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Sind die MVZs eine ernsthafte Konkurrenz? - Frauenarzt

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BERUF + POLITIK<br />

682<br />

ken und kann <strong>die</strong> kl<strong>eine</strong>n flexiblen<br />

Einheiten nur auffordern, selbstbewusst<br />

und präsent zu bleiben. Große<br />

Einheiten sind immer träge und unflexibel.<br />

Ihnen fehlt der Saft des persönlichen<br />

Einsatzes und der individuellen<br />

Leidenschaft. Ihre zukünftige<br />

<strong>Konkurrenz</strong>fähigkeit ist nur durch<br />

<strong>eine</strong>n unendlichen Geldstrom oder<br />

<strong>die</strong> gezielte Vernichtung des Lagers<br />

der Flexiblen denkbar. Da es <strong>eine</strong>n<br />

unbegrenzten Geldzufluss selbst im<br />

öffentlich-rechtlichen Lager nicht<br />

gibt, bleibt nur <strong>die</strong> politische Möglichkeit<br />

der gezielten Vernichtung.<br />

Sollen gezielt Praxen<br />

vernichtet werden?<br />

An entsprechenden Versuchen mangelt<br />

es durchaus nicht.<br />

n Begehungen der Einzel- und Doppelpraxen<br />

durch <strong>die</strong> Gesundheitsämter<br />

mit aberwitzigen Beanstandungen<br />

(z.B. fehlende Desinfektion des<br />

Dichtungsringes der praxiseigenen<br />

Waschmaschine nach Wäschebeschickung<br />

o.ä.) legen beredtes Zeugnis<br />

darüber ab, wer hier in <strong>die</strong> Zange genommen<br />

werden soll. Da ist das fehlende<br />

Fliegengitter wichtiger als <strong>die</strong><br />

Tatsache, dass es in den letzten Jah -<br />

ren niemals <strong>eine</strong> <strong>ernsthafte</strong> Infek -<br />

tionsproblematik gab. In <strong>eine</strong>m Bereich,<br />

der s<strong>eine</strong>r Natur nach mit Problemkeimen<br />

so gut wie nichts zu tun<br />

hat, wird so getan, als sei <strong>die</strong> Einzelpraxis<br />

<strong>eine</strong> Außenstelle der NASA<br />

oder als ob sämtliche Patienten <strong>eine</strong>n<br />

Immundefekt hätten.<br />

n Da wird der Datenschutz ganz hoch<br />

gehängt und gleichzeitig vergessen,<br />

dass es in der Einzelpraxis eher darum<br />

geht, das Mitteilungsbedürfnis<br />

einzelner Patienten zu bremsen, <strong>die</strong><br />

ungebeten ihre intimsten Details an<br />

der Anmeldung geradezu selbstverständlich<br />

in normaler Lautstärke artikulieren.<br />

n Gesunde und komplett durchgeimpfte<br />

Arzthelferinnen müssen regelmäßig<br />

betriebsärztlich untersucht<br />

werden, als ob sie täglich ganztägig<br />

FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr.8<br />

giftige Gase einatmen oder vorm<br />

Hochofen glühende Kohle schaufeln.<br />

n Auch wenn ab Zeitpunkt X das<br />

Budget erschöpft ist und <strong>die</strong> zusätzliche<br />

Leistungsabrechnung allenfalls<br />

<strong>die</strong> unbezahlte Arbeit dokumentiert,<br />

„sind Sie verpflichtet, alle Leistungen<br />

auszuweisen!“ Die KV-Abrechnung<br />

muss nämlich vollständig sein.<br />

Damit <strong>die</strong> Prüfgremien beschäftigt<br />

sind, „müssen alle erbrachten Handgriffe<br />

dokumentiert sein“. Einerseits.<br />

Sollten Sie andererseits <strong>die</strong> Absicht<br />

haben, <strong>die</strong> hohe Inanspruchnahme<br />

Ihrer Patientinnen tatsächlich mit<br />

