauf der Zeit<br />
immer mehr nach. Vor zehn Jahren ist sie<br />
gänzlich erblindet. Trotzdem konnte Regina<br />
Reusser eine KV-Lehre erfolgreich<br />
abschliessen. Damals war sie die einzige<br />
Sehbehinderte an der Gewerbeschule.<br />
Kurzfristiges Umsatzdenken<br />
Nach der Ausbildung arbeitete sie im<br />
Zentralsekretariat <strong>des</strong> Schweizerischen<br />
Blindenverban<strong>des</strong>, anschliessend einige<br />
Jahre im Call-Center einer Telefonfirma.<br />
Dort führte sie am Telefon Verkaufsgespräche<br />
mit Privatkunden sowie Firmen.<br />
Der Druck, einen möglichst grossen<br />
Umsatz zu erzielen, wurde für sie zu<br />
gross: «Statt einer langfristigen Kundenpflege<br />
stand kurzfristiges Umsatzdenken<br />
im Vordergrund. Damit hatte ich grosse<br />
Mühe», erklärt sie. Auch die Schichtarbeit<br />
hatte ihr gesundheitlich stark zugesetzt.<br />
Im Dezember letzten Jahres wurde<br />
ihr gekündigt. Seither ist Regina Reusser<br />
auf Stellensuche.<br />
...beeindruckt, aber keine Stelle<br />
Offene Stellen sucht sie über das Internet,<br />
oder sie lässt sich die Stelleninserate<br />
aus den Zeitungen vorlesen. Oft bewirbt<br />
sie sich auch spontan bei Firmen. Meistens<br />
erhält sie eine standardmässige Absage:<br />
«Jemand hat mich einmal angerufen<br />
und erklärt, er sei von meiner Bewerbung<br />
sehr beeindruckt.... Allerdings<br />
könne er mir die Stelle nicht geben. <strong>Die</strong><br />
Aufgaben, ich hätte sehr oft zwischen<br />
Büro und Magazin wechseln müssen, sowie<br />
sein schwieriger Vorgesetzter, wür-<br />
Für Sehbehinderte bedeuten Arbeitssuche und<br />
Weiterbildung ein harter Kampf: Regina<br />
Reusser gibt nicht auf.<br />
Foto: Ueli Meier