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Entwicklungsphysiologie und -pathologie - Frauenarzt

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FORTBILDUNG + KONGRESS<br />

990<br />

FRAUENARZT-SERIE MÄDCHEN-SPRECHSTUNDE TEIL 7<br />

<strong>Entwicklungsphysiologie</strong><br />

<strong>und</strong> -<strong>pathologie</strong><br />

Endokrinologie von Wachstum <strong>und</strong> Reifung<br />

bei jungen Mädchen<br />

Alfred S. Wolf<br />

Die altersentsprechende Menstruation wird von jungen Mädchen<br />

<strong>und</strong> erst recht von deren Müttern als Zeichen der reproduktiven<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Reife bewertet, Störungen werden<br />

entsprechend negativ gesehen. In der siebten Folge unserer Serie<br />

Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e werden zunächst die physiologischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen kurz rekapituliert <strong>und</strong> anschließend häufige Pathologien<br />

vorgestellt.<br />

Zum besseren Verständnis der auftretenden<br />

Pathologien von Reifung,<br />

Wachstum <strong>und</strong> Zyklusfunktion ist Wissen<br />

zur <strong>Entwicklungsphysiologie</strong> notwendig.<br />

<strong>Entwicklungsphysiologie</strong><br />

des Zyklus<br />

Zeitlicher Beginn <strong>und</strong> endokriner Ablauf<br />

von Reifung <strong>und</strong> Zyklusfunktion<br />

werden von Hypothalamus <strong>und</strong><br />

Hypophyse gesteuert (s. Abb. 1). Die<br />

gonadale Reifung setzt schrittweise<br />

mit Beginn der Pubertät ein: Ein<br />

Pulsgenerator im Nucleus arcuatus<br />

produziert neurophysiologische Signale<br />

in Form von pulsartigen Ausschüttungen<br />

des Gonadotropin-Releasing-Hormons<br />

(GnRH). Zunächst<br />

werden einzelne, dann vorwiegend<br />

schlafassoziierte GnRH-Pulse mit<br />

steigender Frequenz emittiert, bis<br />

schließlich der zirkhorale Erwachsenenrhythmus<br />

mit einer Frequenz von<br />

einem Puls pro 1,5–2 St<strong>und</strong>en erreicht<br />

wird.<br />

GnRH (= LHRH) gelangt über das<br />

Pfortadersystem des Hypophysenstiels<br />

in die gonadotropen Zellen der Hypophyse<br />

<strong>und</strong> stellt den physiologischen<br />

Reiz zur Produktion <strong>und</strong> Freisetzung<br />

von follikelstimulierendem<br />

(FSH) <strong>und</strong> luteinisierendem Hormon<br />

(LH) dar, mit pulsartigen Anstiegen<br />

FRAUENARZT � 46 (2005) � Nr. 11<br />

von LH. Die Gonadotropine stimulieren<br />

das Ovar, FSH vornehmlich die<br />

Die Initiative Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e<br />

Granulosazellen, LH die Zellen der<br />

Theka interna. Ovar <strong>und</strong> Hypophyse<br />

sind in einem sensiblen Rückkopplungssystem<br />

verb<strong>und</strong>en, wobei steigende<br />

Estradiol-Konzentrationen des<br />

Ovars die LH-Synthese steigern, die<br />

FSH-Freisetzung jedoch blockieren.<br />

Durch diese Aktivierung wird die Ovarialfunktion<br />

schrittweise angeregt<br />

(s. Abb. 2).<br />

Am Ende dieses funktionellen Kontinuums<br />

steht die Menarche als Zeitpunkt<br />

der ersten vom Ovar gesteuerten<br />

Regelblutung. Der 28-tägige<br />

Rhythmus ist das Resultat der Eigensteuerung<br />

im Ovar mit einem fest limitierten<br />

Zeitbedarf von 14 Tagen für<br />

die Follikelreife <strong>und</strong> weiteren 14 Tagen<br />

für die Gelbkörperphase. Die Menarche<br />

tritt ein, wenn das Ovar mehr<br />

als 30 pg Estradiol (E2) pro ml Plas-<br />

Gegründet wurde die Initiative Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e<br />

von der Grünenthal GmbH mit wissenschaftlicher<br />

Unterstützung der Ärztlichen Gesellschaft<br />

zur Ges<strong>und</strong>heitsförderung der Frau (ÄGGF). Ziel der<br />

Initiative ist es, spezielle Gesprächsangebote für<br />

junge Mädchen bei Gynäkolog(inn)en zu etablieren<br />

– eine Zielsetzung, die auch der Berufsverband der<br />

Frauenärzte unterstützt. Eine Folge in sich abgeschlossener Beiträge wird daher<br />

