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Geht in alle Welt - Franziskaner Mission

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<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong> !<br />

<strong>Mission</strong>sarbeit der deutschen <strong>Franziskaner</strong><br />

2 2010<br />

Gegen den <strong>Welt</strong>untergang – Die Kirche muss präsent se<strong>in</strong><br />

Aus der Vision heraus leben – Die ersten deutschen <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Chicago<br />

»Wilde Tiere, Schlangen und gefährliche Indianer« – Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> im Mato Grosso Brasiliens<br />

In Deutschland muss es schön se<strong>in</strong> – Christse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Taiwan


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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

von Br. August<strong>in</strong>us Diekmann ofm<br />

<strong>Mission</strong>arisch Kirche se<strong>in</strong><br />

Den Weg der Bekehrung gehen<br />

von Dr. Jürgen Lohmayer<br />

90 todesmutige Brüder meldeten sich<br />

Wie die ersten <strong>Franziskaner</strong> nach Deutschland kamen<br />

»Interview« von Thomas M. Schimmel mit Br. Jordan von Giano<br />

Gegen den <strong>Welt</strong>untergang<br />

Die Kirche muss präsent se<strong>in</strong><br />

Interview von P. Leopold Scheifele mit Pfarrer Robert Hof<br />

DDR <strong>in</strong> der Karibik<br />

Drei Jahre als <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong> Kuba<br />

von Br. Frank Hartmann ofm<br />

Aus der Vision heraus leben<br />

Die ersten deutschen <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Chicago<br />

von Br. Michael Perry ofm<br />

Durch Bismarck nach Amerika<br />

<strong>Franziskaner</strong> aus Fulda <strong>in</strong> New York und Colorado<br />

von Anke Chávez<br />

Wie Los Angeles zu se<strong>in</strong>em Namen kam<br />

Die Namensgebung <strong>in</strong> Kalifornien<br />

von Br. Natanael Ganter ofm<br />

Mittelseite<br />

<strong>Mission</strong>are im Ausland Claudia Schmitz<br />

»Wilde Tiere, Schlangen und gefährliche Indianer«<br />

Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> im Mato Grosso Brasiliens<br />

von P. Bernhard Hans Dettl<strong>in</strong>g ofm<br />

Personalia<br />

Drei <strong>Mission</strong>are s<strong>in</strong>d Ostern von<br />

Brasilien nach Deutschland gekommen,<br />

um an dem Abschieds treffen<br />

ihrer Heimatprov<strong>in</strong>z Saxonia<br />

vom 6. bis 9. April 2010 <strong>in</strong> Haus<br />

Ohrbeck, Georgsmarienhütte,<br />

teilzunehmen. Es war die letzte<br />

Versammlung der Saxonia, die<br />

sich Anfang Juli 2010 zusammen<br />

mit der Thur<strong>in</strong>gia, der Colonia<br />

und der Bavaria zu der geme<strong>in</strong>samen<br />

Deutschen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />

von der Heiligen Elisabeth<br />

zusammenschließen wird.<br />

Die drei <strong>Mission</strong>are nutzten die<br />

Gelegenheit, mehrere Tage <strong>in</strong> der<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Dortmund<br />

zu verbr<strong>in</strong>gen und dort von den<br />

neuesten Neuigkeiten aus Brasilien<br />

zu berichten.<br />

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Der »Chef«<br />

Porträt des <strong>Franziskaner</strong>missionars Pater Heribert Rembecki<br />

von P. Erich Löher ofm<br />

Der Mechaniker<br />

Bruder Bruno bekam jedes Auto wieder fl ott<br />

von P. Heribert Rembecki ofm<br />

Der Arzt<br />

Bruder Klaus heilt Leib und Seele<br />

von Helga Berbuir<br />

Der Wissenschaftler<br />

Pater Theobald übersetzte die Bibel <strong>in</strong>s Ch<strong>in</strong>esische<br />

von P. Hermann Schalück ofm<br />

In Deutschland muss es schön se<strong>in</strong><br />

Christse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Taiwan<br />

von P. Herbert Schneider ofm<br />

Zwischen Tradition und Moderne<br />

<strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Japan<br />

von Anke Chávez<br />

Neue Perspektiven für Häftl<strong>in</strong>ge und Prostituierte<br />

<strong>Franziskaner</strong>mission <strong>in</strong> Westafrika<br />

von Anke Chávez<br />

Wer missioniert eigentlich wen?<br />

<strong>Mission</strong> aus der Sicht e<strong>in</strong>er <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit<br />

von Sandra Gotzhe<strong>in</strong><br />

Projekt<br />

Impressum<br />

Pater Anton Schauerte (l<strong>in</strong>ks), der im Januar<br />

<strong>in</strong> die Prov<strong>in</strong>zleitung von Bacabal gewählt wurde,<br />

war vom 5. April bis 24. Mai <strong>in</strong> Deutschland. Als<br />

Prov<strong>in</strong>zökonom sorgt er dafür, dass die Spendengelder,<br />

die Claudia Schmitz von der <strong>Franziskaner</strong><br />

<strong>Mission</strong>, Dortmund, <strong>in</strong> regelmäßigen Abständen<br />

nach Bacabal überweist, <strong>in</strong> den jeweiligen Projekten<br />

der Prov<strong>in</strong>z ankommen.<br />

Pater Heribert Rembecki (Mitte) ist seit<br />

dem 29. März auf Heimaturlaub und bleibt<br />

noch bis zum 26. Juli. Nachdem auch er lange<br />

Zeit <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>zleitung tätig war, ist er seit<br />

Anfang dieses Jahres Seelsorger <strong>in</strong> der Pfarrei<br />

Nossa Senhora da Gloria <strong>in</strong> São Luís. Außerdem<br />

leitet er dort den <strong>Franziskaner</strong>konvent<br />

als Hausoberer und Hausökonom.<br />

Pater Fritz Zillner (rechts) ist am 4. April<br />

<strong>in</strong> Deutschland angekommen und kehrt am<br />

2. Juli nach Brasilien zurück. Er ist als Hausoberer<br />

und Seelsorger <strong>in</strong> Lago da Pedra tätig.


Editorial<br />

Liebe Leser<strong>in</strong>nen, liebe Leser,<br />

liebe Freunde der <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong>,<br />

aus vier mach e<strong>in</strong>s – so könnte man<br />

salopp die Vere<strong>in</strong>igung der vier deutschen<br />

<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>zen am 1. Juli<br />

umschreiben. Neben den 380 <strong>Franziskaner</strong>n<br />

<strong>in</strong> der neuen Deutschen Prov<strong>in</strong>z<br />

von der Heiligen Elisabeth gibt es<br />

noch 44 <strong>Mission</strong>are, die sich <strong>in</strong> neun<br />

Ländern auf vier Kont<strong>in</strong>enten engagieren.<br />

Auf der Mittelseite dieser Ausgabe<br />

fi nden Sie ihre Namen und die Orte,<br />

an denen sie den biblischen <strong>Mission</strong>sauftrag<br />

»<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!« erfüllen.<br />

Die <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> freut sich<br />

über die Horizonterweiterung, die mit<br />

der Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>hergeht. Hatte bisher<br />

jede der vier deutschen Prov<strong>in</strong>zen<br />

vor <strong>alle</strong>m die Armen <strong>in</strong> ihren jeweiligen<br />

<strong>Mission</strong>sgebieten im Blick, so kann <strong>in</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong>straße 1, 44143 Dortmund<br />

Telefon 02 31/17 63 37 5<br />

Fax 02 31/17 63 37 70<br />

<strong>in</strong>fo@franziskanermission.de<br />

www.<strong>Franziskaner</strong><strong>Mission</strong>.de<br />

Zukunft die gebündelte missionarische<br />

Kraft <strong>alle</strong> deutschen <strong>Franziskaner</strong> und<br />

ihre Freundeskreise bereichern.<br />

Gerne möchten wir Sie an dieser<br />

Bereicherung teilhaben lassen. Deshalb<br />

stellen wir Ihnen <strong>in</strong> dieser Ausgabe<br />

beispielhaft Leben und Arbeit von<br />

<strong>Mission</strong>aren <strong>in</strong> verschiedenen Ländern<br />

vor. Was sie <strong>alle</strong> untere<strong>in</strong>ander und<br />

mit uns verb<strong>in</strong>det, ist das missionarische<br />

Wesen unserer <strong>Welt</strong>kirche.<br />

Nach dem neuen Verständnis von<br />

<strong>Mission</strong> s<strong>in</strong>d wir Christen e<strong>in</strong>geladen,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en weltweiten Dialog zwischen<br />

Kulturen und Religionen e<strong>in</strong>zutreten.<br />

Das missionarische Engagement der<br />

deutschen <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Geschichte<br />

und Gegenwart kommt uns dabei sehr<br />

entgegen. Ehemalige E<strong>in</strong>bahnstraßen<br />

verwandeln sich so <strong>in</strong> e<strong>in</strong> lebendiges<br />

gegenseitiges Geben und Nehmen.<br />

Auch Deutschland war ursprünglich<br />

franziskanisches <strong>Mission</strong>sgebiet.<br />

Die ersten Brüder, die Franziskus<br />

dorth<strong>in</strong> ausgesandt hatte, scheiterten,<br />

weil sie die Sprache und Kultur<br />

jenseits der Alpen nicht verstanden.<br />

Aus dieser Erfahrung lernen wir, wie<br />

wichtig es ist, sich auf die Begegnung<br />

mit Menschen anderer Länder gut<br />

vorzubereiten. Nur so s<strong>in</strong>d Dialog und<br />

gegenseitiger solidarischer Respekt<br />

möglich.<br />

Spenden erbitten wir, unter Angabe des<br />

Verwendungszwecks, auf das Konto 5100,<br />

Volksbank Hellweg eG (BLZ 414 601 16) oder<br />

Konto 34, Sparkasse Werl (BLZ 414 517 50).<br />

Dieser Ausgabe liegt e<strong>in</strong>e Zahlkarte bei.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Durch die Nachwuchskrise <strong>in</strong> den<br />

Orden geht auch die Zahl der deutschen<br />

<strong>Mission</strong>are <strong>in</strong> anderen Ländern<br />

zurück. Aber dankbar und hoffnungsvoll<br />

blicken wir auf den jeweils e<strong>in</strong>heimischen<br />

Ordensnachwuchs. Ehemalige<br />

<strong>Mission</strong>sgebiete wurden und werden<br />

zu eigenständigen Ortskirchen. Und<br />

Deutschland? Wer missioniert heute<br />

eigentlich wen? E<strong>in</strong>e Antwort gibt der<br />

Franziskanische Freiwilligendienst.<br />

Immer mehr junge Menschen hierzulande<br />

bereiten sich auf e<strong>in</strong> längeres<br />

Mitleben <strong>in</strong> unseren Partnerprojekten<br />

vor. Mit der Freude am Glauben, die<br />

sie dort von den Armen lernen, beleben<br />

sie nach ihrer Rückkehr die Kirche <strong>in</strong><br />

Deutschland.<br />

Durch e<strong>in</strong>en Dialog auf Augenhöhe<br />

gew<strong>in</strong>nen christliche und franziskanische<br />

Werte e<strong>in</strong> neues Gesicht, das der<br />

afrikanisch geprägte Sonnengesang des<br />

heiligen Franziskus auf der Rückseite<br />

dieser Ausgabe zeigt. Diese Horizonterweiterung,<br />

die auch die jungen Freiwilligen<br />

<strong>in</strong> unseren Projekten erleben,<br />

wünsche ich der neuen Deutschen<br />

<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z und uns <strong>alle</strong>n.<br />

Ihr<br />

Br. August<strong>in</strong>us Diekmann ofm<br />

Leiter der <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

Titel: Deutsche <strong>Franziskaner</strong>missionare<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen Ländern tätig. Fotos<br />

v. l. n. r.: Die Taufe als E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das<br />

christliche Leben, die Eucharistie als<br />

dessen Zentrum und die franziskanische<br />

Präsenz unter den Armen.<br />

3


4<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

<strong>Mission</strong>arisch Kirche se<strong>in</strong><br />

Den Weg der Bekehrung gehen<br />

»<strong>Mission</strong>« ist gegenwärtig wieder <strong>in</strong> <strong>alle</strong>r<br />

Munde. Jede Firma, die etwas auf sich hält,<br />

formuliert ihr »<strong>Mission</strong> Statement«. Und<br />

auch im kirchlichen Bereich hat sich <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren e<strong>in</strong>iges getan. Erwähnt<br />

seien hier nur die Texte der Deutschen<br />

Bischofskonferenz: »›Zeit zur Aussaat‹.<br />

<strong>Mission</strong>arisch Kirche se<strong>in</strong>« (2000) und<br />

»Allen Völkern Se<strong>in</strong> Heil. Die <strong>Mission</strong> der<br />

<strong>Welt</strong>kirche« (2004) sowie die Gründung<br />

des Instituts für <strong>Welt</strong>kirche und <strong>Mission</strong><br />

im letzten Jahr <strong>in</strong> St. Georgen. Sowohl im<br />

säkularen wie im religiösen Kontext erfährt<br />

der Begriff »<strong>Mission</strong>« e<strong>in</strong>e Renaissance,<br />

wobei der Begriff meistens positiv besetzt<br />

ist. Trotz dieser sche<strong>in</strong>baren Blüte der Rede<br />

von <strong>Mission</strong> b<strong>in</strong> ich der Me<strong>in</strong>ung, dass e<strong>in</strong><br />

zeitgemäßer und zukunftsfähiger Begriff<br />

von »<strong>Mission</strong>« derzeit fehlt. Diesem Manko<br />

möchte ich durch me<strong>in</strong>e Analyse Abhilfe<br />

schaffen.<br />

<strong>Mission</strong> – neue Perspektiven<br />

Sowohl im säkularen als auch im<br />

religiösen Bereich wird der Begriff <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n verwendet, als ob »<strong>Mission</strong>«<br />

tatsächlich so etwas wie e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>bahnstraße wäre, so, als ob nur <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Richtung gesprochen würde; und<br />

dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sprache geredet wird,<br />

von der wie selbstverständlich angenommen<br />

wird, dass sie <strong>alle</strong>n verständlich<br />

ist. Oder etwas salopp gesagt: Auf<br />

der e<strong>in</strong>en Seite ist etwas, das auf die<br />

andere Seite muss. Die e<strong>in</strong>en haben<br />

etwas, was den anderen noch fehlt.<br />

Der andere wird von e<strong>in</strong>em Mangel<br />

her begriffen. Das Gegenüber wird als<br />

Mängelwesen erfasst. Ihr oder ihm<br />

fehlt <strong>in</strong> den Augen der Wirtschaft die<br />

richtige Marke – oder aus der Perspektive<br />

der Kirche die richtige Religion.<br />

Das heißt, die Art der Beziehung ist<br />

gekennzeichnet durch e<strong>in</strong> Ungleichgewicht,<br />

e<strong>in</strong> Wert-Gefälle, e<strong>in</strong> Oben<br />

und Unten, e<strong>in</strong>e Hierarchie <strong>in</strong> Form<br />

e<strong>in</strong>er heiligen Ordnung. »<strong>Mission</strong>ieren«<br />

oder »missionierend se<strong>in</strong>« <strong>in</strong><br />

diesem S<strong>in</strong>ne stellt e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>seitigen<br />

Kommunikationsakt dar, e<strong>in</strong>en Monolog,<br />

der versucht, den anderen zunächst<br />

von se<strong>in</strong>em Mangel zu überzeugen und<br />

anschließend e<strong>in</strong>e Veränderung dieses<br />

Mangelzustands herbeizuführen.<br />

Demgegenüber verstehe ich »missionarisch<br />

se<strong>in</strong>« als ganzheitliche Haltung,<br />

die nicht bei dem Mangel des anderen<br />

ansetzt, sondern an dessen Gleichwertigkeit.<br />

Der andere ist Ebenbild Gottes,<br />

genau wie ich. Mit dieser E<strong>in</strong>stellung<br />

begegne ich dem anderen auf Augenhöhe<br />

und kann ihn so trotz se<strong>in</strong>er<br />

Andersheit schätzen. Diese Haltung<br />

ermöglicht die Fähigkeit, Differenz nicht<br />

aufheben zu wollen, sondern Pluralität<br />

als Realität anzuerkennen und auszuhalten.<br />

Wo b<strong>in</strong> ich wer für wen?<br />

Es gibt unzählige Beziehungen, denen<br />

ich nicht ausweichen kann und ohne<br />

die ich me<strong>in</strong>e eigene Identität nicht<br />

ausbilden kann. Die Frage lautet nicht<br />

länger: »Wer b<strong>in</strong> ich?«, sondern »Wo b<strong>in</strong><br />

ich wer für wen?«. Ich b<strong>in</strong> Vater nicht<br />

ohne me<strong>in</strong>e Tochter. Dieses notwendige<br />

»Mit-anderen-<strong>in</strong>-Beziehung-stehen« fasse<br />

ich unter den Begriff der »Verortung«.<br />

Gefordert ist e<strong>in</strong>e gesamtheitliche<br />

Haltung des Subjekts <strong>in</strong> Bezug auf<br />

den anderen. Der andere als e<strong>in</strong> mir<br />

zunächst fremder »Ort« gew<strong>in</strong>nt für<br />

me<strong>in</strong>e Identitätsbildung konstitutive<br />

Bedeutung.<br />

<strong>Mission</strong>arisch se<strong>in</strong><br />

<strong>Mission</strong>arisch se<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Methode oder e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

methodische Haltung. Sie<br />

bedeutet zu<strong>alle</strong>rerst e<strong>in</strong>e Bekehrung des<br />

eigenen Selbsts. Ohne vielfältige Beziehungen<br />

zu anderen Menschen kann<br />

ich auch me<strong>in</strong>e religiöse Identität nicht<br />

gew<strong>in</strong>nen. <strong>Mission</strong>arisch se<strong>in</strong> heißt, den<br />

Weg der eigenen Bekehrung zu gehen,<br />

sich vom anderen etwas sagen lassen,<br />

von ihm her identifi zierbar, das heißt an<br />

ihm neu sprachfähig zu werden. Dies<br />

gilt für den e<strong>in</strong>zelnen als Kirche wie für<br />

die Kirche als Volk Gottes <strong>in</strong>sgesamt.


<strong>Mission</strong>sverständnis des Konzils<br />

Das Zweite Vatikanische Konzil hat<br />

mit se<strong>in</strong>en zwei Kirchenkonstitutionen<br />

Lumen gentium und Gaudium<br />

et spes zum e<strong>in</strong>en Kirche als pr<strong>in</strong>zipiell<br />

polare Größe verortet: Kirche<br />

ist Kirche <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong> von heute.<br />

Zum anderen begreift das Konzil<br />

»Kirche« als personale Größe, als<br />

Geme<strong>in</strong>schaft des Volkes Gottes, als<br />

geistliche Geme<strong>in</strong>schaft und weltliche<br />

Versammlung, zu der <strong>alle</strong> Menschen<br />

berufen s<strong>in</strong>d – jenseits e<strong>in</strong>er Bestimmung<br />

re<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutioneller Art. Diese<br />

Neuausrichtung bedeutet: Kirche <strong>in</strong><br />

ihrer Kirchlichkeit, als Leib Christi,<br />

bedarf der Verortung <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong> von<br />

heute. In diesem präzisen S<strong>in</strong>n gibt es<br />

Kirche nicht, ohne Kirche <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong><br />

von heute zu se<strong>in</strong>. Dieses Pr<strong>in</strong>zip<br />

möchte ich anhand der Frage »Wer<br />

sendet wen warum woh<strong>in</strong>?« weiter<br />

verdeutlichen.<br />

Wer sendet?<br />

Wer sendet? Wir kennen den<br />

<strong>Mission</strong>sauftrag Jesu, mit dem das<br />

Matthäus-Evangelium endet: »<strong>Geht</strong><br />

zu <strong>alle</strong>n Völkern und macht sie zu<br />

me<strong>in</strong>en Jüngern!« (Mt 28,19). Es ist<br />

der Auferstandene, der dort spricht<br />

und gleich anschließend die Zusage<br />

gibt: »Seid gewiss: Ich b<strong>in</strong> bei euch<br />

<strong>alle</strong> Tage bis zum Ende der <strong>Welt</strong>.«<br />

(Mt 28,20). Dieser Auferstandene sendet.<br />

Und genau dieser Auferstandene<br />

ist es auch, der <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong>gerichtsszene<br />

als der Menschensohn kommt<br />

und darüber befi ndet, was letztlich<br />

zählt, nämlich: den Hungernden zu<br />

essen und den Durstigen zu tr<strong>in</strong>ken<br />

zu geben, die Fremden und Obdachlosen<br />

aufzunehmen, die Kranken und<br />

die Gefangenen zu besuchen und die<br />

Armen zu bekleiden (Mt 25, 31-46).<br />

Wen sendet Jesus?<br />

Jesus sendet »se<strong>in</strong>e Jünger«, bzw.<br />

all diejenigen, die als se<strong>in</strong>e Jünger<br />

bezeichnet werden. Doch wer ist e<strong>in</strong><br />

Jünger oder e<strong>in</strong>e Jünger<strong>in</strong>, wodurch<br />

zeichnet sich Jüngerse<strong>in</strong> aus, wie<br />

wird man e<strong>in</strong>e Jünger<strong>in</strong> oder e<strong>in</strong><br />

