Geht in alle Welt - Franziskaner Mission
Geht in alle Welt - Franziskaner Mission
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<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong> !<br />
<strong>Mission</strong>sarbeit der deutschen <strong>Franziskaner</strong><br />
2 2010<br />
Gegen den <strong>Welt</strong>untergang – Die Kirche muss präsent se<strong>in</strong><br />
Aus der Vision heraus leben – Die ersten deutschen <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Chicago<br />
»Wilde Tiere, Schlangen und gefährliche Indianer« – Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> im Mato Grosso Brasiliens<br />
In Deutschland muss es schön se<strong>in</strong> – Christse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Taiwan
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<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
Inhalt<br />
Editorial<br />
von Br. August<strong>in</strong>us Diekmann ofm<br />
<strong>Mission</strong>arisch Kirche se<strong>in</strong><br />
Den Weg der Bekehrung gehen<br />
von Dr. Jürgen Lohmayer<br />
90 todesmutige Brüder meldeten sich<br />
Wie die ersten <strong>Franziskaner</strong> nach Deutschland kamen<br />
»Interview« von Thomas M. Schimmel mit Br. Jordan von Giano<br />
Gegen den <strong>Welt</strong>untergang<br />
Die Kirche muss präsent se<strong>in</strong><br />
Interview von P. Leopold Scheifele mit Pfarrer Robert Hof<br />
DDR <strong>in</strong> der Karibik<br />
Drei Jahre als <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong> Kuba<br />
von Br. Frank Hartmann ofm<br />
Aus der Vision heraus leben<br />
Die ersten deutschen <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Chicago<br />
von Br. Michael Perry ofm<br />
Durch Bismarck nach Amerika<br />
<strong>Franziskaner</strong> aus Fulda <strong>in</strong> New York und Colorado<br />
von Anke Chávez<br />
Wie Los Angeles zu se<strong>in</strong>em Namen kam<br />
Die Namensgebung <strong>in</strong> Kalifornien<br />
von Br. Natanael Ganter ofm<br />
Mittelseite<br />
<strong>Mission</strong>are im Ausland Claudia Schmitz<br />
»Wilde Tiere, Schlangen und gefährliche Indianer«<br />
Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> im Mato Grosso Brasiliens<br />
von P. Bernhard Hans Dettl<strong>in</strong>g ofm<br />
Personalia<br />
Drei <strong>Mission</strong>are s<strong>in</strong>d Ostern von<br />
Brasilien nach Deutschland gekommen,<br />
um an dem Abschieds treffen<br />
ihrer Heimatprov<strong>in</strong>z Saxonia<br />
vom 6. bis 9. April 2010 <strong>in</strong> Haus<br />
Ohrbeck, Georgsmarienhütte,<br />
teilzunehmen. Es war die letzte<br />
Versammlung der Saxonia, die<br />
sich Anfang Juli 2010 zusammen<br />
mit der Thur<strong>in</strong>gia, der Colonia<br />
und der Bavaria zu der geme<strong>in</strong>samen<br />
Deutschen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />
von der Heiligen Elisabeth<br />
zusammenschließen wird.<br />
Die drei <strong>Mission</strong>are nutzten die<br />
Gelegenheit, mehrere Tage <strong>in</strong> der<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Dortmund<br />
zu verbr<strong>in</strong>gen und dort von den<br />
neuesten Neuigkeiten aus Brasilien<br />
zu berichten.<br />
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Der »Chef«<br />
Porträt des <strong>Franziskaner</strong>missionars Pater Heribert Rembecki<br />
von P. Erich Löher ofm<br />
Der Mechaniker<br />
Bruder Bruno bekam jedes Auto wieder fl ott<br />
von P. Heribert Rembecki ofm<br />
Der Arzt<br />
Bruder Klaus heilt Leib und Seele<br />
von Helga Berbuir<br />
Der Wissenschaftler<br />
Pater Theobald übersetzte die Bibel <strong>in</strong>s Ch<strong>in</strong>esische<br />
von P. Hermann Schalück ofm<br />
In Deutschland muss es schön se<strong>in</strong><br />
Christse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Taiwan<br />
von P. Herbert Schneider ofm<br />
Zwischen Tradition und Moderne<br />
<strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Japan<br />
von Anke Chávez<br />
Neue Perspektiven für Häftl<strong>in</strong>ge und Prostituierte<br />
<strong>Franziskaner</strong>mission <strong>in</strong> Westafrika<br />
von Anke Chávez<br />
Wer missioniert eigentlich wen?<br />
<strong>Mission</strong> aus der Sicht e<strong>in</strong>er <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit<br />
von Sandra Gotzhe<strong>in</strong><br />
Projekt<br />
Impressum<br />
Pater Anton Schauerte (l<strong>in</strong>ks), der im Januar<br />
<strong>in</strong> die Prov<strong>in</strong>zleitung von Bacabal gewählt wurde,<br />
war vom 5. April bis 24. Mai <strong>in</strong> Deutschland. Als<br />
Prov<strong>in</strong>zökonom sorgt er dafür, dass die Spendengelder,<br />
die Claudia Schmitz von der <strong>Franziskaner</strong><br />
<strong>Mission</strong>, Dortmund, <strong>in</strong> regelmäßigen Abständen<br />
nach Bacabal überweist, <strong>in</strong> den jeweiligen Projekten<br />
der Prov<strong>in</strong>z ankommen.<br />
Pater Heribert Rembecki (Mitte) ist seit<br />
dem 29. März auf Heimaturlaub und bleibt<br />
noch bis zum 26. Juli. Nachdem auch er lange<br />
Zeit <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>zleitung tätig war, ist er seit<br />
Anfang dieses Jahres Seelsorger <strong>in</strong> der Pfarrei<br />
Nossa Senhora da Gloria <strong>in</strong> São Luís. Außerdem<br />
leitet er dort den <strong>Franziskaner</strong>konvent<br />
als Hausoberer und Hausökonom.<br />
Pater Fritz Zillner (rechts) ist am 4. April<br />
<strong>in</strong> Deutschland angekommen und kehrt am<br />
2. Juli nach Brasilien zurück. Er ist als Hausoberer<br />
und Seelsorger <strong>in</strong> Lago da Pedra tätig.
Editorial<br />
Liebe Leser<strong>in</strong>nen, liebe Leser,<br />
liebe Freunde der <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong>,<br />
aus vier mach e<strong>in</strong>s – so könnte man<br />
salopp die Vere<strong>in</strong>igung der vier deutschen<br />
<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>zen am 1. Juli<br />
umschreiben. Neben den 380 <strong>Franziskaner</strong>n<br />
<strong>in</strong> der neuen Deutschen Prov<strong>in</strong>z<br />
von der Heiligen Elisabeth gibt es<br />
noch 44 <strong>Mission</strong>are, die sich <strong>in</strong> neun<br />
Ländern auf vier Kont<strong>in</strong>enten engagieren.<br />
Auf der Mittelseite dieser Ausgabe<br />
fi nden Sie ihre Namen und die Orte,<br />
an denen sie den biblischen <strong>Mission</strong>sauftrag<br />
»<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!« erfüllen.<br />
Die <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> freut sich<br />
über die Horizonterweiterung, die mit<br />
der Vere<strong>in</strong>igung e<strong>in</strong>hergeht. Hatte bisher<br />
jede der vier deutschen Prov<strong>in</strong>zen<br />
vor <strong>alle</strong>m die Armen <strong>in</strong> ihren jeweiligen<br />
<strong>Mission</strong>sgebieten im Blick, so kann <strong>in</strong><br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />
<strong>Franziskaner</strong>straße 1, 44143 Dortmund<br />
Telefon 02 31/17 63 37 5<br />
Fax 02 31/17 63 37 70<br />
<strong>in</strong>fo@franziskanermission.de<br />
www.<strong>Franziskaner</strong><strong>Mission</strong>.de<br />
Zukunft die gebündelte missionarische<br />
Kraft <strong>alle</strong> deutschen <strong>Franziskaner</strong> und<br />
ihre Freundeskreise bereichern.<br />
Gerne möchten wir Sie an dieser<br />
Bereicherung teilhaben lassen. Deshalb<br />
stellen wir Ihnen <strong>in</strong> dieser Ausgabe<br />
beispielhaft Leben und Arbeit von<br />
<strong>Mission</strong>aren <strong>in</strong> verschiedenen Ländern<br />
vor. Was sie <strong>alle</strong> untere<strong>in</strong>ander und<br />
mit uns verb<strong>in</strong>det, ist das missionarische<br />
Wesen unserer <strong>Welt</strong>kirche.<br />
Nach dem neuen Verständnis von<br />
<strong>Mission</strong> s<strong>in</strong>d wir Christen e<strong>in</strong>geladen,<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en weltweiten Dialog zwischen<br />
Kulturen und Religionen e<strong>in</strong>zutreten.<br />
Das missionarische Engagement der<br />
deutschen <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Geschichte<br />
und Gegenwart kommt uns dabei sehr<br />
entgegen. Ehemalige E<strong>in</strong>bahnstraßen<br />
verwandeln sich so <strong>in</strong> e<strong>in</strong> lebendiges<br />
gegenseitiges Geben und Nehmen.<br />
Auch Deutschland war ursprünglich<br />
franziskanisches <strong>Mission</strong>sgebiet.<br />
Die ersten Brüder, die Franziskus<br />
dorth<strong>in</strong> ausgesandt hatte, scheiterten,<br />
weil sie die Sprache und Kultur<br />
jenseits der Alpen nicht verstanden.<br />
Aus dieser Erfahrung lernen wir, wie<br />
wichtig es ist, sich auf die Begegnung<br />
mit Menschen anderer Länder gut<br />
vorzubereiten. Nur so s<strong>in</strong>d Dialog und<br />
gegenseitiger solidarischer Respekt<br />
möglich.<br />
Spenden erbitten wir, unter Angabe des<br />
Verwendungszwecks, auf das Konto 5100,<br />
Volksbank Hellweg eG (BLZ 414 601 16) oder<br />
Konto 34, Sparkasse Werl (BLZ 414 517 50).<br />
Dieser Ausgabe liegt e<strong>in</strong>e Zahlkarte bei.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Durch die Nachwuchskrise <strong>in</strong> den<br />
Orden geht auch die Zahl der deutschen<br />
<strong>Mission</strong>are <strong>in</strong> anderen Ländern<br />
zurück. Aber dankbar und hoffnungsvoll<br />
blicken wir auf den jeweils e<strong>in</strong>heimischen<br />
Ordensnachwuchs. Ehemalige<br />
<strong>Mission</strong>sgebiete wurden und werden<br />
zu eigenständigen Ortskirchen. Und<br />
Deutschland? Wer missioniert heute<br />
eigentlich wen? E<strong>in</strong>e Antwort gibt der<br />
Franziskanische Freiwilligendienst.<br />
Immer mehr junge Menschen hierzulande<br />
bereiten sich auf e<strong>in</strong> längeres<br />
Mitleben <strong>in</strong> unseren Partnerprojekten<br />
vor. Mit der Freude am Glauben, die<br />
sie dort von den Armen lernen, beleben<br />
sie nach ihrer Rückkehr die Kirche <strong>in</strong><br />
Deutschland.<br />
Durch e<strong>in</strong>en Dialog auf Augenhöhe<br />
gew<strong>in</strong>nen christliche und franziskanische<br />
Werte e<strong>in</strong> neues Gesicht, das der<br />
afrikanisch geprägte Sonnengesang des<br />
heiligen Franziskus auf der Rückseite<br />
dieser Ausgabe zeigt. Diese Horizonterweiterung,<br />
die auch die jungen Freiwilligen<br />
<strong>in</strong> unseren Projekten erleben,<br />
wünsche ich der neuen Deutschen<br />
<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z und uns <strong>alle</strong>n.<br />
Ihr<br />
Br. August<strong>in</strong>us Diekmann ofm<br />
Leiter der <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />
Titel: Deutsche <strong>Franziskaner</strong>missionare<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen Ländern tätig. Fotos<br />
v. l. n. r.: Die Taufe als E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das<br />
christliche Leben, die Eucharistie als<br />
dessen Zentrum und die franziskanische<br />
Präsenz unter den Armen.<br />
3
4<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
<strong>Mission</strong>arisch Kirche se<strong>in</strong><br />
Den Weg der Bekehrung gehen<br />
»<strong>Mission</strong>« ist gegenwärtig wieder <strong>in</strong> <strong>alle</strong>r<br />
Munde. Jede Firma, die etwas auf sich hält,<br />
formuliert ihr »<strong>Mission</strong> Statement«. Und<br />
auch im kirchlichen Bereich hat sich <strong>in</strong><br />
den letzten Jahren e<strong>in</strong>iges getan. Erwähnt<br />
seien hier nur die Texte der Deutschen<br />
Bischofskonferenz: »›Zeit zur Aussaat‹.<br />
<strong>Mission</strong>arisch Kirche se<strong>in</strong>« (2000) und<br />
»Allen Völkern Se<strong>in</strong> Heil. Die <strong>Mission</strong> der<br />
<strong>Welt</strong>kirche« (2004) sowie die Gründung<br />
des Instituts für <strong>Welt</strong>kirche und <strong>Mission</strong><br />
im letzten Jahr <strong>in</strong> St. Georgen. Sowohl im<br />
säkularen wie im religiösen Kontext erfährt<br />
der Begriff »<strong>Mission</strong>« e<strong>in</strong>e Renaissance,<br />
wobei der Begriff meistens positiv besetzt<br />
ist. Trotz dieser sche<strong>in</strong>baren Blüte der Rede<br />
von <strong>Mission</strong> b<strong>in</strong> ich der Me<strong>in</strong>ung, dass e<strong>in</strong><br />
zeitgemäßer und zukunftsfähiger Begriff<br />
von »<strong>Mission</strong>« derzeit fehlt. Diesem Manko<br />
möchte ich durch me<strong>in</strong>e Analyse Abhilfe<br />
schaffen.<br />
<strong>Mission</strong> – neue Perspektiven<br />
Sowohl im säkularen als auch im<br />
religiösen Bereich wird der Begriff <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n verwendet, als ob »<strong>Mission</strong>«<br />
tatsächlich so etwas wie e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>bahnstraße wäre, so, als ob nur <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Richtung gesprochen würde; und<br />
dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sprache geredet wird,<br />
von der wie selbstverständlich angenommen<br />
wird, dass sie <strong>alle</strong>n verständlich<br />
ist. Oder etwas salopp gesagt: Auf<br />
der e<strong>in</strong>en Seite ist etwas, das auf die<br />
andere Seite muss. Die e<strong>in</strong>en haben<br />
etwas, was den anderen noch fehlt.<br />
Der andere wird von e<strong>in</strong>em Mangel<br />
her begriffen. Das Gegenüber wird als<br />
Mängelwesen erfasst. Ihr oder ihm<br />
fehlt <strong>in</strong> den Augen der Wirtschaft die<br />
richtige Marke – oder aus der Perspektive<br />
der Kirche die richtige Religion.<br />
Das heißt, die Art der Beziehung ist<br />
gekennzeichnet durch e<strong>in</strong> Ungleichgewicht,<br />
e<strong>in</strong> Wert-Gefälle, e<strong>in</strong> Oben<br />
und Unten, e<strong>in</strong>e Hierarchie <strong>in</strong> Form<br />
e<strong>in</strong>er heiligen Ordnung. »<strong>Mission</strong>ieren«<br />
oder »missionierend se<strong>in</strong>« <strong>in</strong><br />
diesem S<strong>in</strong>ne stellt e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>seitigen<br />
Kommunikationsakt dar, e<strong>in</strong>en Monolog,<br />
der versucht, den anderen zunächst<br />
von se<strong>in</strong>em Mangel zu überzeugen und<br />
anschließend e<strong>in</strong>e Veränderung dieses<br />
Mangelzustands herbeizuführen.<br />
Demgegenüber verstehe ich »missionarisch<br />
se<strong>in</strong>« als ganzheitliche Haltung,<br />
die nicht bei dem Mangel des anderen<br />
ansetzt, sondern an dessen Gleichwertigkeit.<br />
Der andere ist Ebenbild Gottes,<br />
genau wie ich. Mit dieser E<strong>in</strong>stellung<br />
begegne ich dem anderen auf Augenhöhe<br />
und kann ihn so trotz se<strong>in</strong>er<br />
Andersheit schätzen. Diese Haltung<br />
ermöglicht die Fähigkeit, Differenz nicht<br />
aufheben zu wollen, sondern Pluralität<br />
als Realität anzuerkennen und auszuhalten.<br />
Wo b<strong>in</strong> ich wer für wen?<br />
Es gibt unzählige Beziehungen, denen<br />
ich nicht ausweichen kann und ohne<br />
die ich me<strong>in</strong>e eigene Identität nicht<br />
ausbilden kann. Die Frage lautet nicht<br />
länger: »Wer b<strong>in</strong> ich?«, sondern »Wo b<strong>in</strong><br />
ich wer für wen?«. Ich b<strong>in</strong> Vater nicht<br />
ohne me<strong>in</strong>e Tochter. Dieses notwendige<br />
»Mit-anderen-<strong>in</strong>-Beziehung-stehen« fasse<br />
ich unter den Begriff der »Verortung«.<br />
Gefordert ist e<strong>in</strong>e gesamtheitliche<br />
Haltung des Subjekts <strong>in</strong> Bezug auf<br />
den anderen. Der andere als e<strong>in</strong> mir<br />
zunächst fremder »Ort« gew<strong>in</strong>nt für<br />
me<strong>in</strong>e Identitätsbildung konstitutive<br />
Bedeutung.<br />
<strong>Mission</strong>arisch se<strong>in</strong><br />
<strong>Mission</strong>arisch se<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
Methode oder e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
methodische Haltung. Sie<br />
bedeutet zu<strong>alle</strong>rerst e<strong>in</strong>e Bekehrung des<br />
eigenen Selbsts. Ohne vielfältige Beziehungen<br />
zu anderen Menschen kann<br />
ich auch me<strong>in</strong>e religiöse Identität nicht<br />
gew<strong>in</strong>nen. <strong>Mission</strong>arisch se<strong>in</strong> heißt, den<br />
Weg der eigenen Bekehrung zu gehen,<br />
sich vom anderen etwas sagen lassen,<br />
von ihm her identifi zierbar, das heißt an<br />
ihm neu sprachfähig zu werden. Dies<br />
gilt für den e<strong>in</strong>zelnen als Kirche wie für<br />
die Kirche als Volk Gottes <strong>in</strong>sgesamt.
