Sind die MVZs eine ernsthafte Konkurrenz? - Frauenarzt
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BERUF + POLITIK<br />
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ken und kann <strong>die</strong> kl<strong>eine</strong>n flexiblen<br />
Einheiten nur auffordern, selbstbewusst<br />
und präsent zu bleiben. Große<br />
Einheiten sind immer träge und unflexibel.<br />
Ihnen fehlt der Saft des persönlichen<br />
Einsatzes und der individuellen<br />
Leidenschaft. Ihre zukünftige<br />
<strong>Konkurrenz</strong>fähigkeit ist nur durch<br />
<strong>eine</strong>n unendlichen Geldstrom oder<br />
<strong>die</strong> gezielte Vernichtung des Lagers<br />
der Flexiblen denkbar. Da es <strong>eine</strong>n<br />
unbegrenzten Geldzufluss selbst im<br />
öffentlich-rechtlichen Lager nicht<br />
gibt, bleibt nur <strong>die</strong> politische Möglichkeit<br />
der gezielten Vernichtung.<br />
Sollen gezielt Praxen<br />
vernichtet werden?<br />
An entsprechenden Versuchen mangelt<br />
es durchaus nicht.<br />
n Begehungen der Einzel- und Doppelpraxen<br />
durch <strong>die</strong> Gesundheitsämter<br />
mit aberwitzigen Beanstandungen<br />
(z.B. fehlende Desinfektion des<br />
Dichtungsringes der praxiseigenen<br />
Waschmaschine nach Wäschebeschickung<br />
o.ä.) legen beredtes Zeugnis<br />
darüber ab, wer hier in <strong>die</strong> Zange genommen<br />
werden soll. Da ist das fehlende<br />
Fliegengitter wichtiger als <strong>die</strong><br />
Tatsache, dass es in den letzten Jah -<br />
ren niemals <strong>eine</strong> <strong>ernsthafte</strong> Infek -<br />
tionsproblematik gab. In <strong>eine</strong>m Bereich,<br />
der s<strong>eine</strong>r Natur nach mit Problemkeimen<br />
so gut wie nichts zu tun<br />
hat, wird so getan, als sei <strong>die</strong> Einzelpraxis<br />
<strong>eine</strong> Außenstelle der NASA<br />
oder als ob sämtliche Patienten <strong>eine</strong>n<br />
Immundefekt hätten.<br />
n Da wird der Datenschutz ganz hoch<br />
gehängt und gleichzeitig vergessen,<br />
dass es in der Einzelpraxis eher darum<br />
geht, das Mitteilungsbedürfnis<br />
einzelner Patienten zu bremsen, <strong>die</strong><br />
ungebeten ihre intimsten Details an<br />
der Anmeldung geradezu selbstverständlich<br />
in normaler Lautstärke artikulieren.<br />
n Gesunde und komplett durchgeimpfte<br />
Arzthelferinnen müssen regelmäßig<br />
betriebsärztlich untersucht<br />
werden, als ob sie täglich ganztägig<br />
FRAUENARZT n 49 (2008) n Nr.8<br />
giftige Gase einatmen oder vorm<br />
Hochofen glühende Kohle schaufeln.<br />
n Auch wenn ab Zeitpunkt X das<br />
Budget erschöpft ist und <strong>die</strong> zusätzliche<br />
Leistungsabrechnung allenfalls<br />
<strong>die</strong> unbezahlte Arbeit dokumentiert,<br />
„sind Sie verpflichtet, alle Leistungen<br />
auszuweisen!“ Die KV-Abrechnung<br />
muss nämlich vollständig sein.<br />
Damit <strong>die</strong> Prüfgremien beschäftigt<br />
sind, „müssen alle erbrachten Handgriffe<br />
dokumentiert sein“. Einerseits.<br />
Sollten Sie andererseits <strong>die</strong> Absicht<br />
haben, <strong>die</strong> hohe Inanspruchnahme<br />
Ihrer Patientinnen tatsächlich mit<br />