Jünger Jesu? Jesus selbst gibt die Antwort:<br />

Auf die Fragen »Wann haben<br />

wir dich nackt gesehen, besucht,<br />

getröstet etc.« sagt er: »Was ihr e<strong>in</strong>en<br />

me<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gsten Brüder getan habt,<br />

das habt ihr mir getan.« (Mt 25, 40).<br />

Jünger ist, wer <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne, das<br />

heißt »missionarisch« handelt. Wer<br />

so handelt, der steht <strong>in</strong> der Nachfolge<br />

Jesu und wird zu e<strong>in</strong>em zweiten<br />

Christus. Die Tat br<strong>in</strong>gt den neuen<br />

Menschen hervor, der beim Gericht<br />

als Gerechter anerkannt werden wird.<br />

Die H<strong>in</strong>wendung zum Nächsten ist<br />

die eschatologisch relevante Größe,<br />

das was letztlich zählt, das, worauf<br />

es ankommt.<br />

Als Hörer sprachlos werden<br />

Der Auferstandene selbst, der bis ans<br />

Ende der <strong>Welt</strong> bei uns ist, er zeigt sich<br />

als der andere, der Arme, der Fremde.<br />

Dieser Christus ist es, den ich den<br />

unbekannten Christus nenne. Dieser<br />

Christus ist gerade dort, wo man ihn<br />

gar nicht vermutet, hier und jetzt; bis<br />

zum Ende der <strong>Welt</strong> ist er gegenwärtig<br />

im Armen, im Hungernden, im Gefangenen,<br />

im Aids-Kranken, im Homosexuellen.<br />

Man muss sich zu diesem<br />

»Ort«, an dem man ihm begegnen<br />

kann, auf den Weg machen. Der<br />

Gesendete muss also zunächst se<strong>in</strong>en<br />

bisherigen »Ort« verlassen, das heißt,<br />

er muss se<strong>in</strong>e als Sicherheit gebenden<br />

Verhältnisse, se<strong>in</strong>e Denk- und Handlungsgewohnheiten<br />

verlassen. Mit<br />

anderen Worten: Der Gesendete muss<br />

sprachlos und zum Hörer werden. Er<br />

muss bereit werden, sich etwas sagen<br />

zu lassen.<br />

Ziel von <strong>Mission</strong>:<br />

Heil des ganzen Menschen<br />

Mittelpunkt des missionarischen<br />

Wirkens ist, wie das Zweite Vatikanische<br />

Konzil <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Pastoralkonstitution<br />

Gaudium et spes festhält,<br />

»der e<strong>in</strong>e und ganze Mensch, mit<br />

Leib und Seele, Herz und Gewissen,<br />

Vernunft und Willen.« (Gaudium et<br />

spes, Art. 3) Es geht also nicht mehr<br />

bloß um das Heil der Seele, sondern<br />

um das Heil des ganzen Menschen,<br />

um se<strong>in</strong>e ganzheitliche Befreiung.<br />

Daher ist es notwendig, sich auch<br />

am Aufbau e<strong>in</strong>er Gesellschaft zu<br />

beteiligen, die ihren Mitgliedern e<strong>in</strong><br />

Leben <strong>in</strong> Gerechtigkeit und Frieden<br />

ermöglicht. Um diesen Dienst leisten<br />

zu können, spricht das Konzil von der<br />

Notwendig keit des Dialogs mit der<br />

<strong>Welt</strong>. Die Dokumente zur Religions-<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

freiheit und zu den nichtchristlichen<br />

Religionen s<strong>in</strong>d daher nicht negativ,<br />

abgrenzend formuliert, sondern positiv<br />

und dialogisch. Kirche br<strong>in</strong>gt sich nicht<br />

länger nur als exklusive Größe, als<br />

»Religionsgeme<strong>in</strong>schaft« auf den Begriff,<br />

sie bestimmt sich also nicht länger nur<br />

von sich selbst her. Wo e<strong>in</strong> Dienst für<br />

die <strong>Welt</strong> und <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong> geleistet wird,<br />

da muss Kirche präsent se<strong>in</strong>. Während<br />

des Zweiten Vatikanischen Konzils<br />

formuliert die Kirche im Dekret über die<br />

<strong>Mission</strong>stätigkeit der Kirche ihr neues<br />

Selbst- und <strong>Mission</strong>sverständnis. Sie leitet<br />

ihr Wesen von ihrer Sendung her ab<br />

und spricht von sich als der pilgernden<br />

Kirche, die ihrer Natur nach missionarisch,<br />

das heißt als Gesandte unterwegs<br />

ist (Ad Gentes Art. 2).<br />

Die Kirche selbst versteht sich<br />

also als Gesandte. Aber woh<strong>in</strong>? Aus<br />

»<strong>Mission</strong>« wird gewissermaßen<br />

» <strong>Mission</strong> und …« Die Leerstelle<br />

verkörpert den mir fremden »Ort«,<br />

den anderen. Ohne diese Leerstelle<br />

geht nun nichts mehr. Der Weg zum<br />

anderen, er bedeutet e<strong>in</strong>en Weg der<br />

Bekehrung zu gehen – es ist der Weg<br />

von der missionierenden Kirche weg<br />

zum missionarisch se<strong>in</strong> der Kirche. Nur<br />

wer diesen Weg e<strong>in</strong>schlägt, ist zu e<strong>in</strong>em<br />

Dialog der Religionen wirklich fähig.<br />

Soll Kirche vor Ort überhaupt entstehen<br />

können, bedarf es jener Haltung.<br />

Kirche ist missionarisch, oder sie ist<br />

nicht Kirche.<br />

Dr. Jürgen Lohmayer<br />

Dr. Lohmayer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Lehrstuhl für <strong>Mission</strong>swissenschaft <strong>in</strong><br />

Würzburg.<br />

5


6<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

90 todesmutige Brüder<br />

meldeten sich<br />

Wie die ersten <strong>Franziskaner</strong> nach Deutschland kamen<br />

Franziskanische ITINERANZ = unterwegs zu den Menschen<br />

Heute senden die deutschen <strong>Franziskaner</strong><br />

Brüder und Freiwillige nach Late<strong>in</strong>amerika,<br />

Afrika und Asien. Doch wie kamen eigentlich<br />

die <strong>Franziskaner</strong> nach Deutschland?<br />

Gespräch mit Bruder Jordan von Giano,<br />

der damals dabei war.<br />

Lieber Bruder Jordan, wie kommt<br />

es, dass Sie 1221 als Italiener zu<br />

den ersten <strong>Franziskaner</strong>n gehörten,<br />

die nach Deutschland kamen?<br />

Bruder Jordan: Wir waren gar nicht die<br />

Ersten!<br />

Ne<strong>in</strong>?<br />

Bruder Jordan: Zwei Jahre vor unserer<br />

<strong>Mission</strong>, im Jahr 1219, war schon mal<br />

e<strong>in</strong>e Gruppe von etwa 60 Brüdern <strong>in</strong><br />

Deutschland. Aber sie s<strong>in</strong>d unverrichteter<br />

D<strong>in</strong>ge zurückgekommen.<br />

Warum?<br />

Bruder Jordan: Sie waren schlecht<br />

vorbereitet. Als sie, unkundig der<br />

deutschen Sprache, deutsches Gebiet<br />

betraten und gefragt wurden, ob sie<br />

Unterkunft oder Essen oder sonst etwas<br />

wünschten, antworteten sie mit »Ja«;<br />

und so wurden sie von e<strong>in</strong>igen freundlich<br />

aufgenommen. Da sie merkten,<br />

dass man sie wegen dieses Wortes »Ja«<br />

freundlich behandelte, nahmen sie sich<br />

fest vor, auf <strong>alle</strong> Fragen mit »Ja« zu antworten.<br />

Daher geschah es, dass sie auf<br />

die Frage, ob sie etwa Häretiker seien<br />

auch mit »Ja« geantwortet haben. Können<br />

Sie sich vorstellen, was geschah?<br />

Oh, ja!<br />

Bruder Jordan: E<strong>in</strong>ige wurden geschlagen,<br />

e<strong>in</strong>ige e<strong>in</strong>gekerkert, andere entkleidet<br />

und nackt vor den Stadtrichter<br />

geführt und dienten den Leuten zum<br />

kurzweiligen Schauspiel. Wegen dieses<br />

Vorgangs hielten die Brüder Deutschland<br />

für so grausam, dass sich nur solche<br />

dorth<strong>in</strong> zurückzugehen wagten, die von<br />

der Begierde nach dem Martyrium beseelt<br />

waren.<br />

Das Projekt Deutschlandmission war<br />

damit auf Eis gelegt.<br />

Bruder Jordan: So ist es. Beim Generalkapitel<br />

zwei Jahre später wurde e<strong>in</strong> neuer<br />

Versuch gestartet.<br />

Mit sprachkundigen Brüdern?<br />

Bruder Jordan: Ja. Bruder Franziskus<br />

lernte auf se<strong>in</strong>er Nahostreise den deutschen<br />

Bruder Caesar von Speyer kennen,<br />

den Bruder Elias <strong>in</strong> Syrien <strong>in</strong> den Orden<br />

aufgenommen hatte. Caesar kam mit nach<br />

Assisi und wurde später der <strong>Mission</strong>sleiter


und erste Prov<strong>in</strong>zialm<strong>in</strong>ister der deutschen<br />

Prov<strong>in</strong>z. Franziskus berief gleich nach<br />

se<strong>in</strong>er Rückkehr zu Pfi ngsten 1221 e<strong>in</strong><br />

Generalkapitel e<strong>in</strong>.<br />

Das war damals e<strong>in</strong>e Art Kirchentag.<br />

Bruder Jordan (lacht): Ja. Alle Brüder und<br />

auch die Novizen waren e<strong>in</strong>geladen, an den<br />

wichtigen Entscheidungen für den Orden<br />

mitzuwirken. E<strong>in</strong> großes Treffen mit über<br />

3.000 Brüdern bei der Portiunkula unterhalb<br />

von Assisi. Großartige Stimmung!<br />

Und das <strong>alle</strong>s nur, um Brüder nach<br />

Deutschland zu schicken?<br />

Bruder Jordan: Ne<strong>in</strong>. Erst als das Kapitel<br />

schon geschlossen werden sollte, fi el<br />

es dem seligen Franziskus e<strong>in</strong>, dass der<br />

Orden noch nicht <strong>in</strong> Deutschland Boden<br />

gefasst habe.<br />

Aber Deutschland galt doch als<br />

grausam, wie Sie eben sagten.<br />

Bruder Jordan: Ja, aber Franziskus hatte<br />

<strong>in</strong>zwischen auch Deutsche getroffen. Er<br />

ließ Bruder Elias sagen, dass »Deutschland<br />

e<strong>in</strong>e Gegend sei, wo fromme Christenmenschen<br />

leben.«<br />

Überzeugte das die Brüder?<br />

Bruder Jordan: Ja und ne<strong>in</strong>. Franziskus<br />

wusste ja von den Misshandlungen, und<br />

darum sollte ke<strong>in</strong> Bruder gezwungen<br />

werden, nach Deutschland zu gehen.<br />

Wie viele haben sich denn dann<br />

freiwillig gemeldet?<br />

Bruder Jordan: Na, immerh<strong>in</strong> etwa neunzig<br />

Brüder traten todesmutig beiseite und warteten<br />

auf die Entscheidung, welche und<br />

wie viele, wie und wann sie auf brechen<br />

sollten.<br />

Bewarben Sie sich auch für diesen<br />

Freiwilligendienst?<br />

Bruder Jordan: Ne<strong>in</strong>! Ich wollte auf ke<strong>in</strong>en<br />

Fall nach Deutschland.<br />

Sie s<strong>in</strong>d aber hierhergekommen!<br />

Bruder Jordan: Ja. E<strong>in</strong>e merkwürdige<br />

Geschichte. Ich war der Ansicht, die Brüder<br />

würden von den Deutschen gemartert<br />

werden und wollte sie unbed<strong>in</strong>gt vorher<br />

kennenlernen. Ich dachte, es sei e<strong>in</strong>e<br />

große Ehre, im F<strong>alle</strong> sie würden Märtyrer<br />

werden, sagen zu können: »Den hab ich<br />

gekannt und jenen hab ich auch gekannt.«<br />

Aber als ich <strong>in</strong> der Gruppe e<strong>in</strong>en Bruder<br />

Namens Palmerius traf ergriff er mich an<br />

Bruderschaft <strong>in</strong> <strong>Mission</strong><br />

der Hand und fügte h<strong>in</strong>zu: »Du selbst<br />

gehörst auch zu uns und wirst mit uns<br />

gehen«. Das passierte mir, der ich schon<br />

vor dem Namen der Deutschen Grauen<br />

empfand.<br />

Dank Ihrer Gruppe gibt es seit<br />

fast 800 Jahren <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland!<br />

Bruder Jordan: Ja, das freut mich sehr<br />

und dafür ist nicht uns, sondern Gott<br />

zu danken.<br />

Wie g<strong>in</strong>g es denn dann weiter?<br />

Bruder Jordan: Wir waren am Ende im<br />

ganzen zwölf Kleriker und 15 Laien.<br />

E<strong>in</strong>ige Deutsche waren unter uns – ich<br />

er<strong>in</strong>nere mich nicht an <strong>alle</strong> Namen:<br />

Bruder Barnabas, Bruder Konrad oder<br />

Bruder Benedikt aus Soest – und natürlich<br />

unser Prov<strong>in</strong>zialm<strong>in</strong>ister und <strong>Mission</strong>sleiter<br />

Bruder Caesar. Sprachlich waren<br />

wir also bestens gerüstet. Drei Monate<br />

nach dem Kapitel brachen wir <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />

Gruppen auf und kamen unter großen<br />

Mühen über Trient, Bozen, Brixen zu<br />

unserer ersten Station <strong>in</strong> Deutschland,<br />

nach Augsburg ...<br />

… und trafen dort erstmalig auf die<br />

grausamen Deutschen.<br />

Bruder Jordan (lacht): Sehr grausam. Der<br />

Bischof von Augsburg war von so großer<br />

Zuneigung zu uns Brüdern ergriffen, dass<br />

er jeden von uns mit e<strong>in</strong>em Friedensgruß<br />

empfi ng und mit e<strong>in</strong>em Kuss auch<br />

entließ. Der Domherr aber empfi ng<br />

uns mit solchem Wohlwollen, dass er<br />

se<strong>in</strong> Amtsgebäude verließ und uns dort<br />

unterbrachte. Übrigens wurden wir auch<br />

vom Klerus und vom Volk freundlich<br />

aufgenommen und ehrerbietig gegrüßt.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

In Augsburg fand dann auch das<br />

erste deutsche Prov<strong>in</strong>zkapitel statt?<br />

Bruder Jordan: Ja, am 16. Oktober 1221<br />

mit 30 Brüdern. Da wurden die ersten<br />

Weichen für die schnelle Ausbreitung<br />

des Ordens <strong>in</strong> Deutschland gestellt …<br />

… was e<strong>in</strong>e lange Geschichte ist,<br />

die an anderer Stelle erzählt werden<br />

soll. Sie haben ja darüber e<strong>in</strong> Buch<br />

geschrieben, dass <strong>alle</strong>n Leser<strong>in</strong>nen<br />

und Lesern der <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />

empfohlen werden kann. Danke,<br />

lieber Bruder Jordan, für dieses<br />

Gespräch.<br />

Bruder Jordan: Immer gerne.<br />

Das »Interview« führte unser Redaktionsmitglied<br />

Thomas M. Schimmel. Die kursiv<br />

gesetzten Passagen s<strong>in</strong>d Orig<strong>in</strong>alzitate aus<br />

»Die Chronik des Bruders Jordan von Giano«<br />

<strong>in</strong> Hardick, Lothar (Hg.): Nach Deutschland<br />

und England – Die Chroniken der M<strong>in</strong>derbrüder<br />

Jordan von Giano und Thomas von<br />

Eccleston (Franzis kanische Quellenschriften<br />

Band 6), Werl 1957<br />

Neue Gesamtausgabe der Franziskanischen<br />

Quellenschriften, Butzon & Bercker 2010.<br />

7


8<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

Gegen den <strong>Welt</strong>untergang<br />

Die Kirche muss präsent se<strong>in</strong><br />

Seit gut 100 Jahren engagieren sich<br />

bayerische <strong>Mission</strong>are <strong>in</strong> Bolivien. Mit<br />

der Verkündigung des Evangeliums<br />

verb<strong>in</strong>den sie ihren E<strong>in</strong>satz zur Verbesserung<br />

der Lebensbed<strong>in</strong>gungen der<br />

Menschen. Wie dies konkret aussieht,<br />

wird <strong>in</strong> folgendem Interview von Pater<br />

Leopold Scheifele mit Pfarrer Robert<br />

Hof deutlich, der seit 2007 <strong>in</strong> Bolivien<br />

wirkt.<br />

Robert, Du hast als Priester der Erzdiözese<br />

München und Freis<strong>in</strong>g e<strong>in</strong><br />

bewegtes Leben h<strong>in</strong>ter Dir. Drei Jahre<br />

als Kaplan <strong>in</strong> den schönen Bergen von<br />

Garmisch, fünf Jahre als Jugendpfarrer<br />

im Landkreis Fürstenfeldbruck und<br />

geistlicher Leiter der Katholischen<br />

Jungen Geme<strong>in</strong>de KJG – wie kamst<br />

Du von <strong>alle</strong>dem auf Bolivien?<br />

Pfarrer Robert Hof: Schon <strong>in</strong> der Pfarrjugend<br />

<strong>in</strong> Dachau, me<strong>in</strong>er Heimat, haben wir<br />

immer für Bolivien gesammelt. Da gab’s<br />

Aktionen wie »Rumpelkammer« und<br />

Robert Hof tauft e<strong>in</strong> bolivianisches K<strong>in</strong>d.<br />

» M<strong>in</strong>ibrot«, und der Erlös dieser<br />

Aktionen war oft für Projekte <strong>in</strong> Bolivien<br />

bestimmt. Gelegentlich hat uns auch e<strong>in</strong><br />

<strong>Mission</strong>ar aus Bolivien <strong>in</strong> der Jugendstelle<br />

besucht. Da hat es mich total fasz<strong>in</strong>iert,<br />

diese Berichte zu hören, die Bilder zu<br />

sehen; ich habe mich dann weiter mit<br />

dem Land beschäftigt.<br />

Die Möglichkeit, das Land und se<strong>in</strong>e<br />

Leute persönlich kennenzulernen, ergab<br />

sich dann während me<strong>in</strong>es Studiums,<br />

und zwar im Rahmen des Freijahres nach<br />

dem Vordiplom. So kam ich 1991/92<br />

nach Cochabamba, <strong>in</strong>s Hochland von<br />

Bolivien, wo ich zunächst im Sem<strong>in</strong>ar<br />

der Steyler <strong>Mission</strong>are gewohnt habe.<br />

Dann aber wollte ich mehr das Leben<br />

der Bolivianer teilen und b<strong>in</strong> an den<br />

Stadtrand gezogen. Dort habe ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Lehmziegelhütte gelebt, mit Wellblechdach,<br />

ohne fl ießendes Wasser. Es gab nur<br />

<strong>alle</strong> vier Tage frisches Wasser, aus e<strong>in</strong>em<br />

öffentlichen Wasserhahn. Mit Kanistern,<br />

mit Eimern, mit Kochtöpfen haben wir<br />

es aufgefangen, um unsere Regentonne<br />

damit zu füllen. Die Toilette war auf der<br />

anderen Straßenseite, mehr oder m<strong>in</strong>der<br />

<strong>in</strong> der Öffentlichkeit.<br />

Das Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Basisgeme<strong>in</strong>de<br />

hat mich sehr geprägt: Tagsüber zu studieren<br />

und die Nachmittage und Abende<br />

zusammen mit den Leuten dort <strong>in</strong> den<br />

»Favelas« zu verbr<strong>in</strong>gen! Ich habe heute<br />

noch Kontakt zu me<strong>in</strong>er Gastfamilie.<br />

Das war e<strong>in</strong>e richtige bolivianische Großfamilie,<br />

die mich beherbergt hat. Zum<br />

Schluss haben sie mich wie e<strong>in</strong> Familienmitglied<br />

behandelt; das hat geprägt.<br />

Und jetzt bist Du schon seit drei Jahren<br />

fest <strong>in</strong> unserer Bolivienmission<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, bei Bischof Antonio<br />

Reimann <strong>in</strong> Concepción. Wie bist du<br />

an diesen E<strong>in</strong>satz gekommen? Bei<br />

dem Priester mangel <strong>in</strong> Deutschland<br />

dürfte das nicht leicht se<strong>in</strong>.<br />

Pfarrer Robert Hof: Ja, Du hast Recht,<br />

es ist nicht mehr so leicht. Glücklicherweise<br />

habe ich Fürsprecher im Bistum<br />

gefunden. Entscheidend war dann die<br />

Zustimmung von Erzbischof Re<strong>in</strong>hard<br />

Marx, der damals gerade von Trier nach<br />

München kam. Zwischen dem Bistum<br />

Trier und Bolivien besteht e<strong>in</strong>e Partnerschaft,<br />

und Bischof Marx war selbst schon<br />

e<strong>in</strong>ige Male <strong>in</strong> Bolivien gewesen. Er hat<br />

mich schließlich zum Gespräch e<strong>in</strong>geladen<br />

und am Ende dieses Gesprächs<br />

erteilte er mir die Freistellung für fünf<br />

Jahre. Ich war überglücklich.<br />

Mittlerweile bist Du schon drei Jahre<br />

<strong>in</strong> Bolivien. Was hast Du <strong>in</strong> dieser<br />

Zeit erlebt? Wie konntest Du schon<br />

missionarisch wirken?<br />

Pfarrer Robert Hof: Die ersten drei<br />

Monate war ich <strong>in</strong> San Julián, um<br />

mich e<strong>in</strong> bisschen e<strong>in</strong>zuleben – an der<br />

Seite me<strong>in</strong>es Landsmanns Pfarrer Josef<br />

Schicker. Dann hat mich Bischof Antonio<br />

Reimann nach Concepción geholt.<br />

Concepción hat als ehemalige Jesuitenreduktion<br />

e<strong>in</strong>e ganz eigene Geschichte.<br />

Nach den großen Restaurierungsarbeiten<br />

unter Bischof Antonio Eduardo Bösl<br />

wurde die Kathedrale von Concepción


Projekt »Häuser ...<br />

... statt Hütten«<br />

zusammen mit vier weiteren Jesuitenkirchen<br />

zum <strong>Welt</strong>kulturerbe der Menschheit<br />

erklärt. Damit konnte ich zunächst<br />

nichts anfangen, ich wollte doch zu den<br />

e<strong>in</strong>fachsten und zu den ärmsten Leuten<br />

gehen! Nun aber freue ich mich doch über<br />

den kulturellen Reichtum von Architektur,<br />

Kunst und Musik, über das Archiv und<br />

das Orchester. All das fördert das Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

der Chiquitanos (Anmerkung<br />

der Redaktion: <strong>in</strong>digene Volksgruppe),<br />

was außerordentlich wichtig ist für e<strong>in</strong>e<br />

gute wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />

Entwicklung.<br />

Und wie sieht es auf der anderen<br />

Seite aus – bei den Armen?<br />

Pfarrer Robert Hof: An den Rändern der<br />

Stadt, abseits des touristischen Zentrums,<br />

befi nden sich die Armenviertel. Dort leben<br />

die Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fachen Bretterverschlägen,<br />

mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen Strohdach<br />

darüber. Da gibt es ganz, ganz e<strong>in</strong>fache<br />

Leute, und da muss die Kirche präsent se<strong>in</strong><br />

und auch e<strong>in</strong> soziales Handeln an den Tag<br />

legen! Wir können den Menschen nicht<br />

die Liebe Gottes verkünden, wenn wir<br />

sie gleichzeitig <strong>in</strong> menschenunwürdigen<br />

Zuständen leben lassen. Die Kirche muss<br />

beides tun: das Evangelium verkünden<br />

und soziale Werke schaffen.<br />

Die Menschen brauchen also erst<br />

e<strong>in</strong>mal menschenwürdige Wohnbed<strong>in</strong>gungen?<br />

Pfarrer Robert Hof: Ja. Genau darum<br />

geht es <strong>in</strong> unserem Projekt »Häuser statt<br />

Hütten«! Die Stroh- oder Palmdächer, der<br />

gestampfte Erdboden – das <strong>alle</strong>s br<strong>in</strong>gt<br />

große Gefährdungen der Gesundheit mit<br />

sich. In diesen Dächern, auch im Boden,<br />

hausen Insekten, die Krankheiten übertragen;<br />

da gibt es Insekten, die unter die<br />

Haut kriechen und sich dort e<strong>in</strong>nisten,<br />

die sogar die <strong>in</strong>neren Organe angreifen.<br />

Davor sollen die Menschen geschützt<br />

werden.<br />

Mit dem Projekt »Häuser statt<br />

Hütten« wollen wir den Leuten aber<br />

auf ke<strong>in</strong>en Fall etwas Fertiges h<strong>in</strong>stellen,<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Almosens. Die aktive<br />