<strong>Mission</strong>sverständnis des Konzils<br />
Das Zweite Vatikanische Konzil hat<br />
mit se<strong>in</strong>en zwei Kirchenkonstitutionen<br />
Lumen gentium und Gaudium<br />
et spes zum e<strong>in</strong>en Kirche als pr<strong>in</strong>zipiell<br />
polare Größe verortet: Kirche<br />
ist Kirche <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong> von heute.<br />
Zum anderen begreift das Konzil<br />
»Kirche« als personale Größe, als<br />
Geme<strong>in</strong>schaft des Volkes Gottes, als<br />
geistliche Geme<strong>in</strong>schaft und weltliche<br />
Versammlung, zu der <strong>alle</strong> Menschen<br />
berufen s<strong>in</strong>d – jenseits e<strong>in</strong>er Bestimmung<br />
re<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutioneller Art. Diese<br />
Neuausrichtung bedeutet: Kirche <strong>in</strong><br />
ihrer Kirchlichkeit, als Leib Christi,<br />
bedarf der Verortung <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong> von<br />
heute. In diesem präzisen S<strong>in</strong>n gibt es<br />
Kirche nicht, ohne Kirche <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong><br />
von heute zu se<strong>in</strong>. Dieses Pr<strong>in</strong>zip<br />
möchte ich anhand der Frage »Wer<br />
sendet wen warum woh<strong>in</strong>?« weiter<br />
verdeutlichen.<br />
Wer sendet?<br />
Wer sendet? Wir kennen den<br />
<strong>Mission</strong>sauftrag Jesu, mit dem das<br />
Matthäus-Evangelium endet: »<strong>Geht</strong><br />
zu <strong>alle</strong>n Völkern und macht sie zu<br />
me<strong>in</strong>en Jüngern!« (Mt 28,19). Es ist<br />
der Auferstandene, der dort spricht<br />
und gleich anschließend die Zusage<br />
gibt: »Seid gewiss: Ich b<strong>in</strong> bei euch<br />
<strong>alle</strong> Tage bis zum Ende der <strong>Welt</strong>.«<br />
(Mt 28,20). Dieser Auferstandene sendet.<br />
Und genau dieser Auferstandene<br />
ist es auch, der <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong>gerichtsszene<br />
als der Menschensohn kommt<br />
und darüber befi ndet, was letztlich<br />
zählt, nämlich: den Hungernden zu<br />
essen und den Durstigen zu tr<strong>in</strong>ken<br />
zu geben, die Fremden und Obdachlosen<br />
aufzunehmen, die Kranken und<br />
die Gefangenen zu besuchen und die<br />
Armen zu bekleiden (Mt 25, 31-46).<br />
Wen sendet Jesus?<br />
Jesus sendet »se<strong>in</strong>e Jünger«, bzw.<br />
all diejenigen, die als se<strong>in</strong>e Jünger<br />
bezeichnet werden. Doch wer ist e<strong>in</strong><br />
Jünger oder e<strong>in</strong>e Jünger<strong>in</strong>, wodurch<br />
zeichnet sich Jüngerse<strong>in</strong> aus, wie<br />
wird man e<strong>in</strong>e Jünger<strong>in</strong> oder e<strong>in</strong><br />
Jünger Jesu? Jesus selbst gibt die Antwort:<br />
Auf die Fragen »Wann haben<br />
wir dich nackt gesehen, besucht,<br />
getröstet etc.« sagt er: »Was ihr e<strong>in</strong>en<br />
me<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gsten Brüder getan habt,<br />
das habt ihr mir getan.« (Mt 25, 40).<br />
Jünger ist, wer <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne, das<br />
heißt »missionarisch« handelt. Wer<br />
so handelt, der steht <strong>in</strong> der Nachfolge<br />
Jesu und wird zu e<strong>in</strong>em zweiten<br />
Christus. Die Tat br<strong>in</strong>gt den neuen<br />
Menschen hervor, der beim Gericht<br />
als Gerechter anerkannt werden wird.<br />
Die H<strong>in</strong>wendung zum Nächsten ist<br />
die eschatologisch relevante Größe,<br />
das was letztlich zählt, das, worauf<br />
es ankommt.<br />
Als Hörer sprachlos werden<br />
Der Auferstandene selbst, der bis ans<br />
Ende der <strong>Welt</strong> bei uns ist, er zeigt sich<br />
als der andere, der Arme, der Fremde.<br />
Dieser Christus ist es, den ich den<br />
unbekannten Christus nenne. Dieser<br />
Christus ist gerade dort, wo man ihn<br />
gar nicht vermutet, hier und jetzt; bis<br />
zum Ende der <strong>Welt</strong> ist er gegenwärtig<br />
im Armen, im Hungernden, im Gefangenen,<br />
im Aids-Kranken, im Homosexuellen.<br />
Man muss sich zu diesem<br />
»Ort«, an dem man ihm begegnen<br />
kann, auf den Weg machen. Der<br />
Gesendete muss also zunächst se<strong>in</strong>en<br />
bisherigen »Ort« verlassen, das heißt,<br />
er muss se<strong>in</strong>e als Sicherheit gebenden<br />
Verhältnisse, se<strong>in</strong>e Denk- und Handlungsgewohnheiten<br />
verlassen. Mit<br />
anderen Worten: Der Gesendete muss<br />
sprachlos und zum Hörer werden. Er<br />
muss bereit werden, sich etwas sagen<br />
zu lassen.<br />
Ziel von <strong>Mission</strong>:<br />
Heil des ganzen Menschen<br />
Mittelpunkt des missionarischen<br />
Wirkens ist, wie das Zweite Vatikanische<br />
Konzil <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Pastoralkonstitution<br />
Gaudium et spes festhält,<br />
»der e<strong>in</strong>e und ganze Mensch, mit<br />
Leib und Seele, Herz und Gewissen,<br />
Vernunft und Willen.« (Gaudium et<br />
spes, Art. 3) Es geht also nicht mehr<br />
bloß um das Heil der Seele, sondern<br />
um das Heil des ganzen Menschen,<br />
um se<strong>in</strong>e ganzheitliche Befreiung.<br />
Daher ist es notwendig, sich auch<br />
am Aufbau e<strong>in</strong>er Gesellschaft zu<br />
beteiligen, die ihren Mitgliedern e<strong>in</strong><br />
Leben <strong>in</strong> Gerechtigkeit und Frieden<br />
ermöglicht. Um diesen Dienst leisten<br />
zu können, spricht das Konzil von der<br />
Notwendig keit des Dialogs mit der<br />
<strong>Welt</strong>. Die Dokumente zur Religions-<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
freiheit und zu den nichtchristlichen<br />
Religionen s<strong>in</strong>d daher nicht negativ,<br />
abgrenzend formuliert, sondern positiv<br />
und dialogisch. Kirche br<strong>in</strong>gt sich nicht<br />
länger nur als exklusive Größe, als<br />
»Religionsgeme<strong>in</strong>schaft« auf den Begriff,<br />
sie bestimmt sich also nicht länger nur<br />
von sich selbst her. Wo e<strong>in</strong> Dienst für<br />
die <strong>Welt</strong> und <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong> geleistet wird,<br />
da muss Kirche präsent se<strong>in</strong>. Während<br />
des Zweiten Vatikanischen Konzils<br />
formuliert die Kirche im Dekret über die<br />
<strong>Mission</strong>stätigkeit der Kirche ihr neues<br />
Selbst- und <strong>Mission</strong>sverständnis. Sie leitet<br />
ihr Wesen von ihrer Sendung her ab<br />
und spricht von sich als der pilgernden<br />
Kirche, die ihrer Natur nach missionarisch,<br />
das heißt als Gesandte unterwegs<br />
ist (Ad Gentes Art. 2).<br />
Die Kirche selbst versteht sich<br />
also als Gesandte. Aber woh<strong>in</strong>? Aus<br />
»<strong>Mission</strong>« wird gewissermaßen<br />
» <strong>Mission</strong> und …« Die Leerstelle<br />
verkörpert den mir fremden »Ort«,<br />
den anderen. Ohne diese Leerstelle<br />
geht nun nichts mehr. Der Weg zum<br />
anderen, er bedeutet e<strong>in</strong>en Weg der<br />
Bekehrung zu gehen – es ist der Weg<br />
von der missionierenden Kirche weg<br />
zum missionarisch se<strong>in</strong> der Kirche. Nur<br />
wer diesen Weg e<strong>in</strong>schlägt, ist zu e<strong>in</strong>em<br />
Dialog der Religionen wirklich fähig.<br />
Soll Kirche vor Ort überhaupt entstehen<br />
können, bedarf es jener Haltung.<br />
Kirche ist missionarisch, oder sie ist<br />
nicht Kirche.<br />
Dr. Jürgen Lohmayer<br />
Dr. Lohmayer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Lehrstuhl für <strong>Mission</strong>swissenschaft <strong>in</strong><br />
Würzburg.<br />
5
6<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
90 todesmutige Brüder<br />
meldeten sich<br />
Wie die ersten <strong>Franziskaner</strong> nach Deutschland kamen<br />
Franziskanische ITINERANZ = unterwegs zu den Menschen<br />
Heute senden die deutschen <strong>Franziskaner</strong><br />
Brüder und Freiwillige nach Late<strong>in</strong>amerika,<br />
Afrika und Asien. Doch wie kamen eigentlich<br />
die <strong>Franziskaner</strong> nach Deutschland?<br />
Gespräch mit Bruder Jordan von Giano,<br />
der damals dabei war.<br />
Lieber Bruder Jordan, wie kommt<br />
es, dass Sie 1221 als Italiener zu<br />
den ersten <strong>Franziskaner</strong>n gehörten,<br />
die nach Deutschland kamen?<br />
Bruder Jordan: Wir waren gar nicht die<br />
Ersten!<br />
Ne<strong>in</strong>?<br />
Bruder Jordan: Zwei Jahre vor unserer<br />
<strong>Mission</strong>, im Jahr 1219, war schon mal<br />
e<strong>in</strong>e Gruppe von etwa 60 Brüdern <strong>in</strong><br />
Deutschland. Aber sie s<strong>in</strong>d unverrichteter<br />
D<strong>in</strong>ge zurückgekommen.<br />
Warum?<br />
Bruder Jordan: Sie waren schlecht<br />
vorbereitet. Als sie, unkundig der<br />
deutschen Sprache, deutsches Gebiet<br />
betraten und gefragt wurden, ob sie<br />
Unterkunft oder Essen oder sonst etwas<br />
wünschten, antworteten sie mit »Ja«;<br />
und so wurden sie von e<strong>in</strong>igen freundlich<br />
aufgenommen. Da sie merkten,<br />
dass man sie wegen dieses Wortes »Ja«<br />
freundlich behandelte, nahmen sie sich<br />
fest vor, auf <strong>alle</strong> Fragen mit »Ja« zu antworten.<br />
Daher geschah es, dass sie auf<br />
die Frage, ob sie etwa Häretiker seien<br />
auch mit »Ja« geantwortet haben. Können<br />
Sie sich vorstellen, was geschah?<br />
Oh, ja!<br />
Bruder Jordan: E<strong>in</strong>ige wurden geschlagen,<br />
e<strong>in</strong>ige e<strong>in</strong>gekerkert, andere entkleidet<br />
und nackt vor den Stadtrichter<br />
geführt und dienten den Leuten zum<br />
kurzweiligen Schauspiel. Wegen dieses<br />
Vorgangs hielten die Brüder Deutschland<br />
für so grausam, dass sich nur solche<br />
dorth<strong>in</strong> zurückzugehen wagten, die von<br />
der Begierde nach dem Martyrium beseelt<br />
waren.<br />
Das Projekt Deutschlandmission war<br />
damit auf Eis gelegt.<br />
Bruder Jordan: So ist es. Beim Generalkapitel<br />
zwei Jahre später wurde e<strong>in</strong> neuer<br />
Versuch gestartet.<br />
Mit sprachkundigen Brüdern?<br />
Bruder Jordan: Ja. Bruder Franziskus<br />
lernte auf se<strong>in</strong>er Nahostreise den deutschen<br />
Bruder Caesar von Speyer kennen,<br />
den Bruder Elias <strong>in</strong> Syrien <strong>in</strong> den Orden<br />
aufgenommen hatte. Caesar kam mit nach<br />
Assisi und wurde später der <strong>Mission</strong>sleiter
und erste Prov<strong>in</strong>zialm<strong>in</strong>ister der deutschen<br />
Prov<strong>in</strong>z. Franziskus berief gleich nach<br />
se<strong>in</strong>er Rückkehr zu Pfi ngsten 1221 e<strong>in</strong><br />
Generalkapitel e<strong>in</strong>.<br />
Das war damals e<strong>in</strong>e Art Kirchentag.<br />
Bruder Jordan (lacht): Ja. Alle Brüder und<br />
auch die Novizen waren e<strong>in</strong>geladen, an den<br />
wichtigen Entscheidungen für den Orden<br />
mitzuwirken. E<strong>in</strong> großes Treffen mit über<br />
3.000 Brüdern bei der Portiunkula unterhalb<br />
von Assisi. Großartige Stimmung!<br />
Und das <strong>alle</strong>s nur, um Brüder nach<br />
Deutschland zu schicken?<br />
Bruder Jordan: Ne<strong>in</strong>. Erst als das Kapitel<br />
schon geschlossen werden sollte, fi el<br />
es dem seligen Franziskus e<strong>in</strong>, dass der<br />
Orden noch nicht <strong>in</strong> Deutschland Boden<br />
gefasst habe.<br />
Aber Deutschland galt doch als<br />
grausam, wie Sie eben sagten.<br />
Bruder Jordan: Ja, aber Franziskus hatte<br />
<strong>in</strong>zwischen auch Deutsche getroffen. Er<br />
ließ Bruder Elias sagen, dass »Deutschland<br />
e<strong>in</strong>e Gegend sei, wo fromme Christenmenschen<br />
leben.«<br />
Überzeugte das die Brüder?<br />
Bruder Jordan: Ja und ne<strong>in</strong>. Franziskus<br />
wusste ja von den Misshandlungen, und<br />
darum sollte ke<strong>in</strong> Bruder gezwungen<br />
werden, nach Deutschland zu gehen.<br />
Wie viele haben sich denn dann<br />
freiwillig gemeldet?<br />
Bruder Jordan: Na, immerh<strong>in</strong> etwa neunzig<br />
Brüder traten todesmutig beiseite und warteten<br />
auf die Entscheidung, welche und<br />
wie viele, wie und wann sie auf brechen<br />
sollten.<br />
Bewarben Sie sich auch für diesen<br />
Freiwilligendienst?<br />
Bruder Jordan: Ne<strong>in</strong>! Ich wollte auf ke<strong>in</strong>en<br />
Fall nach Deutschland.<br />
Sie s<strong>in</strong>d aber hierhergekommen!<br />
Bruder Jordan: Ja. E<strong>in</strong>e merkwürdige<br />
Geschichte. Ich war der Ansicht, die Brüder<br />
würden von den Deutschen gemartert<br />
werden und wollte sie unbed<strong>in</strong>gt vorher<br />
kennenlernen. Ich dachte, es sei e<strong>in</strong>e<br />
große Ehre, im F<strong>alle</strong> sie würden Märtyrer<br />
werden, sagen zu können: »Den hab ich<br />
gekannt und jenen hab ich auch gekannt.«<br />
Aber als ich <strong>in</strong> der Gruppe e<strong>in</strong>en Bruder<br />
Namens Palmerius traf ergriff er mich an<br />
Bruderschaft <strong>in</strong> <strong>Mission</strong><br />
der Hand und fügte h<strong>in</strong>zu: »Du selbst<br />
gehörst auch zu uns und wirst mit uns<br />
gehen«. Das passierte mir, der ich schon<br />
vor dem Namen der Deutschen Grauen<br />
empfand.<br />
Dank Ihrer Gruppe gibt es seit<br />
fast 800 Jahren <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong><br />
Deutschland!<br />
Bruder Jordan: Ja, das freut mich sehr<br />
und dafür ist nicht uns, sondern Gott<br />
zu danken.<br />
Wie g<strong>in</strong>g es denn dann weiter?<br />
Bruder Jordan: Wir waren am Ende im<br />
ganzen zwölf Kleriker und 15 Laien.<br />
E<strong>in</strong>ige Deutsche waren unter uns – ich<br />
er<strong>in</strong>nere mich nicht an <strong>alle</strong> Namen:<br />
Bruder Barnabas, Bruder Konrad oder<br />
Bruder Benedikt aus Soest – und natürlich<br />
unser Prov<strong>in</strong>zialm<strong>in</strong>ister und <strong>Mission</strong>sleiter<br />
Bruder Caesar. Sprachlich waren<br />
wir also bestens gerüstet. Drei Monate<br />
nach dem Kapitel brachen wir <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />
Gruppen auf und kamen unter großen<br />
Mühen über Trient, Bozen, Brixen zu<br />
unserer ersten Station <strong>in</strong> Deutschland,<br />
nach Augsburg ...<br />
… und trafen dort erstmalig auf die<br />
grausamen Deutschen.<br />
Bruder Jordan (lacht): Sehr grausam. Der<br />
Bischof von Augsburg war von so großer<br />
Zuneigung zu uns Brüdern ergriffen, dass<br />
er jeden von uns mit e<strong>in</strong>em Friedensgruß<br />
empfi ng und mit e<strong>in</strong>em Kuss auch<br />
entließ. Der Domherr aber empfi ng<br />
uns mit solchem Wohlwollen, dass er<br />
se<strong>in</strong> Amtsgebäude verließ und uns dort<br />
unterbrachte. Übrigens wurden wir auch<br />
vom Klerus und vom Volk freundlich<br />
aufgenommen und ehrerbietig gegrüßt.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
In Augsburg fand dann auch das<br />
erste deutsche Prov<strong>in</strong>zkapitel statt?<br />
Bruder Jordan: Ja, am 16. Oktober 1221<br />
mit 30 Brüdern. Da wurden die ersten<br />
Weichen für die schnelle Ausbreitung<br />
des Ordens <strong>in</strong> Deutschland gestellt …<br />
… was e<strong>in</strong>e lange Geschichte ist,<br />
die an anderer Stelle erzählt werden<br />
soll. Sie haben ja darüber e<strong>in</strong> Buch<br />
geschrieben, dass <strong>alle</strong>n Leser<strong>in</strong>nen<br />
und Lesern der <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong><br />
empfohlen werden kann. Danke,<br />
lieber Bruder Jordan, für dieses<br />
Gespräch.<br />
Bruder Jordan: Immer gerne.<br />
Das »Interview« führte unser Redaktionsmitglied<br />
Thomas M. Schimmel. Die kursiv<br />
gesetzten Passagen s<strong>in</strong>d Orig<strong>in</strong>alzitate aus<br />
»Die Chronik des Bruders Jordan von Giano«<br />
<strong>in</strong> Hardick, Lothar (Hg.): Nach Deutschland<br />
und England – Die Chroniken der M<strong>in</strong>derbrüder<br />
Jordan von Giano und Thomas von<br />
Eccleston (Franzis kanische Quellenschriften<br />
Band 6), Werl 1957<br />
Neue Gesamtausgabe der Franziskanischen<br />
Quellenschriften, Butzon & Bercker 2010.<br />
7
8<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
Gegen den <strong>Welt</strong>untergang<br />
Die Kirche muss präsent se<strong>in</strong><br />
Seit gut 100 Jahren engagieren sich<br />
bayerische <strong>Mission</strong>are <strong>in</strong> Bolivien. Mit<br />
der Verkündigung des Evangeliums<br />
verb<strong>in</strong>den sie ihren E<strong>in</strong>satz zur Verbesserung<br />
der Lebensbed<strong>in</strong>gungen der<br />
Menschen. Wie dies konkret aussieht,<br />
wird <strong>in</strong> folgendem Interview von Pater<br />
Leopold Scheifele mit Pfarrer Robert<br />
Hof deutlich, der seit 2007 <strong>in</strong> Bolivien<br />
wirkt.<br />
Robert, Du hast als Priester der Erzdiözese<br />
München und Freis<strong>in</strong>g e<strong>in</strong><br />
bewegtes Leben h<strong>in</strong>ter Dir. Drei Jahre<br />
als Kaplan <strong>in</strong> den schönen Bergen von<br />
Garmisch, fünf Jahre als Jugendpfarrer<br />
im Landkreis Fürstenfeldbruck und<br />
geistlicher Leiter der Katholischen<br />
Jungen Geme<strong>in</strong>de KJG – wie kamst<br />
Du von <strong>alle</strong>dem auf Bolivien?<br />
Pfarrer Robert Hof: Schon <strong>in</strong> der Pfarrjugend<br />
<strong>in</strong> Dachau, me<strong>in</strong>er Heimat, haben wir<br />
immer für Bolivien gesammelt. Da gab’s<br />
Aktionen wie »Rumpelkammer« und<br />
Robert Hof tauft e<strong>in</strong> bolivianisches K<strong>in</strong>d.<br />
» M<strong>in</strong>ibrot«, und der Erlös dieser<br />
Aktionen war oft für Projekte <strong>in</strong> Bolivien<br />
bestimmt. Gelegentlich hat uns auch e<strong>in</strong><br />
<strong>Mission</strong>ar aus Bolivien <strong>in</strong> der Jugendstelle<br />
besucht. Da hat es mich total fasz<strong>in</strong>iert,<br />
diese Berichte zu hören, die Bilder zu<br />
sehen; ich habe mich dann weiter mit<br />
dem Land beschäftigt.<br />
Die Möglichkeit, das Land und se<strong>in</strong>e<br />
Leute persönlich kennenzulernen, ergab<br />
sich dann während me<strong>in</strong>es Studiums,<br />
und zwar im Rahmen des Freijahres nach<br />
dem Vordiplom. So kam ich 1991/92<br />
nach Cochabamba, <strong>in</strong>s Hochland von<br />
Bolivien, wo ich zunächst im Sem<strong>in</strong>ar<br />
der Steyler <strong>Mission</strong>are gewohnt habe.<br />
Dann aber wollte ich mehr das Leben<br />
der Bolivianer teilen und b<strong>in</strong> an den<br />