im FRAUENARZT die wichtigsten Aspekte bei der Einrichtung einer Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e<br />

erläutern.<br />

Bisher erschienen:<br />

Teil 1: Aufklärung junger Mädchen in der gynäkologischen Praxis,<br />

von Dr. Gisela Gille, Vorsitzende der ÄGGF (FRAUENARZT 5/05).<br />

Teil 2: Organisation, von Dr. Ingeborg Voß-Heine (FRAUENARZT 6/05).<br />

Teil 3: Juristische Aspekte der Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e:<br />

Der Behandlungsvertrag, von Claudia Halstrick (FRAUENARZT 7/05).<br />

Teil 4: Juristische Aspekte der Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e: Verordnung von<br />

Kontrazeptiva, von Claudia Halstrick (FRAUENARZT 8/05).<br />

Teil 5: Gesprächsführung in der Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e, von Christine Klapp<br />

<strong>und</strong> Martina Rauchfuß (FRAUENARZT 9/05)<br />

Teil 6: Die psychosexuelle Entwicklung junger Mädchen, von Gisela Gille<br />

(FRAUENARZT 10/05)<br />

Das Info-Angebot der Initiative Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e<br />

� Broschüre Mädchen-Sprechst<strong>und</strong>e – praktische Tipps für Gynäkologen<br />

� Praxis-Aufsteller, -Poster <strong>und</strong> Infoheftchen für Mädchen<br />

� Gynäkologen-Suchliste unter www.maedchensprechst<strong>und</strong>e.de<br />

� Fortbildungsseminare für Gynäkologen<br />

� Infotalk-Ringmappe<br />

Zu beziehen sind die Materialien über die Mitarbeiter der Grünenthal GmbH oder<br />

per Fax 0241/569-1112 oder per Mail maedchensprechst<strong>und</strong>e@grunenthal.de


Steuerung der Zyklusfunktion<br />

ma produziert <strong>und</strong> sich damit der Entzug<br />

als Abbruchblutung bemerkbar<br />

macht. Das mittlere Menarchealter<br />

beträgt in Deutschland 12,4 ± 2 Jahre<br />

(5).<br />

Als Faustregel der Pubertäts-Entwicklung<br />

junger Mädchen kann folgender<br />

Zeitablauf gelten:<br />

– Pubarche: 10 ± 2 Jahre,<br />

– Thelarche: 11 ± 2 Jahre,<br />

– Adrenarche: 12 ± 2 Jahre,<br />

– Menarche: 13 ± 2 Jahre.<br />

Entwicklungs<strong>pathologie</strong>:<br />

Die gestörte GnRH-Aktivität<br />

Das Wissen über die neuroendokrinen<br />

Reifungsschritte macht verschiedene<br />

pathologische Verläufe verständlich<br />

(s. Abb. 2). Eine vorzeitige Aktivierung<br />

der GnRH-Aktivität resultiert in einer<br />

Pubertas praecox. Entsprechend findet<br />

man bei Verzögerung der natürlichen<br />

Reifung eine Pubertas tarda. Regressionen<br />

der GnRH-Aktivität sind zu<br />

jedem Zeitpunkt <strong>und</strong> bei jedem Niveau<br />

der GnRH-Pulsatilität möglich (wie z.B.<br />

bei der Anorexia nervosa).<br />

Primäre Amenorrhoe<br />

Abb. 1: Funktionelle<br />

Einheit von Hypothalamus<br />

(mit Nucleus arcuatus),<br />

Hypophyse <strong>und</strong> Ovar. Im<br />

N. arcuatus werden neurophysiologische<br />

Signale<br />

produziert, die in Form<br />

von GnRH-Pulsen in die<br />

Hypophyse gelangen <strong>und</strong><br />

dort die Produktion <strong>und</strong><br />

Freisetzung von FSH <strong>und</strong><br />

LH bewirken. LH stimuliert<br />

die Androgen-Bildung<br />

in der Theka interna,<br />

FSH die Reifung der<br />

Granulosazellen im Ovar.<br />

Leptin regt via Neuropeptid<br />

Y (NPY) die GnRH-<br />

Pulsfrequenz im Hypothalamus<br />

an (nach 11).<br />

Die primäre Amenorrhoe stellt häufig<br />

ein Symptom einer anderen Gr<strong>und</strong>-<br />

erkrankung dar. Die überwiegende Zahl<br />

der jungen Mädchen mit primärer<br />

Amenorrhoe zeigt Leitsymptome wie<br />

Entwicklungsstörungen, Minderwuchs,<br />

Infantilismus oder Intersexualität. Im<br />

Gegensatz zur sek<strong>und</strong>ären funktionellen<br />

Amenorrhoe stehen bei der primären<br />

Amenorrhoe kongenitale anatomische<br />

<strong>und</strong> gonadale Störungen im<br />

Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Aus klinisch-praktischer Sicht hat sich<br />