Mitarbeit und der echte Wille e<strong>in</strong>er<br />

Familie s<strong>in</strong>d wichtige Voraussetzungen.<br />

Die Leute müssen den ernsten Willen<br />

zur Mitarbeit haben, selbst Lehmziegel<br />

formen, selbst Holz suchen für die Balken<br />

– gegebenenfalls unter Anleitung e<strong>in</strong>es<br />

Maurers, den die Pfarrei unterhält. Wenn<br />

sie mithilfe der Pfarrei schöne Dachziegel<br />

bekommen, Fenster, Zement, dann kann<br />

man dort sehr schöne e<strong>in</strong>fache Häuser<br />

bauen, <strong>in</strong> denen die Menschen unter<br />

hygienisch-vernünftigen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

leben können. Die Häuschen s<strong>in</strong>d durch<br />

und durch im Stile der Chiquitano-<br />

Kultur gebaut, dazu gehören die weiten<br />

Vor dächer, die vor Sonne und Regen<br />

schützen und sich harmonisch <strong>in</strong> die<br />

Landschaft e<strong>in</strong>fügen.<br />

Du hast e<strong>in</strong>mal gesagt: »Erst<br />

kommen die Häuser, dann kommt<br />

die Kirche.« – Die E<strong>in</strong>weihung der<br />

neuen Kirche ist der krönende<br />

Abschluss für e<strong>in</strong>e neue Siedlung.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gibt es vor dem Kirchbau<br />

bereits Versammlungsräume.<br />

Können diese auch als Gottesdiensträume<br />

dienen?<br />

Pfarrer Robert Hof: Auf jeden Fall! E<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>faches Pfarrzentrum sieht so aus: Es<br />

ist e<strong>in</strong> fest gemauertes, verschließbares<br />

Haus mit e<strong>in</strong>em ordentlichen Dach<br />

darüber. Dar<strong>in</strong> befi ndet sich e<strong>in</strong>e Tafel<br />

für Bildungsmaßnahmen, dar<strong>in</strong> wird<br />

Gottesdienst gefeiert, da treffen sich die<br />

Frauen, es ist also e<strong>in</strong> Vielzweckraum<br />

<strong>in</strong> <strong>alle</strong>r E<strong>in</strong>fachheit.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Als zweiten Projektschwerpunkt<br />

hast Du soeben den Bereich der<br />

Bildung genannt. Kannst Du die<br />

Situation etwas genauer schildern?<br />

Pfarrer Robert Hof: Generell muss ich<br />

sagen, Bolivien ist so e<strong>in</strong> junges Volk<br />

und dieses junge Volk braucht Bildung,<br />

und zwar qualitätsvolle Bildung. Es<br />

fehlen Lehrer, es fehlen Ausbilder, es<br />

fehlen Fachleute. Es geht darum, diesem<br />

jungen Volk zur Selbstständigkeit zu<br />

verhelfen, <strong>in</strong>dem es e<strong>in</strong>e gute Bildung<br />

genießen darf und dann auch selbst gute<br />

Lehrer und Ausbilder hervorbr<strong>in</strong>gt. Vor<br />

<strong>alle</strong>m gilt es, <strong>in</strong> Bildung zu <strong>in</strong>vestieren.<br />

Das gilt auch für unsere Pfarreien.<br />

Auch unsere Katechisten müssen<br />

ausgebildet werden. Wenn wir nicht<br />

<strong>in</strong> gutem Kontakt mit den Katechisten<br />

s<strong>in</strong>d, wenn wir sie nicht wenigstens<br />

zweimal im Jahr mit gut vorbereiteten<br />

Kursen ausbilden, dann können sie nicht<br />

die Stellung halten auf den Dörfern<br />

draußen. Dann greifen Hunderte von<br />

Sekten an und verwirren die Leute. Die<br />

Sekten hier predigen den <strong>Welt</strong>untergang.<br />

Das nehmen unsere Leute an, und<br />

dann geht auch <strong>in</strong> den Projekten nichts<br />

mehr voran. Deshalb brauchen unsere<br />

Katechisten sehr gute Kurse.<br />

Mit anderen Worten: Ihr verkündet<br />

mit Euren Projekten den <strong>Welt</strong>aufgang<br />

im Gegenzug zum von den<br />

Sekten verkündeten <strong>Welt</strong>untergang?<br />

Pfarrer Robert Hof: Ja, das kann man<br />

wohl sagen! Dar<strong>in</strong> unterscheidet sich die<br />

Arbeit der katholischen Kirche ganz fundamental<br />

von den vielen evangeli kalen<br />

Sekten hier! Die stimmen die Leute<br />

immer auf das nahe Ende, den <strong>Welt</strong>untergang,<br />

e<strong>in</strong> und lähmen sie dadurch.<br />

Sicher, jeder Christ muss so leben, als<br />

ob heute se<strong>in</strong> letzter Tag sei. Für die<br />

Sekten heißt das: Wir brauchen nichts<br />

mehr tun, es löst sich eh <strong>alle</strong>s durch<br />

das nahe Ende der <strong>Welt</strong>. Für uns heißt<br />

das: Anpacken bis zuletzt, damit sich<br />

die Lebensbed<strong>in</strong>gungen der Menschen<br />

verbessern, sodass sie menschenwürdig<br />

leben können – e<strong>in</strong>fach, aber <strong>in</strong> Würde.<br />

Lieber Robert, ich danke Dir ganz<br />

herzlich für dieses Gespräch.<br />

Pfarrer Robert Hof<br />

Robert Hof ist seit 2007 <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong> Santa<br />

Cruz, Bolivien. Für fünf Jahre ist er als Pfarrer <strong>in</strong><br />

Concepción zusammen mit den <strong>Franziskaner</strong>n<br />

im E<strong>in</strong>satz.<br />

9


10<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

DDR <strong>in</strong> der Karibik<br />

Drei Jahre als <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong> Kuba<br />

»Wir würden gern das Kuba kennenlernen,<br />

das es wohl so <strong>in</strong> e<strong>in</strong> paar Jahren nicht<br />

mehr geben wird.« So schrieb mir Anfang<br />

des Jahres e<strong>in</strong> befreundetes Ehepaar aus<br />

Deutschland, das sich <strong>in</strong> diesem Jahr<br />

»etwas Besonderes« gönnen wollte. Das<br />

Kuba, das sie sich für ihre Urlaubsreise<br />

auserkoren hatten, ist vermutlich e<strong>in</strong>e<br />

Mischung aus den Reiseprospekten mit Bildern<br />

von kilometerlangen Traumstränden,<br />

von Palmen umsäumt, von kristallklarem,<br />

türkisfarbenem Wasser und den Bildern<br />

und Klängen des Buena Vista Social Club,<br />

dem Filmporträt jener <strong>in</strong> die Jahre gekommenen<br />

Musiker, die sich ihre Leidenschaft<br />

für die kubanischen Rhythmen bewahrt<br />

haben: Mit dicker Zigarre im Mund fahren<br />

sie im Chevrolet aus den 1950er Jahren<br />

durch die morbide Altstadt von Havanna,<br />

genießen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bar e<strong>in</strong> Glas Rum,<br />

spielen und bes<strong>in</strong>gen die Schönheit e<strong>in</strong>es<br />

Mädchens vom Land, aus der Prov<strong>in</strong>z<br />

Guantánamo, das dem <strong>Welt</strong>hit den Namen<br />

gab: »Guantanamera«. Und ebenso fester<br />

Bestandteil des Kuba-Bildes: Fidel Castro,<br />

der schwerkranke, <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />

nicht mehr ersche<strong>in</strong>ende, jedoch überall<br />

gegenwärtige <strong>in</strong>zwischen 82-jährige<br />

Comandante en jefe, der Oberste Kommandant<br />

der Revolution von 1959.<br />

Herbst 2007. Bei me<strong>in</strong>er Ankunft<br />

am Flughafen <strong>in</strong> Havanna erwartet<br />

mich e<strong>in</strong>e <strong>alle</strong>s andere als romantische<br />

Wirklichkeit. E<strong>in</strong>e neue, jedoch schon<br />

verkommene, dunkle und farblosnüchterne<br />

E<strong>in</strong>gangsh<strong>alle</strong> empfängt<br />

die Ankommenden. Es herrscht e<strong>in</strong><br />

Schweigen, das beklommen macht.<br />

Dann Passkontrolle: »Bitte e<strong>in</strong>zeln<br />

vortreten, Brille abnehmen!« E<strong>in</strong>e<br />

an der Decke montierte Kamera<br />

fotografi ert mich. Die ganze Prozedur<br />

er<strong>in</strong>nert mich an den ehemaligen<br />

deutsch-deutschen Grenzübergang<br />

Marienborn. Dann öffnet e<strong>in</strong> Summer<br />

e<strong>in</strong>e weitere Tür. »Willkommen<br />

im tiefsten ›Ostblock‹!« – das war<br />

zum<strong>in</strong>dest me<strong>in</strong> erster E<strong>in</strong>druck.<br />

Wenige Wochen später habe ich<br />

die Gelegenheit, den emeritierten<br />

Bischof José Siro kennenzulernen,<br />

den »Löwen des Bistums P<strong>in</strong>ar del<br />

Rio«. Während des Besuchs von<br />

Papst Johannes Paul II prangerte er<br />

1998 offen e<strong>in</strong>ige Missstände im<br />

Land an.<br />

Auf me<strong>in</strong>e Frage, was im Land am<br />

meisten fehle, antwortet er lächelnd<br />

und <strong>in</strong> <strong>alle</strong>r Kürze: »Freiheit.« Durch<br />

Alltagserlebnisse und Erzählungen<br />

der Menschen vor Ort sollte se<strong>in</strong>e<br />

Antwort <strong>in</strong> den kommenden drei<br />

Jahren mit Leben gefüllt werden.<br />

Beispiel Reisefreiheit: Alle, die<br />

<strong>in</strong> Kuba leben, ob sie auf der Insel<br />

geboren s<strong>in</strong>d oder aus dem Ausland<br />

stammen, haben e<strong>in</strong> Recht darauf –<br />

zum<strong>in</strong>dest auf dem Papier. Der erforderliche<br />

Ausreiseantrag ist kostspielig.<br />

Bei den niedrigen E<strong>in</strong>kommen endet<br />

meist schon hier der Traum e<strong>in</strong>es<br />

Flugs zum Verwandtenbesuch <strong>in</strong><br />

die USA. Und »Genossen«, die die<br />

nötigen Beträge aufbr<strong>in</strong>gen können,<br />

werden gleich verdächtigt: Wie<br />

kommt er (oder sie) an so viel Geld?<br />

Das ruft die »Stasi« auf den Plan.<br />

Und selbst mit <strong>alle</strong>n Papieren <strong>in</strong> der<br />

Hand ist e<strong>in</strong> Abfl ug noch unsicher.<br />

Es gehört zum Pr<strong>in</strong>zip: Der Staat hält<br />

se<strong>in</strong>e Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger ständig<br />

<strong>in</strong> der Schwebe der Unsicherheit.<br />

Beispiel Redefreiheit: Zu Beg<strong>in</strong>n<br />

machten mir Freunde hier immer<br />

wieder mit e<strong>in</strong>er sprechenden Geste<br />

deutlich, worauf es ankommt: Sie<br />

verschließen mit e<strong>in</strong>em imag<strong>in</strong>ären<br />

Schlüssel ihren Mund und legen<br />

die Hände an die Ohren: Halte den<br />

Mund und höre zu! Es ist e<strong>in</strong>e harte<br />

Lektion lernen zu müssen: »Traue<br />

De<strong>in</strong>em Gesprächspartner nicht,<br />

selbst wenn er sich über manche<br />

Missstände im Land beklagt. Er<br />

könnte von der Staatssicherheit se<strong>in</strong>,<br />

der Dich mit solchen Manövern aus<br />

der Reserve zu locken versucht.«<br />

Das schürt Misstrauen.<br />

Landarbeiter <strong>in</strong> Kuba<br />

Beispiel Religionsfreiheit: Kuba<br />

gehört zu e<strong>in</strong>em Dutzend Ländern,<br />

dem die US-amerikanische Kommission<br />

für Internationale Religionsfreiheit<br />

(USCIRF) die »Gelbe Karte« zeigt.<br />

Die E<strong>in</strong>grenzung des Rechts ist an der<br />

Oberfl äche nur mäßig wahrzunehmen.<br />

In den Medien kommt das Thema<br />

»Religion« kaum vor, Predigten werden<br />

gerne gehört und Prozessionen fi nden<br />

gewöhnlich <strong>in</strong>nerhalb des Kirchenraumes<br />

statt. Eher unterschwellig: Die<br />

Dom<strong>in</strong>ikaner<strong>in</strong>nen und Dom<strong>in</strong>ikaner<br />

<strong>in</strong> Havanna haben zwei Jahre auf die<br />

Genehmigung zur Kirchenrenovierung<br />

gewartet; Kard<strong>in</strong>alstaatssekretär Bertone<br />

durfte bei se<strong>in</strong>em Besuch nur an e<strong>in</strong>em<br />

relativ beengten Ort Eucharistie feiern,<br />

e<strong>in</strong>e Ladung Hilfsgüter der Caritas<br />

musste wegen »Unregelmäßigkeiten«


<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Schön <strong>in</strong> nostalgischen Filmen, aber unpraktisch im täglichen Leben: Kubaner bei Reparaturarbeiten an se<strong>in</strong>em alten Auto<br />

im Hafen bleiben oder der e<strong>in</strong>zigen<br />

kirchlichen Druckerei konnte<br />

»bedauerlicherweise« ke<strong>in</strong> Papier<br />

geliefert werden.<br />

Bed<strong>in</strong>gt durch die jüngere<br />

Geschichte nahm die Zahl der<br />

Christ<strong>in</strong>nen und Christen, Priester<br />

und Ordensleute drastisch ab. Alle<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> den letzten 20 Jahren s<strong>in</strong>d 100 (!)<br />

kubanische Priester ausgewandert.<br />

Die Folge drückt der Jesuit und<br />

Weihbischof Juan de Dios während<br />

e<strong>in</strong>es Inkulturationssem<strong>in</strong>ars so aus:<br />

»Die kubanische Ortskirche lebt drei<br />

evangelische Werte: den Wert des<br />

Kle<strong>in</strong>en, des Wenigen und des kaum<br />

Sichtbaren.«<br />

»Kle<strong>in</strong>, wenig« auch die Präsenz<br />

der Schwestern und Brüder der<br />

heiligen Klara und des heiligen<br />

Franziskus: Auf der franziskanischen<br />

Landkarte bildet Kuba heute mit<br />

der Dom<strong>in</strong>ikanischen Republik und<br />

Puerto Rico die Kustodie der Karibik<br />

Unsere Frau von der Hoffnung.<br />

Dazu gehören 30 Brüder. Drei von<br />

ihnen leben und arbeiten auf Kuba.<br />

Sieben weitere der zurzeit <strong>in</strong> Kuba<br />

tätigen <strong>Franziskaner</strong> s<strong>in</strong>d »Leiharbeiter«<br />

aus anderen Prov<strong>in</strong>zen. Vor<br />

rund 50 Jahren lebten im jetzigen<br />

Arbeiter- und Bauernstaat mehr als<br />

100 <strong>Franziskaner</strong> (ofm). Heute<br />

kommen <strong>Franziskaner</strong>, Konventualen<br />

und Kapuz<strong>in</strong>er <strong>in</strong>sgesamt auf etwa<br />

30 Brüder, die Franziskanische Geme<strong>in</strong>schaft<br />

zählt rund 150 Schwestern und<br />

Brüder. Die Klarissen haben Anfang der<br />

1960er Jahre das Land verlassen.<br />

»Der Wert des Kle<strong>in</strong>en«: Wenn<br />

bei Veranstaltungen von oder für<br />

Jugendliche fünf junge Leute teilnehmen,<br />

ist das schon viel. An e<strong>in</strong>em<br />

Grundkurs »Altes Testament« nahmen<br />

ganze vier Jugendliche teil. Doch<br />

diese saugten den Kurs regelrecht <strong>in</strong><br />

sich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, fragten nach, diskutierten<br />

und bekamen so – neuen oder ersten<br />

– Zugang zur Heiligen Schrift, zu<br />

Glaubensfragen. Es s<strong>in</strong>d wenige, doch<br />

hochmotivierte, suchende junge Leute.<br />

Das größte Wunder, das ich hier<br />

erleben durfte: Allen Widrigkeiten<br />

im Alltag und <strong>alle</strong>n E<strong>in</strong>schüchterungsversuchen<br />

zum Trotz haben Menschen<br />

ihre Menschlichkeit bewahrt<br />

und Christ<strong>in</strong>nen und Christen ihren<br />

Glauben gelebt und weitergegeben.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e Generation, die an das<br />

große Geschenk Gottes glaubt und die<br />

die »Hoffnung gegen <strong>alle</strong> Hoffnung«<br />

(Röm 4,18) lebt.<br />

Der Reichtum e<strong>in</strong>es Landes s<strong>in</strong>d eben<br />

se<strong>in</strong>e Menschen.<br />

Br. Frank Hartmann ofm<br />

Bruder Frank wirkt seit drei Jahren als <strong>Mission</strong>ar<br />

der Sächsischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z auf Kuba.<br />

Br. Frank Hartmann (rechts) mit e<strong>in</strong>em Geme<strong>in</strong>demitglied<br />

<strong>in</strong> Guanabacoa, Kuba<br />

11


12<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

Aus der Vision heraus leben<br />

Die ersten deutschen <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Chicago<br />

Visionen s<strong>in</strong>d die Quelle von Veränderungen.<br />

So war und ist es <strong>in</strong> der<br />

Geschichte der <strong>Welt</strong>, der Kirche oder<br />

auch der franziskanischen Bewegung.<br />

Diese Kraft br<strong>in</strong>gt Neues hervor. Und<br />

diese Qualität ist es auch, die Bruder<br />

Gregor Janknecht <strong>in</strong> besonderem Maße<br />

auszeichnete – e<strong>in</strong>en jungen, <strong>in</strong>telligenten<br />

und von der Idee der <strong>Mission</strong><br />

begeisterten <strong>Franziskaner</strong>, der im Laufe<br />

se<strong>in</strong>es Lebens <strong>in</strong>sgesamt fünfmal zum<br />

Prov<strong>in</strong>zial der Sächsischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />

gewählt werden sollte.<br />

Büste von P. Gregor Janknecht vor dem <strong>Franziskaner</strong>kloster <strong>in</strong> Dorsten<br />

Bruder Gregor war sich der Herausforderungen<br />

se<strong>in</strong>er Zeit durchaus bewusst.<br />

Die Säkularisation bedrohte nicht nur die<br />

Geme<strong>in</strong>schaft der <strong>Franziskaner</strong>, sondern<br />

die Kirche <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong>sgesamt.<br />

Doch anstatt zu resignieren, stellte<br />

Janknecht sich mutig und entschlossen<br />

diesem Trend entgegen und arbeitete<br />

im Vertrauen auf die Hilfe Gottes auf<br />

se<strong>in</strong> Vorankommen im Orden und <strong>in</strong><br />

der <strong>Mission</strong> h<strong>in</strong>. Diese Komb<strong>in</strong>ation aus<br />

Glaube und Vision öffnete ihm auch dort<br />

noch Perspektiven, wo andere die Situation<br />

für die Kirche längst als hoffnungslos<br />

ansahen.<br />

Schlüsselerlebnis:<br />

Besuch aus Amerika<br />

Im Jahr 1858 erhielt Janknecht Besuch<br />

aus Amerika. Bischof Henry Damian<br />

Juncker, e<strong>in</strong> deutschstämmiger Bischof<br />

aus Ill<strong>in</strong>ois, suchte <strong>in</strong> Paderborn bei<br />

den <strong>Franziskaner</strong>n nach Seelsorgern für<br />

die steigende Zahl deutscher E<strong>in</strong>wander<strong>in</strong>nen<br />

und E<strong>in</strong>wanderer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Diözese. Bruder Gregor sagte ihm ohne<br />

zu zögern sofortige Unterstützung zu<br />

und schickte noch im selben Jahr die<br />

ersten neun Patres aus der Sächsischen<br />

<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z <strong>in</strong> die <strong>Mission</strong> nach<br />