Stadtrand gezogen. Dort habe ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Lehmziegelhütte gelebt, mit Wellblechdach,<br />
ohne fl ießendes Wasser. Es gab nur<br />
<strong>alle</strong> vier Tage frisches Wasser, aus e<strong>in</strong>em<br />
öffentlichen Wasserhahn. Mit Kanistern,<br />
mit Eimern, mit Kochtöpfen haben wir<br />
es aufgefangen, um unsere Regentonne<br />
damit zu füllen. Die Toilette war auf der<br />
anderen Straßenseite, mehr oder m<strong>in</strong>der<br />
<strong>in</strong> der Öffentlichkeit.<br />
Das Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Basisgeme<strong>in</strong>de<br />
hat mich sehr geprägt: Tagsüber zu studieren<br />
und die Nachmittage und Abende<br />
zusammen mit den Leuten dort <strong>in</strong> den<br />
»Favelas« zu verbr<strong>in</strong>gen! Ich habe heute<br />
noch Kontakt zu me<strong>in</strong>er Gastfamilie.<br />
Das war e<strong>in</strong>e richtige bolivianische Großfamilie,<br />
die mich beherbergt hat. Zum<br />
Schluss haben sie mich wie e<strong>in</strong> Familienmitglied<br />
behandelt; das hat geprägt.<br />
Und jetzt bist Du schon seit drei Jahren<br />
fest <strong>in</strong> unserer Bolivienmission<br />
e<strong>in</strong>gesetzt, bei Bischof Antonio<br />
Reimann <strong>in</strong> Concepción. Wie bist du<br />
an diesen E<strong>in</strong>satz gekommen? Bei<br />
dem Priester mangel <strong>in</strong> Deutschland<br />
dürfte das nicht leicht se<strong>in</strong>.<br />
Pfarrer Robert Hof: Ja, Du hast Recht,<br />
es ist nicht mehr so leicht. Glücklicherweise<br />
habe ich Fürsprecher im Bistum<br />
gefunden. Entscheidend war dann die<br />
Zustimmung von Erzbischof Re<strong>in</strong>hard<br />
Marx, der damals gerade von Trier nach<br />
München kam. Zwischen dem Bistum<br />
Trier und Bolivien besteht e<strong>in</strong>e Partnerschaft,<br />
und Bischof Marx war selbst schon<br />
e<strong>in</strong>ige Male <strong>in</strong> Bolivien gewesen. Er hat<br />
mich schließlich zum Gespräch e<strong>in</strong>geladen<br />
und am Ende dieses Gesprächs<br />
erteilte er mir die Freistellung für fünf<br />
Jahre. Ich war überglücklich.<br />
Mittlerweile bist Du schon drei Jahre<br />
<strong>in</strong> Bolivien. Was hast Du <strong>in</strong> dieser<br />
Zeit erlebt? Wie konntest Du schon<br />
missionarisch wirken?<br />
Pfarrer Robert Hof: Die ersten drei<br />
Monate war ich <strong>in</strong> San Julián, um<br />
mich e<strong>in</strong> bisschen e<strong>in</strong>zuleben – an der<br />
Seite me<strong>in</strong>es Landsmanns Pfarrer Josef<br />
Schicker. Dann hat mich Bischof Antonio<br />
Reimann nach Concepción geholt.<br />
Concepción hat als ehemalige Jesuitenreduktion<br />
e<strong>in</strong>e ganz eigene Geschichte.<br />
Nach den großen Restaurierungsarbeiten<br />
unter Bischof Antonio Eduardo Bösl<br />
wurde die Kathedrale von Concepción
Projekt »Häuser ...<br />
... statt Hütten«<br />
zusammen mit vier weiteren Jesuitenkirchen<br />
zum <strong>Welt</strong>kulturerbe der Menschheit<br />
erklärt. Damit konnte ich zunächst<br />
nichts anfangen, ich wollte doch zu den<br />
e<strong>in</strong>fachsten und zu den ärmsten Leuten<br />
gehen! Nun aber freue ich mich doch über<br />
den kulturellen Reichtum von Architektur,<br />
Kunst und Musik, über das Archiv und<br />
das Orchester. All das fördert das Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />
der Chiquitanos (Anmerkung<br />
der Redaktion: <strong>in</strong>digene Volksgruppe),<br />
was außerordentlich wichtig ist für e<strong>in</strong>e<br />
gute wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />
Entwicklung.<br />
Und wie sieht es auf der anderen<br />
Seite aus – bei den Armen?<br />
Pfarrer Robert Hof: An den Rändern der<br />
Stadt, abseits des touristischen Zentrums,<br />
befi nden sich die Armenviertel. Dort leben<br />
die Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fachen Bretterverschlägen,<br />
mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen Strohdach<br />
darüber. Da gibt es ganz, ganz e<strong>in</strong>fache<br />
Leute, und da muss die Kirche präsent se<strong>in</strong><br />
und auch e<strong>in</strong> soziales Handeln an den Tag<br />
legen! Wir können den Menschen nicht<br />
die Liebe Gottes verkünden, wenn wir<br />
sie gleichzeitig <strong>in</strong> menschenunwürdigen<br />
Zuständen leben lassen. Die Kirche muss<br />
beides tun: das Evangelium verkünden<br />
und soziale Werke schaffen.<br />
Die Menschen brauchen also erst<br />
e<strong>in</strong>mal menschenwürdige Wohnbed<strong>in</strong>gungen?<br />
Pfarrer Robert Hof: Ja. Genau darum<br />
geht es <strong>in</strong> unserem Projekt »Häuser statt<br />
Hütten«! Die Stroh- oder Palmdächer, der<br />
gestampfte Erdboden – das <strong>alle</strong>s br<strong>in</strong>gt<br />
große Gefährdungen der Gesundheit mit<br />
sich. In diesen Dächern, auch im Boden,<br />
hausen Insekten, die Krankheiten übertragen;<br />
da gibt es Insekten, die unter die<br />
Haut kriechen und sich dort e<strong>in</strong>nisten,<br />
die sogar die <strong>in</strong>neren Organe angreifen.<br />
Davor sollen die Menschen geschützt<br />
werden.<br />
Mit dem Projekt »Häuser statt<br />
Hütten« wollen wir den Leuten aber<br />
auf ke<strong>in</strong>en Fall etwas Fertiges h<strong>in</strong>stellen,<br />
<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Almosens. Die aktive<br />
Mitarbeit und der echte Wille e<strong>in</strong>er<br />
Familie s<strong>in</strong>d wichtige Voraussetzungen.<br />
Die Leute müssen den ernsten Willen<br />
zur Mitarbeit haben, selbst Lehmziegel<br />
formen, selbst Holz suchen für die Balken<br />
– gegebenenfalls unter Anleitung e<strong>in</strong>es<br />
Maurers, den die Pfarrei unterhält. Wenn<br />
sie mithilfe der Pfarrei schöne Dachziegel<br />
bekommen, Fenster, Zement, dann kann<br />
man dort sehr schöne e<strong>in</strong>fache Häuser<br />
bauen, <strong>in</strong> denen die Menschen unter<br />
hygienisch-vernünftigen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
leben können. Die Häuschen s<strong>in</strong>d durch<br />
und durch im Stile der Chiquitano-<br />
Kultur gebaut, dazu gehören die weiten<br />
Vor dächer, die vor Sonne und Regen<br />
schützen und sich harmonisch <strong>in</strong> die<br />
Landschaft e<strong>in</strong>fügen.<br />
Du hast e<strong>in</strong>mal gesagt: »Erst<br />
kommen die Häuser, dann kommt<br />
die Kirche.« – Die E<strong>in</strong>weihung der<br />
neuen Kirche ist der krönende<br />
Abschluss für e<strong>in</strong>e neue Siedlung.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs gibt es vor dem Kirchbau<br />
bereits Versammlungsräume.<br />
Können diese auch als Gottesdiensträume<br />
dienen?<br />
Pfarrer Robert Hof: Auf jeden Fall! E<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>faches Pfarrzentrum sieht so aus: Es<br />
ist e<strong>in</strong> fest gemauertes, verschließbares<br />
Haus mit e<strong>in</strong>em ordentlichen Dach<br />
darüber. Dar<strong>in</strong> befi ndet sich e<strong>in</strong>e Tafel<br />
für Bildungsmaßnahmen, dar<strong>in</strong> wird<br />
Gottesdienst gefeiert, da treffen sich die<br />
Frauen, es ist also e<strong>in</strong> Vielzweckraum<br />
<strong>in</strong> <strong>alle</strong>r E<strong>in</strong>fachheit.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Als zweiten Projektschwerpunkt<br />
hast Du soeben den Bereich der<br />
Bildung genannt. Kannst Du die<br />
Situation etwas genauer schildern?<br />
Pfarrer Robert Hof: Generell muss ich<br />
sagen, Bolivien ist so e<strong>in</strong> junges Volk<br />
und dieses junge Volk braucht Bildung,<br />
und zwar qualitätsvolle Bildung. Es<br />
fehlen Lehrer, es fehlen Ausbilder, es<br />
fehlen Fachleute. Es geht darum, diesem<br />
jungen Volk zur Selbstständigkeit zu<br />
verhelfen, <strong>in</strong>dem es e<strong>in</strong>e gute Bildung<br />
genießen darf und dann auch selbst gute<br />
Lehrer und Ausbilder hervorbr<strong>in</strong>gt. Vor<br />
<strong>alle</strong>m gilt es, <strong>in</strong> Bildung zu <strong>in</strong>vestieren.<br />
Das gilt auch für unsere Pfarreien.<br />
Auch unsere Katechisten müssen<br />
ausgebildet werden. Wenn wir nicht<br />
<strong>in</strong> gutem Kontakt mit den Katechisten<br />
s<strong>in</strong>d, wenn wir sie nicht wenigstens<br />
zweimal im Jahr mit gut vorbereiteten<br />
Kursen ausbilden, dann können sie nicht<br />
die Stellung halten auf den Dörfern<br />
draußen. Dann greifen Hunderte von<br />
Sekten an und verwirren die Leute. Die<br />
Sekten hier predigen den <strong>Welt</strong>untergang.<br />
Das nehmen unsere Leute an, und<br />
dann geht auch <strong>in</strong> den Projekten nichts<br />
mehr voran. Deshalb brauchen unsere<br />
Katechisten sehr gute Kurse.<br />
Mit anderen Worten: Ihr verkündet<br />
mit Euren Projekten den <strong>Welt</strong>aufgang<br />
im Gegenzug zum von den<br />
Sekten verkündeten <strong>Welt</strong>untergang?<br />
Pfarrer Robert Hof: Ja, das kann man<br />
wohl sagen! Dar<strong>in</strong> unterscheidet sich die<br />
Arbeit der katholischen Kirche ganz fundamental<br />
von den vielen evangeli kalen<br />
Sekten hier! Die stimmen die Leute<br />
immer auf das nahe Ende, den <strong>Welt</strong>untergang,<br />
e<strong>in</strong> und lähmen sie dadurch.<br />
Sicher, jeder Christ muss so leben, als<br />
ob heute se<strong>in</strong> letzter Tag sei. Für die<br />
Sekten heißt das: Wir brauchen nichts<br />
mehr tun, es löst sich eh <strong>alle</strong>s durch<br />
das nahe Ende der <strong>Welt</strong>. Für uns heißt<br />
das: Anpacken bis zuletzt, damit sich<br />
die Lebensbed<strong>in</strong>gungen der Menschen<br />
verbessern, sodass sie menschenwürdig<br />
leben können – e<strong>in</strong>fach, aber <strong>in</strong> Würde.<br />
Lieber Robert, ich danke Dir ganz<br />
herzlich für dieses Gespräch.<br />
Pfarrer Robert Hof<br />
Robert Hof ist seit 2007 <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong> Santa<br />
Cruz, Bolivien. Für fünf Jahre ist er als Pfarrer <strong>in</strong><br />
Concepción zusammen mit den <strong>Franziskaner</strong>n<br />
im E<strong>in</strong>satz.<br />
9
10<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
DDR <strong>in</strong> der Karibik<br />
Drei Jahre als <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong> Kuba<br />
»Wir würden gern das Kuba kennenlernen,<br />
das es wohl so <strong>in</strong> e<strong>in</strong> paar Jahren nicht<br />
mehr geben wird.« So schrieb mir Anfang<br />
des Jahres e<strong>in</strong> befreundetes Ehepaar aus<br />
Deutschland, das sich <strong>in</strong> diesem Jahr<br />
»etwas Besonderes« gönnen wollte. Das<br />
Kuba, das sie sich für ihre Urlaubsreise<br />
auserkoren hatten, ist vermutlich e<strong>in</strong>e<br />
Mischung aus den Reiseprospekten mit Bildern<br />
von kilometerlangen Traumstränden,<br />
von Palmen umsäumt, von kristallklarem,<br />
türkisfarbenem Wasser und den Bildern<br />
und Klängen des Buena Vista Social Club,<br />
dem Filmporträt jener <strong>in</strong> die Jahre gekommenen<br />
Musiker, die sich ihre Leidenschaft<br />
für die kubanischen Rhythmen bewahrt<br />
haben: Mit dicker Zigarre im Mund fahren<br />
sie im Chevrolet aus den 1950er Jahren<br />
durch die morbide Altstadt von Havanna,<br />
genießen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bar e<strong>in</strong> Glas Rum,<br />
spielen und bes<strong>in</strong>gen die Schönheit e<strong>in</strong>es<br />
Mädchens vom Land, aus der Prov<strong>in</strong>z<br />
Guantánamo, das dem <strong>Welt</strong>hit den Namen<br />
gab: »Guantanamera«. Und ebenso fester<br />
Bestandteil des Kuba-Bildes: Fidel Castro,<br />
der schwerkranke, <strong>in</strong> der Öffentlichkeit<br />
nicht mehr ersche<strong>in</strong>ende, jedoch überall<br />
gegenwärtige <strong>in</strong>zwischen 82-jährige<br />
Comandante en jefe, der Oberste Kommandant<br />
der Revolution von 1959.<br />
Herbst 2007. Bei me<strong>in</strong>er Ankunft<br />
am Flughafen <strong>in</strong> Havanna erwartet<br />
mich e<strong>in</strong>e <strong>alle</strong>s andere als romantische<br />
Wirklichkeit. E<strong>in</strong>e neue, jedoch schon<br />
verkommene, dunkle und farblosnüchterne<br />
E<strong>in</strong>gangsh<strong>alle</strong> empfängt<br />
die Ankommenden. Es herrscht e<strong>in</strong><br />
Schweigen, das beklommen macht.<br />
Dann Passkontrolle: »Bitte e<strong>in</strong>zeln<br />
vortreten, Brille abnehmen!« E<strong>in</strong>e<br />
an der Decke montierte Kamera<br />
fotografi ert mich. Die ganze Prozedur<br />
er<strong>in</strong>nert mich an den ehemaligen<br />
deutsch-deutschen Grenzübergang<br />
Marienborn. Dann öffnet e<strong>in</strong> Summer<br />
e<strong>in</strong>e weitere Tür. »Willkommen<br />
im tiefsten ›Ostblock‹!« – das war<br />
zum<strong>in</strong>dest me<strong>in</strong> erster E<strong>in</strong>druck.<br />
Wenige Wochen später habe ich<br />
die Gelegenheit, den emeritierten<br />
Bischof José Siro kennenzulernen,<br />
den »Löwen des Bistums P<strong>in</strong>ar del<br />
Rio«. Während des Besuchs von<br />
Papst Johannes Paul II prangerte er<br />
1998 offen e<strong>in</strong>ige Missstände im<br />
Land an.<br />
Auf me<strong>in</strong>e Frage, was im Land am<br />
meisten fehle, antwortet er lächelnd<br />
und <strong>in</strong> <strong>alle</strong>r Kürze: »Freiheit.« Durch<br />
Alltagserlebnisse und Erzählungen<br />
der Menschen vor Ort sollte se<strong>in</strong>e<br />
Antwort <strong>in</strong> den kommenden drei<br />
Jahren mit Leben gefüllt werden.<br />
Beispiel Reisefreiheit: Alle, die<br />
<strong>in</strong> Kuba leben, ob sie auf der Insel<br />
geboren s<strong>in</strong>d oder aus dem Ausland<br />
stammen, haben e<strong>in</strong> Recht darauf –<br />
zum<strong>in</strong>dest auf dem Papier. Der erforderliche<br />
Ausreiseantrag ist kostspielig.<br />
Bei den niedrigen E<strong>in</strong>kommen endet<br />
meist schon hier der Traum e<strong>in</strong>es<br />
Flugs zum Verwandtenbesuch <strong>in</strong><br />
die USA. Und »Genossen«, die die<br />
nötigen Beträge aufbr<strong>in</strong>gen können,<br />
werden gleich verdächtigt: Wie<br />
kommt er (oder sie) an so viel Geld?<br />
Das ruft die »Stasi« auf den Plan.<br />
Und selbst mit <strong>alle</strong>n Papieren <strong>in</strong> der<br />
Hand ist e<strong>in</strong> Abfl ug noch unsicher.<br />
Es gehört zum Pr<strong>in</strong>zip: Der Staat hält<br />
se<strong>in</strong>e Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger ständig<br />
<strong>in</strong> der Schwebe der Unsicherheit.<br />
Beispiel Redefreiheit: Zu Beg<strong>in</strong>n<br />
machten mir Freunde hier immer<br />
wieder mit e<strong>in</strong>er sprechenden Geste<br />
deutlich, worauf es ankommt: Sie<br />
verschließen mit e<strong>in</strong>em imag<strong>in</strong>ären<br />
Schlüssel ihren Mund und legen<br />
die Hände an die Ohren: Halte den<br />
Mund und höre zu! Es ist e<strong>in</strong>e harte<br />
Lektion lernen zu müssen: »Traue<br />
De<strong>in</strong>em Gesprächspartner nicht,<br />
selbst wenn er sich über manche<br />
Missstände im Land beklagt. Er<br />
könnte von der Staatssicherheit se<strong>in</strong>,<br />
der Dich mit solchen Manövern aus<br />
der Reserve zu locken versucht.«<br />
Das schürt Misstrauen.<br />
Landarbeiter <strong>in</strong> Kuba<br />
Beispiel Religionsfreiheit: Kuba<br />
gehört zu e<strong>in</strong>em Dutzend Ländern,<br />
dem die US-amerikanische Kommission<br />
für Internationale Religionsfreiheit<br />
(USCIRF) die »Gelbe Karte« zeigt.<br />
Die E<strong>in</strong>grenzung des Rechts ist an der<br />
Oberfl äche nur mäßig wahrzunehmen.<br />
In den Medien kommt das Thema<br />
»Religion« kaum vor, Predigten werden<br />
gerne gehört und Prozessionen fi nden<br />
gewöhnlich <strong>in</strong>nerhalb des Kirchenraumes<br />
statt. Eher unterschwellig: Die<br />
Dom<strong>in</strong>ikaner<strong>in</strong>nen und Dom<strong>in</strong>ikaner<br />
<strong>in</strong> Havanna haben zwei Jahre auf die<br />
Genehmigung zur Kirchenrenovierung<br />
gewartet; Kard<strong>in</strong>alstaatssekretär Bertone<br />
durfte bei se<strong>in</strong>em Besuch nur an e<strong>in</strong>em<br />
relativ beengten Ort Eucharistie feiern,<br />
e<strong>in</strong>e Ladung Hilfsgüter der Caritas<br />
musste wegen »Unregelmäßigkeiten«
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Schön <strong>in</strong> nostalgischen Filmen, aber unpraktisch im täglichen Leben: Kubaner bei Reparaturarbeiten an se<strong>in</strong>em alten Auto<br />
im Hafen bleiben oder der e<strong>in</strong>zigen<br />
kirchlichen Druckerei konnte<br />
»bedauerlicherweise« ke<strong>in</strong> Papier<br />
geliefert werden.<br />
Bed<strong>in</strong>gt durch die jüngere<br />
Geschichte nahm die Zahl der<br />
Christ<strong>in</strong>nen und Christen, Priester<br />
und Ordensleute drastisch ab. Alle<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> den letzten 20 Jahren s<strong>in</strong>d 100 (!)<br />
kubanische Priester ausgewandert.<br />
Die Folge drückt der Jesuit und<br />
Weihbischof Juan de Dios während<br />
e<strong>in</strong>es Inkulturationssem<strong>in</strong>ars so aus:<br />
»Die kubanische Ortskirche lebt drei<br />
evangelische Werte: den Wert des<br />
Kle<strong>in</strong>en, des Wenigen und des kaum<br />
Sichtbaren.«<br />
»Kle<strong>in</strong>, wenig« auch die Präsenz<br />
der Schwestern und Brüder der<br />
heiligen Klara und des heiligen<br />
Franziskus: Auf der franziskanischen<br />
Landkarte bildet Kuba heute mit<br />
der Dom<strong>in</strong>ikanischen Republik und<br />
Puerto Rico die Kustodie der Karibik<br />
Unsere Frau von der Hoffnung.<br />
Dazu gehören 30 Brüder. Drei von<br />
ihnen leben und arbeiten auf Kuba.<br />
Sieben weitere der zurzeit <strong>in</strong> Kuba<br />
tätigen <strong>Franziskaner</strong> s<strong>in</strong>d »Leiharbeiter«<br />
aus anderen Prov<strong>in</strong>zen. Vor<br />
rund 50 Jahren lebten im jetzigen<br />
Arbeiter- und Bauernstaat mehr als<br />
100 <strong>Franziskaner</strong> (ofm). Heute<br />
kommen <strong>Franziskaner</strong>, Konventualen<br />
und Kapuz<strong>in</strong>er <strong>in</strong>sgesamt auf etwa<br />
30 Brüder, die Franziskanische Geme<strong>in</strong>schaft<br />
zählt rund 150 Schwestern und<br />
Brüder. Die Klarissen haben Anfang der<br />
1960er Jahre das Land verlassen.<br />
»Der Wert des Kle<strong>in</strong>en«: Wenn<br />
bei Veranstaltungen von oder für<br />
Jugendliche fünf junge Leute teilnehmen,<br />