zur Vermeidung von kostspieliger Überdiagnostik<br />

ein an Leitsymptomen orientiertes<br />

Vorgehen bewährt. Dabei stehen<br />

folgende Punkte im Vordergr<strong>und</strong>:<br />

� Regelrechte Pubertätsentwicklung:<br />

Zur Beurteilung sind meist Inspektion<br />

<strong>und</strong> Sonographie ausreichend.<br />

Mögliche Ursachen von Störungen<br />

sind:<br />

– testikuläre Feminisierung<br />

(„hairless woman“) <strong>und</strong><br />

– uterovaginale Agenesie wie z.B.<br />

Hymenalatresie, Vaginalplasie<br />

(Mayer-Rokitanski-Küstner-Hauser-Syndrom).<br />

� Verspäteter Pubertätsbeginn<br />

(= erste Pubertätszeichen erst nach<br />

Aktivierung der Ovarialfunktion durch GnRH-Pulse<br />

Abb. 2: Frequenz-Verlauf der GnRH-Pulse von der Geburt bis zur Menarche (nach 11). Die GnRH-<br />

Frequenz steigt über nächtliche vereinzelte Pulse (a), einzelne diurnale (b) GnRH-Pulse mit<br />

zunehmender Frequenz (c) bis zum erwachsenen zirkhoralen Muster von einem Puls alle 90<br />

bis 120 Minuten (d). Parallel zur gonadalen, hypothalamisch/hypophysären Reifung steigt die<br />

Konzentration von Estradiol <strong>und</strong> damit die typischen Reifezeichen (Tanner 1–5) an. Abweichungen<br />

in diesem Entwicklungsgang in Form der verfrühten Reifung (Pubertas praecox), der<br />

verspäteten Reifung (Pubertas tarda) <strong>und</strong> der Regression (Anorexia nervosa <strong>und</strong> hypothalamische<br />