Zahlen zu hinterlegen, fehlt Ihnen<br />
selbst der kleinste elektronische<br />
Platzhalter, um nachzuweisen, was<br />
genau sich im Alltagsleben <strong>eine</strong>s Vertragsarztes<br />
eigentlich abspielt. Damit<br />
stehen gleichzeitig wieder <strong>die</strong><br />
EBM-Positionen zur Diskussion, <strong>die</strong><br />
ein drei- bis fünfmaliges Ersch<strong>eine</strong>n<br />
der Leidenden voraussetzen.<br />
n Persönliche Beschwerden von einzelnen<br />
Kassen-Sachbearbeitern möglichst<br />
gleich mit voreiligen Androhungen<br />
von Disziplinarmaßnahmen<br />
erreichen ihren Zweck bei überarbeiteten<br />
Ärzten natürlich eher als bei<br />
ausgeschlafenen und kundigen Krankenhaus-<br />
oder MVZ-Geschäftsführern.<br />
Dies wird gerade von den Kassen<br />
immer mal gern als Demonstrationsmittel<br />
genutzt und von vielen<br />
Ärzten nicht auf Augenhöhe beantwortet.<br />
n Selbst unsere ureigenen Vertreter<br />
in den Kammern sind in vielen Fällen<br />
primär damit beschäftigt, uns zwar<br />
regelmäßig an unsere Pflichten zu erinnern,<br />
unsere Rechte aber komplett<br />
zu verdrängen (Beispiele auf Anfrage).<br />
Endgültige Abschaffung<br />
der Praxen nur durch<br />
gesetz liches Verbot denkbar<br />
Die Liste der geradezu absurden Beispiele,<br />
<strong>die</strong> der kl<strong>eine</strong>n Einheit das Leben<br />
unnötig schwer machen, ließe<br />
sich beliebig verlängern. Irgendwie<br />
sch<strong>eine</strong>n wir den Vernichtungsversuchen<br />
aber standzuhalten.<br />
Fest steht, dass <strong>die</strong> großen Macher<br />
der Gesundheitsreform eins noch<br />
nicht wagen: Sie halten uns zwar in<br />
Atem, aber so richtig verbieten können<br />
und wollen sie uns offensichtlich<br />
noch nicht. Sie wären auch sehr<br />
schlecht beraten!<br />
<strong>MVZs</strong> gegen <strong>eine</strong> Vielzahl von Einzelpraxen<br />
sind ähnlich einzuschätzen<br />
wie <strong>die</strong> spanische Armada gegen <strong>die</strong><br />
wendige britische Flotte in den mittelalterlichen<br />
Konfessionskriegen.<br />
Die große Einheit ist für <strong>die</strong> vielen<br />
kl<strong>eine</strong>n Fragestellungen zu teuer und<br />
zu träge. Es fehlt ihr das Moment der<br />
Selbstausbeutungsbereitschaft, ohne<br />
das <strong>eine</strong> Versorgung zu den gegenwärtigen<br />
Bedingungen weder praktisch<br />
noch theoretisch denkbar ist.<br />
Unsere Patientinnen sind noch nicht<br />
alle spät genug geboren, um auf <strong>die</strong><br />
unverzichtbaren Merkmale traditioneller<br />
Arzt-Patienten-Begegnungen<br />
pfeifen zu können. Sie sind an den<br />
schnellen Zugang zu den Ärzten ihrer<br />
Wahl gewöhnt.<br />
Darüber hinaus haben sie alle <strong>die</strong><br />
Notwendigkeit von Zuzahlungen begriffen.<br />
Sie lieben sie nicht gerade,<br />
aber sie akzeptieren sie, weil sie<br />
(noch) nicht auf uns verzichten wollen.<br />
Wir sind einfach in jeder Hinsicht<br />
günstiger.<br />
Wer <strong>die</strong>s begriffen hat, braucht <strong>die</strong><br />
<strong>MVZs</strong> nicht zu fürchten.<br />
Autorin<br />
Dr. Gerda Enderer-Steinfort<br />
Dürener Straße 245 a<br />
50931 Köln