ist das schon viel. An e<strong>in</strong>em<br />
Grundkurs »Altes Testament« nahmen<br />
ganze vier Jugendliche teil. Doch<br />
diese saugten den Kurs regelrecht <strong>in</strong><br />
sich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, fragten nach, diskutierten<br />
und bekamen so – neuen oder ersten<br />
– Zugang zur Heiligen Schrift, zu<br />
Glaubensfragen. Es s<strong>in</strong>d wenige, doch<br />
hochmotivierte, suchende junge Leute.<br />
Das größte Wunder, das ich hier<br />
erleben durfte: Allen Widrigkeiten<br />
im Alltag und <strong>alle</strong>n E<strong>in</strong>schüchterungsversuchen<br />
zum Trotz haben Menschen<br />
ihre Menschlichkeit bewahrt<br />
und Christ<strong>in</strong>nen und Christen ihren<br />
Glauben gelebt und weitergegeben.<br />
Es ist e<strong>in</strong>e Generation, die an das<br />
große Geschenk Gottes glaubt und die<br />
die »Hoffnung gegen <strong>alle</strong> Hoffnung«<br />
(Röm 4,18) lebt.<br />
Der Reichtum e<strong>in</strong>es Landes s<strong>in</strong>d eben<br />
se<strong>in</strong>e Menschen.<br />
Br. Frank Hartmann ofm<br />
Bruder Frank wirkt seit drei Jahren als <strong>Mission</strong>ar<br />
der Sächsischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z auf Kuba.<br />
Br. Frank Hartmann (rechts) mit e<strong>in</strong>em Geme<strong>in</strong>demitglied<br />
<strong>in</strong> Guanabacoa, Kuba<br />
11
12<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
Aus der Vision heraus leben<br />
Die ersten deutschen <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Chicago<br />
Visionen s<strong>in</strong>d die Quelle von Veränderungen.<br />
So war und ist es <strong>in</strong> der<br />
Geschichte der <strong>Welt</strong>, der Kirche oder<br />
auch der franziskanischen Bewegung.<br />
Diese Kraft br<strong>in</strong>gt Neues hervor. Und<br />
diese Qualität ist es auch, die Bruder<br />
Gregor Janknecht <strong>in</strong> besonderem Maße<br />
auszeichnete – e<strong>in</strong>en jungen, <strong>in</strong>telligenten<br />
und von der Idee der <strong>Mission</strong><br />
begeisterten <strong>Franziskaner</strong>, der im Laufe<br />
se<strong>in</strong>es Lebens <strong>in</strong>sgesamt fünfmal zum<br />
Prov<strong>in</strong>zial der Sächsischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />
gewählt werden sollte.<br />
Büste von P. Gregor Janknecht vor dem <strong>Franziskaner</strong>kloster <strong>in</strong> Dorsten<br />
Bruder Gregor war sich der Herausforderungen<br />
se<strong>in</strong>er Zeit durchaus bewusst.<br />
Die Säkularisation bedrohte nicht nur die<br />
Geme<strong>in</strong>schaft der <strong>Franziskaner</strong>, sondern<br />
die Kirche <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong>sgesamt.<br />
Doch anstatt zu resignieren, stellte<br />
Janknecht sich mutig und entschlossen<br />
diesem Trend entgegen und arbeitete<br />
im Vertrauen auf die Hilfe Gottes auf<br />
se<strong>in</strong> Vorankommen im Orden und <strong>in</strong><br />
der <strong>Mission</strong> h<strong>in</strong>. Diese Komb<strong>in</strong>ation aus<br />
Glaube und Vision öffnete ihm auch dort<br />
noch Perspektiven, wo andere die Situation<br />
für die Kirche längst als hoffnungslos<br />
ansahen.<br />
Schlüsselerlebnis:<br />
Besuch aus Amerika<br />
Im Jahr 1858 erhielt Janknecht Besuch<br />
aus Amerika. Bischof Henry Damian<br />
Juncker, e<strong>in</strong> deutschstämmiger Bischof<br />
aus Ill<strong>in</strong>ois, suchte <strong>in</strong> Paderborn bei<br />
den <strong>Franziskaner</strong>n nach Seelsorgern für<br />
die steigende Zahl deutscher E<strong>in</strong>wander<strong>in</strong>nen<br />
und E<strong>in</strong>wanderer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Diözese. Bruder Gregor sagte ihm ohne<br />
zu zögern sofortige Unterstützung zu<br />
und schickte noch im selben Jahr die<br />
ersten neun Patres aus der Sächsischen<br />
<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z <strong>in</strong> die <strong>Mission</strong> nach<br />
Amerika. Er selbst wählte diese neun<br />
Kandidaten mit aus. Auch später ließ<br />
es sich Bruder Gregor nicht nehmen,<br />
sich an der Auswahl der <strong>Mission</strong>are, die<br />
nach Amerika geschickt werden sollten,<br />
zu beteiligen. Schließlich mussten für<br />
diese Aufgabe nicht nur fromme Männer<br />
gewonnen werden, sondern Leute,<br />
die zugleich auch mit der kulturellen<br />
Umstellung zurechtkommen würden.<br />
Dreimal besuchte Janknecht se<strong>in</strong>e<br />
deutschen Mitbrüder <strong>in</strong> Amerika: 1860,<br />
1869 und 1876. Dabei würdigte er ihr<br />
Werk und ermutigte sie, ihrer Berufung<br />
weiter treu zu bleiben. Während se<strong>in</strong>er<br />
zweiten und dritten Reise übertrug er<br />
bereits viele Rechte und Pfl ichten, die<br />
eigentlich nur ihm als Prov<strong>in</strong>zial zustanden,<br />
an se<strong>in</strong>en Vertreter <strong>in</strong> Amerika. Auf<br />
diese Weise bereitete er die Unabhängigkeit<br />
der amerikanischen Geme<strong>in</strong>schaft<br />
vor, aus der im Jahr 1879 die eigenständige<br />
Prov<strong>in</strong>ce of the Sacred Heart<br />
of Jesus hervorg<strong>in</strong>g. Zum Zeitpunkt<br />
ihrer Gründung gehörten 202 Brüder<br />
zu der Prov<strong>in</strong>z.<br />
Gerne wäre er selbst gegangen<br />
Se<strong>in</strong>e letzte und längste Reise trat<br />
Janknecht im Jahr 1876 an. 16 Monate<br />
verbrachte er <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten Staaten<br />
zur Visitation. In diesem Rahmen unterstützte<br />
er außerdem Klöster der Armen<br />
Klarissen und Säkulare <strong>Franziskaner</strong>geme<strong>in</strong>schaften.<br />
In se<strong>in</strong>em Abschiedsbrief,<br />
den er im März 1876 geschrieben<br />
hat, heißt es: »Gerne würde ich als<br />
e<strong>in</strong>faches Mitglied unseres Ordens nach<br />
Amerika zurückkehren und dort die<br />
Seelsorge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Geme<strong>in</strong>de<br />
übernehmen.« Auch <strong>in</strong> ihm selbst war<br />
also <strong>in</strong>zwischen die Berufung zur <strong>Mission</strong><br />
<strong>in</strong> Übersee erwacht. Zurück <strong>in</strong> der<br />
Heimat musste er zu se<strong>in</strong>er Bestürzung<br />
dann aber feststellen, dass das, was er<br />
so vielen anderen durch die Entsendung<br />
ermöglicht hatte, sich für ihn selbst
nicht realisieren ließ. Denn die Leitung<br />
e<strong>in</strong>er Pfarrei <strong>in</strong> der <strong>Mission</strong> war<br />
mit der Erfüllung se<strong>in</strong>er Aufgaben <strong>in</strong><br />
der Prov<strong>in</strong>zleitung nicht vere<strong>in</strong>bar.<br />
Zwei <strong>Welt</strong>en – unterschiedliche<br />
Herausforderungen<br />
Durch se<strong>in</strong> Wirken sowohl <strong>in</strong><br />
Deutschland als auch <strong>in</strong> Amerika<br />
sah Janknecht sich sehr unterschiedlichen<br />
Herausforderungen gegenüber.<br />
In Deutschland tobte zuerst der<br />
deutsch-französische Krieg, dann<br />
der Kulturkampf. In Amerika gab es<br />
ganz andere Probleme. E<strong>in</strong>erseits<br />
sollten die e<strong>in</strong>gewanderten Brüder<br />
an der franziskanischen Regel dort<br />
mit derselben H<strong>in</strong>gabe festhalten<br />
wie <strong>in</strong> Deutschland. Andererseits<br />
mussten ihnen angesichts der völlig<br />
anderen Lebensumstände besondere<br />
Zugeständnisse e<strong>in</strong>geräumt werden.<br />
Nicht nur die e<strong>in</strong>zelnen Brüder, sondern<br />
vor <strong>alle</strong>m die Kirche <strong>in</strong> Chicago<br />
profi tierte davon, dass Janknecht<br />
diese Zugeständnisse machte.<br />
Reiten: erlaubt oder nicht?<br />
E<strong>in</strong> Beispiel hierfür: Die <strong>Mission</strong>are<br />
<strong>in</strong> Amerika baten Bruder Gregor um<br />
die Erlaubnis, aufgrund der großen<br />
Entfernungen <strong>in</strong> ihrem Seelsorgegebiet<br />
auf dem Pferd zu ihren<br />
Geme<strong>in</strong>de mitgliedern zu reiten<br />
– obwohl Franziskus se<strong>in</strong>en Gefährten<br />
dies se<strong>in</strong>erzeit ausdrücklich<br />
verboten hatte. Janknecht sah, dass<br />
die Situation im Assisi des 13. Jahrhunderts<br />
e<strong>in</strong>e ganz andere war als<br />
die <strong>in</strong> Chicago 600 Jahre später. Wer<br />
zur Zeit des Franziskus e<strong>in</strong> Pferd<br />
hatte, war reich. Wer <strong>in</strong> Amerika des<br />
19. Jahrhunderts ke<strong>in</strong> Pferd hatte,<br />
war von der Umwelt abgeschnitten.<br />
Anders gesagt: Pferde waren für die<br />
<strong>Mission</strong> ke<strong>in</strong> Luxus, sondern notwendiges<br />
Mittel, um die Menschen<br />
zu erreichen. Also gab Janknecht<br />
der Bitte se<strong>in</strong>er amerikanischen<br />
Mitbrüder statt.<br />
Neue Situationen erfordern<br />
neue Antworten<br />
Unermüdlich suchte Bruder Gregor<br />
nach Antworten auf immer neue<br />
Herausforderungen. Er entwickelte<br />
neue Methoden, um über die deutsche<br />
Gruppe h<strong>in</strong>aus auch Angehörige<br />
anderer Nationalitäten, sprich Polen,<br />
Franzosen und die Ure<strong>in</strong>wohner, zu<br />
erreichen. Er ermahnte se<strong>in</strong>e Mitbrüder,<br />
jeden e<strong>in</strong>zelnen Menschen<br />
zu achten und zu schätzen. Dem<br />
Bischof und den Diözesanpriestern<br />
sollten die Ordensleute Respekt und<br />
Unterstützung zukommen lassen,<br />
dagegen sollten sie sich nicht <strong>in</strong> deren<br />
Streitigkeiten e<strong>in</strong>mischen. Außerdem<br />
sollten sie denjenigen gegenüber,<br />
die e<strong>in</strong>en Fehler begangen hatten,<br />
demütig und mit Sanftmut begegnen.<br />
Se<strong>in</strong>er Zeit weit voraus<br />
In gewisser Weise hat Bruder Gregor<br />
durch se<strong>in</strong> visionäres und kreatives<br />
Wirken die großen <strong>Mission</strong>sdokumente<br />
des 20. Jahrhunderts Ad<br />
gentes (Vaticanum II), Evangelium<br />
Nuntiandi (Papst Paul VI) und<br />
Redemptoris Missio (Papst Johannes<br />
Paul II) vorweggenommen. Sie <strong>alle</strong><br />
sprechen von dem missionarischen<br />
Charakter, der <strong>alle</strong>n Christ<strong>in</strong>nen<br />
und Christen durch ihre Taufe und<br />
durch die tr<strong>in</strong>itarische Liebe Gottes<br />
zueigen ist. Sie <strong>alle</strong> sprechen vom<br />
Glauben als Gabe und »Auf-Gabe«,<br />
e<strong>in</strong>em Glauben, der <strong>in</strong>karniert und<br />
<strong>in</strong>kulturiert werden muss, das heißt,<br />
der <strong>in</strong> die Sprache der jeweiligen Zeit<br />
und Kultur und damit <strong>in</strong> das konkrete<br />
Leben der Menschen übersetzt werden<br />
muss. Und <strong>alle</strong> diese Dokumente<br />
sprechen auch davon, dass die Kirche<br />
mit diesem Auftrag nicht <strong>alle</strong><strong>in</strong>e ist,<br />
sondern dass sie getragen ist vom<br />
Heiligen Geist, der durch <strong>alle</strong> Zeiten<br />
h<strong>in</strong>durch und <strong>in</strong> <strong>alle</strong>n Völkern der<br />
Erde wirkt.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Und wir?<br />
Janknecht bewies se<strong>in</strong>e Treue zu<br />
dieser Überzeugung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, die<br />
von ganz unterschiedlichen Sorgen<br />
zu Hause <strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong> der<br />
<strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Amerika geprägt war. Ganz<br />
ähnliche Herausforderungen liegen<br />
auch heute wieder vor uns. Die Frage,<br />
die sich uns heute stellt, ist dieselbe,<br />
die Bruder Gregor sich und se<strong>in</strong>en<br />
Mitbrüdern vor 150 Jahren gestellt<br />
hat: Wollen wir uns <strong>in</strong> uns selbst<br />
zurück ziehen und weiter »der guten<br />
alten Zeit« nachtrauern? Oder s<strong>in</strong>d wir<br />
bereit, uns den Herausforderungen der<br />
Zukunft zu stellen und mit Visionen<br />
und Kreativität darauf zu antworten?<br />
Mit anderen Worten: S<strong>in</strong>d wir bereit,<br />
uns dem Ruf Jesu Christi zu öffnen<br />
und ihm zu folgen?<br />
Br. Michael Perry ofm<br />
Bruder Michael ist Mitglied der amerikanischen<br />
<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Prov<strong>in</strong>ce of the<br />
Sacred Heart of Jesus. Im Juni 2009 wurde<br />
er als stellvertretender Leiter des gesamten<br />
Franzis kanerordens <strong>in</strong> Rom gewählt.<br />
Übersetzung aus dem Englischen:<br />
Anke Chávez<br />
13
14<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
Durch Bismarck nach Amerika<br />
<strong>Franziskaner</strong> aus Fulda <strong>in</strong> New York und Colorado<br />
Als die ersten <strong>Franziskaner</strong> aus Fulda<br />
<strong>in</strong> New York an Land g<strong>in</strong>gen, hatten sie<br />
ke<strong>in</strong>e Ahnung, wo sie die erste Nacht,<br />
geschweige denn ihr weiteres Leben,<br />
verbr<strong>in</strong>gen sollten. Aber sie hatten ke<strong>in</strong>e<br />
Wahl: Bismarck, der sich über die katholische<br />
Zentrumspartei und über den frisch<br />
formulierten Unfehlbarkeits anspruch<br />
des Papstes ärgerte, wies im Zuge des<br />
Kulturkampfes sämtliche Ordensleute<br />
aus Preußen aus. Den <strong>Franziskaner</strong>n<br />
vom Frauenberg setzte er im Mai 1875<br />
e<strong>in</strong> sechsmonatiges Ultimatum: B<strong>in</strong>nen<br />
dieser Zeit mussten sie nicht nur ihr<br />
Heimat kloster, sondern auch das Land<br />
verlassen. Der Leiter des Klosters, Pater<br />
Aloysius Lauer, schickte sie daraufh<strong>in</strong><br />
nach Amerika, um dort nach Möglichkeiten<br />
für die Geme<strong>in</strong>schaft zu suchen.<br />
E<strong>in</strong> halbes Jahr nach ihrer Ankunft<br />
ergab sich schließlich die Gelegenheit,<br />
e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de im abgelegenen<br />
Nordwesten des Bundesstaates New<br />
York zu übernehmen. Bei M<strong>in</strong>usgraden,<br />
mit e<strong>in</strong>er Flasche Messwe<strong>in</strong><br />
und e<strong>in</strong>em Behälter voll Hostien im<br />
spärlichen Gepäck, erreichten zwei<br />
Brüder das ihnen zugedachte halb<br />
zerf<strong>alle</strong>ne Pfarrhaus, um den Auftrag<br />
des Ortsbischofs zu erfüllen: »<strong>Geht</strong><br />
nach Croghan, lest dort die Messe<br />
– und bleibt dort.« E<strong>in</strong> weiteres<br />
halbes Jahr später sollten zwölf ihrer<br />
franziskanischen Brüder aus Fulda<br />
nachkommen.<br />
Neue Perspektiven<br />
Doch dann ergaben sich plötzlich<br />
neue Perspektiven an der Ostküste.<br />
In der Industriestadt Paterson, e<strong>in</strong>em<br />
aufstrebenden Ort mit 51.000 E<strong>in</strong>wohner<strong>in</strong>nen<br />
und E<strong>in</strong>wohnern<br />
und der ersten Baumwollsp<strong>in</strong>nerei<br />
des Landes, hatten Karmeliter aus<br />
Regensburg e<strong>in</strong> Kloster gebaut, weil<br />
sie Angst hatten, dass ihnen im<br />
Rahmen des Kulturkampfes dasselbe<br />
Schicksal drohte wie den <strong>Franziskaner</strong>n<br />
aus Fulda. Doch es kam anders.<br />
Im katholischen Bayern traute sich<br />
Bismarck nicht mit derselben Härte<br />
Vetrieb die <strong>Franziskaner</strong> aus Deutschland:<br />
Reichskanzler Otto von Bismarck<br />
durchzugreifen, sodass die befürchtete<br />
Ausweisung nicht e<strong>in</strong>trat. Die<br />
Karmeliter blieben <strong>in</strong> Bayern und die<br />
<strong>Franziskaner</strong> kauften ihnen das Haus<br />
<strong>in</strong> Paterson ab. Knapp e<strong>in</strong> Jahr nach<br />
ihrer Ausweisung wirkten die Brüder<br />
aus Fulda also bereits von zwei<br />
Häusern aus <strong>in</strong> Amerika.<br />
Mit der Wahl des neuen Papstes<br />
Leo XIII im Jahr 1878 entspannte sich<br />
das Verhältnis zwischen Politik und<br />
Kirche <strong>in</strong> Deutschland, sodass e<strong>in</strong>ige<br />
der Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> an Weihnachten<br />
1879 auf dem Frauenberg<br />
wieder die Messe feiern und im<br />
Jahr 1887 auch ihr Geme<strong>in</strong>schaftsleben<br />
im Kloster wieder aufnehmen<br />
konnten. Die <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Amerika<br />
g<strong>in</strong>g trotzdem weiter: zunächst <strong>in</strong><br />
Croghan/New York und Paterson/<br />
New Jersey, später auch <strong>in</strong> Denver/<br />
Colorado.<br />
Talent und Demut<br />
In der neuen Heimat bauten die<br />
<strong>Franziskaner</strong> Schulen, Kirchen, Pilgerstätten<br />
und Klöster – all das kostete<br />
Geld, viel Geld! E<strong>in</strong>ige der Brüder<br />
entwickelten erstaunliche Fähigkeiten,<br />
um die nötigen Mittel dafür<br />
aufzutreiben. Doch gerade bei den<br />
begabtesten F<strong>in</strong>anzgenies zeigte sich<br />
E<strong>in</strong> Werk der <strong>Franziskaner</strong>: St. Elizabeth Cathedral<br />
<strong>in</strong> Denver/Colorado<br />
die Schwierigkeit, Talent und Demut<br />
mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Bruder Albert etwa, e<strong>in</strong>e dieser Koryphäen,<br />
überschritt mit zunehmendem<br />
Erfolg eigenmächtig se<strong>in</strong>e Kompetenzen<br />
und hielt sich schließlich nicht<br />
mehr an die Anweisungen se<strong>in</strong>er<br />
Vorgesetzten. Als er daraufh<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>en<br />
anderen Ort versetzt wurde, verließ<br />
er den Orden. Auch Bruder Francis,<br />
das zweite herausragende Spendensammler-Talent,<br />
geriet wiederholt mit<br />
se<strong>in</strong>em Ortsbischof ane<strong>in</strong>ander. Dieser<br />
hegte die Befürchtung, dass der junge<br />
Franzis kaner im Zuge des Gelde<strong>in</strong>treibens<br />
notfalls auch se<strong>in</strong>e Seele verkaufen<br />
würde. Immerh<strong>in</strong>: Trotz mehrerer<br />
Versetzungen h<strong>in</strong> und her vollbrachte<br />
Bruder Francis das Meisterstück, <strong>in</strong>nerhalb<br />
von zehn Jahren e<strong>in</strong>e der größten<br />
und e<strong>in</strong>drucksvollsten Kathedralen im<br />
amerikanischen Westen zu fi nanzieren:<br />
die St. Elizabeth Cathedral <strong>in</strong> Denver.<br />
Allen Zwistigkeiten <strong>in</strong> der Bauphase<br />
zum Trotz profi tierte schließlich auch<br />
der Bischof von diesem prachtvollen<br />
Gotteshaus: Er nutzte es nach der<br />
Fertigstellung selbst für wichtige<br />
Amtshandlungen.<br />
Anke Chávez<br />
Anke Chávez ist Referent<strong>in</strong> für Öffentlichkeitsarbeit<br />
der <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Dortmund.