Amenorrhoe) sind dagestellt.<br />

FORTBILDUNG + KONGRESS<br />

FRAUENARZT � 46 (2005) � Nr. 11 991


FORTBILDUNG + KONGRESS<br />

992<br />

dem 12. Lebensjahr). Ursächliche<br />

Krankheitsbilder sind:<br />

– konstitutionelle Entwicklungsverzögerungen<br />

(KEV) <strong>und</strong><br />

– Pubertas tarda (idopathisch oder<br />

durch Leistungssport wie Ballett,<br />

Turnen, rhythmische Sportgymnastik,<br />

Langstreckenlaufen).<br />

� Infantilismus (= Zeichen der sexuellen<br />

Reifung fehlen völlig). Die Diagnostik<br />

umfasst Hormonbestimmungen<br />

(FSH, E2, Prolaktin) <strong>und</strong> Chromosomenanalyse.<br />

Mögliche Ursachen<br />

sind:<br />

– Ovarialdysgenesie (z.B. Ullrich-<br />

Turner-Syndrom),<br />

– Anorexia nervosa,<br />

– ZNS- bzw. Hypophysentumor (Kraniopharyngeom,<br />

Meningeom) <strong>und</strong><br />

– Swyer-Syndrom (XY-Konstellation<br />

<strong>und</strong> Dysgenesie) <strong>und</strong><br />

– Prolaktinom (selten).<br />

Die Therapie richtet sich stets nach<br />

der Gr<strong>und</strong>erkrankung.<br />

� Minderwuchs (Körpergröße 15 ng/ml,<br />

– Ovarialinsuffizienz:<br />

FSH >25 mU/ml,<br />

– metabol-endokrine Amenorrhoe:<br />

Über- bzw. Untergewicht, Diabetes,<br />

Hypothyreose (TSH >2,5<br />

uE/ml),<br />

– hyperandrogenämische Amenorrhoe:<br />

Androgene (Testosteron,<br />

Androstendion, DHEAS, Androstandiol-Glukuronid<br />

einzeln oder<br />

in Kombination) erhöht;<br />

– ZNS- bzw. Hypophysen-Tumor:<br />

Röntgen Sella, CT, NMR pathologisch,<br />

– hypothalamische Amenorrhoe:<br />

sämtliche Bef<strong>und</strong>e normal, Estradiol<br />

meist erniedrigt (> 1.<br />

Formen der sek<strong>und</strong>ären Amenorrhoe<br />

sind (nach Häufigkeit) die hyperandrogenämische,<br />

die hypothalamische,<br />

die hyperprolaktinämische,<br />

die metabolisch-endokrine Amenorrhoe<br />

<strong>und</strong> die primäre Ovarialinsuffizienz:<br />

� Hyperandrogenämische<br />

Amenorrhoe<br />

Häufigste Ursache einer hyperandrogenämischen<br />

Amenorrhoe ist das<br />

PCO/HAIR-Syndrom (polycystische<br />

Ovarien, Hyperandrogenämie-Insulinresistenz-Syndrom),<br />

das bereits perimenarchal<br />

mit Einsetzen der Ovarialfunktion<br />

beginnen kann. Hinweise<br />

auf diese Störung sind<br />

– häufige Corpus-luteum-Insuffizienz,<br />

– sonographisch: Follikelkranz,<br />

– erhöhtes Plasma-Testosteron <strong>und</strong><br />

-Androstendion <strong>und</strong><br />

– erhöhte LH-Werte mit deutlicher<br />

Veränderung des LH/FSH-Quotienten<br />

(>2).<br />

Die Genese ist meist dual (= dual defect<br />

hypothesis nach Poretzki <strong>und</strong> Piper:<br />

Für die Ausprägung des Syndroms<br />

reicht eine pathologische Kondition<br />

nicht aus, sondern es müssen zumeist<br />

zwei oder mehrere bestehen.) Adipositas<br />

allein prädisponiert nicht zum<br />

PCOS, sondern es erfordert eine sog.<br />

Zweite Pathologie, z.B. die Insulinresistenz<br />

zur klinischen Ausprägung<br />

von PCOS), häufig mit Adipositas, Insulinresistenz,<br />

metaboler Dysfunktion<br />

<strong>und</strong> Hyperandrogenämie mit Zyklus<strong>pathologie</strong>n.<br />

