ZAK, Ausgabe April 10 (pdf - 5 MB) - Arbeiterkammer
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8 <strong>ZAK</strong> jugend jugend<br />
<strong>ZAK</strong> 9<br />
Keine Krise beim<br />
AK-Rechtsschutz<br />
Den Rekordbetrag von schuldig gebliebenen Entgeltzahlungen<br />
der Firmen in der Höhe von knapp 14 Millionen<br />
Euro erstritt die <strong>Arbeiterkammer</strong> 2009 für ihre Mitglieder.<br />
„Der kostenlose Rechtsschutz,<br />
den AK-Mitglieder bei Streitigkeiten<br />
im Bereich des Arbeits-<br />
und Sozialrechts genießen,<br />
wurde im Krisenjahr 2009<br />
besonders stark in Anspruch<br />
genommen“, bilanziert AK-<br />
Präsident Walter Rotschädl.<br />
Sowohl bei der Zahl der eingebrachten<br />
Klagen als auch<br />
beim erstrittenen Betrag gab es<br />
Höchstwerte. Auffallend groß<br />
war die Zunahme bei der Zahl<br />
der Pensionswerber, die mit<br />
AK-Hilfe gegen negative Pensionsbescheide<br />
ankämpften.<br />
3.760 Euro pro Streitfall<br />
Die Krise im Vorjahr hat quer<br />
durch die AK-Rechtsschutzbilanz<br />
ihre Spuren gezogen. So<br />
wurden deutlich mehr Rat-<br />
suchende gezählt, die wegen<br />
einer Kündigung durch den<br />
Arbeitgeber den Rechtsschutz<br />
in Anspruch nahmen. Der<br />
durchschnittliche Streitwert<br />
pro Fall beim Arbeits- und<br />
Sozialgericht Graz ist auf<br />
3.760 Euro gestiegen. Der für<br />
die Mitglieder erstrittene Betrag<br />
in Arbeitsrechtssachen<br />
erreichte die enorme Höhe von<br />
13,9 Millionen Euro.<br />
Die am häufigsten betroffenen<br />
Branchen waren das Gastgewerbe,<br />
der Handel, Branchen<br />
ohne Kollektivvertrag und die<br />
Arbeitskräfteüberlassung. Am<br />
öftesten ging es um das laufende<br />
Entgelt, Sonderzahlungen,<br />
Urlaubsersatzleistungen, Kündigungsentschädigungen<br />
und<br />
Überstunden.<br />
Absicherung für<br />
PflichtpraktikantInnen<br />
Gratisarbeit, nicht sozialversichert<br />
und von Schulen<br />
häufig allein gelassen: PraktikantInnen<br />
brauchen eine<br />
gesetzliche Regelung.<br />
Damit Ausbildung nicht zur<br />
Ausbeutung wird, hat AK-<br />
Präsident Rotschädl bereits<br />
vor zwei Jahren auf ein Pflichtpraktikumsgesetz<br />
gedrängt,<br />
in dem ein Mindestentgelt für<br />
kollektivvertragslose Bereiche<br />
eingeführt und die Sozialversicherungspflichtfestgeschrieben<br />
werden sollen. Die<br />
Leiterin der AK-Jugendabteilung,<br />
Mag. Ursula Strohmayer,<br />
prangert besonders kritische<br />
Bereiche an: „Im Gastgewerbe<br />
werden oft Überstunden nicht<br />
bezahlt, und in Sozialberufen<br />
und im Medienbereich sind<br />
Missstände ebenso an der Tagesordnung.“<br />
An der HTL klären Schulen<br />
Praktikanten selten über ihre<br />
rechtliche Situation auf. „Die<br />
SchülerInnen glauben, sie<br />
seien ohnehin versichert,<br />
und wenn jemand in eine<br />
Kreissäge greift, stellt sich<br />
heraus: Hoppla, wir haben ein<br />
Problem!“<br />
Rund 11.000 steirische SchülerInnen<br />
und Studierende<br />
müssen im Rahmen ihrer<br />