Wie Los Angeles zu<br />
se<strong>in</strong>em Namen kam<br />
Die Namensgebung <strong>in</strong> Kalifornien<br />
Die <strong>Franziskaner</strong> nannten die Orte an der kalifornischen Westküste nach den Tagesheiligen, die sie am<br />
Tag der Entdeckung feierten.<br />
Als die spanische Krone im Jahr 1768<br />
beschloss, die bis dato unerschlossene<br />
amerikanische Westküste zu besiedeln,<br />
um durch die Erstbesiedlung die Rechte<br />
an dem Land zu erhalten, konnte sie die<br />
<strong>Franziskaner</strong>missionare begeistern, an<br />
der Unternehmung teilzunehmen.<br />
Ziel der <strong>Franziskaner</strong> war es, das<br />
Evangelium zu den Ure<strong>in</strong>wohnern, den<br />
Mittelseite: Die auf der folgenden Doppelseite präsentierte<br />
<strong>Welt</strong>karte zeigt die E<strong>in</strong>satzorte der 44 <strong>Mission</strong>are aus den<br />
vier deutschen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>zen, die derzeit weltweit<br />
tätig s<strong>in</strong>d: 8 Brüder aus der Bavaria, 16 Brüder aus der<br />
Thur<strong>in</strong>gia, 4 Brüder aus der Colonia und 16 Brüder aus der<br />
Saxonia. Infolge der Vere<strong>in</strong>igung dieser vier Prov<strong>in</strong>zen am<br />
1. Juli 2010 werden <strong>alle</strong> 44 Brüder für die neue Deutsche<br />
<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z von der Heiligen Elisabeth Brückenfunktionen<br />
<strong>in</strong> verschiedenste Ortskirchen und damit <strong>in</strong> die<br />
Indianer<strong>in</strong>nen und Indianern, zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Unter Leitung von Pater Junipero Serra,<br />
der die <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Mexiko leitete, brachen<br />
die <strong>Franziskaner</strong> mit den spanischen<br />
Soldaten nach Norden auf, gründeten<br />
e<strong>in</strong>en Hafen, den sie San Diego nannten,<br />
und begannen, das Land zu erschließen.<br />
Da die Orte und Landschaften, durch<br />
die sie kamen, noch ke<strong>in</strong>e anerkannten<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Bezeichnungen hatten, nahmen die<br />
<strong>Franziskaner</strong> oft e<strong>in</strong>fach den aktuellen<br />
Tagesheiligen aus ihrem Gebetbuch<br />
und gaben dem Ort kurzerhand diesen<br />
Namen. So ist beispielsweise <strong>in</strong> der<br />
Chronik vom 2. August 1770 am<br />
Festtag »Unserer lieben Frau von den<br />
Engeln von Portiuncula« vermerkt, dass<br />
sie durch e<strong>in</strong> hügeliges Land <strong>in</strong> e<strong>in</strong> von<br />
Baumwollbäumen und Pappeln reich<br />
bestandenes Tal zogen und dort an<br />
e<strong>in</strong>em Fluss lagerten. Den Fluss tauften<br />
sie »Rio Portiuncula«. Da der spanische<br />
Name des Tals »Nuestra Señora de<br />
Los Angeles de Portiuncula« doch<br />
etwas lang war, verkürzten die Siedler<br />
später den Namen des Tales zu e<strong>in</strong>em<br />
griffi geren Namen. Der Ort, an dem<br />
sie lagerten, war wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> der<br />
heutigen Downey Avenue <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong>stadt<br />
Los Angeles. Den Fluss benannten<br />
die Engländer später um <strong>in</strong> Los Angeles<br />
River. Auf ähnliche Weise bekamen<br />
auch San Francisco, Santa Barbara, der<br />
San Andreas Graben und viele weitere<br />
Orte <strong>in</strong> Kalifornien ihre Namen von<br />
den <strong>Franziskaner</strong>missionaren!<br />
Br. Natanael Ganter ofm<br />
Bruder Natanael leitet <strong>in</strong> München das Referat<br />
Öffentlichkeitsarbeit und Medien der deutschen<br />
<strong>Franziskaner</strong>.<br />
Quelle: Heldemar Heis<strong>in</strong>g. <strong>Mission</strong>ierung und<br />
Diözesanbildung <strong>in</strong> Kalifornien. Westfälische<br />
geographische Studien. Band 14<br />
<strong>Welt</strong>kirche h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> übernehmen. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Zukunft franziskanische<br />
Botschafter der e<strong>in</strong>en neuen deutschen Prov<strong>in</strong>z für<br />
e<strong>in</strong>en weltweiten Dialog – im <strong>Franziskaner</strong>orden und <strong>in</strong> der<br />
Kirche.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus gibt es weitere <strong>Franziskaner</strong>, die zwar<br />
aus Deutschland stammen, aber nicht über e<strong>in</strong>e der bisher<br />
vier deutschen Prov<strong>in</strong>zen <strong>in</strong> anderen Ländern tätig s<strong>in</strong>d. Sie<br />
s<strong>in</strong>d direkt <strong>in</strong> eigene <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>zen der <strong>Mission</strong>sgebiete<br />
e<strong>in</strong>getreten.<br />
15
Die 44 <strong>Mission</strong>are aus den vier<br />
deutschen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>zen,<br />
die derzeit weltweit tätig s<strong>in</strong>d<br />
Artikel der rot unterstrichenen <strong>Mission</strong>are fi nden Sie auf den angegebenen Seiten.<br />
Brasilien<br />
(Maranhão, Piaui)<br />
Colonia<br />
Klaus F<strong>in</strong>kam<br />
Saxonia<br />
Adolf Temme, Anton Schauerte,<br />
Claudio Krämer, Eduard Albers,<br />
Erich Löher (S. 20–21), Ewald<br />
Dimon, Fritz Zillner, Gottfried<br />
Bauerdick, He<strong>in</strong>rich Johannpötter,<br />
Heribert Rembecki (S. 22),<br />
Johannes Gierse, Lukas Brägelmann,<br />
Michael Kle<strong>in</strong>hans<br />
Bolivien<br />
Bavaria<br />
Georg Redelberger, Mart<strong>in</strong><br />
Sappl, Michael Brems, Re<strong>in</strong>aldo<br />
Brumberger, Diego Löcherer,<br />
Walter Neuwirth<br />
Kuba<br />
Saxonia<br />
Frank Hartmann (S. 10–11)<br />
Brasilien<br />
(Mato Grosso, Mato Grosso do Sul)<br />
Thur<strong>in</strong>gia<br />
Bernhard Dettl<strong>in</strong>g (S. 18–19),<br />
Erich Renz, Godehard Els<strong>in</strong>g,<br />
Hugo Lang, Matthäus Rothmann,<br />
Norbert Rihm, Roland Ernst Wiederholt,<br />
Volkmar Löffl er<br />
Togo<br />
Thur<strong>in</strong>gia<br />
Richard Dzierzenga<br />
Br. Frank Hartmann (rechts) <strong>in</strong> Havanna/Kuba<br />
P. Ewald Dimon <strong>in</strong> Piripiri/Brasilien<br />
Litauen<br />
Thur<strong>in</strong>gia<br />
Sever<strong>in</strong> Holocher<br />
Israel<br />
Bavaria<br />
Gregor Geiger, Petrus Schüler<br />
Colonia<br />
Robert Jauch<br />
Br. August<strong>in</strong>us Wehrmeier <strong>in</strong> Andraikiba/Madagaskar<br />
Ostafrika und<br />
Madagaskar<br />
Saxonia<br />
Hermann Borg<br />
Thur<strong>in</strong>gia<br />
August<strong>in</strong>us Wehrmeier<br />
Br. Manfred Friedrich <strong>in</strong> Bibai/Japan<br />
Taiwan<br />
Japan<br />
Saxonia<br />
Hubert Nelskamp<br />
Thur<strong>in</strong>gia<br />
Dom<strong>in</strong>ikus Bauer, Hilarius<br />
Schmidt, Lothar Poremba,<br />
Manfred Friedrich,<br />
Urban Sauerbier<br />
Colonia<br />
Alban Mai, Paul Goor<br />
Quelle:<br />
Claudia Schmitz
18<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
»Wilde Tiere, Schlangen und<br />
gefährliche Indianer«<br />
Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> im Mato Grosso Brasiliens<br />
P. Bernhard Dettl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Mato Grosso<br />
Im September 1965 beantragte ich beim<br />
brasilianischen Konsulat <strong>in</strong> München<br />
die notwendigen Dokumente für e<strong>in</strong>en<br />
Daueraufenthalt <strong>in</strong> Brasilien. Die Konsularsekretär<strong>in</strong><br />
fragte mich, wo ich <strong>in</strong> Brasilien<br />
leben und arbeiten wolle. »Im Bundesstaat<br />
Mato Grosso!« – »Pater, gehen Sie<br />
nicht <strong>in</strong> den Mato Grosso (wörtlich:<br />
dichtes Gestrüpp, Urwald), bleiben Sie<br />
<strong>in</strong> Rio de Janeiro oder <strong>in</strong> São Paulo!«,<br />
warnte sie. – »Warum?«, wollte ich<br />
wissen. »In Mato Grosso gibt es nur<br />
Jaguare, Schlangen und gefährliche<br />
Indianer«, erklärte mir die junge Frau<br />
<strong>in</strong> gutem Deutsch.<br />
Natürlich konnten solche Worte<br />
e<strong>in</strong>en angehenden <strong>Mission</strong>ar nicht<br />
erschüttern: Schließlich ist die<br />
Berufung gottgegeben, wurde dann<br />
<strong>in</strong> der Familie durch e<strong>in</strong> gesundes,<br />
christliches Glaubensleben vertieft<br />
und endlich durch gute franziskanische<br />
Jugendseelsorger bei<br />
den Georgs pfadfi ndern gestärkt.<br />
Me<strong>in</strong>e Entschlossenheit für den armen<br />
Bundesstaat Mato Grosso quittierte die<br />
adrette Brasilianer<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em mitleidvollen<br />
Lächeln: »Sie Ärmster!« – Da ich<br />
Brasilien nur aus Büchern, Vorträgen und<br />
Erdkundeunterricht kannte, war ich auf<br />
<strong>alle</strong>s gefasst. Doch bei me<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong><br />
der ersten großen Stadt <strong>in</strong> Mato Grosso<br />
wurde ich positiv überrascht: Alles war<br />
weitaus zivilisierter und entwickelter, als<br />
ich mir das vorgestellt hatte.<br />
Die Anfänge der Mato Grosso-<strong>Mission</strong><br />
der Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> gehen auf die<br />
1930er Jahre zurück. Die Konvente<br />
der Prov<strong>in</strong>z waren damals bis unter<br />
die Dächer belegt, Begeisterung für die<br />
<strong>Mission</strong> vorhanden, <strong>in</strong>sbesondere bei<br />
den jüngeren Brüdern.<br />
Die Prov<strong>in</strong>zleitung von Fulda sondierte<br />
zunächst <strong>Mission</strong>smöglichkeiten im Nordosten<br />
Brasiliens (Belém und São Luis),<br />
nahm dann aber den von der Immaculada-<br />
Prov<strong>in</strong>z/São Paulo brüderlich und e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich<br />
empfohlenen Mato Grosso als<br />
ihr zukünftiges <strong>Mission</strong>sgebiet an.<br />
Der brasilianische Bundesstaat Mato<br />
Grosso, heute zweigeteilt, ist dreie<strong>in</strong>halb<br />
Mal größer als die heutige Bundesrepublik<br />
Deutschland und gehörte zum Territorium<br />
der <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z von São Paulo,<br />
die <strong>alle</strong>rd<strong>in</strong>gs ursprünglich ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Mato Grosso, der »Grünen<br />
Hölle«, hatte: Ihre Brüder waren völlig <strong>in</strong><br />
Anspruch genommen von der Evangelisierung<br />
der aufstrebenden Metropolen<br />
Rio de Janeiro, São Paulo, Curitiba und<br />
deren H<strong>in</strong>terland, mit der Errichtung<br />
e<strong>in</strong>er hervorragenden philosophischtheologischen<br />
Hochschule, mit dem<br />
Ausbau des Vozes-Verlages, vergleichbar<br />
mit dem Herder-Verlag <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Wie <strong>alle</strong>s begann<br />
1937 kamen die ersten <strong>Franziskaner</strong> aus<br />
Fulda <strong>in</strong> São Paulo an. Sie erhielten, wie<br />
versprochen, von der Prov<strong>in</strong>z Immaculada<br />
jede erdenkliche Unterstützung, sodass sie<br />
bereits e<strong>in</strong> Jahr später die ersten Pfarreien<br />
<strong>in</strong> Mato Grosso übernehmen konnten.<br />
Pfarreien? In Wirklichkeit trafen die<br />
<strong>Mission</strong>are – wenn überhaupt – nur<br />
zerf<strong>alle</strong>ne und verlassene Kapellen an.<br />
Die Menschen waren herzlich und<br />
gastfreundlich, <strong>alle</strong>rd<strong>in</strong>gs bitterarm und<br />
<strong>in</strong> Glaubensfragen völlig unbewandert.<br />
Die <strong>Franziskaner</strong> mieteten <strong>in</strong> den beiden<br />
größeren Städten Campo Grande und<br />
Cuiabá e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Haus an und übernahmen<br />
e<strong>in</strong>e Wohnung, die von der<br />
Bevölkerung gemieden wurde, weil dar<strong>in</strong><br />
zuletzt e<strong>in</strong> Lepra-Kranker gelebt hatte.<br />
Wegen Nazis nach Brasilien<br />
In Deutschland wütete währenddessen<br />
das Dritte Reich. Der <strong>Franziskaner</strong>orden<br />
geriet <strong>in</strong>s Visier der Gestapo. Die Brüder<br />
der Prov<strong>in</strong>z São Paulo stellten sich vehement<br />
gegen die <strong>in</strong> den deutschen Kolonien<br />
Südbrasiliens aufkommende Nazi-<br />
Bewegung. Insgesamt spitzten sich die<br />
politischen Verhältnisse <strong>in</strong> Deutschland<br />
derart zu, dass man mit der Ausweisung<br />
<strong>alle</strong>r Ordensleute rechnete. Kaum selbst <strong>in</strong><br />
Brasilien angekommen, sollten die ersten<br />
Brüder aus Fulda daher für die erwarteten<br />
Mitbrüder aus der Heimatprov<strong>in</strong>z Platz<br />
schaffen. Das hatte zur Folge, dass e<strong>in</strong>e<br />
ganze Reihe von E<strong>in</strong>-Mann-Stationen<br />
errichtet wurden, die zum Teil Tausende<br />
Kilometer vone<strong>in</strong>ander entfernt lagen.<br />
Die Konsequenz der Naziherrschaft war<br />
also, dass die Brüder nicht nur von der<br />
Heimat vertrieben wurden, sondern auch<br />
untere<strong>in</strong>ander isoliert waren, denn die<br />
Verkehrsmöglichkeiten <strong>in</strong> Mato Grosso<br />
waren mehr als prekär, an Telefon war<br />
nicht zu denken. Umso mehr <strong>in</strong>tegrierten<br />
sich die e<strong>in</strong>gewanderten Brüder <strong>in</strong> die<br />
e<strong>in</strong>heimische Bevölkerung: Sie lebten<br />
arm mit den Armen, für die Armen,<br />
wie die Armen. Nach dem Motto von<br />
Paulus »Allen s<strong>in</strong>d sie <strong>alle</strong>s geworden«<br />
(1 Kor 9, 21-23) gab es Brüder, die man<br />
kaum mehr von e<strong>in</strong>em »Caboclo«, e<strong>in</strong>em<br />
E<strong>in</strong>heimischen Mato Grossos, unterscheiden<br />
konnte.
Vom Esel zum Jeep<br />
Nach dem Krieg wurde die Seelsorge, die<br />
immer auch Leibsorge war und ist, mit aus<br />
der Heimat kommenden jungen Kräften<br />
neu organisiert. Auch technisch g<strong>in</strong>g es<br />
voran. Benötigten die Brüder anfangs fünf<br />
Stunden auf dem Rücken e<strong>in</strong>es Esels, um<br />
e<strong>in</strong>en Ort zu erreichen, <strong>in</strong> dem sie e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige<br />
Katechese-Stunde erteilten, so kehrte<br />
sich dieses Verhältnis von Seelsorge- und<br />
Reisezeit dank fortschreitender Motorisierung<br />
allmählich um. Motorboot und Jeep<br />
waren <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht segensreiche Erfi ndungen<br />
für die <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Mato Grosso.<br />
Blühende Bautätigkeit<br />
Mit der Zeit setzte auch e<strong>in</strong>e äußerst aktive<br />
Bautätigkeit <strong>in</strong> Mato Grosso e<strong>in</strong>. Unter den<br />
Brüdern waren tüchtige, vielseitig begabte<br />
Handwerker und Baumeister wie Walfried<br />
Stähle aus Ulm-Waibl<strong>in</strong>gen und Hugo Lang<br />
aus Breisach. Von Bruder Walfried wird<br />
folgende Begebenheit aus den 1950er<br />
Jahren erzählt:<br />
E<strong>in</strong> Vertreter des städtischen Bauamtes<br />
begutachtete die Baustelle des franziskanischen<br />
Zentralhauses <strong>in</strong> Campo Grande:<br />
»Wo ist der Bauführer?« Bruder Walfried:<br />
»Das b<strong>in</strong> ich!« – »Und der Ingenieur?«<br />
– »Das b<strong>in</strong> ich auch.« – »Und der Architekt?«<br />
– Bruder Walfried: »B<strong>in</strong> ich ebenfalls.«<br />
Bruder Walfried hatte tatsächlich<br />
die technischen Zeichnungen angefertigt,<br />
die Berechnungen angestellt und das Werk<br />
dann auch selbst <strong>in</strong> die Tat umgesetzt.<br />
Das Gebäude hat bis heute ke<strong>in</strong>en Riss.<br />
Aber der Mann vom Bauamt schüttelte<br />
den Kopf: »Unmöglich! Der Bau wird<br />
e<strong>in</strong>gestellt.«<br />
Treppe zum Erfolg<br />
In jenen Tagen wurde Bruder Walfried von<br />
dem Salesianer Dom Francisco de Aqu<strong>in</strong>o<br />
Corrêa, Erzbischof von Cuiabá, zu sich<br />
gerufen. Er sollte für die bischöfl iche Residenz<br />
e<strong>in</strong>e Wendeltreppe bauen, die ke<strong>in</strong><br />
Maurer der Landeshauptstadt ausführen<br />
konnte. Bruder Walfried soll nach jeder<br />
fertiggestellten Stufe den Erzbischof angefl<br />
eht haben: »Exzellenz, die Baubehörde <strong>in</strong><br />
Campo Grande will uns den Konventbau<br />
e<strong>in</strong>stellen, weil ich nur deutsche Zeugnisse<br />
und Diplome vorweisen kann.« – Bei der<br />
Übergabe der meisterhaft vollendeten<br />
Wendeltreppe erschien der Erzbischof. Er<br />
zog e<strong>in</strong>en großen Umschlag hervor und<br />
überreichte Bruder Walfried e<strong>in</strong> Zertifi kat<br />
der Nationalen Baubehörde von Rio de<br />
Janeiro, das ihm erlaubte, <strong>in</strong> Zukunft <strong>in</strong><br />
Indianerk<strong>in</strong>der aus Mato Grosso<br />
ganz Brasilien Gebäude von bis zu vier<br />
Metern Höhe errichten zu dürfen. Die<br />
<strong>Franziskaner</strong> jubelten: Der Konvent sollte<br />
nur zwei Stockwerke haben! Übrigens: Bei<br />
se<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> Cuiabá benutzte Papst<br />
Johannes Paul II die besagte Treppe. Bruder<br />
Walfried wird sich sicher vom Himmel aus<br />
darüber gefreut haben.<br />
In der zweiten Generation der <strong>Mission</strong>are<br />
aus Fulda war es dann Bruder Hugo<br />
Lang, der mit se<strong>in</strong>em Bautrupp enorme<br />
Aktivitäten entwickelte: Zahlreiche Schulen,<br />
Kirchen, Sem<strong>in</strong>argebäude und Pfarrhäuser<br />
wurden errichtet. Während der Woche<br />
arbeitete Bruder Hugo auf der Baustelle, am<br />
Wochenende schaffte er das Baumaterial<br />
herbei, zum Teil aus dem 1.000 Kilometer<br />
entfernten São Paulo. Nicht selten steckte<br />
der LKW auf der weiten Strecke bis über<br />
die Achsen im Schlamm.<br />
Bei <strong>alle</strong>m Stolz über Häuser und<br />
Gebäude: Immer g<strong>in</strong>g es vor <strong>alle</strong>m um<br />
die Menschen. Die <strong>Franziskaner</strong> freuten<br />
sich über die materiellen Fortschritte beim<br />
Aufbau ihrer <strong>Mission</strong>, an erster Stelle aber<br />
standen die Seelsorge für die ihnen anvertrauten<br />
Menschen und die Verkündigung<br />
des Glaubens.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Bilanz nach 70 Jahren<br />
In der mehr als 70-jährigen Tätigkeit der<br />
Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> wurden 25 Pfarreien<br />
auf- bzw. ausgebaut, <strong>alle</strong> mit entsprechenden<br />
Sozialstationen versehen. 19 von ihnen<br />
werden <strong>in</strong>zwischen von Diözesanpriestern<br />
geleitet.<br />
1970 kam Pater Erich Renz als letzter<br />
<strong>Mission</strong>ar aus der Heimatprov<strong>in</strong>z Fulda<br />
nach Mato Grosso. Inzwischen ist die<br />
Leitung der <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> junge, e<strong>in</strong>heimische<br />
Hände übergegangen – wir s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt<br />
nur noch sieben »Fuldaer« <strong>in</strong> Mato Grosso.<br />
Wohl wissend, dass »e<strong>in</strong>er sät und e<strong>in</strong> anderer<br />
erntet« (Joh 4,37), s<strong>in</strong>d wir dankbar<br />
für die geme<strong>in</strong>same franziskanische und<br />
missionarische Berufung und für die Hilfe,<br />
die uns all die Jahre, <strong>in</strong>sbesondere aus der<br />
Heimat, zuteil wurde.<br />
P. Bernhard Hans Dettl<strong>in</strong>g ofm<br />
Pater Bernhard ist seit 45 Jahren als <strong>Mission</strong>ar im<br />
brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso tätig und<br />
hat dort die <strong>Mission</strong> der Fuldaer <strong>Franziskaner</strong> mit<br />
aufgebaut.<br />
19
20<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
Der »Chef«<br />
Porträt des <strong>Franziskaner</strong>missionars Pater Heribert Rembecki<br />
P. Heribert Rembecki bei e<strong>in</strong>er Prozession <strong>in</strong> Bacabal<br />
Schon <strong>in</strong> der Oberstufe im Kolleg<br />
St. Ludwig war Heribert Rembecki Klassensprecher.<br />
Se<strong>in</strong>e Klassenkameraden nannten<br />
ihn »Chef«. Vater Johann war Bergmann,<br />
im Vere<strong>in</strong>sleben se<strong>in</strong>er Herz-Jesu-Pfarrei<br />
aktiv, se<strong>in</strong>e fromme Mutter Nannchen<br />
(Ferd<strong>in</strong>ande) besorgte den Haushalt. In<br />
den harten Nachkriegsjahren vier Söhne<br />
großzuziehen, bereitete den Eltern viel<br />
Kopfzerbrechen. In Herne fehlten Lebensmittel,<br />
man lebte karg, man hungerte. Und<br />