Amerika. Er selbst wählte diese neun<br />

Kandidaten mit aus. Auch später ließ<br />

es sich Bruder Gregor nicht nehmen,<br />

sich an der Auswahl der <strong>Mission</strong>are, die<br />

nach Amerika geschickt werden sollten,<br />

zu beteiligen. Schließlich mussten für<br />

diese Aufgabe nicht nur fromme Männer<br />

gewonnen werden, sondern Leute,<br />

die zugleich auch mit der kulturellen<br />

Umstellung zurechtkommen würden.<br />

Dreimal besuchte Janknecht se<strong>in</strong>e<br />

deutschen Mitbrüder <strong>in</strong> Amerika: 1860,<br />

1869 und 1876. Dabei würdigte er ihr<br />

Werk und ermutigte sie, ihrer Berufung<br />

weiter treu zu bleiben. Während se<strong>in</strong>er<br />

zweiten und dritten Reise übertrug er<br />

bereits viele Rechte und Pfl ichten, die<br />

eigentlich nur ihm als Prov<strong>in</strong>zial zustanden,<br />

an se<strong>in</strong>en Vertreter <strong>in</strong> Amerika. Auf<br />

diese Weise bereitete er die Unabhängigkeit<br />

der amerikanischen Geme<strong>in</strong>schaft<br />

vor, aus der im Jahr 1879 die eigenständige<br />

Prov<strong>in</strong>ce of the Sacred Heart<br />

of Jesus hervorg<strong>in</strong>g. Zum Zeitpunkt<br />

ihrer Gründung gehörten 202 Brüder<br />

zu der Prov<strong>in</strong>z.<br />

Gerne wäre er selbst gegangen<br />

Se<strong>in</strong>e letzte und längste Reise trat<br />

Janknecht im Jahr 1876 an. 16 Monate<br />

verbrachte er <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten Staaten<br />

zur Visitation. In diesem Rahmen unterstützte<br />

er außerdem Klöster der Armen<br />

Klarissen und Säkulare <strong>Franziskaner</strong>geme<strong>in</strong>schaften.<br />

In se<strong>in</strong>em Abschiedsbrief,<br />

den er im März 1876 geschrieben<br />

hat, heißt es: »Gerne würde ich als<br />

e<strong>in</strong>faches Mitglied unseres Ordens nach<br />

Amerika zurückkehren und dort die<br />

Seelsorge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>de<br />

übernehmen.« Auch <strong>in</strong> ihm selbst war<br />

also <strong>in</strong>zwischen die Berufung zur <strong>Mission</strong><br />

<strong>in</strong> Übersee erwacht. Zurück <strong>in</strong> der<br />

Heimat musste er zu se<strong>in</strong>er Bestürzung<br />

dann aber feststellen, dass das, was er<br />

so vielen anderen durch die Entsendung<br />

ermöglicht hatte, sich für ihn selbst


nicht realisieren ließ. Denn die Leitung<br />

e<strong>in</strong>er Pfarrei <strong>in</strong> der <strong>Mission</strong> war<br />

mit der Erfüllung se<strong>in</strong>er Aufgaben <strong>in</strong><br />

der Prov<strong>in</strong>zleitung nicht vere<strong>in</strong>bar.<br />

Zwei <strong>Welt</strong>en – unterschiedliche<br />

Herausforderungen<br />

Durch se<strong>in</strong> Wirken sowohl <strong>in</strong><br />

Deutschland als auch <strong>in</strong> Amerika<br />

sah Janknecht sich sehr unterschiedlichen<br />

Herausforderungen gegenüber.<br />

In Deutschland tobte zuerst der<br />

deutsch-französische Krieg, dann<br />

der Kulturkampf. In Amerika gab es<br />

ganz andere Probleme. E<strong>in</strong>erseits<br />

sollten die e<strong>in</strong>gewanderten Brüder<br />

an der franziskanischen Regel dort<br />

mit derselben H<strong>in</strong>gabe festhalten<br />

wie <strong>in</strong> Deutschland. Andererseits<br />

mussten ihnen angesichts der völlig<br />

anderen Lebensumstände besondere<br />

Zugeständnisse e<strong>in</strong>geräumt werden.<br />

Nicht nur die e<strong>in</strong>zelnen Brüder, sondern<br />

vor <strong>alle</strong>m die Kirche <strong>in</strong> Chicago<br />

profi tierte davon, dass Janknecht<br />

diese Zugeständnisse machte.<br />

Reiten: erlaubt oder nicht?<br />

E<strong>in</strong> Beispiel hierfür: Die <strong>Mission</strong>are<br />

<strong>in</strong> Amerika baten Bruder Gregor um<br />

die Erlaubnis, aufgrund der großen<br />

Entfernungen <strong>in</strong> ihrem Seelsorgegebiet<br />

auf dem Pferd zu ihren<br />

Geme<strong>in</strong>de mitgliedern zu reiten<br />

– obwohl Franziskus se<strong>in</strong>en Gefährten<br />

dies se<strong>in</strong>erzeit ausdrücklich<br />

verboten hatte. Janknecht sah, dass<br />

die Situation im Assisi des 13. Jahrhunderts<br />

e<strong>in</strong>e ganz andere war als<br />

die <strong>in</strong> Chicago 600 Jahre später. Wer<br />

zur Zeit des Franziskus e<strong>in</strong> Pferd<br />

hatte, war reich. Wer <strong>in</strong> Amerika des<br />

19. Jahrhunderts ke<strong>in</strong> Pferd hatte,<br />

war von der Umwelt abgeschnitten.<br />

Anders gesagt: Pferde waren für die<br />

<strong>Mission</strong> ke<strong>in</strong> Luxus, sondern notwendiges<br />

Mittel, um die Menschen<br />

zu erreichen. Also gab Janknecht<br />

der Bitte se<strong>in</strong>er amerikanischen<br />

Mitbrüder statt.<br />

Neue Situationen erfordern<br />

neue Antworten<br />

Unermüdlich suchte Bruder Gregor<br />

nach Antworten auf immer neue<br />

Herausforderungen. Er entwickelte<br />

neue Methoden, um über die deutsche<br />

Gruppe h<strong>in</strong>aus auch Angehörige<br />

anderer Nationalitäten, sprich Polen,<br />

Franzosen und die Ure<strong>in</strong>wohner, zu<br />

erreichen. Er ermahnte se<strong>in</strong>e Mitbrüder,<br />

jeden e<strong>in</strong>zelnen Menschen<br />

zu achten und zu schätzen. Dem<br />

Bischof und den Diözesanpriestern<br />

sollten die Ordensleute Respekt und<br />

Unterstützung zukommen lassen,<br />

dagegen sollten sie sich nicht <strong>in</strong> deren<br />

Streitigkeiten e<strong>in</strong>mischen. Außerdem<br />

sollten sie denjenigen gegenüber,<br />

die e<strong>in</strong>en Fehler begangen hatten,<br />

demütig und mit Sanftmut begegnen.<br />

Se<strong>in</strong>er Zeit weit voraus<br />

In gewisser Weise hat Bruder Gregor<br />

durch se<strong>in</strong> visionäres und kreatives<br />

Wirken die großen <strong>Mission</strong>sdokumente<br />

des 20. Jahrhunderts Ad<br />

gentes (Vaticanum II), Evangelium<br />

Nuntiandi (Papst Paul VI) und<br />

Redemptoris Missio (Papst Johannes<br />

Paul II) vorweggenommen. Sie <strong>alle</strong><br />

sprechen von dem missionarischen<br />

Charakter, der <strong>alle</strong>n Christ<strong>in</strong>nen<br />

und Christen durch ihre Taufe und<br />

durch die tr<strong>in</strong>itarische Liebe Gottes<br />

zueigen ist. Sie <strong>alle</strong> sprechen vom<br />

Glauben als Gabe und »Auf-Gabe«,<br />

e<strong>in</strong>em Glauben, der <strong>in</strong>karniert und<br />

<strong>in</strong>kulturiert werden muss, das heißt,<br />

der <strong>in</strong> die Sprache der jeweiligen Zeit<br />

und Kultur und damit <strong>in</strong> das konkrete<br />

Leben der Menschen übersetzt werden<br />

muss. Und <strong>alle</strong> diese Dokumente<br />

sprechen auch davon, dass die Kirche<br />

mit diesem Auftrag nicht <strong>alle</strong><strong>in</strong>e ist,<br />

sondern dass sie getragen ist vom<br />

Heiligen Geist, der durch <strong>alle</strong> Zeiten<br />

h<strong>in</strong>durch und <strong>in</strong> <strong>alle</strong>n Völkern der<br />

Erde wirkt.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Und wir?<br />

Janknecht bewies se<strong>in</strong>e Treue zu<br />

dieser Überzeugung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, die<br />

von ganz unterschiedlichen Sorgen<br />

zu Hause <strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong> der<br />

<strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Amerika geprägt war. Ganz<br />

ähnliche Herausforderungen liegen<br />

auch heute wieder vor uns. Die Frage,<br />

die sich uns heute stellt, ist dieselbe,<br />

die Bruder Gregor sich und se<strong>in</strong>en<br />

Mitbrüdern vor 150 Jahren gestellt<br />

hat: Wollen wir uns <strong>in</strong> uns selbst<br />

zurück ziehen und weiter »der guten<br />

alten Zeit« nachtrauern? Oder s<strong>in</strong>d wir<br />

bereit, uns den Herausforderungen der<br />

Zukunft zu stellen und mit Visionen<br />

und Kreativität darauf zu antworten?<br />

Mit anderen Worten: S<strong>in</strong>d wir bereit,<br />

uns dem Ruf Jesu Christi zu öffnen<br />

und ihm zu folgen?<br />

Br. Michael Perry ofm<br />

Bruder Michael ist Mitglied der amerikanischen<br />

<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Prov<strong>in</strong>ce of the<br />

Sacred Heart of Jesus. Im Juni 2009 wurde<br />

er als stellvertretender Leiter des gesamten<br />

Franzis kanerordens <strong>in</strong> Rom gewählt.<br />

Übersetzung aus dem Englischen:<br />

Anke Chávez<br />

13


14<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

Durch Bismarck nach Amerika<br />

<strong>Franziskaner</strong> aus Fulda <strong>in</strong> New York und Colorado<br />

Als die ersten <strong>Franziskaner</strong> aus Fulda<br />

<strong>in</strong> New York an Land g<strong>in</strong>gen, hatten sie<br />

ke<strong>in</strong>e Ahnung, wo sie die erste Nacht,<br />

geschweige denn ihr weiteres Leben,<br />

verbr<strong>in</strong>gen sollten. Aber sie hatten ke<strong>in</strong>e<br />

Wahl: Bismarck, der sich über die katholische<br />

Zentrumspartei und über den frisch<br />

formulierten Unfehlbarkeits anspruch<br />

des Papstes ärgerte, wies im Zuge des<br />

Kulturkampfes sämtliche Ordensleute<br />

aus Preußen aus. Den <strong>Franziskaner</strong>n<br />

vom Frauenberg setzte er im Mai 1875<br />

e<strong>in</strong> sechsmonatiges Ultimatum: B<strong>in</strong>nen<br />

dieser Zeit mussten sie nicht nur ihr<br />

Heimat kloster, sondern auch das Land<br />

verlassen. Der Leiter des Klosters, Pater<br />

Aloysius Lauer, schickte sie daraufh<strong>in</strong><br />

nach Amerika, um dort nach Möglichkeiten<br />

für die Geme<strong>in</strong>schaft zu suchen.<br />

E<strong>in</strong> halbes Jahr nach ihrer Ankunft<br />

ergab sich schließlich die Gelegenheit,<br />

e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de im abgelegenen<br />

Nordwesten des Bundesstaates New<br />

York zu übernehmen. Bei M<strong>in</strong>usgraden,<br />

mit e<strong>in</strong>er Flasche Messwe<strong>in</strong><br />

und e<strong>in</strong>em Behälter voll Hostien im<br />

spärlichen Gepäck, erreichten zwei<br />

Brüder das ihnen zugedachte halb<br />

zerf<strong>alle</strong>ne Pfarrhaus, um den Auftrag<br />

des Ortsbischofs zu erfüllen: »<strong>Geht</strong><br />

nach Croghan, lest dort die Messe<br />

– und bleibt dort.« E<strong>in</strong> weiteres<br />

halbes Jahr später sollten zwölf ihrer<br />

franziskanischen Brüder aus Fulda<br />

nachkommen.<br />

Neue Perspektiven<br />

Doch dann ergaben sich plötzlich<br />

neue Perspektiven an der Ostküste.<br />

In der Industriestadt Paterson, e<strong>in</strong>em<br />

aufstrebenden Ort mit 51.000 E<strong>in</strong>wohner<strong>in</strong>nen<br />

und E<strong>in</strong>wohnern<br />

und der ersten Baumwollsp<strong>in</strong>nerei<br />

des Landes, hatten Karmeliter aus<br />

Regensburg e<strong>in</strong> Kloster gebaut, weil<br />

sie Angst hatten, dass ihnen im<br />

Rahmen des Kulturkampfes dasselbe<br />

Schicksal drohte wie den <strong>Franziskaner</strong>n<br />

aus Fulda. Doch es kam anders.<br />

Im katholischen Bayern traute sich<br />

Bismarck nicht mit derselben Härte<br />

Vetrieb die <strong>Franziskaner</strong> aus Deutschland:<br />

Reichskanzler Otto von Bismarck<br />

durchzugreifen, sodass die befürchtete<br />

Ausweisung nicht e<strong>in</strong>trat. Die<br />

Karmeliter blieben <strong>in</strong> Bayern und die<br />

<strong>Franziskaner</strong> kauften ihnen das Haus<br />

<strong>in</strong> Paterson ab. Knapp e<strong>in</strong> Jahr nach<br />

ihrer Ausweisung wirkten die Brüder<br />

aus Fulda also bereits von zwei<br />

Häusern aus <strong>in</strong> Amerika.<br />

Mit der Wahl des neuen Papstes<br />

Leo XIII im Jahr 1878 entspannte sich<br />

das Verhältnis zwischen Politik und<br />

Kirche <strong>in</strong> Deutschland, sodass e<strong>in</strong>ige<br />

der Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> an Weihnachten<br />

1879 auf dem Frauenberg<br />

wieder die Messe feiern und im<br />

Jahr 1887 auch ihr Geme<strong>in</strong>schaftsleben<br />

im Kloster wieder aufnehmen<br />

konnten. Die <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Amerika<br />

g<strong>in</strong>g trotzdem weiter: zunächst <strong>in</strong><br />

Croghan/New York und Paterson/<br />

New Jersey, später auch <strong>in</strong> Denver/<br />

Colorado.<br />

Talent und Demut<br />

In der neuen Heimat bauten die<br />

<strong>Franziskaner</strong> Schulen, Kirchen, Pilgerstätten<br />

und Klöster – all das kostete<br />

Geld, viel Geld! E<strong>in</strong>ige der Brüder<br />

entwickelten erstaunliche Fähigkeiten,<br />

um die nötigen Mittel dafür<br />

aufzutreiben. Doch gerade bei den<br />

begabtesten F<strong>in</strong>anzgenies zeigte sich<br />

E<strong>in</strong> Werk der <strong>Franziskaner</strong>: St. Elizabeth Cathedral<br />

<strong>in</strong> Denver/Colorado<br />

die Schwierigkeit, Talent und Demut<br />

mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Bruder Albert etwa, e<strong>in</strong>e dieser Koryphäen,<br />

überschritt mit zunehmendem<br />

Erfolg eigenmächtig se<strong>in</strong>e Kompetenzen<br />

und hielt sich schließlich nicht<br />

mehr an die Anweisungen se<strong>in</strong>er<br />

Vorgesetzten. Als er daraufh<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>en<br />

anderen Ort versetzt wurde, verließ<br />

er den Orden. Auch Bruder Francis,<br />

das zweite herausragende Spendensammler-Talent,<br />

geriet wiederholt mit<br />

se<strong>in</strong>em Ortsbischof ane<strong>in</strong>ander. Dieser<br />

hegte die Befürchtung, dass der junge<br />

Franzis kaner im Zuge des Gelde<strong>in</strong>treibens<br />

notfalls auch se<strong>in</strong>e Seele verkaufen<br />

würde. Immerh<strong>in</strong>: Trotz mehrerer<br />

Versetzungen h<strong>in</strong> und her vollbrachte<br />

Bruder Francis das Meisterstück, <strong>in</strong>nerhalb<br />

von zehn Jahren e<strong>in</strong>e der größten<br />

und e<strong>in</strong>drucksvollsten Kathedralen im<br />

amerikanischen Westen zu fi nanzieren:<br />

die St. Elizabeth Cathedral <strong>in</strong> Denver.<br />

Allen Zwistigkeiten <strong>in</strong> der Bauphase<br />

zum Trotz profi tierte schließlich auch<br />

der Bischof von diesem prachtvollen<br />

Gotteshaus: Er nutzte es nach der<br />

Fertigstellung selbst für wichtige<br />

Amtshandlungen.<br />

Anke Chávez<br />

Anke Chávez ist Referent<strong>in</strong> für Öffentlichkeitsarbeit<br />

der <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Dortmund.


Wie Los Angeles zu<br />

se<strong>in</strong>em Namen kam<br />

Die Namensgebung <strong>in</strong> Kalifornien<br />

Die <strong>Franziskaner</strong> nannten die Orte an der kalifornischen Westküste nach den Tagesheiligen, die sie am<br />

Tag der Entdeckung feierten.<br />

Als die spanische Krone im Jahr 1768<br />

beschloss, die bis dato unerschlossene<br />

amerikanische Westküste zu besiedeln,<br />

um durch die Erstbesiedlung die Rechte<br />

an dem Land zu erhalten, konnte sie die<br />

<strong>Franziskaner</strong>missionare begeistern, an<br />

der Unternehmung teilzunehmen.<br />

Ziel der <strong>Franziskaner</strong> war es, das<br />

Evangelium zu den Ure<strong>in</strong>wohnern, den<br />

Mittelseite: Die auf der folgenden Doppelseite präsentierte<br />

<strong>Welt</strong>karte zeigt die E<strong>in</strong>satzorte der 44 <strong>Mission</strong>are aus den<br />

vier deutschen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>zen, die derzeit weltweit<br />

tätig s<strong>in</strong>d: 8 Brüder aus der Bavaria, 16 Brüder aus der<br />

Thur<strong>in</strong>gia, 4 Brüder aus der Colonia und 16 Brüder aus der<br />

Saxonia. Infolge der Vere<strong>in</strong>igung dieser vier Prov<strong>in</strong>zen am<br />

1. Juli 2010 werden <strong>alle</strong> 44 Brüder für die neue Deutsche<br />

<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z von der Heiligen Elisabeth Brückenfunktionen<br />

<strong>in</strong> verschiedenste Ortskirchen und damit <strong>in</strong> die<br />

Indianer<strong>in</strong>nen und Indianern, zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Unter Leitung von Pater Junipero Serra,<br />

der die <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Mexiko leitete, brachen<br />

die <strong>Franziskaner</strong> mit den spanischen<br />

Soldaten nach Norden auf, gründeten<br />

e<strong>in</strong>en Hafen, den sie San Diego nannten,<br />

und begannen, das Land zu erschließen.<br />

Da die Orte und Landschaften, durch<br />

die sie kamen, noch ke<strong>in</strong>e anerkannten<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Bezeichnungen hatten, nahmen die<br />

<strong>Franziskaner</strong> oft e<strong>in</strong>fach den aktuellen<br />

Tagesheiligen aus ihrem Gebetbuch<br />

und gaben dem Ort kurzerhand diesen<br />

Namen. So ist beispielsweise <strong>in</strong> der<br />

Chronik vom 2. August 1770 am<br />

Festtag »Unserer lieben Frau von den<br />

Engeln von Portiuncula« vermerkt, dass<br />

sie durch e<strong>in</strong> hügeliges Land <strong>in</strong> e<strong>in</strong> von<br />

Baumwollbäumen und Pappeln reich<br />

bestandenes Tal zogen und dort an<br />

e<strong>in</strong>em Fluss lagerten. Den Fluss tauften<br />

sie »Rio Portiuncula«. Da der spanische<br />

Name des Tals »Nuestra Señora de<br />

Los Angeles de Portiuncula« doch<br />

etwas lang war, verkürzten die Siedler<br />

später den Namen des Tales zu e<strong>in</strong>em<br />

griffi geren Namen. Der Ort, an dem<br />

sie lagerten, war wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> der<br />

heutigen Downey Avenue <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong>stadt<br />

Los Angeles. Den Fluss benannten<br />

die Engländer später um <strong>in</strong> Los Angeles<br />

River. Auf ähnliche Weise bekamen<br />

auch San Francisco, Santa Barbara, der<br />

San Andreas Graben und viele weitere<br />

Orte <strong>in</strong> Kalifornien ihre Namen von<br />

den <strong>Franziskaner</strong>missionaren!<br />

Br. Natanael Ganter ofm<br />

Bruder Natanael leitet <strong>in</strong> München das Referat<br />

Öffentlichkeitsarbeit und Medien der deutschen<br />

<strong>Franziskaner</strong>.<br />

Quelle: Heldemar Heis<strong>in</strong>g. <strong>Mission</strong>ierung und<br />

Diözesanbildung <strong>in</strong> Kalifornien. Westfälische<br />

geographische Studien. Band 14<br />

<strong>Welt</strong>kirche h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> übernehmen. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Zukunft franziskanische<br />

Botschafter der e<strong>in</strong>en neuen deutschen Prov<strong>in</strong>z für<br />

e<strong>in</strong>en weltweiten Dialog – im <strong>Franziskaner</strong>orden und <strong>in</strong> der<br />

