Anthroposophische Medizin - Docteur Stefan Doell

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k) Praktische Aspekte Der anthroposophische Arzt wird sich, neben der Behandlung der Krankheit, ganz besonders auch um den kranken Menschen selbst bemühen. Je langwieriger ein Leiden, desto wichtiger erscheint es, dessen Bedeutung für den Patienten zu verstehen und ihm dieses Verständnis auch selbst zu ermöglichen. Die anthroposophische Biographiearbeit kann helfen zu verstehen, warum eine bestimmte Krankheit in einem bestimmten Lebensabschnitt auftritt und was ein Patient benötigt zur Herstellung seiner individuellen Gesundheit. In jeder Krankheit wird eine spezifische Aufgabe gesehen, die es zu bewältigen gilt, häufig mit einem Zugewinn an persönlicher Gesundheit und Reifung nach überstandenem Leiden. Die Einführung in entsprechende Zusammenhänge, sowie auch die Aufklärung über die Natur einer Erkrankung, verlangen vom anthroposophischen Arzt eine gut entwickelte Kommunikationsfähigkeit. Sofern irgend möglich, wird eine Aufklärung ohne Zeitdruck durchgeführt und alle Fragen des Patienten nach bestem Wissen beantwortet. Das Ziel ist, dem Patienten eine autonome Entscheidung zu ermöglichen. Es wird ebenfalls angestrebt, den Patienten soviel als möglich an der Wiederherstellung seiner Gesundheit aktiv mitarbeiten zu lassen. Auch das wird ihm zu mehr Autonomie und Unabhängigkeit von der medizinischen Versorgung verhelfen. Dies setzt allerdings eine besonders sorgfältige Beurteilung voraus, wann ein Patient zu welcher Aktivität bereits in der Lage ist. Man darf einen Kranken nicht überfordern; im klinischen Alltag bemerkt man allerdings häufiger, dass Fähigkeiten unterschätzt und nicht genügend gefördert werden. Das individuelle Eingehen auf den Menschen ist nur vorstellbar bei freier Arztwahl seitens des Patienten. Die Beschränkung derselben durch staatliche Regulierung oder durch ökonomische Zwänge ist mit der anthroposophischen Medizin unvereinbar. Die anthroposophische Medizin beschäftigt sich in verschiedener Weise intensiv mit Fragen der Prävention (Krankheitsverhütung) sowie Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit und steht damit dem Salutogenese-Konzept von Aaron Antonovsky nahe: Stabilisierung gesundheits-erhaltender Prozesse zur Verminderung von Häufigkeit und Schweregrad der Krankheiten. Prävention in der Anthroposophie bedeutet Erziehung und Selbsterziehung, Gesundheit bedeutet Arbeit an der eigenen Weiterentwicklung. In diesem Zusammenhang spielt auch die seelische Hygiene, die sorgfältige Pflege des eigenen Gedanken- und Gefühlslebens, eine Rolle. In Hinsicht auf die Kindererziehung sucht die anthroposophische Medizin enge Anbindung an pädagogische Fragen, nicht zuletzt um bereits beim heranwachsenden Menschen körperlich, seelisch und geistig die Voraussetzung
für eine lebenslange stabile Gesundheit herzustellen. Die anthroposophische Pädagogik bietet eine detaillierte Hilfestellung zu diesem Zweck. Der anthroposophische Schularzt an Rudolf-Steiner-Schulen ist speziell ausgebildet hinsichtlich der Gesetzmässigkeiten der kindlichen Entwicklung. Zusammen mit Heilpädagogen und Lehrern pflegt er regelmässige Konferenzen abzuhalten, bei denen die Betrachtung einzelner Kinder im Mittelpunkt steht. Ganz allgemein sucht die anthroposophische Medizin die direkte Anbindung an die konkreten Bereiche des menschlichen Alltagslebens. Vor allem intensives Beobachten und eigenes Untersuchen, nahe am Patienten, werden gefördert. Aerztliche Hausbesuche und Gespräche mit Angehörigen werden gepflegt, das soziale Umfeld meist mit einbezogen. Ein Beispiel aus der Ernährungsberatung: es wird nicht nur kalorisch orientierte Diätberatung durchgeführt, sondern zusätzlich noch berücksichtigt: kann der Patient selbst herausfinden, welches Nahrungsmittel welche Befindlichkeit bei ihm hervorruft? Wird er sich mit dieser oder jener Geschmacksrichtung im Alltag überhaupt anfreunden können? Hat er genügend finanzielle Mittel für die vorgeschlagene Ernährungsform? Wo kann er die empfohlenen Nahrungsmittel kaufen? - kurz, der erfahrene anthroposophische Arzt wird versuchen bei seiner praktischen Arbeit den gesunden Menschenverstand einzusetzen und diesen auch bei seinen Patienten zu fördern.
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