die Jungen auf die Höhere Schule schicken?<br />
Das Zeug dazu hatten sie, aber woher das<br />
Geld nehmen? Durch Vermittlung se<strong>in</strong>es<br />
Lehrers kam Heribert 1954 nach Abschluss<br />
der Volksschule <strong>in</strong>s Internat der <strong>Franziskaner</strong><br />
nach Attendorn. Den Anforderungen<br />
des Förderkurses waren nur wenige<br />
gewachsen, Heribert war e<strong>in</strong>er von ihnen.<br />
Nach e<strong>in</strong>em begeisternden Vortrag<br />
des <strong>Franziskaner</strong>s Ivo Heitkämper,<br />
der seit 1956 als <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong><br />
Maranhão und Piauí tätig war,<br />
baten vier junge Fratres, Heribert<br />
Rembecki, Adolf Temme, Gereon<br />
Bödeker und Friedrich Zillner, ihren<br />
Prov<strong>in</strong>zial, Pater Dietmar darum, sie<br />
schon zum Studium nach Brasilien<br />
gehen zu lassen. Widerstände fehlten<br />
nicht, man sprach von »K<strong>in</strong>derkreuzzug«<br />
… Schließlich legten sie<br />
am 28. April 1964 mit den anderen<br />
Fratres ihres Kurses die feierliche<br />
Profess ab und wurden knapp e<strong>in</strong>en<br />
Monat später, am 24. Mai, nach<br />
Brasilien ausgesandt. Dort studierten<br />
sie Theologie und wurden am<br />
17. Dezember 1966 <strong>in</strong> der Pfarr-<br />
und Klosterkirche São Francisco<br />
das Chagas <strong>in</strong> Bacabal zu Priestern<br />
geweiht. E<strong>in</strong>e Sensation im priesterarmen<br />
brasilianischen Bundesstaat<br />
Maranhão: gleich vier Neupriester!<br />
Heribert blieb <strong>in</strong> Bacabal, begann<br />
<strong>in</strong> der Stadtseelsorge zu arbeiten,<br />
zunächst als Kaplan, dann als Pfarrer.<br />
»Nebenbei« widmete er sich mit<br />
e<strong>in</strong>igen engagierten Laienlehrer<strong>in</strong>nen<br />
dem Ausbau der Pfarrschule, e<strong>in</strong>er<br />
Volksschule für K<strong>in</strong>der aus armen<br />
Familien im abgelegenen Vorort<br />
Ramal.<br />
1970 wurde Heribert zum ersten<br />
»Guardian«, das heißt zum Hausvorsteher,<br />
des Konvents <strong>in</strong> Bacabal<br />
ernannt. Er war der Jüngste im Haus,<br />
wurde aber ob se<strong>in</strong>es brüderlichen<br />
Führungsstils und se<strong>in</strong>er Fähigkeit,<br />
mit <strong>alle</strong>n auch über heikle Themen<br />
sprechen zu können, gut angenommen.<br />
1973 wurde er mit der Leitung<br />
der Pfarrei von Lago da Pedra beauftragt.<br />
Zehn Jahre lang war er dort<br />
wenig zu Hause und viel unterwegs<br />
im ausgedehnten Landes<strong>in</strong>neren,<br />
dem »Interior«. Ob mit dem Jeep,
auf Pferd oder Maultier oder zu<br />
Fuß: Heribert besuchte unermüdlich<br />
Basisgeme<strong>in</strong>den, spendete Sakramente,<br />
baute Geme<strong>in</strong>den auf, bildete<br />
Laien aus und ermutigte sie zu<br />
ihrem Dienst. Er sorgte sich mit dem<br />
Volk um Tr<strong>in</strong>kwasser, um Landvermessung,<br />
um Schulunterricht, Feld<br />
und Landbesitz. Und immer wieder<br />
setzte er sich für die Rechtlosen e<strong>in</strong>.<br />
Von 1983 bis 1995 und noch<br />
e<strong>in</strong>mal von 2001 bis 2007 war er<br />
der Obere der <strong>Franziskaner</strong> von<br />
Maranhão und Piauí, zunächst als<br />
Kustos und seit 1992 als Prov<strong>in</strong>zial<br />
– 18 Jahre lang. Im Bistum Bacabal<br />
war er sieben Jahre lang Generalvikar<br />
von Bischof Dom Pascásio<br />
Rettler; im Jahr 2006 wurde er<br />
Diözesanverwalter.<br />
Als »Chef« hat er den Führungsstil<br />
e<strong>in</strong>es Teamleiters, er ist e<strong>in</strong><br />
Mann des Dialogs. Se<strong>in</strong> phänomenales<br />
Gedächtnis für Zahlen,<br />
Ereignisse und Gesichter erreicht,<br />
dass Menschen egal welchen Alters<br />
oder welcher Herkunft sich bei ihm<br />
angenommen wissen. Auch bei der<br />
Wahrnehmung se<strong>in</strong>er Leitungsaufgaben<br />
hat er nie den Kontakt zur<br />
Basis und den Kontakt zu den e<strong>in</strong>fachen<br />
Menschen verloren, ebenso<br />
wenig wie zu se<strong>in</strong>en Freunden <strong>in</strong><br />
Deutschland.<br />
P. Heribert Rembecki mit se<strong>in</strong>en franziskanischen Brüdern aus Brasilien<br />
Das Liebl<strong>in</strong>gsmotto von Heribert<br />
lautet: »Paciência, paciência, no fi m<br />
dá tudo certo.« – »Geduld, Geduld,<br />
am Ende kommt <strong>alle</strong>s h<strong>in</strong>.« Er hat<br />
diesen Satz von se<strong>in</strong>em Freund und<br />
Vorgesetzten, Bischof Dom Pascásio<br />
Rettler gelernt. Beide haben dieses<br />
Wort <strong>in</strong> schier ausweglosen Situationen<br />
gebraucht, vor <strong>alle</strong>m <strong>in</strong> Zeiten<br />
der schlimmsten Landkonfl ikte. Sie<br />
haben damit Voreilige gebremst, Hoffnungslose<br />
ermutigt und Menschen <strong>in</strong><br />
Not Wege <strong>in</strong> die Zukunft gewiesen.<br />
Anfang 2010 trat Heribert se<strong>in</strong>e<br />
jüngste Stelle als Seelsorger der<br />
Geme<strong>in</strong>de Nossa Senhora de Gloria<br />
und als Guardian der <strong>Franziskaner</strong>geme<strong>in</strong>schaft<br />
von São Luís an. Was<br />
wird er dort tun? Das ist nicht schwer<br />
zu erraten: als Bruder und Priester<br />
weiterh<strong>in</strong> bei den Menschen se<strong>in</strong>,<br />
ihre Sorgen und Freuden teilen – und<br />
sich auch dort von se<strong>in</strong>em Motto<br />
leiten lassen: »Paciência, paciência,<br />
no fi m dá tudo certo.«<br />
P. Erich Löher ofm<br />
Pater Erich, langjähriger Mitstreiter von Pater<br />
Heribert, ist seit 1968 <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong> Brasilien<br />
und leitet <strong>in</strong> Bacabal/Maranhão den Schulverband<br />
CONASA, Colégio de Nossa Senhora<br />
dos Anjos, für K<strong>in</strong>der aus den Armenvierteln.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Geschäftsgespräch unter Freunden – P. Heribert Rembecki<br />
(rechts) mit Prov<strong>in</strong>zial Norbert Plogmann<br />
Wenn Pater Heribert am Anfang se<strong>in</strong>er<br />
missionarischen Tätigkeit auf dem Pferd<br />
zu den entlegenen Orten se<strong>in</strong>es Seelsorgegebietes<br />
gereist ist, hat er dort <strong>in</strong>nerhalb<br />
weniger Stunden die e<strong>in</strong>zige Messe des<br />
Jahres gefeiert, Taufen und Erstkommunion<br />
gespendet, Hochzeiten gehalten und Beichte<br />
gehört, Geburtsurkunden ausgestellt und<br />
Kirchenbücher geschrieben. Wie er auf<br />
se<strong>in</strong>en Reisen per Pferd ausgerüstet war,<br />
hat Pater Adolf Temme <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Tagebuch<br />
e<strong>in</strong>es Wanderpredigers festgehalten, das<br />
1978 bei Adveniat erschienen ist. Pater Adolf<br />
Temme ist zusammen mit Heribert Rembecki<br />
<strong>in</strong> den <strong>Franziskaner</strong>orden e<strong>in</strong>getreten und<br />
hat zusammen mit ihm am 28. April 1964<br />
<strong>in</strong> Brasilien die Feierliche Profess abgelegt.<br />
Seitdem wirken beide dort als <strong>Mission</strong>are:<br />
»Das Packen ist e<strong>in</strong>e Kunst. Die Wäsche<br />
kommt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Plastikhülle und wird <strong>in</strong> den<br />
großen Maultierkoffern verpackt. Heribert<br />
hat e<strong>in</strong>en Platz für <strong>alle</strong>s: Kelch und Hostienschale,<br />
Kalender und Bücher, Messgewänder<br />
und Wäsche, Schuhwichszeug und Regenplanen.<br />
E<strong>in</strong> anderer Teil der Ausrüstung<br />
kommt <strong>in</strong> das Sattelpolster: das ist e<strong>in</strong>e<br />
zottige Decke mit großen Taschen an der<br />
Unterseite. Da h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> kommen Hängematte,<br />
Laken, Schlafanzug, Handtuch und<br />
zwei Stricke, <strong>alle</strong>s genau auf beide Seiten<br />
des Tieres verteilt. Nun fehlen nur noch<br />
Kle<strong>in</strong>igkeiten, die unterwegs zur Hand se<strong>in</strong><br />
müssen, zum Beispiel das Taschenmesser.<br />
Dafür ist die Gürteltasche da.«<br />
21
22<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
Der Mechaniker<br />
Bruder Bruno bekam jedes Auto wieder fl ott<br />
Der Toyota der <strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Bacabal<br />
Br. Bruno Sabelek<br />
Die E<strong>in</strong>satzbereiche der <strong>Franziskaner</strong> s<strong>in</strong>d<br />
vielseitig. E<strong>in</strong>ige Brüder verrichten ihren<br />
Dienst <strong>in</strong> der Seelsorge, andere engagieren<br />
sich im sozialen Bereich. Sie <strong>alle</strong> s<strong>in</strong>d aber<br />
darauf angewiesen, dass sie die Ärmsten<br />
der Armen erreichen, diejenigen, für<br />
die sie da se<strong>in</strong> wollen. Mit Bruder Bruno<br />
Sabelek ofm an der Seite war dies für die<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>in</strong> Bacabal/Nordost-Brasilien<br />
nie e<strong>in</strong> Problem.<br />
Das ist er, unser lieber Bruder Bruno,<br />
mit se<strong>in</strong>em Blaumann <strong>in</strong> der Autowerkstatt<br />
<strong>in</strong> Bacabal, die er von 1957<br />
bis zu se<strong>in</strong>em Lebensende geleitet<br />
hat. Er war stets bereit, unsere Jeeps<br />
zu reparieren. Doch manchmal<br />
schimpfte er auch wie e<strong>in</strong> Rohrspatz,<br />
wenn mal wieder e<strong>in</strong>er mit e<strong>in</strong>em<br />
kaputten Jeep zur Werkstatt rollte.<br />
»Hast wieder e<strong>in</strong>mal den Ölwechsel<br />
nicht e<strong>in</strong>gehalten! Hast den Jeep <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e andere Werkstatt gebracht, wo<br />
sie viel gemexert haben.« (Anmerkung:<br />
er wollte sagen: »Wo sie viel<br />
herumgefummelt und schlecht<br />
gearbeitet haben.«) Doch schließlich<br />
kam das befreiende Wort: »Lass den<br />
Wagen mal hier stehen. Wir werden<br />
sehen, was wir machen können.«<br />
Und wenn der Jeep dann aus der<br />
Werkstatt von Bruder Bruno kam,<br />
dann hatte man die Sicherheit, dass<br />
<strong>alle</strong>s o.k. war.<br />
Wir <strong>alle</strong> schätzten unseren lieben<br />
Bruno sehr, denn immer, wenn ihm<br />
mitgeteilt wurde, dass e<strong>in</strong> Bruder<br />
e<strong>in</strong>en Unfall gebaut hatte, war se<strong>in</strong>e<br />
erste Frage immer: »Wie geht es dem<br />
Bruder? Ist er verletzt? Ist ihm etwas<br />
zugestoßen? Den Wagen bekommen<br />
wir wieder h<strong>in</strong>.«<br />
Am 15. Januar dieses Jahres hat ihn<br />
der Herrgott <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e große Werkstatt<br />
der Herrlichkeit gerufen. Er schenke<br />
ihm den verdienten Frieden für die<br />
vielen und oft schwierigen Reparaturen<br />
an unseren Jeeps.<br />
Bruno, denke an uns, wenn wieder<br />
mal e<strong>in</strong> Bruder zu fest aufs Gaspedal<br />
drückt!<br />
P. Heribert Rembecki ofm<br />
Pater Heribert ist seit 1964 als <strong>Mission</strong>ar <strong>in</strong><br />
Brasilien und hat viele Jahre mit Bruder Bruno<br />
im Konvent von Bacabal zusammengelebt.
Der Arzt<br />
Bruder Klaus heilt Leib und Seele<br />
Schon bald nachdem Bruder Klaus F<strong>in</strong>kam<br />
begann, als junger Arzt und <strong>Franziskaner</strong><br />
im armen Nordosten Brasiliens zu arbeiten,<br />
berichtete er unserem Dritte-<strong>Welt</strong>-Laden<br />
<strong>in</strong> Erftstadt-Lechenich ausführlich über<br />
die Probleme der Gesundheitsvorsorge<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em neuen E<strong>in</strong>satzgebiet. Hohe<br />
K<strong>in</strong>dersterblichkeit, Arbeitslosigkeit,<br />
fehlende Bildung, massive Landprobleme<br />
und langanhaltende Dürreperioden: All das<br />
waren Themen, die immer wieder <strong>in</strong> den<br />
Briefen von Bruder Klaus auftauchten. Auf<br />
e<strong>in</strong>mal wurden für uns Schlagworte wie<br />
»Option für die Armen« oder »Theologie<br />
der Befreiung« sehr konkret. Wir fi ngen an<br />
darüber nachzudenken, was die Armut der<br />
Menschen auf der Südhalbkugel mit dem<br />
Reichtum bei uns zu tun hat. Unser Wohlstand<br />
auf Kosten der Ärmsten? Das war nur<br />
schwer auszuhalten. Wir wollten versuchen<br />
an e<strong>in</strong>er gerechteren <strong>Welt</strong> mitzubauen. So<br />
fi ngen wir an, die Brücke von Erftstadt-<br />
Lechenich nach Bacabal zu errichten, wo<br />
Bruder Klaus wirkte.<br />
E<strong>in</strong>e Brücke zu bauen heißt, im Nichts<br />
e<strong>in</strong>en festen Punkt zu schaffen. Dieser<br />
feste Punkt und Ansprechpartner war<br />
und ist für uns über all die Jahre Bruder<br />
Klaus. In den vergangenen Jahren<br />
richtete er unterschiedliche Unterstützungswünsche<br />
an uns:<br />
»Wir benötigen Wasserfi lter für<br />
sauberes und gesundes Wasser,<br />
damit die Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der nicht an<br />
der schlechten Qualität des<br />
Wassers sterben.«<br />
»Es fehlen Waagen, um e<strong>in</strong>e<br />
Gewichtskontrolle der Neugeborenen<br />
durchzuführen.«<br />
»Wir brauchen Spenden, um<br />
Frauen zu Gesundheitshelfer<strong>in</strong>nen<br />
auszubilden, damit sie<br />
als Ansprechpartner<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />
den Basisgeme<strong>in</strong>den arbeiten<br />
können; außerdem sollen sie<br />
<strong>in</strong> Ernährungslehre geschult<br />
werden und dabei zum Beispiel<br />
lernen, welche Heilkräuter sie<br />
nutzen und welche Arzneien<br />
sie daraus selbst herstellen<br />
können.«<br />
Frei Klaus F<strong>in</strong>kam<br />
»Junge Männer sollen zu<br />
Agrartechnikern ausgebildet<br />
werden, und es müssen<br />
Familien-Landwirtschaftsschulen<br />
vor Ort gegründet werden.«<br />
Durch unsere Spenden trugen wir<br />
dazu bei, dass Basisprojekte Wirklichkeit<br />
werden konnten, die den<br />
Menschen im Nordosten Brasiliens<br />
helfen, ihre Grundbedürfnisse zu<br />
befriedigen. Das heißt, dass sie unter<br />
menschenwürdigen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
wohnen, dass sie ausreichend und<br />
gut zu essen haben, dass sie die<br />
nötige mediz<strong>in</strong>ische Versorgung<br />
erhalten. Wir wurden Zeugen, wie<br />
<strong>in</strong> den Basisgeme<strong>in</strong>den immer mehr<br />
Menschen befähigt wurden, ihre<br />
Probleme zu erkennen und selbst <strong>in</strong><br />
die Hand zu nehmen. Bruder Klaus<br />
hat die besondere Gabe, Menschen<br />
mit ihren Talenten zu entdecken,<br />
diese zu fördern und zu fordern. Er<br />
selbst bildete sich im Bereich der<br />
Alternativmediz<strong>in</strong> zum Fastenarzt<br />
und zum Experten <strong>in</strong> Ayurveda<br />
weiter.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Bei den Patientenkursen, die Bruder<br />
Klaus <strong>in</strong> Brasilien anbietet, lernen die<br />
Menschen nicht nur, Verantwortung<br />
für ihren Körper zu übernehmen. Mit<br />
der Frage nach dem körperlichen Heil<br />
verb<strong>in</strong>det er auch die Frage nach dem<br />
Glauben und dem Seelenheil. Es geht<br />
um ganzheitliche Heils-Erfahrung: des<br />
Körpers, des Geistes und der Seele.<br />
Davon können auch wir <strong>in</strong><br />
Deutschland noch e<strong>in</strong>e ganze Menge<br />
lernen. Vielleicht sollten wir zur<br />
Abwechslung e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Anfrage an<br />
Bruder Klaus richten: »Wann startet<br />
e<strong>in</strong> Gesundheitskurs für Brasilianer<br />
und Deutsche <strong>in</strong> Teres<strong>in</strong>a?«<br />
Wir s<strong>in</strong>d froh und dankbar, dass<br />
wir seit über 25 Jahren geme<strong>in</strong>sam<br />
mit Bruder Klaus an der Brücke des<br />
Mite<strong>in</strong>anders für e<strong>in</strong>e gerechte und<br />
gesunde <strong>Welt</strong> mitarbeiten dürfen.<br />
Helga Berbuir<br />
Helga Berbuir ist Mitarbeiter<strong>in</strong> des Arbeitskreises<br />
Dritte-<strong>Welt</strong>-Laden Lechenich.<br />
23
24<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
Der Wissenschaftler<br />
Pater Theobald übersetzte die Bibel <strong>in</strong>s Ch<strong>in</strong>esische<br />
Pater Theobald Diederich wurde am<br />
31. Januar 1911 <strong>in</strong> Ershausen (Eichsfeld)<br />
geboren. Früh verspürte er den Wunsch,<br />
Priester und <strong>Mission</strong>ar im <strong>Franziskaner</strong>orden<br />
zu werden. So trat er 1923 <strong>in</strong> das<br />
<strong>Mission</strong>skolleg »Sankt Ludwig« der Prov<strong>in</strong>z<br />
Saxonia <strong>in</strong> Vlodrop (NL) e<strong>in</strong>. Die damals<br />
siebenjährige Gymnasialzeit beschloss<br />
er 1930. Am 30. März 1930 erhielt er im<br />
Kloster Warendorf se<strong>in</strong> Ordens gewand,<br />
den Habit. Das Noviziat endete am<br />
31. März 1931. Am 9. August 1936 wurde<br />
er <strong>in</strong> Paderborn zum Priester geweiht.<br />
Theobald hatte sich bereits <strong>in</strong> Sankt<br />
Ludwig <strong>in</strong>tensiv mit dem Gedanken<br />
beschäftigt, <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a zu wirken.<br />
Auch während des Studiums bis zur<br />
Priesterweihe hält er diesen Wunsch<br />
lebendig. Er richtet mehrere Briefe an<br />
den Prov<strong>in</strong>zial, <strong>in</strong> denen er nachdrücklich<br />
se<strong>in</strong>e Überzeugung darlegt,<br />
er sei zum <strong>Mission</strong>ar im Fernen<br />
Osten berufen. So am 4. Juli 1936:<br />
»Was mich persönlich angeht, so<br />
glaube ich, Ihnen versichern zu<br />
können, dass ich mir voll und ganz<br />
über me<strong>in</strong>en Beruf zum <strong>Mission</strong>ar<br />
klar b<strong>in</strong>.« Am 30. August 1936<br />
äußert er die Überzeugung, dass<br />
großzügiges missionarisches Engagement<br />
der Saxonia – »wie im vorigen<br />
Jahrhundert <strong>in</strong> Nord- und Südamerika<br />
bewiesen« – immer e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere<br />
»Kraftquelle« für die Prov<strong>in</strong>z bleiben<br />
werde. »Aus diesen Gedanken heraus<br />
möchte ich Sie ... nochmals <strong>in</strong>ständig<br />
um die Aussendung <strong>in</strong> die <strong>Mission</strong><br />
bitten.«<br />
Studium <strong>in</strong> Rom<br />
Im September 1937 ist Theobald<br />
<strong>in</strong> Rom: Er soll e<strong>in</strong> biblisches Fachstudium<br />
absolvieren, um <strong>in</strong> der<br />
Priesterausbildung am Regionalsem<strong>in</strong>ar<br />
<strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>anfu (Shantung) e<strong>in</strong>en<br />
qualifi zierten Part zu übernehmen.<br />
Der Prov<strong>in</strong>zial ist der Me<strong>in</strong>ung, es<br />
käme für die Lehrtätigkeit <strong>in</strong> der<br />
<strong>Mission</strong> mehr auf e<strong>in</strong> gutes »theologisches<br />
Allgeme<strong>in</strong>wissen als auf<br />
P. Theobald Diederich bei se<strong>in</strong>en Studien<br />
Spezialistentum« an. So studiert<br />
Theobald anstatt am Biblicum der<br />
Jesuiten an der franziskanischen<br />
Ordenshochschule Antonianum<br />
mit ihren etwas bescheideneren<br />
akademischen Möglichkeiten.<br />
Am 12. Juli 1938 legt er das<br />
Lizenziatsexamen ab.<br />
Das Promotionszeugnis vom<br />
10. Januar 1941 erklärt ihn »summa<br />
cum laude« zum »doctor theologiae«.<br />
Pater General Bello entsendet<br />
ihn umgehend <strong>in</strong> das Apostolische<br />
Vikariat Ts<strong>in</strong>anfu (13. Januar 1941).<br />
Die schriftliche Arbeit wird später <strong>in</strong><br />
Ch<strong>in</strong>a gedruckt: Theobald Diederich,<br />
Das prophetische Berufsbewusstse<strong>in</strong><br />
des Jeremias. Biblisch-theologische<br />
Erörterung, Ts<strong>in</strong>anfu (<strong>Mission</strong>sdruckerei),<br />
1942. VIII, 161 S.<br />
(Rom, Univ. Diss. [s. Antonio], 1941.<br />
Ankunft <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />
Über die USA reist Theobald per<br />
Schiff nach Ch<strong>in</strong>a. Aus San Francisco<br />
kommend trifft er am 31. Mai 1940<br />
<strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>gtau e<strong>in</strong>. Umgehend beg<strong>in</strong>nt<br />
er <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> zweijähriges Sprachstudium.<br />
Pater Theobald ist zunächst<br />
Seelsorger, dann aber startet se<strong>in</strong><br />
langjähriger Dienst als Dozent und<br />
Erzieher (»Submagister und Lektor«)<br />
im Großen Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Hungkialu,<br />
dem Zentralkloster der damaligen<br />
<strong>Mission</strong> der Saxonia.