Kirche.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus gibt es weitere <strong>Franziskaner</strong>, die zwar<br />

aus Deutschland stammen, aber nicht über e<strong>in</strong>e der bisher<br />

vier deutschen Prov<strong>in</strong>zen <strong>in</strong> anderen Ländern tätig s<strong>in</strong>d. Sie<br />

s<strong>in</strong>d direkt <strong>in</strong> eigene <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>zen der <strong>Mission</strong>sgebiete<br />

e<strong>in</strong>getreten.<br />

15


Die 44 <strong>Mission</strong>are aus den vier<br />

deutschen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>zen,<br />

die derzeit weltweit tätig s<strong>in</strong>d<br />

Artikel der rot unterstrichenen <strong>Mission</strong>are fi nden Sie auf den angegebenen Seiten.<br />

Brasilien<br />

(Maranhão, Piaui)<br />

Colonia<br />

Klaus F<strong>in</strong>kam<br />

Saxonia<br />

Adolf Temme, Anton Schauerte,<br />

Claudio Krämer, Eduard Albers,<br />

Erich Löher (S. 20–21), Ewald<br />

Dimon, Fritz Zillner, Gottfried<br />

Bauerdick, He<strong>in</strong>rich Johannpötter,<br />

Heribert Rembecki (S. 22),<br />

Johannes Gierse, Lukas Brägelmann,<br />

Michael Kle<strong>in</strong>hans<br />

Bolivien<br />

Bavaria<br />

Georg Redelberger, Mart<strong>in</strong><br />

Sappl, Michael Brems, Re<strong>in</strong>aldo<br />

Brumberger, Diego Löcherer,<br />

Walter Neuwirth<br />

Kuba<br />

Saxonia<br />

Frank Hartmann (S. 10–11)<br />

Brasilien<br />

(Mato Grosso, Mato Grosso do Sul)<br />

Thur<strong>in</strong>gia<br />

Bernhard Dettl<strong>in</strong>g (S. 18–19),<br />

Erich Renz, Godehard Els<strong>in</strong>g,<br />

Hugo Lang, Matthäus Rothmann,<br />

Norbert Rihm, Roland Ernst Wiederholt,<br />

Volkmar Löffl er<br />

Togo<br />

Thur<strong>in</strong>gia<br />

Richard Dzierzenga<br />

Br. Frank Hartmann (rechts) <strong>in</strong> Havanna/Kuba<br />

P. Ewald Dimon <strong>in</strong> Piripiri/Brasilien<br />

Litauen<br />

Thur<strong>in</strong>gia<br />

Sever<strong>in</strong> Holocher<br />

Israel<br />

Bavaria<br />

Gregor Geiger, Petrus Schüler<br />

Colonia<br />

Robert Jauch<br />

Br. August<strong>in</strong>us Wehrmeier <strong>in</strong> Andraikiba/Madagaskar<br />

Ostafrika und<br />

Madagaskar<br />

Saxonia<br />

Hermann Borg<br />

Thur<strong>in</strong>gia<br />

August<strong>in</strong>us Wehrmeier<br />

Br. Manfred Friedrich <strong>in</strong> Bibai/Japan<br />

Taiwan<br />

Japan<br />

Saxonia<br />

Hubert Nelskamp<br />

Thur<strong>in</strong>gia<br />

Dom<strong>in</strong>ikus Bauer, Hilarius<br />

Schmidt, Lothar Poremba,<br />

Manfred Friedrich,<br />

Urban Sauerbier<br />

Colonia<br />

Alban Mai, Paul Goor<br />

Quelle:<br />

Claudia Schmitz


18<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

»Wilde Tiere, Schlangen und<br />

gefährliche Indianer«<br />

Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> im Mato Grosso Brasiliens<br />

P. Bernhard Dettl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Mato Grosso<br />

Im September 1965 beantragte ich beim<br />

brasilianischen Konsulat <strong>in</strong> München<br />

die notwendigen Dokumente für e<strong>in</strong>en<br />

Daueraufenthalt <strong>in</strong> Brasilien. Die Konsularsekretär<strong>in</strong><br />

fragte mich, wo ich <strong>in</strong> Brasilien<br />

leben und arbeiten wolle. »Im Bundesstaat<br />

Mato Grosso!« – »Pater, gehen Sie<br />

nicht <strong>in</strong> den Mato Grosso (wörtlich:<br />

dichtes Gestrüpp, Urwald), bleiben Sie<br />

<strong>in</strong> Rio de Janeiro oder <strong>in</strong> São Paulo!«,<br />

warnte sie. – »Warum?«, wollte ich<br />

wissen. »In Mato Grosso gibt es nur<br />

Jaguare, Schlangen und gefährliche<br />

Indianer«, erklärte mir die junge Frau<br />

<strong>in</strong> gutem Deutsch.<br />

Natürlich konnten solche Worte<br />

e<strong>in</strong>en angehenden <strong>Mission</strong>ar nicht<br />

erschüttern: Schließlich ist die<br />

Berufung gottgegeben, wurde dann<br />

<strong>in</strong> der Familie durch e<strong>in</strong> gesundes,<br />

christliches Glaubensleben vertieft<br />

und endlich durch gute franziskanische<br />

Jugendseelsorger bei<br />

den Georgs pfadfi ndern gestärkt.<br />

Me<strong>in</strong>e Entschlossenheit für den armen<br />

Bundesstaat Mato Grosso quittierte die<br />

adrette Brasilianer<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em mitleidvollen<br />

Lächeln: »Sie Ärmster!« – Da ich<br />

Brasilien nur aus Büchern, Vorträgen und<br />

Erdkundeunterricht kannte, war ich auf<br />

<strong>alle</strong>s gefasst. Doch bei me<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong><br />

der ersten großen Stadt <strong>in</strong> Mato Grosso<br />

wurde ich positiv überrascht: Alles war<br />

weitaus zivilisierter und entwickelter, als<br />

ich mir das vorgestellt hatte.<br />

Die Anfänge der Mato Grosso-<strong>Mission</strong><br />

der Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> gehen auf die<br />

1930er Jahre zurück. Die Konvente<br />

der Prov<strong>in</strong>z waren damals bis unter<br />

die Dächer belegt, Begeisterung für die<br />

<strong>Mission</strong> vorhanden, <strong>in</strong>sbesondere bei<br />

den jüngeren Brüdern.<br />

Die Prov<strong>in</strong>zleitung von Fulda sondierte<br />

zunächst <strong>Mission</strong>smöglichkeiten im Nordosten<br />

Brasiliens (Belém und São Luis),<br />

nahm dann aber den von der Immaculada-<br />

Prov<strong>in</strong>z/São Paulo brüderlich und e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich<br />

empfohlenen Mato Grosso als<br />

ihr zukünftiges <strong>Mission</strong>sgebiet an.<br />

Der brasilianische Bundesstaat Mato<br />

Grosso, heute zweigeteilt, ist dreie<strong>in</strong>halb<br />

Mal größer als die heutige Bundesrepublik<br />

Deutschland und gehörte zum Territorium<br />

der <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z von São Paulo,<br />

die <strong>alle</strong>rd<strong>in</strong>gs ursprünglich ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Mato Grosso, der »Grünen<br />

Hölle«, hatte: Ihre Brüder waren völlig <strong>in</strong><br />

Anspruch genommen von der Evangelisierung<br />

der aufstrebenden Metropolen<br />

Rio de Janeiro, São Paulo, Curitiba und<br />

deren H<strong>in</strong>terland, mit der Errichtung<br />

e<strong>in</strong>er hervorragenden philosophischtheologischen<br />

Hochschule, mit dem<br />

Ausbau des Vozes-Verlages, vergleichbar<br />

mit dem Herder-Verlag <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Wie <strong>alle</strong>s begann<br />

1937 kamen die ersten <strong>Franziskaner</strong> aus<br />

Fulda <strong>in</strong> São Paulo an. Sie erhielten, wie<br />

versprochen, von der Prov<strong>in</strong>z Immaculada<br />

jede erdenkliche Unterstützung, sodass sie<br />

bereits e<strong>in</strong> Jahr später die ersten Pfarreien<br />

<strong>in</strong> Mato Grosso übernehmen konnten.<br />

Pfarreien? In Wirklichkeit trafen die<br />

<strong>Mission</strong>are – wenn überhaupt – nur<br />

zerf<strong>alle</strong>ne und verlassene Kapellen an.<br />

Die Menschen waren herzlich und<br />

gastfreundlich, <strong>alle</strong>rd<strong>in</strong>gs bitterarm und<br />

<strong>in</strong> Glaubensfragen völlig unbewandert.<br />

Die <strong>Franziskaner</strong> mieteten <strong>in</strong> den beiden<br />

größeren Städten Campo Grande und<br />

Cuiabá e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Haus an und übernahmen<br />

e<strong>in</strong>e Wohnung, die von der<br />

Bevölkerung gemieden wurde, weil dar<strong>in</strong><br />

zuletzt e<strong>in</strong> Lepra-Kranker gelebt hatte.<br />

Wegen Nazis nach Brasilien<br />

In Deutschland wütete währenddessen<br />

das Dritte Reich. Der <strong>Franziskaner</strong>orden<br />

geriet <strong>in</strong>s Visier der Gestapo. Die Brüder<br />

der Prov<strong>in</strong>z São Paulo stellten sich vehement<br />

gegen die <strong>in</strong> den deutschen Kolonien<br />

Südbrasiliens aufkommende Nazi-<br />

Bewegung. Insgesamt spitzten sich die<br />

politischen Verhältnisse <strong>in</strong> Deutschland<br />

derart zu, dass man mit der Ausweisung<br />

<strong>alle</strong>r Ordensleute rechnete. Kaum selbst <strong>in</strong><br />

Brasilien angekommen, sollten die ersten<br />

Brüder aus Fulda daher für die erwarteten<br />

Mitbrüder aus der Heimatprov<strong>in</strong>z Platz<br />

schaffen. Das hatte zur Folge, dass e<strong>in</strong>e<br />

ganze Reihe von E<strong>in</strong>-Mann-Stationen<br />

errichtet wurden, die zum Teil Tausende<br />

Kilometer vone<strong>in</strong>ander entfernt lagen.<br />

Die Konsequenz der Naziherrschaft war<br />

also, dass die Brüder nicht nur von der<br />

Heimat vertrieben wurden, sondern auch<br />

untere<strong>in</strong>ander isoliert waren, denn die<br />

Verkehrsmöglichkeiten <strong>in</strong> Mato Grosso<br />

waren mehr als prekär, an Telefon war<br />

nicht zu denken. Umso mehr <strong>in</strong>tegrierten<br />

sich die e<strong>in</strong>gewanderten Brüder <strong>in</strong> die<br />

e<strong>in</strong>heimische Bevölkerung: Sie lebten<br />

arm mit den Armen, für die Armen,<br />

wie die Armen. Nach dem Motto von<br />

Paulus »Allen s<strong>in</strong>d sie <strong>alle</strong>s geworden«<br />

(1 Kor 9, 21-23) gab es Brüder, die man<br />

kaum mehr von e<strong>in</strong>em »Caboclo«, e<strong>in</strong>em<br />

E<strong>in</strong>heimischen Mato Grossos, unterscheiden<br />

konnte.


Vom Esel zum Jeep<br />

Nach dem Krieg wurde die Seelsorge, die<br />

immer auch Leibsorge war und ist, mit aus<br />

der Heimat kommenden jungen Kräften<br />

neu organisiert. Auch technisch g<strong>in</strong>g es<br />

voran. Benötigten die Brüder anfangs fünf<br />

Stunden auf dem Rücken e<strong>in</strong>es Esels, um<br />

e<strong>in</strong>en Ort zu erreichen, <strong>in</strong> dem sie e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />

Katechese-Stunde erteilten, so kehrte<br />

sich dieses Verhältnis von Seelsorge- und<br />

Reisezeit dank fortschreitender Motorisierung<br />

allmählich um. Motorboot und Jeep<br />

waren <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht segensreiche Erfi ndungen<br />

für die <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Mato Grosso.<br />

Blühende Bautätigkeit<br />

Mit der Zeit setzte auch e<strong>in</strong>e äußerst aktive<br />

Bautätigkeit <strong>in</strong> Mato Grosso e<strong>in</strong>. Unter den<br />

Brüdern waren tüchtige, vielseitig begabte<br />

Handwerker und Baumeister wie Walfried<br />

Stähle aus Ulm-Waibl<strong>in</strong>gen und Hugo Lang<br />

aus Breisach. Von Bruder Walfried wird<br />

folgende Begebenheit aus den 1950er<br />

Jahren erzählt:<br />

E<strong>in</strong> Vertreter des städtischen Bauamtes<br />

begutachtete die Baustelle des franziskanischen<br />

Zentralhauses <strong>in</strong> Campo Grande:<br />

»Wo ist der Bauführer?« Bruder Walfried:<br />

»Das b<strong>in</strong> ich!« – »Und der Ingenieur?«<br />

– »Das b<strong>in</strong> ich auch.« – »Und der Architekt?«<br />

– Bruder Walfried: »B<strong>in</strong> ich ebenfalls.«<br />

Bruder Walfried hatte tatsächlich<br />

die technischen Zeichnungen angefertigt,<br />

die Berechnungen angestellt und das Werk<br />

dann auch selbst <strong>in</strong> die Tat umgesetzt.<br />

Das Gebäude hat bis heute ke<strong>in</strong>en Riss.<br />

Aber der Mann vom Bauamt schüttelte<br />

den Kopf: »Unmöglich! Der Bau wird<br />

e<strong>in</strong>gestellt.«<br />

Treppe zum Erfolg<br />

In jenen Tagen wurde Bruder Walfried von<br />

dem Salesianer Dom Francisco de Aqu<strong>in</strong>o<br />

Corrêa, Erzbischof von Cuiabá, zu sich<br />

gerufen. Er sollte für die bischöfl iche Residenz<br />

e<strong>in</strong>e Wendeltreppe bauen, die ke<strong>in</strong><br />

Maurer der Landeshauptstadt ausführen<br />

konnte. Bruder Walfried soll nach jeder<br />

fertiggestellten Stufe den Erzbischof angefl<br />

eht haben: »Exzellenz, die Baubehörde <strong>in</strong><br />

Campo Grande will uns den Konventbau<br />

e<strong>in</strong>stellen, weil ich nur deutsche Zeugnisse<br />

und Diplome vorweisen kann.« – Bei der<br />

Übergabe der meisterhaft vollendeten<br />

Wendeltreppe erschien der Erzbischof. Er<br />

zog e<strong>in</strong>en großen Umschlag hervor und<br />

überreichte Bruder Walfried e<strong>in</strong> Zertifi kat<br />

der Nationalen Baubehörde von Rio de<br />

Janeiro, das ihm erlaubte, <strong>in</strong> Zukunft <strong>in</strong><br />

Indianerk<strong>in</strong>der aus Mato Grosso<br />

ganz Brasilien Gebäude von bis zu vier<br />

Metern Höhe errichten zu dürfen. Die<br />

<strong>Franziskaner</strong> jubelten: Der Konvent sollte<br />

nur zwei Stockwerke haben! Übrigens: Bei<br />

se<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> Cuiabá benutzte Papst<br />

Johannes Paul II die besagte Treppe. Bruder<br />

Walfried wird sich sicher vom Himmel aus<br />

darüber gefreut haben.<br />

In der zweiten Generation der <strong>Mission</strong>are<br />

aus Fulda war es dann Bruder Hugo<br />

Lang, der mit se<strong>in</strong>em Bautrupp enorme<br />

Aktivitäten entwickelte: Zahlreiche Schulen,<br />

Kirchen, Sem<strong>in</strong>argebäude und Pfarrhäuser<br />

wurden errichtet. Während der Woche<br />

arbeitete Bruder Hugo auf der Baustelle, am<br />

Wochenende schaffte er das Baumaterial<br />

herbei, zum Teil aus dem 1.000 Kilometer<br />

entfernten São Paulo. Nicht selten steckte<br />

der LKW auf der weiten Strecke bis über<br />

die Achsen im Schlamm.<br />

Bei <strong>alle</strong>m Stolz über Häuser und<br />

Gebäude: Immer g<strong>in</strong>g es vor <strong>alle</strong>m um<br />

die Menschen. Die <strong>Franziskaner</strong> freuten<br />

sich über die materiellen Fortschritte beim<br />

Aufbau ihrer <strong>Mission</strong>, an erster Stelle aber<br />

standen die Seelsorge für die ihnen anvertrauten<br />

Menschen und die Verkündigung<br />

des Glaubens.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Bilanz nach 70 Jahren<br />

In der mehr als 70-jährigen Tätigkeit der<br />

Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> wurden 25 Pfarreien<br />

auf- bzw. ausgebaut, <strong>alle</strong> mit entsprechenden<br />

Sozialstationen versehen. 19 von ihnen<br />

werden <strong>in</strong>zwischen von Diözesanpriestern<br />

geleitet.<br />

1970 kam Pater Erich Renz als letzter<br />

<strong>Mission</strong>ar aus der Heimatprov<strong>in</strong>z Fulda<br />

nach Mato Grosso. Inzwischen ist die<br />

Leitung der <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> junge, e<strong>in</strong>heimische<br />

Hände übergegangen – wir s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt<br />

nur noch sieben »Fuldaer« <strong>in</strong> Mato Grosso.<br />

Wohl wissend, dass »e<strong>in</strong>er sät und e<strong>in</strong> anderer<br />

erntet« (Joh 4,37), s<strong>in</strong>d wir dankbar<br />

für die geme<strong>in</strong>same franziskanische und<br />

missionarische Berufung und für die Hilfe,<br />

die uns all die Jahre, <strong>in</strong>sbesondere aus der<br />

Heimat, zuteil wurde.<br />

P. Bernhard Hans Dettl<strong>in</strong>g ofm<br />

Pater Bernhard ist seit 45 Jahren als <strong>Mission</strong>ar im<br />

brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso tätig und<br />

hat dort die <strong>Mission</strong> der Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> mit<br />

aufgebaut.<br />

19


20<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

Der »Chef«<br />

Porträt des <strong>Franziskaner</strong>missionars Pater Heribert Rembecki<br />

P. Heribert Rembecki bei e<strong>in</strong>er Prozession <strong>in</strong> Bacabal<br />

Schon <strong>in</strong> der Oberstufe im Kolleg<br />

St. Ludwig war Heribert Rembecki Klassensprecher.<br />

Se<strong>in</strong>e Klassenkameraden nannten<br />

ihn »Chef«. Vater Johann war Bergmann,<br />

im Vere<strong>in</strong>sleben se<strong>in</strong>er Herz-Jesu-Pfarrei<br />

aktiv, se<strong>in</strong>e fromme Mutter Nannchen<br />

(Ferd<strong>in</strong>ande) besorgte den Haushalt. In<br />

den harten Nachkriegsjahren vier Söhne<br />

großzuziehen, bereitete den Eltern viel<br />

Kopfzerbrechen. In Herne fehlten Lebensmittel,<br />

man lebte karg, man hungerte. Und<br />

die Jungen auf die Höhere Schule schicken?<br />

Das Zeug dazu hatten sie, aber woher das<br />

Geld nehmen? Durch Vermittlung se<strong>in</strong>es<br />

Lehrers kam Heribert 1954 nach Abschluss<br />

der Volksschule <strong>in</strong>s Internat der <strong>Franziskaner</strong><br />

nach Attendorn. Den Anforderungen<br />

des Förderkurses waren nur wenige<br />

gewachsen, Heribert war e<strong>in</strong>er von ihnen.<br />

Nach e<strong>in</strong>em begeisternden Vortrag<br />

des <strong>Franziskaner</strong>s Ivo Heitkämper,<br />

der seit 1956 als <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong><br />