schulischen Ausbildung ein<br />
Pflichtpraktikum als Ergänzung<br />
zu ihrer theoretischen<br />
Ausbildung absolvieren. „Aus<br />
unserer täglichen Beratungspraxis<br />
wissen wir, dass bei<br />
den Praktika Probleme auftreten“,<br />
erklärt die AK-Expertin.<br />
„Ein Mindestlohn ist das Mindeste,<br />
wie man die Generation<br />
Praktikum auf das Berufsleben<br />
vorbereiten kann.“<br />
rudolf.willgruber@akstmk.at<br />
Sprungbrett in das Berufsleben<br />
Eine neue Institution sucht einen Fixplatz in der Berufsausbildung:<br />
Auf eine „Produktionsschule“ kommt, wem auch AMS<br />
und Schnuppertage nicht beim Sprung ins Berufsleben helfen<br />
konnten. Ein Lokalaugenschein in der Grazer Grabenstraße.<br />
Zielgruppe: Jugendliche zwischen<br />
15 und 25 Jahren, mehr<br />
als die Hälfte mit Migrationshintergrund<br />
und sozialen<br />
Anpassungsschwierigkeiten,<br />
Schul- oder Ausbildungsabbrecher,<br />
Frauenanteil 50<br />
Prozent. Die Stempel drücken<br />
aus: nicht gerade pflegeleichte<br />
Teilnehmer. Ob Trainer<br />
und SozialpädagogInnen mit<br />
dicker Haut ausgestattet sein<br />
müssen? Es heißt Vorurteile<br />
vergessen beim Besuch in<br />
der ersten Produktionsschule<br />
in der Steiermark, der noch<br />
drei weitere heuer folgen (in<br />
Deutschlandsberg, Leoben<br />
und Kapfenberg).<br />
Das Positive finden<br />
Koordinatorin Martina Theis<br />
kann sich auf ihr Personal<br />
verlassen: „Die TrainerInnen<br />
kennen keine Angst und sind<br />
besondere Anforderungen<br />
gewöhnt.“ Die Aufgaben erfordern<br />
nicht nur eine fachliche<br />
Vorbildung, sondern<br />
auch Fingerspitzengefühl und<br />
Motivationskunst. „In jedem<br />
Jugendlichen steckt etwas<br />
Positives“, ist Theis überzeugt.<br />
Man müsse sie erst an einen<br />
Arbeitsrhythmus gewöhnen,<br />
eine Grundqualifizierung<br />
anstreben und dann die Möglichkeiten<br />
auf dem Arbeitsmarkt<br />
ausloten.<br />
Vier Fachbereiche<br />
Die Mädchen und Burschen<br />
haben meist keine sehr geradlinige<br />
Biografie, wie Stefan<br />
Kovacs, 16: Nach Schulabbruch,<br />
Praktikum, angefangener<br />
Gastrolehre, die durch<br />
Krankheit unterbrochen wurde,<br />
startet er jetzt erneut im<br />
Restaurantfach. Die Grazer<br />
Produktionsschule bildet in<br />
fünf gängigen Bereichen mit<br />
hohem Bedarf aus, neben der<br />
Gastronomie sind dies Büro/<br />
Handel, Textil, Holz und Metall.<br />
„Ich möchte unbedingt<br />
eine Lehre machen. Was ich<br />
durch Kochen dazulerne, ist<br />
mir als Kellner nützlich“, ist<br />
Stefan überzeugt.<br />
Aus sieben Ländern<br />
Hermann Theußl, Geschäftsfeldleiter<br />
in der Trägerorganisation<br />
BBRZ (Berufliches Bildungs-<br />
und Rehabilitations-<br />
Martina Theis und Hermann<br />
Theußl fördern die Stärken<br />
ihrer Schützlinge in der Produktionsschule<br />
in Graz (links).<br />
(Fotos: Fritz Langmann)<br />
Neben Holz und Metall wird<br />
eine Grundausbildung in drei<br />
weiteren Fachbereichen angeboten,<br />
nämlich Gastronomie,<br />