Flucht vor den Kommunisten<br />
1948, als der Marsch der Kommunisten<br />
an die Macht dem Höhepunkt zustrebt,<br />
heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bericht des Regionaloberen:<br />
»Von unseren drei Konventen<br />
ist nur e<strong>in</strong>er unberührt geblieben:<br />
Hungkialu.« Durch die Flucht vor<br />
den neuen Machthabern wird es<br />
unruhig: »Der Konvent ist vollgestopft<br />
mit <strong>Mission</strong>aren, die von <strong>alle</strong>n Seiten<br />
zusammengeströmt s<strong>in</strong>d ... Täglich<br />
zählen wir rund 70 Mitbrüder zu<br />
Tisch ... Bis jetzt hat Gott uns hier<br />
treu beschützt, obwohl Gefahren und<br />
Ängste mehrfach bis Hungkialu vordrangen.«<br />
Im Jahr 1950 wird lakonisch<br />
berichtet: »Unsere Ordensherrschaft<br />
ist bis auf e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil auch von<br />
den Behörden beschlagnahmt, ebenso<br />
die beiden Sem<strong>in</strong>are ... Das Große<br />
Sem<strong>in</strong>ar wird von Ts<strong>in</strong>an nach Hankow<br />
und dann nach Macao verlegt, wo<br />
unter der Leitung von Pater Theobald<br />
ca. 70 Sem<strong>in</strong>aristen aus drei verschiedenen<br />
Zentralsem<strong>in</strong>aren studieren.«<br />
Dieser »Marsch quer durch Ch<strong>in</strong>a«,<br />
der die Studierenden und damit die<br />
Zukunft der franziskanischen <strong>Mission</strong> <strong>in</strong><br />
Ch<strong>in</strong>a sichern soll, ist e<strong>in</strong>e bemerkenswerte<br />
Leistung von Pater Theobald.<br />
Umzug nach Hongkong<br />
Das provisorische Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Macao<br />
schließt 1954, weil die Ordensleitung<br />
die Zukunft der Ch<strong>in</strong>amission fortan<br />
<strong>in</strong> Hongkong und Taiwan sieht. Pater<br />
Theobald gliedert sich somit <strong>in</strong> das<br />
»Studium Biblicum Franciscanum«<br />
e<strong>in</strong>, das <strong>in</strong>zwischen von Pek<strong>in</strong>g <strong>in</strong><br />
die damalige Kronkolonie Hongkong<br />
übersiedelte.<br />
Während auf dem ch<strong>in</strong>esischen<br />
Kont<strong>in</strong>ent die eigentliche <strong>Mission</strong>sarbeit<br />
praktisch zum Erliegen kommt, kann<br />
Pater Theobald auf neue Weise für die<br />
Kirche <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a arbeiten: Von 1953<br />
bis 1978 ist er Mitarbeiter am Studium<br />
Biblicum der <strong>Franziskaner</strong>, das Pater<br />
Gabriele Allegra <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g begründet<br />
und dann nach Hongkong verlagert<br />
hatte. Dieses Bibel<strong>in</strong>stitut hat e<strong>in</strong>e<br />
Übersetzung der gesamten Bibel <strong>in</strong>s<br />
Ch<strong>in</strong>esische erstellt, die bis heute e<strong>in</strong>e<br />
der wichtigsten <strong>in</strong> Festlandch<strong>in</strong>a ist.<br />
Pater Theobald ist glücklich, durch die<br />
Arbeit an der ch<strong>in</strong>esischen Bibel weiter<br />
<strong>Mission</strong>ar für Ch<strong>in</strong>a se<strong>in</strong> zu können. Ab<br />
1978 fi nden wir Pater Theobald nicht<br />
mehr im Team des Biblicum, sondern <strong>in</strong><br />
verschiedenen Diensten der Seelsorge,<br />
der Mitverantwortung für die Prov<strong>in</strong>z<br />
und den Orden, so <strong>in</strong> S<strong>in</strong>gapur, Taiwan<br />
und <strong>in</strong> Kowloon (Hongkong).<br />
Im Laufe des Jahres 1983 kann<br />
er dann aber nochmals <strong>in</strong>s Biblicum<br />
zurückkehren. Er wird wieder Erzieher<br />
(»Klerikermagister«), da fortan e<strong>in</strong>ige<br />
Studierendene der Prov<strong>in</strong>z von Taiwan<br />
<strong>in</strong> Hongkong ausgebildet werden. Er<br />
macht sich wieder e<strong>in</strong>mal guten Mutes<br />
an e<strong>in</strong>e neue Aufgabe.<br />
Rückkehr aufs Festland<br />
Im Sommer 1988 wagt er e<strong>in</strong>e erste<br />
Rückkehr aufs Festland, nach Shantung,<br />
<strong>in</strong>s unvergessene Hungkialu. Dem<br />
folgt im Mai/Juni 1989 e<strong>in</strong>e zweite<br />
Erkundungsreise <strong>in</strong> das ehemalige<br />
<strong>Mission</strong>sgebiet der Saxonia, bei der<br />
ihn der <strong>Mission</strong>ssekretär Re<strong>in</strong>hard<br />
Kellerhoff und Generaldefi nitor<br />
Hermann Schalück begleiten. Der<br />
glückliche Abschluss dieser Reise,<br />
nach sehr unruhigen Tagen <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g<br />
und Shanghai, ist nach Überzeugung<br />
von Pater Theobald der Intervention<br />
von Bruder Jordan zu verdanken.<br />
Letzte Station Deutschland<br />
Anfang 1995 kehrt Theobald nach<br />
Deutschland zurück. Aber auch auf<br />
den letzten drei Stationen se<strong>in</strong>es Lebens<br />
– Wiedenbrück, Warendorf und Dortmund<br />
– bleibt er immer <strong>in</strong> Kontakt mit<br />
den Entwicklungen <strong>in</strong> der ch<strong>in</strong>esischen<br />
Gesellschaft und Kirche. Mitbrüder aus<br />
Taiwan, Hongkong und Festlandch<strong>in</strong>a<br />
halten bis zum Ende zu ihm Kontakt,<br />
so zum Beispiel der jetzige Erzbischof<br />
von Hongkong, John Tong.<br />
Die Lebensarbeit und das Lebenszeugnis<br />
Theobalds werden fruchtbar<br />
bleiben für die Kirche und den Orden<br />
<strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a. Und möge auch se<strong>in</strong>e Überzeugung<br />
aus dem Jahr 1936 unter den<br />
jetzigen Voraussetzungen wahr bleiben:<br />
<strong>Mission</strong> ist die »Kraftquelle« e<strong>in</strong>er<br />
franziskanischen Prov<strong>in</strong>z.<br />
P. Hermann Schalück ofm<br />
Pater Hermann lebt als Autor im <strong>Franziskaner</strong>kloster<br />
München. Von 1991 bis 1997 stand<br />
er dem <strong>Franziskaner</strong>orden als Generalm<strong>in</strong>ister<br />
vor. Von 1998 bis 2008 war er Präsident des<br />
Internationalen Katholischen <strong>Mission</strong>swerkes<br />
missio <strong>in</strong> Aachen.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Ch<strong>in</strong>esischer Segensspruch<br />
25
26<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
In Deutschland muss es schön se<strong>in</strong><br />
Christse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Taiwan<br />
Im Jahr 1953 nahmen die ersten Brüder der<br />
Kölnischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Colonia ihre<br />
<strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Taiwan auf. 1981 besuchte sie<br />
der damalige Prov<strong>in</strong>zial ihrer Heimatprov<strong>in</strong>z,<br />
Pater Herbert Schneider. Der folgende Auszug<br />
aus se<strong>in</strong>en Aufzeichnungen hält e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>drücke fest.<br />
Stets ist es e<strong>in</strong> Wagnis, über e<strong>in</strong> Land<br />
und se<strong>in</strong>e Menschen zu schreiben,<br />
die man nur kurz besucht hat. E<strong>in</strong><br />
Mitbruder sagte mir, man müsse<br />
sicherlich zehn Jahre unter Ch<strong>in</strong>esen<br />
leben, um e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igermaßen gediegenes<br />
Verständnis aufzubr<strong>in</strong>gen. Daher gibt<br />
me<strong>in</strong> Bericht auch nur E<strong>in</strong>drücke<br />
wieder, die vor <strong>alle</strong>m e<strong>in</strong> wenig Aufschluss<br />
geben wollen über die Arbeit<br />
unserer Mitbrüder <strong>in</strong> der <strong>Mission</strong> auf<br />
Formosa (Anmerkung der Redaktion:<br />
frühere Bezeichnung Taiwans).<br />
Hausgottesdienst <strong>in</strong> Dungshan<br />
Nach dem Abendessen nimmt Pater<br />
Alban mich mit zu e<strong>in</strong>em Hausgottesdienst<br />
im Dorf Dungshan. Das Haus<br />
befi ndet sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er langen Geschäftsstraße,<br />
wie es <strong>in</strong> ch<strong>in</strong>esischen Dörfern<br />
und Städten üblich ist. Vor mehreren<br />
Jahren richtete e<strong>in</strong> Erdbeben starke<br />
Schäden an. Nun s<strong>in</strong>d die Gebäude,<br />
fast <strong>alle</strong> mit überbautem Bürgersteig,<br />
neu aufgebaut.<br />
Zimmer h<strong>in</strong>ter dem Zimmer<br />
An der Straße werden wir schon<br />
von e<strong>in</strong>igen Christen erwartet und<br />
freundlich begrüßt. Wir betreten mit<br />
ihnen den ersten Raum. Auf der e<strong>in</strong>en<br />
Seite befi nden sich Säcke mit Reis,<br />
auf der anderen Seite steht e<strong>in</strong> langer<br />
Tisch mit Hockern. Wir gehen durch<br />
diesen Raum h<strong>in</strong>durch <strong>in</strong> e<strong>in</strong> zweites<br />
Zimmer, das offenbar als Küche gedacht<br />
ist. Wir durchlaufen e<strong>in</strong>en dritten<br />
Bereich, der mit Schränken ausgestattet<br />
ist, und gelangen schließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
vierten Raum, <strong>in</strong> dem mir zunächst e<strong>in</strong><br />
Holz- und e<strong>in</strong> Kühlschrank auff<strong>alle</strong>n. In<br />
diesem Zimmer, an das sich m<strong>in</strong>destens<br />
noch e<strong>in</strong> weiteres anschließt, befi ndet<br />
sich e<strong>in</strong> Wandaltar. Über ihm hängt e<strong>in</strong><br />
P. Erich Jansen mit K<strong>in</strong>dern beim Katechismus-Unterricht <strong>in</strong> Ta<strong>in</strong>anhsien<br />
Bild mit der Darstellung der Heiligen<br />
Dreifaltigkeit, die die heilige Familie<br />
beschützt. An e<strong>in</strong>em viereckigen Tisch<br />
vor dem Wandaltar feiern wir die<br />
heilige Messe. Rechts und l<strong>in</strong>ks von<br />
uns stapelt sich e<strong>in</strong>e Unzahl verschiedener<br />
Gegenstände.<br />
Der Gottesdienst<br />
Pater Alban, der sich auf die ch<strong>in</strong>esische<br />
Lebensart gut versteht, macht<br />
mir um 19 Uhr klar, dass jetzt zwar<br />
der Gottesdienst beg<strong>in</strong>nen sollte, wir<br />
aber noch warten müssten, bis <strong>alle</strong> da<br />
seien. So unterhalten wir uns weiter<br />
zwanglos mit den Leuten, die schon<br />
e<strong>in</strong>getroffen s<strong>in</strong>d. Nach etwa e<strong>in</strong>er<br />
Viertelstunde ist es soweit. Rund zehn<br />
Christen s<strong>in</strong>d anwesend, alte, »mittelalterliche«<br />
und drei größere K<strong>in</strong>der.<br />
Die Messe kann beg<strong>in</strong>nen.<br />
Messe und Abendmahl<br />
Die Atmosphäre ist sehr freundlich,<br />
wohlwollend und unkompliziert. Der<br />
Hausherr kommt und begrüßt uns. Er<br />
ist, anders als se<strong>in</strong>e Frau, selbst ke<strong>in</strong><br />
Christ. Der Katechist hat die Messe<br />
vorbereitet. Pater Alban zieht sich an,<br />
während e<strong>in</strong> Christ Liedtexte verteilt.<br />
Die Gläubigen s<strong>in</strong>gen und beten so<br />
eifrig und lautstark mit, dass der<br />
Gottesdienst sicher auch noch gut<br />
auf der Straße zu hören ist.<br />
Me<strong>in</strong> Gefühl: Hier wird die Situation<br />
der Urchristen lebendig. Die wenigen<br />
Christen, die es gibt, versammeln sich<br />
mit dem Priester um den Herrn. Nach<br />
dem Gottesdienst geht die Feier <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
freundschaftliches Abendessen über:<br />
Es wird ch<strong>in</strong>esischer Tee gereicht,<br />
dazu gibt es Erdnüsse und e<strong>in</strong>en Teller<br />
mit e<strong>in</strong>er ch<strong>in</strong>esischen Baumfrucht,<br />
die Ähnlichkeit mit Birnen hat.<br />
E<strong>in</strong>e Christ<strong>in</strong> me<strong>in</strong>t, <strong>in</strong> Deutschland<br />
müsse es schön se<strong>in</strong>: mit so vielen<br />
Christen! Ich erwidere ihr, überall<br />
sei Gottes Erde, und überall müssten<br />
wir uns fest an Christus halten. Das<br />
wünsche ich den Menschen <strong>in</strong> Taiwan:<br />
dass sie ihren Glauben bewahren und<br />
an die kommenden Generationen<br />
weitergeben, auch wenn sie zahlenmäßig<br />
e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit s<strong>in</strong>d.<br />
P. Herbert Schneider ofm<br />
Pater Herbert war von 1980 bis 1989<br />
Prov<strong>in</strong>zial der Kölnischen Ordensprov<strong>in</strong>z<br />
der <strong>Franziskaner</strong> und von 1986 bis 1989<br />
Vorsitzender der Vere<strong>in</strong>igung Deutscher<br />
Ordensoberen (VDO).<br />
Auszug aus: Heribert Schneider ofm.<br />
E<strong>in</strong>drücke und Gedanken beim Besuch<br />
unserer <strong>Mission</strong> auf Formosa. In:<br />
Rhenania Franciscana. Familienblatt<br />
der Kölnischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />
von den Heiligen Drei Königen.<br />
34. Jahrgang, Juni 1981.
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Zwischen Tradition und Moderne<br />
<strong>Mission</strong> <strong>in</strong> Japan<br />
Japan ist e<strong>in</strong> Phänomen: E<strong>in</strong>erseits blieben<br />
Zehntausende japanische Christ<strong>in</strong>nen und<br />
Christen ihrem Glauben über 300 Jahre<br />
h<strong>in</strong>weg – <strong>in</strong> Zeiten blutiger Verfolgung – treu.<br />
Andererseits bekennt sich heute, 100 Jahre<br />
nachdem die <strong>Mission</strong> neu e<strong>in</strong>setzte, weniger<br />
als e<strong>in</strong> Prozent der Bevölkerung zum Christentum.<br />
450 Jahre Christentum <strong>in</strong> Japan – e<strong>in</strong>e<br />
wechselvolle Geschichte.<br />
Bereits Mitte des 16. Jahrhunderts<br />
trafen spanische Jesuiten als die ersten<br />
christlichen <strong>Mission</strong>are <strong>in</strong> Japan e<strong>in</strong> und<br />
erzielten anfangs große Erfolge. Nach<br />
weniger als 50 Jahren hatten sich bereits<br />
mehr als 200.000 Menschen taufen<br />
lassen. Dann kam es im Jahr 1596 zu<br />
e<strong>in</strong>em folgenschweren Zwischen fall.<br />
E<strong>in</strong> spanisches Schiff strandete vor der<br />
Küste. Der Kapitän befürchtete die Plünderung<br />
se<strong>in</strong>er Ladung und drohte damit,<br />
die spanische Armee zu rufen. Aus<br />
Angst vor imperialer Vere<strong>in</strong>nahmung<br />
ließ der Shogun daraufh<strong>in</strong> die ersten<br />
26 Christen h<strong>in</strong>richten: sechs spanische<br />
<strong>Franziskaner</strong>, drei japanische Jesuiten,<br />
zwölf e<strong>in</strong>heimische Katecheten mit<br />
zwei ihrer Mitarbeiter und drei Jugendliche<br />
zwischen 12 und 15 Jahren.<br />
Kle<strong>in</strong>e Gruppe, große Präsenz<br />
300 Jahre hielt daraufh<strong>in</strong> die Christenverfolgung<br />
<strong>in</strong> Japan an. Erst im Jahr<br />
1906 nahm die <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />
Thur<strong>in</strong>gia durch Pater Wenzeslaus<br />
K<strong>in</strong>old die <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> dem pazifi schen<br />
Inselstaat wieder auf. Seitdem haben<br />
die <strong>Franziskaner</strong> dort zahlreiche<br />
Schulen, K<strong>in</strong>dergärten, Krankenhäuser<br />
und Armenküchen e<strong>in</strong>gerichtet. Sie<br />
kümmern sich um arme, alte und<br />
beh<strong>in</strong>derte Menschen sowie um die<br />
sogenannten »Unberührbaren«. Das<br />
soziale Engagement der <strong>Franziskaner</strong><br />
trägt dazu bei, dass die Christen <strong>in</strong><br />
Japan im öffentlichen Bewusstse<strong>in</strong><br />
präsenter s<strong>in</strong>d als die Anzahl der<br />
Getauften vermuten ließe.<br />
Heute leben <strong>in</strong> Japan rund<br />
450.000 Katholik<strong>in</strong>nen und Katholiken,<br />
das s<strong>in</strong>d 0,3 Prozent der Bevölkerung.<br />
Die meisten von ihnen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e<br />
Pater Manfred Friedrich bei der Messe <strong>in</strong> Japan<br />
Japaner, sondern Fremdarbeiter<br />
aus Südamerika, Korea und den<br />
Philipp<strong>in</strong>en, die aus wirtschaftlichen<br />
Gründen <strong>in</strong> Japan s<strong>in</strong>d. Zuweilen<br />
kommt es <strong>in</strong> den Geme<strong>in</strong>den dadurch<br />
zu Spannungen. Während sich viele<br />
europäische Ordensleute über die<br />
südamerikanische Vitalität und die<br />
philipp<strong>in</strong>ische Gefühlstiefe freuen, die<br />
die neuen Geme<strong>in</strong>demitglieder mit <strong>in</strong><br />
den Gottesdienst e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, sehen<br />
e<strong>in</strong>heimische Geme<strong>in</strong>demitglieder ihre<br />
sehr nüchterne Liturgie durch den<br />
fremden E<strong>in</strong>fl uss bedroht. Das stellt<br />
die Kirche <strong>in</strong> Japan vor ganz besondere<br />
pastorale Herausforderungen.<br />
Zukunftsprognosen<br />
Wie wird es weitergehen mit dem<br />
Christentum <strong>in</strong> Japan? Pater Helmut<br />
Schlegel antwortet auf diese Frage:<br />
»Der japanische Katholizismus lebt<br />
von Vorbildern. Von starken Persönlichkeiten.<br />
An ihrer moralischen<br />
Integrität, gläubigen Lebensfreude<br />
und solidarischen Nächstenliebe<br />
ist der ›Mehrwert‹ des christlichen<br />
Glaubens ablesbar. Was zählen wird,<br />
ist das überzeugende Lebensmodell<br />
derer, die sich für Christus entscheiden.<br />
Im postchristlichen Europa wird<br />
es nicht anders se<strong>in</strong>.«<br />
Anke Chávez<br />
Quellen:<br />
Thür<strong>in</strong>gische <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z von<br />
der heiligen Elisabeth (Hg.): Von Fulda<br />
nach Hokkaido. 100 Jahre Japan-<strong>Mission</strong><br />
der Thür<strong>in</strong>gischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />
(1907–2007). me<strong>in</strong>hardt, Idste<strong>in</strong> 2007.<br />
Zu den Menschen gesandt. Ausstellungskatalog<br />
der Thür<strong>in</strong>gischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />
zum missionarischen Wirken der <strong>Franziskaner</strong>,<br />
me<strong>in</strong>hardt, Idste<strong>in</strong> 2005.<br />
27
28<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
Neue Perspektiven für<br />
Häftl<strong>in</strong>ge und Prostituierte<br />
<strong>Franziskaner</strong>mission <strong>in</strong> Westafrika<br />
Übergabe von Nähmasch<strong>in</strong>en und Trockenhauben für den berufl ichen Neustart: Br. Richard Dzierzenga<br />
(rechts) und Sr. Pascal<strong>in</strong>e (Mitte) mit Teilnehmer<strong>in</strong> des Re<strong>in</strong>tegrationsprojektes<br />
Die westafrikanische <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z<br />
umfasst vier Länder: die Elfenbe<strong>in</strong>küste,<br />
Burk<strong>in</strong>a Faso, Togo und Ben<strong>in</strong>. In<br />
diesen vier Staaten leben <strong>in</strong>sgesamt<br />
rund 41 Millionen Menschen auf e<strong>in</strong>er<br />
Fläche, die etwa doppelt so groß ist wie<br />
die Bundesrepublik Deutschland. Nach<br />
dem UN-Entwicklungs<strong>in</strong>dex zählen sie<br />
<strong>alle</strong> zu den ärmsten und am wenigsten<br />
entwickelten Ländern <strong>in</strong> der <strong>Welt</strong>.<br />
Zwei Projekte stehen für den<br />
franzis kanischen Dienst <strong>in</strong> der westafrikanischen<br />
Prov<strong>in</strong>z: e<strong>in</strong> Gefängnisprojekt<br />
und e<strong>in</strong> Projekt für Frauen, die<br />
ihren Lebensunterhalt auf der Straße<br />
verdienen.<br />
Das Projekt für Strafgefangene<br />
In Westafrika kann es genügen, sich an<br />
e<strong>in</strong>er Demonstration gegen den Anstieg<br />
der Lebenshaltungskosten zu beteiligen,<br />
um im Gefängnis zu landen. Die Haftbed<strong>in</strong>gungen<br />
liegen weit unter dem<br />
<strong>in</strong>ternationalen Standard, sowohl, was die<br />
Behandlung der Insassen als auch, was die<br />
hygienischen Verhältnisse der Haftanstalten<br />
angeht. Auch K<strong>in</strong>der und Jugendliche<br />
stranden oft wegen Armutsdelikten wie<br />
Diebstahl im Gefängnis. Sie werden weder<br />
gesondert behandelt noch separat untergebracht.<br />
Erwachsene wie K<strong>in</strong>der warten<br />
oft monate- oder jahrelang auf ihren Prozess.<br />
Viele sterben an Krankheiten, die sie<br />
sich durch die katastrophalen hygienischen<br />
Verhältnisse zuziehen. Gewaltanwendung<br />
und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte<br />
haben ke<strong>in</strong>erlei strafrechtliche<br />
Konsequenzen.<br />
Die <strong>Franziskaner</strong> engagieren sich seit<br />
20 Jahren im Staatsgefängnis von Abidjan<br />
<strong>in</strong> der ehemaligen Hauptstadt der Elfenbe<strong>in</strong>küste.<br />
Dort begleiten sie die rund<br />
5.400 Gefangenen, feiern mit ihnen<br />
Gottesdienst, begleiten sie seelsorgerisch<br />
und bereiten sie auf die Zeit nach ihrer<br />
Entlassung vor. E<strong>in</strong>e Schre<strong>in</strong>erei, e<strong>in</strong>e<br />
Hühnerfarm und e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Schule helfen<br />
den Gefangenen, nach ihrer Haft wieder<br />
e<strong>in</strong>en Beruf zu fi nden und <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />
Fuß zu fassen.<br />
Das Projekt für Prostituierte<br />
In Lomé, der Hauptstadt Togos, fi ndet<br />
sich dieses Projekt. Lomé ist Hauptziel<br />
der jungen Leute, die auf dem Land ke<strong>in</strong>e<br />
Zukunft sehen und <strong>in</strong> der Stadt Arbeit<br />
suchen – häufi g ohne Erfolg. Nicht wenige<br />
der jungen Frauen vom Land geraten <strong>in</strong><br />
die Prostitution. Schwester Pascal<strong>in</strong>e,<br />
selbst Togoles<strong>in</strong>, startete e<strong>in</strong> Hilfsprogramm<br />
für diese Frauen. Der <strong>Franziskaner</strong><br />
Richard Dzierzenga wurde auf das Projekt<br />
aufmerksam. Mit se<strong>in</strong>er Hilfe entstand<br />
e<strong>in</strong> Team, zu dem auch e<strong>in</strong> Arzt und e<strong>in</strong><br />
Rechtsanwalt gehören. In e<strong>in</strong>er gemieteten<br />
Wohnung können die jungen Frauen<br />
sich jetzt tagsüber treffen und an e<strong>in</strong>em<br />
Alphabetisierungs- und Sprachprogramm<br />
teilnehmen. Handwerkliche Fortbildungen<br />
mit qualifi zierten Abschlüssen helfen<br />
ihnen, sich später ihren Lebensunterhalt zu<br />
verdienen. Die Frauen können sich zum<br />
Beispiel zur Friseuse oder zur Schneider<strong>in</strong><br />
weiterbilden.<br />
Anke Chávez<br />
Quelle: Zu den Menschen gesandt. Katalog zur<br />
Ausstellung der Thür<strong>in</strong>gischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z.<br />
Idste<strong>in</strong>/Taunus 2005, S. 16–17.