Maranhão und Piauí tätig war,<br />

baten vier junge Fratres, Heribert<br />

Rembecki, Adolf Temme, Gereon<br />

Bödeker und Friedrich Zillner, ihren<br />

Prov<strong>in</strong>zial, Pater Dietmar darum, sie<br />

schon zum Studium nach Brasilien<br />

gehen zu lassen. Widerstände fehlten<br />

nicht, man sprach von »K<strong>in</strong>derkreuzzug«<br />

… Schließlich legten sie<br />

am 28. April 1964 mit den anderen<br />

Fratres ihres Kurses die feierliche<br />

Profess ab und wurden knapp e<strong>in</strong>en<br />

Monat später, am 24. Mai, nach<br />

Brasilien ausgesandt. Dort studierten<br />

sie Theologie und wurden am<br />

17. Dezember 1966 <strong>in</strong> der Pfarr-<br />

und Klosterkirche São Francisco<br />

das Chagas <strong>in</strong> Bacabal zu Priestern<br />

geweiht. E<strong>in</strong>e Sensation im priesterarmen<br />

brasilianischen Bundesstaat<br />

Maranhão: gleich vier Neupriester!<br />

Heribert blieb <strong>in</strong> Bacabal, begann<br />

<strong>in</strong> der Stadtseelsorge zu arbeiten,<br />

zunächst als Kaplan, dann als Pfarrer.<br />

»Nebenbei« widmete er sich mit<br />

e<strong>in</strong>igen engagierten Laienlehrer<strong>in</strong>nen<br />

dem Ausbau der Pfarrschule, e<strong>in</strong>er<br />

Volksschule für K<strong>in</strong>der aus armen<br />

Familien im abgelegenen Vorort<br />

Ramal.<br />

1970 wurde Heribert zum ersten<br />

»Guardian«, das heißt zum Hausvorsteher,<br />

des Konvents <strong>in</strong> Bacabal<br />

ernannt. Er war der Jüngste im Haus,<br />

wurde aber ob se<strong>in</strong>es brüderlichen<br />

Führungsstils und se<strong>in</strong>er Fähigkeit,<br />

mit <strong>alle</strong>n auch über heikle Themen<br />

sprechen zu können, gut angenommen.<br />

1973 wurde er mit der Leitung<br />

der Pfarrei von Lago da Pedra beauftragt.<br />

Zehn Jahre lang war er dort<br />

wenig zu Hause und viel unterwegs<br />

im ausgedehnten Landes<strong>in</strong>neren,<br />

dem »Interior«. Ob mit dem Jeep,


auf Pferd oder Maultier oder zu<br />

Fuß: Heribert besuchte unermüdlich<br />

Basisgeme<strong>in</strong>den, spendete Sakramente,<br />

baute Geme<strong>in</strong>den auf, bildete<br />

Laien aus und ermutigte sie zu<br />

ihrem Dienst. Er sorgte sich mit dem<br />

Volk um Tr<strong>in</strong>kwasser, um Landvermessung,<br />

um Schulunterricht, Feld<br />

und Landbesitz. Und immer wieder<br />

setzte er sich für die Rechtlosen e<strong>in</strong>.<br />

Von 1983 bis 1995 und noch<br />

e<strong>in</strong>mal von 2001 bis 2007 war er<br />

der Obere der <strong>Franziskaner</strong> von<br />

Maranhão und Piauí, zunächst als<br />

Kustos und seit 1992 als Prov<strong>in</strong>zial<br />

– 18 Jahre lang. Im Bistum Bacabal<br />

war er sieben Jahre lang Generalvikar<br />

von Bischof Dom Pascásio<br />

Rettler; im Jahr 2006 wurde er<br />

Diözesanverwalter.<br />

Als »Chef« hat er den Führungsstil<br />

e<strong>in</strong>es Teamleiters, er ist e<strong>in</strong><br />

Mann des Dialogs. Se<strong>in</strong> phänomenales<br />

Gedächtnis für Zahlen,<br />

Ereignisse und Gesichter erreicht,<br />

dass Menschen egal welchen Alters<br />

oder welcher Herkunft sich bei ihm<br />

angenommen wissen. Auch bei der<br />

Wahrnehmung se<strong>in</strong>er Leitungsaufgaben<br />

hat er nie den Kontakt zur<br />

Basis und den Kontakt zu den e<strong>in</strong>fachen<br />

Menschen verloren, ebenso<br />

wenig wie zu se<strong>in</strong>en Freunden <strong>in</strong><br />

Deutschland.<br />

P. Heribert Rembecki mit se<strong>in</strong>en franziskanischen Brüdern aus Brasilien<br />

Das Liebl<strong>in</strong>gsmotto von Heribert<br />

lautet: »Paciência, paciência, no fi m<br />

dá tudo certo.« – »Geduld, Geduld,<br />

am Ende kommt <strong>alle</strong>s h<strong>in</strong>.« Er hat<br />

diesen Satz von se<strong>in</strong>em Freund und<br />

Vorgesetzten, Bischof Dom Pascásio<br />

Rettler gelernt. Beide haben dieses<br />

Wort <strong>in</strong> schier ausweglosen Situationen<br />

gebraucht, vor <strong>alle</strong>m <strong>in</strong> Zeiten<br />

der schlimmsten Landkonfl ikte. Sie<br />

haben damit Voreilige gebremst, Hoffnungslose<br />

ermutigt und Menschen <strong>in</strong><br />

Not Wege <strong>in</strong> die Zukunft gewiesen.<br />

Anfang 2010 trat Heribert se<strong>in</strong>e<br />

jüngste Stelle als Seelsorger der<br />

Geme<strong>in</strong>de Nossa Senhora de Gloria<br />

und als Guardian der <strong>Franziskaner</strong>geme<strong>in</strong>schaft<br />

von São Luís an. Was<br />

wird er dort tun? Das ist nicht schwer<br />

zu erraten: als Bruder und Priester<br />

weiterh<strong>in</strong> bei den Menschen se<strong>in</strong>,<br />

ihre Sorgen und Freuden teilen – und<br />

sich auch dort von se<strong>in</strong>em Motto<br />

leiten lassen: »Paciência, paciência,<br />

no fi m dá tudo certo.«<br />

P. Erich Löher ofm<br />

Pater Erich, langjähriger Mitstreiter von Pater<br />

Heribert, ist seit 1968 <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong> Brasilien<br />

und leitet <strong>in</strong> Bacabal/Maranhão den Schulverband<br />

CONASA, Colégio de Nossa Senhora<br />

dos Anjos, für K<strong>in</strong>der aus den Armenvierteln.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Geschäftsgespräch unter Freunden – P. Heribert Rembecki<br />

(rechts) mit Prov<strong>in</strong>zial Norbert Plogmann<br />

Wenn Pater Heribert am Anfang se<strong>in</strong>er<br />

missionarischen Tätigkeit auf dem Pferd<br />

zu den entlegenen Orten se<strong>in</strong>es Seelsorgegebietes<br />

gereist ist, hat er dort <strong>in</strong>nerhalb<br />

weniger Stunden die e<strong>in</strong>zige Messe des<br />

Jahres gefeiert, Taufen und Erstkommunion<br />

gespendet, Hochzeiten gehalten und Beichte<br />

gehört, Geburtsurkunden ausgestellt und<br />

Kirchenbücher geschrieben. Wie er auf<br />

se<strong>in</strong>en Reisen per Pferd ausgerüstet war,<br />

hat Pater Adolf Temme <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tagebuch<br />

e<strong>in</strong>es Wanderpredigers festgehalten, das<br />

1978 bei Adveniat erschienen ist. Pater Adolf<br />

Temme ist zusammen mit Heribert Rembecki<br />

<strong>in</strong> den <strong>Franziskaner</strong>orden e<strong>in</strong>getreten und<br />

hat zusammen mit ihm am 28. April 1964<br />

<strong>in</strong> Brasilien die Feierliche Profess abgelegt.<br />

Seitdem wirken beide dort als <strong>Mission</strong>are:<br />

»Das Packen ist e<strong>in</strong>e Kunst. Die Wäsche<br />

kommt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Plastikhülle und wird <strong>in</strong> den<br />

großen Maultierkoffern verpackt. Heribert<br />

hat e<strong>in</strong>en Platz für <strong>alle</strong>s: Kelch und Hostienschale,<br />

Kalender und Bücher, Messgewänder<br />

und Wäsche, Schuhwichszeug und Regenplanen.<br />

E<strong>in</strong> anderer Teil der Ausrüstung<br />

kommt <strong>in</strong> das Sattelpolster: das ist e<strong>in</strong>e<br />

zottige Decke mit großen Taschen an der<br />

Unterseite. Da h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> kommen Hängematte,<br />

Laken, Schlafanzug, Handtuch und<br />

zwei Stricke, <strong>alle</strong>s genau auf beide Seiten<br />

des Tieres verteilt. Nun fehlen nur noch<br />

Kle<strong>in</strong>igkeiten, die unterwegs zur Hand se<strong>in</strong><br />

müssen, zum Beispiel das Taschenmesser.<br />

Dafür ist die Gürteltasche da.«<br />

21


22<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

Der Mechaniker<br />

Bruder Bruno bekam jedes Auto wieder fl ott<br />

Der Toyota der <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Bacabal<br />

Br. Bruno Sabelek<br />

Die E<strong>in</strong>satzbereiche der <strong>Franziskaner</strong> s<strong>in</strong>d<br />

vielseitig. E<strong>in</strong>ige Brüder verrichten ihren<br />

Dienst <strong>in</strong> der Seelsorge, andere engagieren<br />

sich im sozialen Bereich. Sie <strong>alle</strong> s<strong>in</strong>d aber<br />

darauf angewiesen, dass sie die Ärmsten<br />

der Armen erreichen, diejenigen, für<br />

die sie da se<strong>in</strong> wollen. Mit Bruder Bruno<br />

Sabelek ofm an der Seite war dies für die<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Bacabal/Nordost-Brasilien<br />

nie e<strong>in</strong> Problem.<br />

Das ist er, unser lieber Bruder Bruno,<br />

mit se<strong>in</strong>em Blaumann <strong>in</strong> der Autowerkstatt<br />

<strong>in</strong> Bacabal, die er von 1957<br />

bis zu se<strong>in</strong>em Lebensende geleitet<br />

hat. Er war stets bereit, unsere Jeeps<br />

zu reparieren. Doch manchmal<br />

schimpfte er auch wie e<strong>in</strong> Rohrspatz,<br />

wenn mal wieder e<strong>in</strong>er mit e<strong>in</strong>em<br />

kaputten Jeep zur Werkstatt rollte.<br />

»Hast wieder e<strong>in</strong>mal den Ölwechsel<br />

nicht e<strong>in</strong>gehalten! Hast den Jeep <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e andere Werkstatt gebracht, wo<br />

sie viel gemexert haben.« (Anmerkung:<br />

er wollte sagen: »Wo sie viel<br />

herumgefummelt und schlecht<br />

gearbeitet haben.«) Doch schließlich<br />

kam das befreiende Wort: »Lass den<br />

Wagen mal hier stehen. Wir werden<br />

sehen, was wir machen können.«<br />

Und wenn der Jeep dann aus der<br />

Werkstatt von Bruder Bruno kam,<br />

dann hatte man die Sicherheit, dass<br />

<strong>alle</strong>s o.k. war.<br />

Wir <strong>alle</strong> schätzten unseren lieben<br />

Bruno sehr, denn immer, wenn ihm<br />

mitgeteilt wurde, dass e<strong>in</strong> Bruder<br />

e<strong>in</strong>en Unfall gebaut hatte, war se<strong>in</strong>e<br />

erste Frage immer: »Wie geht es dem<br />

Bruder? Ist er verletzt? Ist ihm etwas<br />

zugestoßen? Den Wagen bekommen<br />

wir wieder h<strong>in</strong>.«<br />

Am 15. Januar dieses Jahres hat ihn<br />

der Herrgott <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e große Werkstatt<br />

der Herrlichkeit gerufen. Er schenke<br />

ihm den verdienten Frieden für die<br />

vielen und oft schwierigen Reparaturen<br />

an unseren Jeeps.<br />

Bruno, denke an uns, wenn wieder<br />

mal e<strong>in</strong> Bruder zu fest aufs Gaspedal<br />

drückt!<br />

P. Heribert Rembecki ofm<br />

Pater Heribert ist seit 1964 als <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong><br />

Brasilien und hat viele Jahre mit Bruder Bruno<br />

im Konvent von Bacabal zusammengelebt.


Der Arzt<br />

Bruder Klaus heilt Leib und Seele<br />

Schon bald nachdem Bruder Klaus F<strong>in</strong>kam<br />

begann, als junger Arzt und <strong>Franziskaner</strong><br />

im armen Nordosten Brasiliens zu arbeiten,<br />

berichtete er unserem Dritte-<strong>Welt</strong>-Laden<br />

<strong>in</strong> Erftstadt-Lechenich ausführlich über<br />

die Probleme der Gesundheitsvorsorge<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em neuen E<strong>in</strong>satzgebiet. Hohe<br />

K<strong>in</strong>dersterblichkeit, Arbeitslosigkeit,<br />

fehlende Bildung, massive Landprobleme<br />

und langanhaltende Dürreperioden: All das<br />

waren Themen, die immer wieder <strong>in</strong> den<br />

Briefen von Bruder Klaus auftauchten. Auf<br />

e<strong>in</strong>mal wurden für uns Schlagworte wie<br />

»Option für die Armen« oder »Theologie<br />

der Befreiung« sehr konkret. Wir fi ngen an<br />

darüber nachzudenken, was die Armut der<br />

Menschen auf der Südhalbkugel mit dem<br />

Reichtum bei uns zu tun hat. Unser Wohlstand<br />

auf Kosten der Ärmsten? Das war nur<br />

schwer auszuhalten. Wir wollten versuchen<br />

an e<strong>in</strong>er gerechteren <strong>Welt</strong> mitzubauen. So<br />

fi ngen wir an, die Brücke von Erftstadt-<br />

Lechenich nach Bacabal zu errichten, wo<br />

Bruder Klaus wirkte.<br />

E<strong>in</strong>e Brücke zu bauen heißt, im Nichts<br />

e<strong>in</strong>en festen Punkt zu schaffen. Dieser<br />

feste Punkt und Ansprechpartner war<br />

und ist für uns über all die Jahre Bruder<br />

Klaus. In den vergangenen Jahren<br />

richtete er unterschiedliche Unterstützungswünsche<br />

an uns:<br />

»Wir benötigen Wasserfi lter für<br />

sauberes und gesundes Wasser,<br />

damit die Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der nicht an<br />

der schlechten Qualität des<br />

Wassers sterben.«<br />

»Es fehlen Waagen, um e<strong>in</strong>e<br />

Gewichtskontrolle der Neugeborenen<br />

durchzuführen.«<br />

»Wir brauchen Spenden, um<br />

Frauen zu Gesundheitshelfer<strong>in</strong>nen<br />

auszubilden, damit sie<br />

als Ansprechpartner<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

den Basisgeme<strong>in</strong>den arbeiten<br />

können; außerdem sollen sie<br />

<strong>in</strong> Ernährungslehre geschult<br />

werden und dabei zum Beispiel<br />

lernen, welche Heilkräuter sie<br />

nutzen und welche Arzneien<br />

sie daraus selbst herstellen<br />

können.«<br />

Frei Klaus F<strong>in</strong>kam<br />

»Junge Männer sollen zu<br />

Agrartechnikern ausgebildet<br />

werden, und es müssen<br />

Familien-Landwirtschaftsschulen<br />

vor Ort gegründet werden.«<br />

Durch unsere Spenden trugen wir<br />

dazu bei, dass Basisprojekte Wirklichkeit<br />

werden konnten, die den<br />

Menschen im Nordosten Brasiliens<br />

helfen, ihre Grundbedürfnisse zu<br />

befriedigen. Das heißt, dass sie unter<br />

menschenwürdigen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

wohnen, dass sie ausreichend und<br />

gut zu essen haben, dass sie die<br />

nötige mediz<strong>in</strong>ische Versorgung<br />

erhalten. Wir wurden Zeugen, wie<br />

<strong>in</strong> den Basisgeme<strong>in</strong>den immer mehr<br />

Menschen befähigt wurden, ihre<br />

Probleme zu erkennen und selbst <strong>in</strong><br />

die Hand zu nehmen. Bruder Klaus<br />

hat die besondere Gabe, Menschen<br />

mit ihren Talenten zu entdecken,<br />

diese zu fördern und zu fordern. Er<br />

selbst bildete sich im Bereich der<br />

Alternativmediz<strong>in</strong> zum Fastenarzt<br />

und zum Experten <strong>in</strong> Ayurveda<br />

weiter.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Bei den Patientenkursen, die Bruder<br />

Klaus <strong>in</strong> Brasilien anbietet, lernen die<br />

Menschen nicht nur, Verantwortung<br />

für ihren Körper zu übernehmen. Mit<br />

der Frage nach dem körperlichen Heil<br />

verb<strong>in</strong>det er auch die Frage nach dem<br />

Glauben und dem Seelenheil. Es geht<br />

um ganzheitliche Heils-Erfahrung: des<br />

Körpers, des Geistes und der Seele.<br />

Davon können auch wir <strong>in</strong><br />

Deutschland noch e<strong>in</strong>e ganze Menge<br />

lernen. Vielleicht sollten wir zur<br />

Abwechslung e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Anfrage an<br />

Bruder Klaus richten: »Wann startet<br />

e<strong>in</strong> Gesundheitskurs für Brasilianer<br />

und Deutsche <strong>in</strong> Teres<strong>in</strong>a?«<br />

Wir s<strong>in</strong>d froh und dankbar, dass<br />

wir seit über 25 Jahren geme<strong>in</strong>sam<br />

mit Bruder Klaus an der Brücke des<br />

Mite<strong>in</strong>anders für e<strong>in</strong>e gerechte und<br />

gesunde <strong>Welt</strong> mitarbeiten dürfen.<br />

Helga Berbuir<br />

Helga Berbuir ist Mitarbeiter<strong>in</strong> des Arbeitskreises<br />

Dritte-<strong>Welt</strong>-Laden Lechenich.<br />

23


24<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

Der Wissenschaftler<br />

Pater Theobald übersetzte die Bibel <strong>in</strong>s Ch<strong>in</strong>esische<br />

Pater Theobald Diederich wurde am<br />

31. Januar 1911 <strong>in</strong> Ershausen (Eichsfeld)<br />

geboren. Früh verspürte er den Wunsch,<br />

Priester und <strong>Mission</strong>ar im <strong>Franziskaner</strong>orden<br />

zu werden. So trat er 1923 <strong>in</strong> das<br />

<strong>Mission</strong>skolleg »Sankt Ludwig« der Prov<strong>in</strong>z<br />

Saxonia <strong>in</strong> Vlodrop (NL) e<strong>in</strong>. Die damals<br />

siebenjährige Gymnasialzeit beschloss<br />

er 1930. Am 30. März 1930 erhielt er im<br />

Kloster Warendorf se<strong>in</strong> Ordens gewand,<br />

den Habit. Das Noviziat endete am<br />

31. März 1931. Am 9. August 1936 wurde<br />

er <strong>in</strong> Paderborn zum Priester geweiht.<br />

Theobald hatte sich bereits <strong>in</strong> Sankt<br />

Ludwig <strong>in</strong>tensiv mit dem Gedanken<br />

beschäftigt, <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a zu wirken.<br />

Auch während des Studiums bis zur<br />

Priesterweihe hält er diesen Wunsch<br />

lebendig. Er richtet mehrere Briefe an<br />

den Prov<strong>in</strong>zial, <strong>in</strong> denen er nachdrücklich<br />

se<strong>in</strong>e Überzeugung darlegt,<br />

er sei zum <strong>Mission</strong>ar im Fernen<br />

Osten berufen. So am 4. Juli 1936:<br />

»Was mich persönlich angeht, so<br />

glaube ich, Ihnen versichern zu<br />

können, dass ich mir voll und ganz<br />

über me<strong>in</strong>en Beruf zum <strong>Mission</strong>ar<br />

klar b<strong>in</strong>.« Am 30. August 1936<br />

äußert er die Überzeugung, dass<br />

großzügiges missionarisches Engagement<br />

der Saxonia – »wie im vorigen<br />

Jahrhundert <strong>in</strong> Nord- und Südamerika<br />

bewiesen« – immer e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere<br />

»Kraftquelle« für die Prov<strong>in</strong>z bleiben<br />

werde. »Aus diesen Gedanken heraus<br />

möchte ich Sie ... nochmals <strong>in</strong>ständig<br />

um die Aussendung <strong>in</strong> die <strong>Mission</strong><br />

bitten.«<br />

Studium <strong>in</strong> Rom<br />

Im September 1937 ist Theobald<br />

<strong>in</strong> Rom: Er soll e<strong>in</strong> biblisches Fachstudium<br />

absolvieren, um <strong>in</strong> der<br />

Priesterausbildung am Regionalsem<strong>in</strong>ar<br />

<strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>anfu (Shantung) e<strong>in</strong>en<br />

qualifi zierten Part zu übernehmen.<br />

Der Prov<strong>in</strong>zial ist der Me<strong>in</strong>ung, es<br />

käme für die Lehrtätigkeit <strong>in</strong> der<br />

<strong>Mission</strong> mehr auf e<strong>in</strong> gutes »theologisches<br />

Allgeme<strong>in</strong>wissen als auf<br />

P. Theobald Diederich bei se<strong>in</strong>en Studien<br />

Spezialistentum« an. So studiert<br />

Theobald anstatt am Biblicum der<br />

Jesuiten an der franziskanischen<br />

Ordenshochschule Antonianum<br />

mit ihren etwas bescheideneren<br />

akademischen Möglichkeiten.<br />

Am 12. Juli 1938 legt er das<br />

Lizenziatsexamen ab.<br />

Das Promotionszeugnis vom<br />

10. Januar 1941 erklärt ihn »summa<br />

cum laude« zum »doctor theologiae«.<br />

Pater General Bello entsendet<br />

ihn umgehend <strong>in</strong> das Apostolische<br />

Vikariat Ts<strong>in</strong>anfu (13. Januar 1941).<br />

Die schriftliche Arbeit wird später <strong>in</strong><br />

Ch<strong>in</strong>a gedruckt: Theobald Diederich,<br />

Das prophetische Berufsbewusstse<strong>in</strong><br />

des Jeremias. Biblisch-theologische<br />

Erörterung, Ts<strong>in</strong>anfu (<strong>Mission</strong>sdruckerei),<br />

1942. VIII, 161 S.<br />

(Rom, Univ. Diss. [s. Antonio], 1941.<br />

Ankunft <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

Über die USA reist Theobald per<br />

Schiff nach Ch<strong>in</strong>a. Aus San Francisco<br />

kommend trifft er am 31. Mai 1940<br />

<strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>gtau e<strong>in</strong>. Umgehend beg<strong>in</strong>nt<br />

er <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> zweijähriges Sprachstudium.<br />

Pater Theobald ist zunächst<br />

Seelsorger, dann aber startet se<strong>in</strong><br />

langjähriger Dienst als Dozent und<br />

Erzieher (»Submagister und Lektor«)<br />

im Großen Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Hungkialu,<br />

dem Zentralkloster der damaligen<br />

<strong>Mission</strong> der Saxonia.