Die Diagnostik des PCO-HAIR-Syndroms<br />

umfasst<br />

– Inspektion, BMI, Taillen-Umfang<br />

(normal


Überfunktion der NNR Dexamethason<br />

0,5–1,5 mg/Tag oder Prednisolon<br />

2,5–5 mg/Tag, bei ovarieller Hyperandrogenämie<br />

antiandrogenhaltige<br />

orale Kontrazeptiva (z.B. Ethinylestradiol<br />

plus Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat<br />

oder Dienogest).<br />

Die Therapie ist meist lebenslang notwendig.<br />

Im Rahmen der Prävention sollte die<br />

Bedeutung von Adipositas <strong>und</strong> PCOS<br />

für junge Mädchen verdeutlicht werden.<br />

Neben den sozioökonomischen<br />

Problemen wie erschwerte Berufsfindung,<br />

eingeschränkte Mobilität,<br />

Ächtung <strong>und</strong> höhere Versicherungsprämien<br />

ist mit gravierenden Spätfolgen<br />

<strong>und</strong> gehäuft auftretenden<br />

Folgeerkrankungen zu rechnen, vor<br />

allem<br />

– Sterilität,<br />

– Typ-2-Diabetes,<br />

– Fettstoffwechselstörungen,<br />

– kardiovaskulären Erkrankungen<br />

(Herzinfarkt, Schlaganfall),<br />

– metabolischem Syndrom <strong>und</strong><br />

– Mamma-, Endometrium- <strong>und</strong><br />

Kolonkarzinom.<br />

� Hypothalamische Amenorrhoe<br />

Die hypothalamische Amenorrhoe ist<br />

gekennzeichnet durch eine Alteration<br />

von Frequenz <strong>und</strong> Amplitude der<br />

hypothalamischen GnRH-Episoden bis<br />

zu deren völligem Verschwinden. Ursachen<br />

sind endogene Inhibition der<br />

GnRH-Pulsatilität durch Neurotransmitter-Blockade<br />

(Endorphin, CRF etc.)<br />

als Folge von chronischem Stress,<br />

idiopathisch psychische bzw. psy-<br />

chosomatische Ursachen, seltener<br />

ZNS-wirksame Pharmaka oder Kerndefekt<br />

bzw. Kernhypoplasien (in Verbindung<br />

mit Anosmie = Kallmann-Syndrom).<br />

Sonderformen der hypothalamischen<br />

Amenorrhoe sind<br />

– die psychogene Amenorrhoe: Die<br />

Diagnose wird aufgr<strong>und</strong> auffälliger<br />

psychischer Veränderungen gestellt<br />

(Depressionen, Minderwertigkeitsgefühle,<br />

Kontaktstörung <strong>und</strong> mangelndes<br />

Durchsetzungsvermögen).<br />

Häufige körperliche Begleitsymptome<br />

sind Sexualstörungen, vegetative<br />

Dysfunktion <strong>und</strong> anorektische Reaktionen<br />

mit kurzfristigem Gewichtsverlust<br />

von 15 bis 20 %.<br />

– die sek<strong>und</strong>äre Amenorrhoe in Verbindung<br />

mit Ess- <strong>und</strong> Körperbildstörungen<br />

wie Anorexia bzw. Bulimia<br />

nervosa: Hier ist dringend eine<br />

psychotherapeutische Intervention erforderlich.<br />

Anorexia nervosa (KG mehr<br />

als 15 % unter Erwartungsgewicht)<br />

<strong>und</strong> Bulimia (zwei Heißhungerattacken<br />

pro Woche innerhalb von sechs<br />

Monaten) sind ernstzunehmende <strong>und</strong><br />

oft folgenschwere Krankheiten mit ungünstiger<br />

Prognose. Als Folge des gesellschaftlichen<br />

„Schlankheitswahns“<br />

benötigen die Betroffenen <strong>und</strong> ihre<br />

Umgebung therapeutische Hilfen.<br />

– die Sportler-Amenorrhoe: Ausdauerbelastende<br />

Leistungssportlerinnen<br />

haben in 30 bis 50 % längerfristige<br />

Amenorrhoen. Prädisponierend sind<br />

ästhetische Ausdauersport-Disziplinen<br />

mit hoher Trainingsintensität <strong>und</strong><br />

niedrigem Körperfettgehalt (Langstreckenlauf,<br />

rhythmische Sportgymnastik,<br />

Turnen, Ballett).<br />

Bei den genannten Störungen führen<br />

verminderte Energiezufuhr <strong>und</strong> dünner<br />

Fettmantel zu einer Minderproduktion<br />

von Leptin <strong>und</strong> NPY mit nachfolgender<br />

Minderung der GnRH-Puls-<br />

Frequenz.<br />

Der Schweregrad der hypothalamischen<br />

Dysfunktion ist korreliert mit<br />

– dem Grad der Fehlernährung:<br />

totale tägliche Kalorien-Aufnahme<br />

>1 <strong>und</strong> Estradiol<br />

vermindert, ist eine hypothalamische<br />

Amenorrhoe/Oligomenorrhoe diagnostiziert.<br />

Typisches sonographisches<br />

Zeichen ist die Kombination von dünnem<br />

Endometrium <strong>und</strong> multifollikulären<br />

Ovarien (MFO-Ovarien).<br />

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FRAUENARZT � 46 (2005) � Nr. 11 993


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994<br />

Bei hypoestrogener Konstellation<br />

von mehr als sechs Monaten ist eine<br />

Osteodensitometrie mit Bestimmung<br />

des z- <strong>und</strong> t-Werts notwendig.<br />

Eventuell werden zusätzlich biochemische<br />

Marker wie β-Crosslaps (Ctx)<br />

im Serum oder Crosslinks im Morgenurin<br />

als osteokataboler, Osteokalzin<br />

als osteoanaboler Marker sowie<br />

25-OH-Vitamin D3 (im Serum)<br />

als Marker der Vitamin-D-Versorgung<br />

gemessen.<br />

Patientinnen mit Anorexie oder Bulimie<br />

benötigen eine Psychotherapie,<br />

ggf. unter klinischen Bedingungen.<br />

Bei Estrogenmangelzeichen (Depressivität,<br />

Osteopenie, Ermüdungsbruch)<br />

ist eine sequentielle Estradiol-Progesteron/Progestagen-Substitution<br />

indiziert, bei Osteoporose/Ermüdungsfrakturen<br />

zusätzlich eine antiresorptive<br />

<strong>und</strong> osteoanabole Therapie<br />

(Krafttraining, Bisphosphonate,<br />

Kalzium 1.200 mg/Tag, Vitamin D 800<br />

IE/Tag).<br />

Längerfristige Folgen von Estrogenmangel<br />

<strong>und</strong> Amenorrhoe können sein:<br />

– Osteopenie, Osteoporose (Osteodensitometrie<br />

t-Wert

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