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Wer missioniert eigentlich wen?<br />
<strong>Mission</strong> aus der Sicht e<strong>in</strong>er <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit<br />
Als ich mich entschloss, nach dem Abitur<br />
e<strong>in</strong> Jahr als »<strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit« zu<br />
verbr<strong>in</strong>gen, war das e<strong>in</strong>e neue Herausforderung<br />
für mich und me<strong>in</strong>en Glauben,<br />
den ich dadurch ganz neu spüren und<br />
kennen lernte.<br />
E<strong>in</strong> Jahr lang wurden wir auf unseren<br />
E<strong>in</strong>satz vorbereitet: auf die Sprache und<br />
auch auf die Kultur, die uns <strong>in</strong> unserem<br />
Gastland erwarten würde. Während<br />
dieser Zeit fragten wir auch nach der<br />
Bedeutung von »<strong>Mission</strong>ar/<strong>in</strong> auf Zeit«.<br />
Was sollte das heißen? Rückblickend<br />
weiß ich: Es geht dabei nicht darum, <strong>in</strong><br />
fremde Länder zu reisen und dort andere<br />
Menschen zu missionieren. Man wird<br />
vielmehr selbst missioniert – und das<br />
nicht nur auf Zeit! Diese Erfahrungen und<br />
diesen Geist brachten wir <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />
und <strong>Mission</strong>are auf Zeit <strong>alle</strong> mit zurück<br />
nach Hause, und hier missionieren wir<br />
nun – unbewusst – weiter.<br />
Rückkehrer-Runde<br />
Ich möchte an dieser Stelle aber<br />
nicht von me<strong>in</strong>en eigenen Erfahrungen<br />
berichten, sondern von e<strong>in</strong>er<br />
späteren Sem<strong>in</strong>argruppe, die ich als<br />
Leiter<strong>in</strong> auf ihren E<strong>in</strong>satz vorbereitet<br />
hatte. Beim Rückkehrersem<strong>in</strong>ar,<br />
das nach dem franziskanischen Jahr<br />
jeweils <strong>in</strong> Deutschland stattfi ndet<br />
und das ich ebenfalls geleitet habe,<br />
kam ich <strong>in</strong> den Genuss, mit den<br />
neun frisch zurückgekehrten <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />
und <strong>Mission</strong>aren auf Zeit<br />
wieder zusammen an e<strong>in</strong>en Tisch<br />
zu kommen. Die e<strong>in</strong>en waren vor<br />
Kurzem aus Brasilien oder Bolivien<br />
e<strong>in</strong>getroffen, die anderen aus Indien<br />
oder Vietnam.<br />
Die Stimmung im Raum war<br />
fröhlich, die Lautstärke hoch. E<strong>in</strong>e<br />
Geschichte war spannender, witziger,<br />
trauriger, mitreißender als die andere.<br />
Situationen, Momente, Anekdoten,<br />
Probleme – <strong>alle</strong> Er<strong>in</strong>nerungen aus<br />
Fröhliche Rückkehrer-Runde beim Erfahrungsaustausch über den Auslandse<strong>in</strong>satz<br />
dieser Zeit kamen <strong>in</strong> den Rückkehrer<strong>in</strong>nen<br />
und Rückkehrern wieder<br />
hoch. Ich kann kaum beschreiben,<br />
wie es ist, wenn neun junge Leute<br />
aufe<strong>in</strong>andertreffen, besser: »aufe<strong>in</strong>anderpr<strong>alle</strong>n«<br />
und aus e<strong>in</strong>em ganzen<br />
Jahr berichten wollen. Jede(r) wollte<br />
zuerst erzählen, jede(r) wollte <strong>alle</strong>s<br />
von <strong>alle</strong>n erfahren und das am besten<br />
gleichzeitig! Kaum hatte e<strong>in</strong>e(r) angefangen<br />
zu erzählen, wurde er oder<br />
sie auch schon wieder unterbrochen,<br />
weil e<strong>in</strong> anderer mit e<strong>in</strong>er ähnlichen<br />
Geschichte den Redefl uss aufgenommen<br />
und weitergetragen hat. Sie<br />
redeten und redeten, es sprudelte nur<br />
so aus ihnen heraus, und sie fanden<br />
bis <strong>in</strong> die späten Abendstunden ke<strong>in</strong><br />
Ende.<br />
Und mittendr<strong>in</strong> Gott<br />
Das Besondere war, dass sie über<br />
Religion und Glaube plötzlich genauso<br />
natürlich sprachen wie man über<br />
das Wetter spricht. Ganz normale<br />
Abiturient<strong>in</strong>nen und Abiturienten<br />
oder Studierende!<br />
Dabei hatten sich viele von ihnen <strong>in</strong><br />
den Vorbereitungssem<strong>in</strong>aren noch über<br />
das Morgen- oder Tischgebet gewundert.<br />
Fragen kamen auf, ob es wirklich<br />
nötig sei, Gottesdienste zu feiern. Nach<br />
dem Jahr war es für sie nicht nur selbstverständlich,<br />
zum Gottesdienst zusammenzukommen,<br />
sondern auch von<br />
<strong>alle</strong>n gewünscht. Bei den Gebeten zu<br />
den Mahlzeiten verhielt es sich ähnlich.<br />
Mussten wir <strong>in</strong> der Vorbereitungszeit<br />
noch nach bekannten Liedern suchen,<br />
die dann mit zurückhaltender Stimme<br />
gesungen wurden, so kannte jetzt jeder<br />
Lieder oder Gebete <strong>in</strong> der Sprache<br />
se<strong>in</strong>es Gastlandes. Gerne wollten die<br />
jungen Leute sie nun wieder s<strong>in</strong>gen,<br />
hören oder beten. Teilweise wurden<br />
die Lieder sooft wiederholt, dass ich<br />
an das dampfende Essen auf dem Tisch<br />
er<strong>in</strong>nern musste! »»<br />
29
30<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010 — <strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>!<br />
H<strong>in</strong>ter diesen Wünschen und neuen Gefühlen<br />
stecken für die Rückkehrer<strong>in</strong>nen und Rückkehrer<br />
besondere Momente, <strong>in</strong>dividuelle<br />
Gesichter, die jede(r) e<strong>in</strong>zelne von ihnen tief<br />
im Herzen trägt und die er oder sie nun mit<br />
dem christlichen Glauben <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />
br<strong>in</strong>gt. Hört man ihnen zu, bekommt man<br />
oftmals e<strong>in</strong>e Gänsehaut dabei. Man kann nur<br />
ahnen, wie und wo Gott ihnen <strong>in</strong> der Zeit<br />
begegnet ist. Und plötzlich bemerkt man, dass<br />
auch Gott bei diesen Erzählungen mitten im<br />
Raum ist und bei jeder Geschichte mitredet.<br />
Wer dabei wen missioniert oder missioniert<br />
hat, bleibt offen.<br />
Das Leben als Geschenk Gottes<br />
Schnell stellte sich mir die Frage, wo die<br />
jungen Erwachsenen geblieben waren, die<br />
ich vor der Ausreise angeleitet hatte. Um<br />
diese Frage zu beantworten ist das Wort<br />
»<strong>Mission</strong>ierung« gut zu gebrauchen. Diese<br />
Zeit als <strong>Mission</strong>ar auf Zeit richtet sich nicht<br />
nach der Uhr, sie spricht e<strong>in</strong>e andere Sprache,<br />
sie ist pures Leben <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft, im<br />
Glauben. Man kommt mit anderen Personen<br />
<strong>in</strong> Kontakt, man spricht über neue Themen,<br />
man übernimmt völlig ungewohnte Aufgaben<br />
– kurz: Man lebt e<strong>in</strong>fach anders. Dieses Jahr<br />
bietet die Chance, e<strong>in</strong>e neue Kultur von <strong>in</strong>nen<br />
heraus kennenzulernen. Dazu gehört <strong>in</strong> den<br />
Ländern, <strong>in</strong> denen die <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen und<br />
<strong>Mission</strong>are auf Zeit ihr franziskanisches<br />
Jahr verbr<strong>in</strong>gen, auch der christliche<br />
Glaube, der dort als ganz selbstverständlich<br />
erlebt wird. Das Zweifeln über die Religion<br />
ist dort nicht so wichtig wie bei uns <strong>in</strong><br />
Westeuropa. Man erkennt, dass Ostern<br />
auch ohne Osterhasen und -eier e<strong>in</strong> Hochfest<br />
ist. Zu Weihnachten freut man sich<br />
sehr über e<strong>in</strong>e Tube Zahnpasta, da es beim<br />
Geschenk nur darum geht, sich gegenseitig<br />
e<strong>in</strong>e Freude zu machen. Diese Länder s<strong>in</strong>d<br />
wirtschaftlich oft ärmer, doch sie haben<br />
die Gabe, das Leben als Geschenk Gottes<br />
wahrzunehmen.<br />
Die Rückkehrer<strong>in</strong>nen und Rückkehrer<br />
waren nach dem Jahr zwar noch dieselben<br />
Personen, aber sie haben sich durch diese<br />
vielen kle<strong>in</strong>en Erkenntnisse im Denken,<br />
im Fühlen und im Glauben verändert.<br />
Ihre Persönlichkeit hat sich <strong>in</strong> diesem Jahr<br />
weiter entwickelt und verfestigt. Sie tragen<br />
den Glauben weiter und versprühen den<br />
Geist des <strong>Mission</strong>ars auf Zeit <strong>in</strong> die <strong>Welt</strong><br />
h<strong>in</strong>aus. Das <strong>alle</strong>s vielleicht dadurch, dass<br />
sie während des E<strong>in</strong>satzes als <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />
und <strong>Mission</strong>are auf Zeit e<strong>in</strong>e<br />
Leichtigkeit des Glaubens erfuhren,<br />
die sie sich davor wohl niemals hätten<br />
träumen lassen.<br />
<strong>Franziskaner</strong><br />
»<strong>Franziskaner</strong>« fragt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er aktuellen<br />
Ausgabe zum 2. Ökumenischen<br />
Kirchen tag, wie es die Nachfolger<br />
des hl. Franziskus mit der Ökumene<br />
halten.<br />
Weitere Themen:<br />
Zukunft der Kirche – Kirche der<br />
Zukunft; der franziskanische Künstler<br />
Laurentius Englisch, Geistlicher Wegbegleiter<br />
u.v.m.<br />
Unbefristete <strong>Mission</strong><br />
Auch wenn me<strong>in</strong> eigener E<strong>in</strong>satz als<br />
<strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit schon e<strong>in</strong>ige Jahre<br />
her ist, ist er dennoch nicht beendet. Er<br />
gew<strong>in</strong>nt immer wieder e<strong>in</strong>e neue Bedeutung,<br />
e<strong>in</strong>e neue Wichtigkeit für mich.<br />
»<strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit« blieb ich nicht auf<br />
Zeit, eher fand und fi ndet danach me<strong>in</strong>e<br />
eigentliche Zeit der <strong>Mission</strong> statt, wie<br />
zum Beispiel bei den Vorbereitungssem<strong>in</strong>aren<br />
für die nächsten <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />
und <strong>Mission</strong>are auf Zeit.<br />
Bei me<strong>in</strong>em franziskanischen E<strong>in</strong>satz<br />
im Ausland wurden mir die Augen geöffnet,<br />
zum Sehen gelange ich nun hier <strong>in</strong><br />
Deutschland! Jetzt kommt es darauf an,<br />
dass wir nach dem, was wir gesehen und<br />
erlebt haben, aus dieser Erfahrung heraus<br />
handeln und dass wir aus diesem Geist<br />
heraus und aus unserem Glauben leben.<br />
Den Glauben weiter tragen und immer<br />
wieder aufs Neue offen für den Glauben<br />
zu se<strong>in</strong>, ist unsere »<strong>Mission</strong>«.<br />
Nach dem oben geschilderten Rückkehrersem<strong>in</strong>ar<br />
habe ich voller Bewunderung<br />
festgestellt, dass die <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong>nen<br />
und <strong>Mission</strong>are auf Zeit mich durch ihre<br />
gelebte Leichtigkeit an den Glauben er<strong>in</strong>nert<br />
haben und somit auch mich wieder<br />
e<strong>in</strong> Stück weiter missioniert haben.<br />
Sandra Gotzhe<strong>in</strong><br />
Sandra Gotzhe<strong>in</strong> war als <strong>Mission</strong>ar<strong>in</strong> auf Zeit<br />
<strong>in</strong> Indien und Indonesien. Heute arbeitet sie als<br />
Sozialarbeiter<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wien.<br />
»<strong>Franziskaner</strong>« – Das Magaz<strong>in</strong> für Franziskanische Kultur und Lebensart<br />
Um die kostenlos erhältliche Zeitschrift<br />
»<strong>Franziskaner</strong>« zu beziehen, wenden Sie<br />
sich bitte an:<br />
Angela He<strong>in</strong>er<br />
Am Frauenberg 1<br />
36039 Fulda<br />
Tel.: 06 61/10 95-36<br />
E-Mail: he<strong>in</strong>er.prov.fulda@franziskaner.de<br />
www.zeitschrift.franziskaner.de
Projekt<br />
Schulprojekte geben Zukunft<br />
»Als ich me<strong>in</strong>e geliebte Frei-Alberto-Schule<br />
nach dem fünften Schuljahr verlassen<br />
musste, um me<strong>in</strong>e Ausbildung an e<strong>in</strong>er<br />
weiterführenden Schule fortzusetzen, war<br />
ich sehr traurig«, er<strong>in</strong>nert sich die heute<br />
27-jährige Andréa Farias Soeiro. »Wie sehr<br />
vermisste ich me<strong>in</strong>e geliebten ›tias‹, me<strong>in</strong>e<br />
Lehrer<strong>in</strong>nen, die uns bis dah<strong>in</strong> so liebevoll<br />
Rechnen, Schreiben und Lesen beigebracht<br />
hatten; die uns immer zur Seite standen,<br />
wenn wir Probleme hatten; und die uns<br />
fachlich, aber auch menschlich auf das<br />
Leben vorbereiteten, das noch vor uns lag.«<br />
Impressum<br />
In der weiterführenden Schule g<strong>in</strong>g<br />
es dann ganz anders zu. Aber durch<br />
das, was sie <strong>in</strong> der Frei-Alberto-Schule<br />
gelernt hatte, gehörte Andréa dort<br />
bald zu den Besten. Als sie sämtliche<br />
Mitschüler<strong>in</strong>nen und Mitschüler<br />
bei e<strong>in</strong>em Mathematik-Wettbewerb<br />
überfl ügelte, spotteten diese: »Du bist<br />
wohl die Tochter von e<strong>in</strong>er Lehrer<strong>in</strong>!«<br />
Andréa Farias lacht. »Aber so war es<br />
nicht. Nicht me<strong>in</strong>e Mutter hatte mir<br />
all das beigebracht, sondern die Lehrer<strong>in</strong>nen<br />
der Frei-Alberto-Schule.«<br />
Andréa stammt wie die meisten<br />
K<strong>in</strong>der der Frei-Alberto-Schule aus<br />
e<strong>in</strong>er Familie von Landarbeitern, die<br />
auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten<br />
<strong>in</strong> die Stadt abwanderten<br />
– dort aber ohne Startkapital und<br />
Ausbildung nicht nur arm, sondern<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> wird viermal im Jahr kostenlos den<br />
Freunden der franziskanischen <strong>Mission</strong>sarbeit zugestellt.<br />
<strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> ersche<strong>in</strong>t im Auftrag der Sächsischen und<br />
der Kölnischen <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z, der Prov<strong>in</strong>z von Bacabal<br />
sowie der <strong>Mission</strong>szentrale der Franzis kaner, Bonn.<br />
Herausgeber <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong>, Dortmund<br />
Verantwortlich August<strong>in</strong>us Diekmann ofm<br />
Redaktion Anke Chávez, Stefan Federbusch ofm, Natanael Ganter ofm,<br />
Thomas M. Schimmel, Alfons Schumacher ofm<br />
Fotos Robert Hof: Titelseite li., S. 8, 9. Archiv Thür<strong>in</strong>gische <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z:<br />
Titelseite (Mitte), S. 17 o., 27. August<strong>in</strong>us Diekmann:<br />
Titelseite re., S. 2, 7, 16 u., 17 u., 20, 21, 22 o., 23, 29, 30.<br />
auch völlig rechtlos s<strong>in</strong>d. Die K<strong>in</strong>der<br />
dieser Leute existieren nicht für den<br />
Staat, folglich sorgt er auch nicht für ihre<br />
Ausbildung. Ohne die Frei-Alberto-Schule<br />
hätte Andréa vermutlich niemals auch nur<br />
<strong>in</strong> Grundzügen Rechnen, Schreiben und<br />
Lesen gelernt. So aber hat sie anschließend<br />
zunächst die weiterführende Schule<br />
und dann die Universität besucht. An<br />
der Hochschule, an der sie studiert hat,<br />
arbeitet sie heute.<br />
<strong>Geht</strong> <strong>in</strong> <strong>alle</strong> <strong>Welt</strong>! — <strong>Franziskaner</strong> <strong>Mission</strong> 2 | 2010<br />
Franziskanische Nachwuchsförderung: Schüler<strong>in</strong> der Frei-Alberto-Schule <strong>in</strong> Brasilien<br />
Ähnlich wie Andréa ergeht es vielen K<strong>in</strong>dern<br />
auf der <strong>Welt</strong>. Nicht nur <strong>in</strong> Brasilien,<br />
sondern auch im von Aids und Kriegen<br />
geschüttelten Afrika und <strong>in</strong> armen Landesteilen<br />
von Vietnam hätten Mädchen und<br />
Jungen aus mittellosen Familien ohne die<br />
<strong>Franziskaner</strong> oft nicht die Möglichkeit, zur<br />
Schule zu gehen. Bitte helfen Sie mit, dass<br />
K<strong>in</strong>der armer Eltern e<strong>in</strong>e Ausbildung und<br />
dadurch e<strong>in</strong>e Perspektive für ihre Zukunft<br />
erhalten.<br />
FM-Archiv: S. 3, 4, 14 re., 24, 26, 28, Rückseite. Institut für<br />
<strong>Mission</strong>swissenschaft, Würzburg: S. 5. Stefan Federbusch: S. 6.<br />
Frank Hartmann: S. 10, 11, 16 o. <strong>Franziskaner</strong>kloster Dorsten: S. 12.<br />
Archiv OFM-Generalkurie, Rom: S. 13 o. Archiv der Sächsischen<br />
<strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Paderborn: S. 13 u. Deutsches Bundesarchiv: S. 14 li.<br />
Heldemar Heis<strong>in</strong>g: S. 15. August<strong>in</strong>us Wehrmeier: S. 17 li.<br />
Bernhard Dettl<strong>in</strong>g: S. 18, 19. Archiv <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Bacabal: S. 22 u.<br />
Archiv <strong>Franziskaner</strong>prov<strong>in</strong>z Bavaria: S. 25. Lukas Brägelmann: S. 31<br />
Gestaltung sec GmbH, Osnabrück<br />
Druck IVD, Ibbenbüren; gedruckt auf Recycl<strong>in</strong>g-Papier<br />
31
Afrikanischer Sonnengesang<br />
In Europa wird gefragt, ob und <strong>in</strong>wieweit es S<strong>in</strong>n macht, das Christentum <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Land zu br<strong>in</strong>gen, das von e<strong>in</strong>er<br />
anderen Kultur und von anderen religiösen Werten geprägt ist. Wenn es stimmt, dass der christliche Humanismus<br />
von <strong>alle</strong>n Spielarten des Humanismus jenes Bild von Freiheit und Menschenwürde entwirft, das den<br />
Menschen am meisten zu se<strong>in</strong>em wahren Selbst fi nden lässt, weil er eben auf Jesus zielt, dann s<strong>in</strong>d Christen<br />
nicht nur berechtigt, sondern verpfl ichtet, Christus und das christliche <strong>Welt</strong>bild »bis an die Grenzen der <strong>Welt</strong>«<br />
zu verkündigen. <strong>Mission</strong> <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n ist weder Indoktr<strong>in</strong>ation noch Verachtung anderer Lebensentwürfe,<br />
<strong>Mission</strong> ist aber auch nicht nur Dialog der Religionen. <strong>Mission</strong> ist die Fortsetzung des Weges Jesu, der kam, um<br />
»den Armen« das Evangelium zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Pater Helmut Schlegel ofm