Zahlen zu hinterlegen, fehlt Ihnen<br />

selbst der kleinste elektronische<br />

Platzhalter, um nachzuweisen, was<br />

genau sich im Alltagsleben <strong>eine</strong>s Vertragsarztes<br />

eigentlich abspielt. Damit<br />

stehen gleichzeitig wieder <strong>die</strong><br />

EBM-Positionen zur Diskussion, <strong>die</strong><br />

ein drei- bis fünfmaliges Ersch<strong>eine</strong>n<br />

der Leidenden voraussetzen.<br />

n Persönliche Beschwerden von einzelnen<br />

Kassen-Sachbearbeitern möglichst<br />

gleich mit voreiligen Androhungen<br />

von Disziplinarmaßnahmen<br />

erreichen ihren Zweck bei überarbeiteten<br />

Ärzten natürlich eher als bei<br />

ausgeschlafenen und kundigen Krankenhaus-<br />

oder MVZ-Geschäftsführern.<br />

Dies wird gerade von den Kassen<br />

immer mal gern als Demonstrationsmittel<br />

genutzt und von vielen<br />

Ärzten nicht auf Augenhöhe beantwortet.<br />

n Selbst unsere ureigenen Vertreter<br />

in den Kammern sind in vielen Fällen<br />

primär damit beschäftigt, uns zwar<br />

regelmäßig an unsere Pflichten zu erinnern,<br />

unsere Rechte aber komplett<br />

zu verdrängen (Beispiele auf Anfrage).<br />

Endgültige Abschaffung<br />

der Praxen nur durch<br />

gesetz liches Verbot denkbar<br />

Die Liste der geradezu absurden Beispiele,<br />

<strong>die</strong> der kl<strong>eine</strong>n Einheit das Leben<br />

unnötig schwer machen, ließe<br />

sich beliebig verlängern. Irgendwie<br />

sch<strong>eine</strong>n wir den Vernichtungsversuchen<br />

aber standzuhalten.<br />

Fest steht, dass <strong>die</strong> großen Macher<br />

der Gesundheitsreform eins noch<br />

nicht wagen: Sie halten uns zwar in<br />

Atem, aber so richtig verbieten können<br />

und wollen sie uns offensichtlich<br />

noch nicht. Sie wären auch sehr<br />

schlecht beraten!<br />

<strong>MVZs</strong> gegen <strong>eine</strong> Vielzahl von Einzelpraxen<br />

sind ähnlich einzuschätzen<br />

wie <strong>die</strong> spanische Armada gegen <strong>die</strong><br />

wendige britische Flotte in den mittelalterlichen<br />

Konfessionskriegen.<br />

Die große Einheit ist für <strong>die</strong> vielen<br />

kl<strong>eine</strong>n Fragestellungen zu teuer und<br />

zu träge. Es fehlt ihr das Moment der<br />

Selbstausbeutungsbereitschaft, ohne<br />

das <strong>eine</strong> Versorgung zu den gegenwärtigen<br />

Bedingungen weder praktisch<br />

noch theoretisch denkbar ist.<br />

Unsere Patientinnen sind noch nicht<br />

alle spät genug geboren, um auf <strong>die</strong><br />

unverzichtbaren Merkmale traditioneller<br />

Arzt-Patienten-Begegnungen<br />

pfeifen zu können. Sie sind an den<br />

schnellen Zugang zu den Ärzten ihrer<br />

Wahl gewöhnt.<br />

Darüber hinaus haben sie alle <strong>die</strong><br />

Notwendigkeit von Zuzahlungen begriffen.<br />

Sie lieben sie nicht gerade,<br />

aber sie akzeptieren sie, weil sie<br />

(noch) nicht auf uns verzichten wollen.<br />

Wir sind einfach in jeder Hinsicht<br />

günstiger.<br />

Wer <strong>die</strong>s begriffen hat, braucht <strong>die</strong><br />

<strong>MVZs</strong> nicht zu fürchten.<br />

Autorin<br />

Dr. Gerda Enderer-Steinfort<br />

Dürener Straße 245 a<br />

50931 Köln

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