Büro/Handel und Textil.<br />
zentrum), zum Ansatz des aus<br />
Dänemark stammenden Modells<br />
der Produktionsschulen:<br />
„Wir orientieren uns an den<br />
Stärken der Jugendlichen.“<br />
Nach einer Eingangsphase<br />
werden die Jugendlichen einem<br />
Fachbereich zugewiesen.<br />
Der 32 Stunden dauernde<br />
Unterricht besteht aus einem<br />
Mix aus produktiver Tätigkeit,<br />
Fachunterricht, Förderung<br />
von sozialen Kompetenzen<br />
und einem Ausgleich des<br />
Sprachdefizits. Die derzeit<br />
31 Jugendlichen stammen<br />
ursprünglich aus sieben Ländern.<br />
Da muss auch Rücksicht<br />
Stefan Kovacs startet erneut im<br />
Restaurantfach durch.<br />
auf den interkulturellen Hintergrund<br />
der Personen genommen<br />
werden.<br />
Die junge Türkin Ruken Akbulut<br />
ist erst seit drei Jahren in<br />
Graz und bekam keinen Lehrplatz<br />
als Friseurin. Nun will<br />
sie auf Köchin umsatteln. Mit<br />
türkischen Süßspeisen wie<br />
Baklava hat sie schon die anderen<br />
Neustarter eingekocht,<br />
lieber würde sie aber in einem<br />
österreichischen Restaurant<br />
arbeiten, erzählt sie. „Wir<br />
unterstützen die Schüler bei<br />
der Anbahnung von Praktika<br />
und der Suche nach Lehrstellen“,<br />
erklärt Martina Theis.<br />
<strong>ZAK</strong> nfo<br />
19 Trampoline<br />
Bis 2011 sollen 450 Jugendliche<br />
zwischen 15 und 25<br />
die vier steirischen Produktionsschulen<br />
durchlaufen,<br />
dafür investieren Bund, Land<br />
und EU 3,7 Millionen Euro.<br />
Zwischen 6 und 12 Monaten<br />
werden die Jugendlichen in<br />
Einrichtungen von Jugend<br />
am Werk und BBRZ betreut.<br />
Österreichweit sollen insgesamt<br />
19 Produktionsschulen<br />
als „Trampolin“ in den Arbeitsmarkt<br />
fungieren.<br />
Denn die Sprungübung in<br />
eine künftige Lehre oder einen<br />
Job dauert sechs Monate oder<br />
höchstens ein Jahr. In dieser<br />
Zeit erhalten die Schützlinge<br />
unter 18 eine monatliche Unterstützung<br />
vom AMS in der<br />
Höhe von 240 Euro.<br />
Erfolgsquote 40 Prozent<br />
Die vor zehn Jahren aus Rumänien<br />
ihren Eltern nachgefolgte<br />
Beatrice Florea glaubt, bald<br />
einen Bürojob zu finden. Die<br />
22-jährige Ex-Zahnarztassistentin<br />
wirkt selbstbewusst<br />
und gut integriert. „Außer zu<br />
meiner besten Freundin habe<br />
Ruken Akbulut kocht lieber in<br />
einem österreichischen Lokal.<br />
ich in erster Linie Kontakt zu<br />
Österreichern“, erzählt sie.<br />
Und auch die Projektleiterin<br />
glaubt, dass Beatrice den beruflichen<br />
Wiedereinstieg bald<br />
schafft. Die Erfolgsquote der<br />
Produktionsschule in Steyr<br />
liegt bei 40 Prozent.<br />
Einige KandidatInnen werden<br />
also noch weitere „Maßnahmen“<br />
brauchen, um auf dem<br />
Arbeitsmarkt letztlich Fuß zu<br />
fassen. Angesichts der schwierigen<br />
Lage zählen bereits der<br />
Versuch und der Wille – und<br />
die Absicht der Politik, niemand<br />
hängenzulassen.<br />
rudolf.willgruber@akstmk.at<br />
Beatrice Florea strebt einen<br />
Bürojob an.