Flucht vor den Kommunisten<br />

1948, als der Marsch der Kommunisten<br />

an die Macht dem Höhepunkt zustrebt,<br />

heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bericht des Regionaloberen:<br />

»Von unseren drei Konventen<br />

ist nur e<strong>in</strong>er unberührt geblieben:<br />

Hungkialu.« Durch die Flucht vor<br />

den neuen Machthabern wird es<br />

unruhig: »Der Konvent ist vollgestopft<br />

mit <strong>Mission</strong>aren, die von <strong>alle</strong>n Seiten<br />

zusammengeströmt s<strong>in</strong>d ... Täglich<br />

zählen wir rund 70 Mitbrüder zu<br />

Tisch ... Bis jetzt hat Gott uns hier<br />

treu beschützt, obwohl Gefahren und<br />

Ängste mehrfach bis Hungkialu vordrangen.«<br />

Im Jahr 1950 wird lakonisch<br />

berichtet: »Unsere Ordensherrschaft<br />

ist bis auf e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil auch von<br />

den Behörden beschlagnahmt, ebenso<br />

die beiden Sem<strong>in</strong>are ... Das Große<br />

Sem<strong>in</strong>ar wird von Ts<strong>in</strong>an nach Hankow<br />

und dann nach Macao verlegt, wo<br />

unter der Leitung von Pater Theobald<br />

ca. 70 Sem<strong>in</strong>aristen aus drei verschiedenen<br />

Zentralsem<strong>in</strong>aren studieren.«<br />

Dieser »Marsch quer durch Ch<strong>in</strong>a«,<br />

der die Studierenden und damit die<br />

Zukunft der franziskanischen <strong>Mission</strong> <strong>in</strong><br />

Ch<strong>in</strong>a sichern soll, ist e<strong>in</strong>e bemerkenswerte<br />

Leistung von Pater Theobald.<br />

Umzug nach Hongkong<br />

Das provisorische Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Macao<br />

schließt 1954, weil die Ordensleitung<br />

die Zukunft der Ch<strong>in</strong>amission fortan<br />

<strong>in</strong> Hongkong und Taiwan sieht. Pater<br />

Theobald gliedert sich somit <strong>in</strong> das<br />

»Studium Biblicum Franciscanum«<br />

e<strong>in</strong>, das <strong>in</strong>zwischen von Pek<strong>in</strong>g <strong>in</strong><br />

die damalige Kronkolonie Hongkong<br />

übersiedelte.<br />

Während auf dem ch<strong>in</strong>esischen<br />

Kont<strong>in</strong>ent die eigentliche <strong>Mission</strong>sarbeit<br />

praktisch zum Erliegen kommt, kann<br />

Pater Theobald auf neue Weise für die<br />

Kirche <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a arbeiten: Von 1953<br />

bis 1978 ist er Mitarbeiter am Studium<br />

Biblicum der <strong>Franziskaner</strong>, das Pater<br />

Gabriele Allegra <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g begründet<br />

und dann nach Hongkong verlagert<br />

hatte. Dieses Bibel<strong>in</strong>stitut hat e<strong>in</strong>e<br />

Übersetzung der gesamten Bibel <strong>in</strong>s<br />

Ch<strong>in</strong>esische erstellt, die bis heute e<strong>in</strong>e<br />

der wichtigsten <strong>in</strong> Festlandch<strong>in</strong>a ist.<br />

Pater Theobald ist glücklich, durch die<br />

Arbeit an der ch<strong>in</strong>esischen Bibel weiter<br />

<strong>Mission</strong>ar für Ch<strong>in</strong>a se<strong>in</strong> zu können. Ab<br />

1978 fi nden wir Pater Theobald nicht<br />

mehr im Team des Biblicum, sondern <strong>in</strong><br />

verschiedenen Diensten der Seelsorge,<br />

der Mitverantwortung für die Prov<strong>in</strong>z<br />

und den Orden, so <strong>in</strong> S<strong>in</strong>gapur, Taiwan<br />

und <strong>in</strong> Kowloon (Hongkong).<br />

Im Laufe des Jahres 1983 kann<br />

er dann aber nochmals <strong>in</strong>s Biblicum<br />

zurückkehren. Er wird wieder Erzieher<br />

(»Klerikermagister«), da fortan e<strong>in</strong>ige<br />

Studierendene der Prov<strong>in</strong>z von Taiwan<br />

<strong>in</strong> Hongkong ausgebildet werden. Er<br />

macht sich wieder e<strong>in</strong>mal guten Mutes<br />

an e<strong>in</strong>e neue Aufgabe.<br />

Rückkehr aufs Festland<br />

Im Sommer 1988 wagt er e<strong>in</strong>e erste<br />

Rückkehr aufs Festland, nach Shantung,<br />

<strong>in</strong>s unvergessene Hungkialu. Dem<br />

folgt im Mai/Juni 1989 e<strong>in</strong>e zweite<br />

Erkundungsreise <strong>in</strong> das ehemalige<br />

<strong>Mission</strong>sgebiet der Saxonia, bei der<br />

ihn der <strong>Mission</strong>ssekretär Re<strong>in</strong>hard<br />

Kellerhoff und Generaldefi nitor<br />

Hermann Schalück begleiten. Der<br />

glückliche Abschluss dieser Reise,<br />

nach sehr unruhigen Tagen <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g<br />

und Shanghai, ist nach Überzeugung<br />

von Pater Theobald der Intervention<br />

von Bruder Jordan zu verdanken.<br />

Letzte Station Deutschland<br />

Anfang 1995 kehrt Theobald nach<br />

Deutschland zurück. Aber auch auf<br />

den letzten drei Stationen se<strong>in</strong>es Lebens<br />

– Wiedenbrück, Warendorf und Dortmund<br />

– bleibt er immer <strong>in</strong> Kontakt mit<br />

den Entwicklungen <strong>in</strong> der ch<strong>in</strong>esischen<br />

Gesellschaft und Kirche. Mitbrüder aus<br />

Taiwan, Hongkong und Festlandch<strong>in</strong>a<br />

halten bis zum Ende zu ihm Kontakt,<br />

so zum Beispiel der jetzige Erzbischof<br />

von Hongkong, John Tong.<br />

Die Lebensarbeit und das Lebenszeugnis<br />

Theobalds werden fruchtbar<br />

bleiben für die Kirche und den Orden<br />

<strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a. Und möge auch se<strong>in</strong>e Überzeugung<br />

aus dem Jahr 1936 unter den<br />

jetzigen Voraussetzungen wahr bleiben:<br />

<strong>Mission</strong> ist die »Kraftquelle« e<strong>in</strong>er<br />

franziskanischen Prov<strong>in</strong>z.<br />

P. Hermann Schalück ofm<br />

Pater Hermann lebt als Autor im <strong>Franziskaner</strong>kloster<br />

München. Von 1991 bis 1997 stand<br />

er dem <strong>Franziskaner</strong>orden als Generalm<strong>in</strong>ister<br />

vor. Von 1998 bis 2008 war er Präsident des<br />

Internationalen Katholischen <strong>Mission</strong>swerkes<br />

missio <strong>in</strong> Aachen.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Ch<strong>in</strong>esischer Segensspruch<br />

25


26<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

In Deutschland muss es schön se<strong>in</strong><br />

Christse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Taiwan<br />

Im Jahr 1953 nahmen die ersten Brüder der<br />

Kölnischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Colonia ihre<br />

<strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Taiwan auf. 1981 besuchte sie<br />

der damalige Prov<strong>in</strong>zial ihrer Heimatprov<strong>in</strong>z,<br />

Pater Herbert Schneider. Der folgende Auszug<br />

aus se<strong>in</strong>en Aufzeichnungen hält e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>drücke fest.<br />

Stets ist es e<strong>in</strong> Wagnis, über e<strong>in</strong> Land<br />

und se<strong>in</strong>e Menschen zu schreiben,<br />

die man nur kurz besucht hat. E<strong>in</strong><br />

Mitbruder sagte mir, man müsse<br />

sicherlich zehn Jahre unter Ch<strong>in</strong>esen<br />

leben, um e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igermaßen gediegenes<br />

Verständnis aufzubr<strong>in</strong>gen. Daher gibt<br />

me<strong>in</strong> Bericht auch nur E<strong>in</strong>drücke<br />

wieder, die vor <strong>alle</strong>m e<strong>in</strong> wenig Aufschluss<br />

geben wollen über die Arbeit<br />

unserer Mitbrüder <strong>in</strong> der <strong>Mission</strong> auf<br />

Formosa (Anmerkung der Redaktion:<br />

frühere Bezeichnung Taiwans).<br />

Hausgottesdienst <strong>in</strong> Dungshan<br />

Nach dem Abendessen nimmt Pater<br />

Alban mich mit zu e<strong>in</strong>em Hausgottesdienst<br />

im Dorf Dungshan. Das Haus<br />

befi ndet sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er langen Geschäftsstraße,<br />

wie es <strong>in</strong> ch<strong>in</strong>esischen Dörfern<br />

und Städten üblich ist. Vor mehreren<br />

Jahren richtete e<strong>in</strong> Erdbeben starke<br />

Schäden an. Nun s<strong>in</strong>d die Gebäude,<br />

fast <strong>alle</strong> mit überbautem Bürgersteig,<br />

neu aufgebaut.<br />

Zimmer h<strong>in</strong>ter dem Zimmer<br />

An der Straße werden wir schon<br />

von e<strong>in</strong>igen Christen erwartet und<br />

freundlich begrüßt. Wir betreten mit<br />

ihnen den ersten Raum. Auf der e<strong>in</strong>en<br />

Seite befi nden sich Säcke mit Reis,<br />

auf der anderen Seite steht e<strong>in</strong> langer<br />

Tisch mit Hockern. Wir gehen durch<br />

diesen Raum h<strong>in</strong>durch <strong>in</strong> e<strong>in</strong> zweites<br />

Zimmer, das offenbar als Küche gedacht<br />

ist. Wir durchlaufen e<strong>in</strong>en dritten<br />

Bereich, der mit Schränken ausgestattet<br />

ist, und gelangen schließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

vierten Raum, <strong>in</strong> dem mir zunächst e<strong>in</strong><br />

Holz- und e<strong>in</strong> Kühlschrank auff<strong>alle</strong>n. In<br />

diesem Zimmer, an das sich m<strong>in</strong>destens<br />

noch e<strong>in</strong> weiteres anschließt, befi ndet<br />

sich e<strong>in</strong> Wandaltar. Über ihm hängt e<strong>in</strong><br />

P. Erich Jansen mit K<strong>in</strong>dern beim Katechismus-Unterricht <strong>in</strong> Ta<strong>in</strong>anhsien<br />

Bild mit der Darstellung der Heiligen<br />

Dreifaltigkeit, die die heilige Familie<br />

beschützt. An e<strong>in</strong>em viereckigen Tisch<br />

vor dem Wandaltar feiern wir die<br />

heilige Messe. Rechts und l<strong>in</strong>ks von<br />

uns stapelt sich e<strong>in</strong>e Unzahl verschiedener<br />

Gegenstände.<br />

Der Gottesdienst<br />

Pater Alban, der sich auf die ch<strong>in</strong>esische<br />

Lebensart gut versteht, macht<br />

mir um 19 Uhr klar, dass jetzt zwar<br />

der Gottesdienst beg<strong>in</strong>nen sollte, wir<br />

aber noch warten müssten, bis <strong>alle</strong> da<br />

seien. So unterhalten wir uns weiter<br />

zwanglos mit den Leuten, die schon<br />

e<strong>in</strong>getroffen s<strong>in</strong>d. Nach etwa e<strong>in</strong>er<br />

Viertelstunde ist es soweit. Rund zehn<br />

Christen s<strong>in</strong>d anwesend, alte, »mittelalterliche«<br />

und drei größere K<strong>in</strong>der.<br />

Die Messe kann beg<strong>in</strong>nen.<br />

Messe und Abendmahl<br />

Die Atmosphäre ist sehr freundlich,<br />

wohlwollend und unkompliziert. Der<br />

Hausherr kommt und begrüßt uns. Er<br />

ist, anders als se<strong>in</strong>e Frau, selbst ke<strong>in</strong><br />

Christ. Der Katechist hat die Messe<br />

vorbereitet. Pater Alban zieht sich an,<br />

während e<strong>in</strong> Christ Liedtexte verteilt.<br />

Die Gläubigen s<strong>in</strong>gen und beten so<br />

eifrig und lautstark mit, dass der<br />

Gottesdienst sicher auch noch gut<br />

auf der Straße zu hören ist.<br />

Me<strong>in</strong> Gefühl: Hier wird die Situation<br />

der Urchristen lebendig. Die wenigen<br />

Christen, die es gibt, versammeln sich<br />

mit dem Priester um den Herrn. Nach<br />

dem Gottesdienst geht die Feier <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

freundschaftliches Abendessen über:<br />

Es wird ch<strong>in</strong>esischer Tee gereicht,<br />

dazu gibt es Erdnüsse und e<strong>in</strong>en Teller<br />

mit e<strong>in</strong>er ch<strong>in</strong>esischen Baumfrucht,<br />

die Ähnlichkeit mit Birnen hat.<br />

E<strong>in</strong>e Christ<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t, <strong>in</strong> Deutschland<br />

müsse es schön se<strong>in</strong>: mit so vielen<br />

Christen! Ich erwidere ihr, überall<br />

sei Gottes Erde, und überall müssten<br />

wir uns fest an Christus halten. Das<br />

wünsche ich den Menschen <strong>in</strong> Taiwan:<br />

dass sie ihren Glauben bewahren und<br />

an die kommenden Generationen<br />

weitergeben, auch wenn sie zahlenmäßig<br />

e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit s<strong>in</strong>d.<br />

P. Herbert Schneider ofm<br />

Pater Herbert war von 1980 bis 1989<br />

Prov<strong>in</strong>zial der Kölnischen Ordensprov<strong>in</strong>z<br />

der <strong>Franziskaner</strong> und von 1986 bis 1989<br />

Vorsitzender der Vere<strong>in</strong>igung Deutscher<br />

Ordensoberen (VDO).<br />

Auszug aus: Heribert Schneider ofm.<br />

E<strong>in</strong>drücke und Gedanken beim Besuch<br />

unserer <strong>Mission</strong> auf Formosa. In:<br />

Rhenania Franciscana. Familienblatt<br />

der Kölnischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />

von den Heiligen Drei Königen.<br />

34. Jahrgang, Juni 1981.


<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Zwischen Tradition und Moderne<br />

<strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Japan<br />

Japan ist e<strong>in</strong> Phänomen: E<strong>in</strong>erseits blieben<br />

Zehntausende japanische Christ<strong>in</strong>nen und<br />

Christen ihrem Glauben über 300 Jahre<br />

h<strong>in</strong>weg – <strong>in</strong> Zeiten blutiger Verfolgung – treu.<br />

Andererseits bekennt sich heute, 100 Jahre<br />

nachdem die <strong>Mission</strong> neu e<strong>in</strong>setzte, weniger<br />

als e<strong>in</strong> Prozent der Bevölkerung zum Christentum.<br />

450 Jahre Christentum <strong>in</strong> Japan – e<strong>in</strong>e<br />

wechselvolle Geschichte.<br />

Bereits Mitte des 16. Jahrhunderts<br />

trafen spanische Jesuiten als die ersten<br />

christlichen <strong>Mission</strong>are <strong>in</strong> Japan e<strong>in</strong> und<br />

erzielten anfangs große Erfolge. Nach<br />

weniger als 50 Jahren hatten sich bereits<br />

mehr als 200.000 Menschen taufen<br />

lassen. Dann kam es im Jahr 1596 zu<br />

e<strong>in</strong>em folgenschweren Zwischen fall.<br />

E<strong>in</strong> spanisches Schiff strandete vor der<br />

Küste. Der Kapitän befürchtete die Plünderung<br />

se<strong>in</strong>er Ladung und drohte damit,<br />

die spanische Armee zu rufen. Aus<br />

Angst vor imperialer Vere<strong>in</strong>nahmung<br />

ließ der Shogun daraufh<strong>in</strong> die ersten<br />

26 Christen h<strong>in</strong>richten: sechs spanische<br />

<strong>Franziskaner</strong>, drei japanische Jesuiten,<br />

zwölf e<strong>in</strong>heimische Katecheten mit<br />

zwei ihrer Mitarbeiter und drei Jugendliche<br />

zwischen 12 und 15 Jahren.<br />

Kle<strong>in</strong>e Gruppe, große Präsenz<br />

300 Jahre hielt daraufh<strong>in</strong> die Christenverfolgung<br />

<strong>in</strong> Japan an. Erst im Jahr<br />

1906 nahm die <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />

Thur<strong>in</strong>gia durch Pater Wenzeslaus<br />

K<strong>in</strong>old die <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> dem pazifi schen<br />

Inselstaat wieder auf. Seitdem haben<br />

die <strong>Franziskaner</strong> dort zahlreiche<br />

Schulen, K<strong>in</strong>dergärten, Krankenhäuser<br />

und Armenküchen e<strong>in</strong>gerichtet. Sie<br />

kümmern sich um arme, alte und<br />

beh<strong>in</strong>derte Menschen sowie um die<br />

sogenannten »Unberührbaren«. Das<br />

soziale Engagement der <strong>Franziskaner</strong><br />

trägt dazu bei, dass die Christen <strong>in</strong><br />

Japan im öffentlichen Bewusstse<strong>in</strong><br />

präsenter s<strong>in</strong>d als die Anzahl der<br />

Getauften vermuten ließe.<br />

Heute leben <strong>in</strong> Japan rund<br />

450.000 Katholik<strong>in</strong>nen und Katholiken,<br />

das s<strong>in</strong>d 0,3 Prozent der Bevölkerung.<br />

Die meisten von ihnen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e<br />

Pater Manfred Friedrich bei der Messe <strong>in</strong> Japan<br />

Japaner, sondern Fremdarbeiter<br />

aus Südamerika, Korea und den<br />

Philipp<strong>in</strong>en, die aus wirtschaftlichen<br />

Gründen <strong>in</strong> Japan s<strong>in</strong>d. Zuweilen<br />

kommt es <strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>den dadurch<br />

zu Spannungen. Während sich viele<br />

europäische Ordensleute über die<br />

südamerikanische Vitalität und die<br />

philipp<strong>in</strong>ische Gefühlstiefe freuen, die<br />

die neuen Geme<strong>in</strong>demitglieder mit <strong>in</strong><br />

den Gottesdienst e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, sehen<br />

e<strong>in</strong>heimische Geme<strong>in</strong>demitglieder ihre<br />

sehr nüchterne Liturgie durch den<br />

fremden E<strong>in</strong>fl uss bedroht. Das stellt<br />

die Kirche <strong>in</strong> Japan vor ganz besondere<br />

pastorale Herausforderungen.<br />

Zukunftsprognosen<br />

Wie wird es weitergehen mit dem<br />

Christentum <strong>in</strong> Japan? Pater Helmut<br />

Schlegel antwortet auf diese Frage:<br />

»Der japanische Katholizismus lebt<br />

von Vorbildern. Von starken Persönlichkeiten.<br />

An ihrer moralischen<br />

Integrität, gläubigen Lebensfreude<br />

und solidarischen Nächstenliebe<br />

ist der ›Mehrwert‹ des christlichen<br />

Glaubens ablesbar. Was zählen wird,<br />

ist das überzeugende Lebensmodell<br />

derer, die sich für Christus entscheiden.<br />

Im postchristlichen Europa wird<br />

es nicht anders se<strong>in</strong>.«<br />

Anke Chávez<br />

Quellen:<br />

Thür<strong>in</strong>gische <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z von<br />

der heiligen Elisabeth (Hg.): Von Fulda<br />

nach Hokkaido. 100 Jahre Japan-<strong>Mission</strong><br />

der Thür<strong>in</strong>gischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />

(1907–2007). me<strong>in</strong>hardt, Idste<strong>in</strong> 2007.<br />

Zu den Menschen gesandt. Ausstellungskatalog<br />

der Thür<strong>in</strong>gischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />

zum missionarischen Wirken der <strong>Franziskaner</strong>,<br />

me<strong>in</strong>hardt, Idste<strong>in</strong> 2005.<br />

27


28<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

Neue Perspektiven für<br />

Häftl<strong>in</strong>ge und Prostituierte<br />

<strong>Franziskaner</strong>mission <strong>in</strong> Westafrika<br />

Übergabe von Nähmasch<strong>in</strong>en und Trockenhauben für den berufl ichen Neustart: Br. Richard Dzierzenga<br />

(rechts) und Sr. Pascal<strong>in</strong>e (Mitte) mit Teilnehmer<strong>in</strong> des Re<strong>in</strong>tegrationsprojektes<br />

Die westafrikanische <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />

umfasst vier Länder: die Elfenbe<strong>in</strong>küste,<br />

Burk<strong>in</strong>a Faso, Togo und Ben<strong>in</strong>. In<br />

diesen vier Staaten leben <strong>in</strong>sgesamt<br />

rund 41 Millionen Menschen auf e<strong>in</strong>er<br />

Fläche, die etwa doppelt so groß ist wie<br />

die Bundesrepublik Deutschland. Nach<br />

dem UN-Entwicklungs<strong>in</strong>dex zählen sie<br />

<strong>alle</strong> zu den ärmsten und am wenigsten<br />

entwickelten Ländern <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong>.<br />

Zwei Projekte stehen für den<br />

franzis kanischen Dienst <strong>in</strong> der westafrikanischen<br />

Prov<strong>in</strong>z: e<strong>in</strong> Gefängnisprojekt<br />

und e<strong>in</strong> Projekt für Frauen, die<br />

ihren Lebensunterhalt auf der Straße<br />

verdienen.<br />

Das Projekt für Strafgefangene<br />

In Westafrika kann es genügen, sich an<br />

e<strong>in</strong>er Demonstration gegen den Anstieg<br />

der Lebenshaltungskosten zu beteiligen,<br />

um im Gefängnis zu landen. Die Haftbed<strong>in</strong>gungen<br />

liegen weit unter dem<br />

<strong>in</strong>ternationalen Standard, sowohl, was die<br />

Behandlung der Insassen als auch, was die<br />

hygienischen Verhältnisse der Haftanstalten<br />

angeht. Auch K<strong>in</strong>der und Jugendliche<br />

stranden oft wegen Armutsdelikten wie<br />

Diebstahl im Gefängnis. Sie werden weder<br />

gesondert behandelt noch separat untergebracht.<br />

Erwachsene wie K<strong>in</strong>der warten<br />

oft monate- oder jahrelang auf ihren Prozess.<br />

Viele sterben an Krankheiten, die sie<br />

sich durch die katastrophalen hygienischen<br />

Verhältnisse zuziehen. Gewaltanwendung<br />

und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte<br />

haben ke<strong>in</strong>erlei strafrechtliche<br />

Konsequenzen.<br />

Die <strong>Franziskaner</strong> engagieren sich seit<br />

20 Jahren im Staatsgefängnis von Abidjan<br />

<strong>in</strong> der ehemaligen Hauptstadt der Elfenbe<strong>in</strong>küste.<br />

Dort begleiten sie die rund<br />

5.400 Gefangenen, feiern mit ihnen<br />

Gottesdienst, begleiten sie seelsorgerisch<br />

und bereiten sie auf die Zeit nach ihrer<br />

Entlassung vor. E<strong>in</strong>e Schre<strong>in</strong>erei, e<strong>in</strong>e<br />

Hühnerfarm und e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Schule helfen<br />

den Gefangenen, nach ihrer Haft wieder<br />

e<strong>in</strong>en Beruf zu fi nden und <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />

Fuß zu fassen.<br />

Das Projekt für Prostituierte<br />

In Lomé, der Hauptstadt Togos, fi ndet<br />

sich dieses Projekt. Lomé ist Hauptziel<br />

der jungen Leute, die auf dem Land ke<strong>in</strong>e<br />

Zukunft sehen und <strong>in</strong> der Stadt Arbeit<br />

suchen – häufi g ohne Erfolg. Nicht wenige<br />

der jungen Frauen vom Land geraten <strong>in</strong><br />

die Prostitution. Schwester Pascal<strong>in</strong>e,<br />

selbst Togoles<strong>in</strong>, startete e<strong>in</strong> Hilfsprogramm<br />

für diese Frauen. Der <strong>Franziskaner</strong><br />

Richard Dzierzenga wurde auf das Projekt<br />

aufmerksam. Mit se<strong>in</strong>er Hilfe entstand<br />

e<strong>in</strong> Team, zu dem auch e<strong>in</strong> Arzt und e<strong>in</strong><br />

Rechtsanwalt gehören. In e<strong>in</strong>er gemieteten<br />

Wohnung können die jungen Frauen<br />

sich jetzt tagsüber treffen und an e<strong>in</strong>em<br />

Alphabetisierungs- und Sprachprogramm<br />

teilnehmen. Handwerkliche Fortbildungen<br />

mit qualifi zierten Abschlüssen helfen<br />

ihnen, sich später ihren Lebensunterhalt zu<br />

verdienen. Die Frauen können sich zum<br />

Beispiel zur Friseuse oder zur Schneider<strong>in</strong><br />

weiterbilden.<br />

Anke Chávez<br />

Quelle: Zu den Menschen gesandt. Katalog zur<br />

Ausstellung der Thür<strong>in</strong>gischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z.<br />

Idste<strong>in</strong>/Taunus 2005, S. 16–17.


<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Wer missioniert eigentlich wen?<br />

<strong>Mission</strong> aus der Sicht e<strong>in</strong>er <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit<br />

Als ich mich entschloss, nach dem Abitur<br />

e<strong>in</strong> Jahr als »<strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit« zu<br />

verbr<strong>in</strong>gen, war das e<strong>in</strong>e neue Herausforderung<br />

für mich und me<strong>in</strong>en Glauben,<br />

den ich dadurch ganz neu spüren und<br />

kennen lernte.<br />

E<strong>in</strong> Jahr lang wurden wir auf unseren<br />

E<strong>in</strong>satz vorbereitet: auf die Sprache und<br />

auch auf die Kultur, die uns <strong>in</strong> unserem<br />

Gastland erwarten würde. Während<br />

dieser Zeit fragten wir auch nach der<br />

Bedeutung von »<strong>Mission</strong>ar/<strong>in</strong> auf Zeit«.<br />

Was sollte das heißen? Rückblickend<br />

weiß ich: Es geht dabei nicht darum, <strong>in</strong><br />

fremde Länder zu reisen und dort andere<br />

Menschen zu missionieren. Man wird<br />

vielmehr selbst missioniert – und das<br />

nicht nur auf Zeit! Diese Erfahrungen und<br />

diesen Geist brachten wir <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />

und <strong>Mission</strong>are auf Zeit <strong>alle</strong> mit zurück<br />

nach Hause, und hier missionieren wir<br />

nun – unbewusst – weiter.<br />

Rückkehrer-Runde<br />

Ich möchte an dieser Stelle aber<br />

nicht von me<strong>in</strong>en eigenen Erfahrungen<br />

berichten, sondern von e<strong>in</strong>er<br />

späteren Sem<strong>in</strong>argruppe, die ich als<br />

Leiter<strong>in</strong> auf ihren E<strong>in</strong>satz vorbereitet<br />

hatte. Beim Rückkehrersem<strong>in</strong>ar,<br />

das nach dem franziskanischen Jahr<br />

jeweils <strong>in</strong> Deutschland stattfi ndet<br />

und das ich ebenfalls geleitet habe,<br />

kam ich <strong>in</strong> den Genuss, mit den<br />

neun frisch zurückgekehrten <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />

und <strong>Mission</strong>aren auf Zeit<br />

wieder zusammen an e<strong>in</strong>en Tisch<br />

zu kommen. Die e<strong>in</strong>en waren vor<br />

Kurzem aus Brasilien oder Bolivien<br />

e<strong>in</strong>getroffen, die anderen aus Indien<br />

oder Vietnam.<br />

Die Stimmung im Raum war<br />

fröhlich, die Lautstärke hoch. E<strong>in</strong>e<br />

Geschichte war spannender, witziger,<br />

trauriger, mitreißender als die andere.<br />

Situationen, Momente, Anekdoten,<br />

Probleme – <strong>alle</strong> Er<strong>in</strong>nerungen aus<br />

Fröhliche Rückkehrer-Runde beim Erfahrungsaustausch über den Auslandse<strong>in</strong>satz<br />

dieser Zeit kamen <strong>in</strong> den Rückkehrer<strong>in</strong>nen<br />

und Rückkehrern wieder<br />

hoch. Ich kann kaum beschreiben,<br />

wie es ist, wenn neun junge Leute<br />

aufe<strong>in</strong>andertreffen, besser: »aufe<strong>in</strong>anderpr<strong>alle</strong>n«<br />

und aus e<strong>in</strong>em ganzen<br />

Jahr berichten wollen. Jede(r) wollte<br />

zuerst erzählen, jede(r) wollte <strong>alle</strong>s<br />

von <strong>alle</strong>n erfahren und das am besten<br />

gleichzeitig! Kaum hatte e<strong>in</strong>e(r) angefangen<br />

zu erzählen, wurde er oder<br />

sie auch schon wieder unterbrochen,<br />

weil e<strong>in</strong> anderer mit e<strong>in</strong>er ähnlichen<br />

Geschichte den Redefl uss aufgenommen<br />

und weitergetragen hat. Sie<br />

redeten und redeten, es sprudelte nur<br />

so aus ihnen heraus, und sie fanden<br />

bis <strong>in</strong> die späten Abendstunden ke<strong>in</strong><br />

Ende.<br />

Und mittendr<strong>in</strong> Gott<br />

Das Besondere war, dass sie über<br />

Religion und Glaube plötzlich genauso<br />

natürlich sprachen wie man über<br />

das Wetter spricht. Ganz normale<br />

Abiturient<strong>in</strong>nen und Abiturienten<br />

oder Studierende!<br />

Dabei hatten sich viele von ihnen <strong>in</strong><br />

den Vorbereitungssem<strong>in</strong>aren noch über<br />

das Morgen- oder Tischgebet gewundert.<br />

Fragen kamen auf, ob es wirklich<br />

nötig sei, Gottesdienste zu feiern. Nach<br />

dem Jahr war es für sie nicht nur selbstverständlich,<br />

zum Gottesdienst zusammenzukommen,<br />

sondern auch von<br />

<strong>alle</strong>n gewünscht. Bei den Gebeten zu<br />

den Mahlzeiten verhielt es sich ähnlich.<br />

Mussten wir <strong>in</strong> der Vorbereitungszeit<br />

noch nach bekannten Liedern suchen,<br />

die dann mit zurückhaltender Stimme<br />

gesungen wurden, so kannte jetzt jeder<br />

Lieder oder Gebete <strong>in</strong> der Sprache<br />

se<strong>in</strong>es Gastlandes. Gerne wollten die<br />

jungen Leute sie nun wieder s<strong>in</strong>gen,<br />

hören oder beten. Teilweise wurden<br />

die Lieder sooft wiederholt, dass ich<br />

an das dampfende Essen auf dem Tisch<br />

er<strong>in</strong>nern musste! »»<br />

29


30<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />

H<strong>in</strong>ter diesen Wünschen und neuen Gefühlen<br />

stecken für die Rückkehrer<strong>in</strong>nen und Rückkehrer<br />

besondere Momente, <strong>in</strong>dividuelle<br />

Gesichter, die jede(r) e<strong>in</strong>zelne von ihnen tief<br />

im Herzen trägt und die er oder sie nun mit<br />

dem christlichen Glauben <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

br<strong>in</strong>gt. Hört man ihnen zu, bekommt man<br />

oftmals e<strong>in</strong>e Gänsehaut dabei. Man kann nur<br />

ahnen, wie und wo Gott ihnen <strong>in</strong> der Zeit<br />

begegnet ist. Und plötzlich bemerkt man, dass<br />

auch Gott bei diesen Erzählungen mitten im<br />

Raum ist und bei jeder Geschichte mitredet.<br />

Wer dabei wen missioniert oder missioniert<br />

hat, bleibt offen.<br />

Das Leben als Geschenk Gottes<br />

Schnell stellte sich mir die Frage, wo die<br />

jungen Erwachsenen geblieben waren, die<br />

ich vor der Ausreise angeleitet hatte. Um<br />

diese Frage zu beantworten ist das Wort<br />

»<strong>Mission</strong>ierung« gut zu gebrauchen. Diese<br />

Zeit als <strong>Mission</strong>ar auf Zeit richtet sich nicht<br />

nach der Uhr, sie spricht e<strong>in</strong>e andere Sprache,<br />

sie ist pures Leben <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft, im<br />

Glauben. Man kommt mit anderen Personen<br />

<strong>in</strong> Kontakt, man spricht über neue Themen,<br />

man übernimmt völlig ungewohnte Aufgaben<br />

– kurz: Man lebt e<strong>in</strong>fach anders. Dieses Jahr<br />

bietet die Chance, e<strong>in</strong>e neue Kultur von <strong>in</strong>nen<br />

heraus kennenzulernen. Dazu gehört <strong>in</strong> den<br />

Ländern, <strong>in</strong> denen die <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen und<br />

<strong>Mission</strong>are auf Zeit ihr franziskanisches<br />

Jahr verbr<strong>in</strong>gen, auch der christliche<br />

Glaube, der dort als ganz selbstverständlich<br />

erlebt wird. Das Zweifeln über die Religion<br />

ist dort nicht so wichtig wie bei uns <strong>in</strong><br />

Westeuropa. Man erkennt, dass Ostern<br />

auch ohne Osterhasen und -eier e<strong>in</strong> Hochfest<br />

ist. Zu Weihnachten freut man sich<br />

sehr über e<strong>in</strong>e Tube Zahnpasta, da es beim<br />

Geschenk nur darum geht, sich gegenseitig<br />

e<strong>in</strong>e Freude zu machen. Diese Länder s<strong>in</strong>d<br />

wirtschaftlich oft ärmer, doch sie haben<br />

die Gabe, das Leben als Geschenk Gottes<br />

wahrzunehmen.<br />

Die Rückkehrer<strong>in</strong>nen und Rückkehrer<br />

waren nach dem Jahr zwar noch dieselben<br />

Personen, aber sie haben sich durch diese<br />

vielen kle<strong>in</strong>en Erkenntnisse im Denken,<br />

im Fühlen und im Glauben verändert.<br />

Ihre Persönlichkeit hat sich <strong>in</strong> diesem Jahr<br />

weiter entwickelt und verfestigt. Sie tragen<br />

den Glauben weiter und versprühen den<br />

Geist des <strong>Mission</strong>ars auf Zeit <strong>in</strong> die <strong>Welt</strong><br />

h<strong>in</strong>aus. Das <strong>alle</strong>s vielleicht dadurch, dass<br />

sie während des E<strong>in</strong>satzes als <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />

und <strong>Mission</strong>are auf Zeit e<strong>in</strong>e<br />

Leichtigkeit des Glaubens erfuhren,<br />

die sie sich davor wohl niemals hätten<br />

träumen lassen.<br />

<strong>Franziskaner</strong><br />

»<strong>Franziskaner</strong>« fragt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er aktuellen<br />

Ausgabe zum 2. Ökumenischen<br />

Kirchen tag, wie es die Nachfolger<br />

des hl. Franziskus mit der Ökumene<br />

halten.<br />

Weitere Themen:<br />

Zukunft der Kirche – Kirche der<br />

Zukunft; der franziskanische Künstler<br />

Laurentius Englisch, Geistlicher Wegbegleiter<br />

u.v.m.<br />

Unbefristete <strong>Mission</strong><br />

Auch wenn me<strong>in</strong> eigener E<strong>in</strong>satz als<br />

<strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit schon e<strong>in</strong>ige Jahre<br />

her ist, ist er dennoch nicht beendet. Er<br />

gew<strong>in</strong>nt immer wieder e<strong>in</strong>e neue Bedeutung,<br />

e<strong>in</strong>e neue Wichtigkeit für mich.<br />

»<strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit« blieb ich nicht auf<br />

Zeit, eher fand und fi ndet danach me<strong>in</strong>e<br />

eigentliche Zeit der <strong>Mission</strong> statt, wie<br />

zum Beispiel bei den Vorbereitungssem<strong>in</strong>aren<br />

für die nächsten <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />

und <strong>Mission</strong>are auf Zeit.<br />

Bei me<strong>in</strong>em franziskanischen E<strong>in</strong>satz<br />

im Ausland wurden mir die Augen geöffnet,<br />

zum Sehen gelange ich nun hier <strong>in</strong><br />

Deutschland! Jetzt kommt es darauf an,<br />

dass wir nach dem, was wir gesehen und<br />

erlebt haben, aus dieser Erfahrung heraus<br />

handeln und dass wir aus diesem Geist<br />

heraus und aus unserem Glauben leben.<br />

Den Glauben weiter tragen und immer<br />

wieder aufs Neue offen für den Glauben<br />

zu se<strong>in</strong>, ist unsere »<strong>Mission</strong>«.<br />

Nach dem oben geschilderten Rückkehrersem<strong>in</strong>ar<br />

habe ich voller Bewunderung<br />

festgestellt, dass die <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />

und <strong>Mission</strong>are auf Zeit mich durch ihre<br />

gelebte Leichtigkeit an den Glauben er<strong>in</strong>nert<br />

haben und somit auch mich wieder<br />

e<strong>in</strong> Stück weiter missioniert haben.<br />

Sandra Gotzhe<strong>in</strong><br />

Sandra Gotzhe<strong>in</strong> war als <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit<br />

<strong>in</strong> Indien und Indonesien. Heute arbeitet sie als<br />

Sozialarbeiter<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wien.<br />

»<strong>Franziskaner</strong>« – Das Magaz<strong>in</strong> für Franziskanische Kultur und Lebensart<br />

Um die kostenlos erhältliche Zeitschrift<br />

»<strong>Franziskaner</strong>« zu beziehen, wenden Sie<br />

sich bitte an:<br />

Angela He<strong>in</strong>er<br />

Am Frauenberg 1<br />

36039 Fulda<br />

Tel.: 06 61/10 95-36<br />

E-Mail: he<strong>in</strong>er.prov.fulda@franziskaner.de<br />

www.zeitschrift.franziskaner.de


Projekt<br />

Schulprojekte geben Zukunft<br />

»Als ich me<strong>in</strong>e geliebte Frei-Alberto-Schule<br />

nach dem fünften Schuljahr verlassen<br />

musste, um me<strong>in</strong>e Ausbildung an e<strong>in</strong>er<br />

weiterführenden Schule fortzusetzen, war<br />

ich sehr traurig«, er<strong>in</strong>nert sich die heute<br />

27-jährige Andréa Farias Soeiro. »Wie sehr<br />

vermisste ich me<strong>in</strong>e geliebten ›tias‹, me<strong>in</strong>e<br />

Lehrer<strong>in</strong>nen, die uns bis dah<strong>in</strong> so liebevoll<br />

Rechnen, Schreiben und Lesen beigebracht<br />

hatten; die uns immer zur Seite standen,<br />

wenn wir Probleme hatten; und die uns<br />

fachlich, aber auch menschlich auf das<br />

Leben vorbereiteten, das noch vor uns lag.«<br />

Impressum<br />

In der weiterführenden Schule g<strong>in</strong>g<br />

es dann ganz anders zu. Aber durch<br />

das, was sie <strong>in</strong> der Frei-Alberto-Schule<br />

gelernt hatte, gehörte Andréa dort<br />

bald zu den Besten. Als sie sämtliche<br />

Mitschüler<strong>in</strong>nen und Mitschüler<br />

bei e<strong>in</strong>em Mathematik-Wettbewerb<br />

überfl ügelte, spotteten diese: »Du bist<br />

wohl die Tochter von e<strong>in</strong>er Lehrer<strong>in</strong>!«<br />

Andréa Farias lacht. »Aber so war es<br />

nicht. Nicht me<strong>in</strong>e Mutter hatte mir<br />

all das beigebracht, sondern die Lehrer<strong>in</strong>nen<br />

der Frei-Alberto-Schule.«<br />

Andréa stammt wie die meisten<br />

K<strong>in</strong>der der Frei-Alberto-Schule aus<br />

e<strong>in</strong>er Familie von Landarbeitern, die<br />

auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten<br />

<strong>in</strong> die Stadt abwanderten<br />

– dort aber ohne Startkapital und<br />

Ausbildung nicht nur arm, sondern<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> wird viermal im Jahr kostenlos den<br />

Freunden der franziskanischen <strong>Mission</strong>sarbeit zugestellt.<br />

<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> ersche<strong>in</strong>t im Auftrag der Sächsischen und<br />

der Kölnischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z, der Prov<strong>in</strong>z von Bacabal<br />

sowie der <strong>Mission</strong>szentrale der Franzis kaner, Bonn.<br />

Herausgeber <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong>, Dortmund<br />

Verantwortlich August<strong>in</strong>us Diekmann ofm<br />

Redaktion Anke Chávez, Stefan Federbusch ofm, Natanael Ganter ofm,<br />

Thomas M. Schimmel, Alfons Schumacher ofm<br />

Fotos Robert Hof: Titelseite li., S. 8, 9. Archiv Thür<strong>in</strong>gische <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z:<br />

Titelseite (Mitte), S. 17 o., 27. August<strong>in</strong>us Diekmann:<br />

Titelseite re., S. 2, 7, 16 u., 17 u., 20, 21, 22 o., 23, 29, 30.<br />

auch völlig rechtlos s<strong>in</strong>d. Die K<strong>in</strong>der<br />

dieser Leute existieren nicht für den<br />

Staat, folglich sorgt er auch nicht für ihre<br />

Ausbildung. Ohne die Frei-Alberto-Schule<br />

hätte Andréa vermutlich niemals auch nur<br />

<strong>in</strong> Grundzügen Rechnen, Schreiben und<br />

Lesen gelernt. So aber hat sie anschließend<br />

zunächst die weiterführende Schule<br />

und dann die Universität besucht. An<br />

der Hochschule, an der sie studiert hat,<br />

arbeitet sie heute.<br />

<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />

Franziskanische Nachwuchsförderung: Schüler<strong>in</strong> der Frei-Alberto-Schule <strong>in</strong> Brasilien<br />

Ähnlich wie Andréa ergeht es vielen K<strong>in</strong>dern<br />

auf der <strong>Welt</strong>. Nicht nur <strong>in</strong> Brasilien,<br />

sondern auch im von Aids und Kriegen<br />

geschüttelten Afrika und <strong>in</strong> armen Landesteilen<br />

von Vietnam hätten Mädchen und<br />

Jungen aus mittellosen Familien ohne die<br />

<strong>Franziskaner</strong> oft nicht die Möglichkeit, zur<br />

Schule zu gehen. Bitte helfen Sie mit, dass<br />

K<strong>in</strong>der armer Eltern e<strong>in</strong>e Ausbildung und<br />

dadurch e<strong>in</strong>e Perspektive für ihre Zukunft<br />

erhalten.<br />

FM-Archiv: S. 3, 4, 14 re., 24, 26, 28, Rückseite. Institut für<br />

<strong>Mission</strong>swissenschaft, Würzburg: S. 5. Stefan Federbusch: S. 6.<br />

Frank Hartmann: S. 10, 11, 16 o. <strong>Franziskaner</strong>kloster Dorsten: S. 12.<br />

Archiv OFM-Generalkurie, Rom: S. 13 o. Archiv der Sächsischen<br />

<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Paderborn: S. 13 u. Deutsches Bundesarchiv: S. 14 li.<br />

Heldemar Heis<strong>in</strong>g: S. 15. August<strong>in</strong>us Wehrmeier: S. 17 li.<br />

Bernhard Dettl<strong>in</strong>g: S. 18, 19. Archiv <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Bacabal: S. 22 u.<br />

Archiv <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Bavaria: S. 25. Lukas Brägelmann: S. 31<br />

Gestaltung sec GmbH, Osnabrück<br />

Druck IVD, Ibbenbüren; gedruckt auf Recycl<strong>in</strong>g-Papier<br />

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Afrikanischer Sonnengesang<br />

In Europa wird gefragt, ob und <strong>in</strong>wieweit es S<strong>in</strong>n macht, das Christentum <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Land zu br<strong>in</strong>gen, das von e<strong>in</strong>er<br />

anderen Kultur und von anderen religiösen Werten geprägt ist. Wenn es stimmt, dass der christliche Humanismus<br />

von <strong>alle</strong>n Spielarten des Humanismus jenes Bild von Freiheit und Menschenwürde entwirft, das den<br />

Menschen am meisten zu se<strong>in</strong>em wahren Selbst fi nden lässt, weil er eben auf Jesus zielt, dann s<strong>in</strong>d Christen<br />

nicht nur berechtigt, sondern verpfl ichtet, Christus und das christliche <strong>Welt</strong>bild »bis an die Grenzen der <strong>Welt</strong>«<br />

zu verkündigen. <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n ist weder Indoktr<strong>in</strong>ation noch Verachtung anderer Lebensentwürfe,<br />

<strong>Mission</strong> ist aber auch nicht nur Dialog der Religionen. <strong>Mission</strong> ist die Fortsetzung des Weges Jesu, der kam, um<br />

»den Armen« das Evangelium zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Pater Helmut Schlegel ofm

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