for tbildung + kongress - Frauenarzt
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■ Schwangerschaftsdiabetes und<br />
„Fetal Programming“<br />
Es sind nicht allein die Gene, die darüber<br />
entscheiden, wie gesund ein<br />
Baby im weiteren Leben sein wird.<br />
Auch die Bedingungen, unter denen<br />
es im Mutterleib heranwächst, spielen<br />
eine entscheidende Rolle für das spätere<br />
Erkrankungsrisiko. PD Dr.<br />
Andreas Plagemann vom Institut für<br />
experimentelle Endokrinologie an der<br />
Charité in Berlin referierte über<br />
„Schwangerschaftsdiabetes und Fetal<br />
Programming“. Das Phänomen epigenetischer,<br />
intrauteriner Prägung ist<br />
ein junges geburtsmedizinisches<br />
Fachgebiet – die Funktionelle Teratologie<br />
(Fetal Programming) –, das zunehmend<br />
an Bedeutung gewinnt. Tragende<br />
Säule dieses neuen Wissenschaftszweiges<br />
sind Langzeitbeobachtungen<br />
bei Kindern diabetischer<br />
Mütter. Diese erwerben („erlernen“)<br />
offenbar unabhängig von ihrer genetischen<br />
Veranlagung bereits im Mutterleib<br />
eine Disposition zur Entwicklung<br />
von Diabetes und Übergewicht.<br />
Dafür ist das diabetische Intrauterinmilieu<br />
verantwortlich, das zu einer<br />
dauerhaften „Fehlprogrammierung“<br />
der Körpergewichts- und Stoffwechselregulation<br />
beim Kind führen kann.<br />
Welche praktischen Konsequenzen ergeben<br />
sich hieraus? Mehr als 3 – 5 %<br />
aller werdenden Mütter haben einen<br />
Schwangerschaftsdiabetes, allerdings<br />
bisher überwiegend unerkannt, da<br />
in den deutschen Mutterschaftsrichtlinien<br />
kein Screening vorgesehen<br />
ist. Das heißt, dass bei inadäquater<br />
oder fehlender Therapie jedes<br />
20. Neugeborene mit einer im Mutterleib<br />
erworbenen und somit vermeidbaren<br />
Diabetes- und Adipositasdisposition<br />
zur Welt kommen könnte.<br />
■ Makrosomie<br />
und Adipositas-Risiko<br />
Nachdem Dr. Plagemann vornehmlich<br />
anhand von Daten aus Tierexperimenten<br />
die Bedeutung der intrauterinen<br />
Prägung verdeutlicht hat, zeigte<br />
Frau Professor Renate Bergmann, die<br />
als Kinderärztin der Abteilung für Geburtsmedizin<br />
an der Charité assoziiert<br />
ist, inwieweit sich Makrosomie zum<br />
Zeitpunkt der Entbindung auf die Entstehung<br />
von Adipositas bei Kindern<br />
auswirkt. In der Bundesrepublik beträgt<br />
die Prävalenz von Übergewicht<br />
im Erwachsenenalter etwa 50 %, die<br />
von Adipositas 20 %, mit steigender<br />
Tendenz. In Berlin waren 1994/95<br />
19 % der Jugendlichen adipös. Ihr Anteil<br />
hatte sich innerhalb von drei Jahren<br />
um 15 % erhöht – eine erschreckende<br />
Entwicklung. Adipositas ist<br />
mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-<br />
Diabetes assoziert, der inzwischen mit<br />
stetiger Zunahme bei 3,5 Millionen<br />
Bundesbürgern behandelt werden<br />
muss. Wie kann es zu einer derartigen<br />
Epidemie kommen bei einem Krankheitsbild,<br />
von dem man annimmt,<br />
dass es auf einer erblichen Disposition<br />
beruht? Nicht nur die genetische Disposition,<br />
sondern die Stoffwechselfolgen<br />
eines schlecht kontrollierten<br />
Diabetes in der Schwangerschaft führen<br />
zu einem übermäßigen Wachstum<br />
(Makrosomie) und dieses ist ein Risikofaktor<br />
für die spätere Adipositas.<br />
Diabetische Väter haben seltener<br />
übergewichtige Kinder als diabetische<br />
Mütter. Makrosome Neugeborene,<br />
auch von nicht diabetischen Müttern,<br />
neigen dazu, als Kinder übergewichtig<br />
zu bleiben. Übergewicht und Adipositas<br />
im Kindesalter sind ein bedeutender<br />
Risikofaktor für Adipositas des Erwachsenen<br />
und Schwangerschaftsdiabetes.<br />
Symposium Diabetes und<br />
Schwangerschaft<br />
Ergänzend zum Vorsymposium der AG<br />
organisierten die Firmen NovoNordisk<br />
und LifeScan ein Satellitensymposium<br />
„Diabetes und Schwangerschaft“, das<br />
eine sehr große Resonanz fand. Die<br />
über 1.000 Zuhörer konnten nicht im<br />
Saal untergebracht werden, sodass die<br />
Veranstaltung in ein Zelt übertragen<br />
werden musste. Es war das erste Mal<br />
während eines deutschen Diabetes<strong>kongress</strong>es,<br />
dass über das traditionelle<br />
Vorsymposium der AG Diabetes und<br />
Schwangerschaft hinaus eine zusätzliche<br />
Großveranstaltung zu diesem<br />
Thema stattfand.<br />
■ Ergebnisse der HAPO-Studie<br />
Im Vordergrund dieser Veranstaltung<br />
stand die Problematik der Grenzwerte<br />
für die Diagnostik des GDM und die<br />
Frage der Aufnahme eines generellen<br />
Screenings auf GDM in die deutschen<br />
Mutterschaftsrichtlinien. Professor<br />
Moshe Hod aus Israel stellte Ziel und<br />
Design der HAPO (Hyperglycemia and<br />
Adverse Perinatal Outcome)-Studie<br />
vor. Die Grenzwerte für den oralen<br />
Glukosetoleranztest leiten sich aus<br />
den 1964 von O’Sullivan entwickelten<br />
Werten ab. Diese beziehen sich auf das<br />
Risiko der Mutter, nach einer Schwangerschaft<br />
mit GDM einen Diabetes zu<br />
entwickeln, nicht jedoch auf das Risiko<br />
kindlicher Morbidität. Dieses Manko<br />
führte zu einer seit Jahren anhaltenden<br />
Diskussion über Grenzwerte<br />
und deren Sinn.<br />
Die HAPO-Studie dient der Evaluierung<br />
von Werten, die mit einer erhöhten<br />
kindlichen Morbidität assoziert<br />
sind. In 16 Zentren in den USA,<br />
Europa, Australien und Asien soll bei<br />
25.000 Schwangeren mit 24 bis 28<br />
Schwangerschaftswochen ein 75-goGTT<br />
durchgeführt werden. Es handelt<br />
sich um eine Doppelblindstudie, bei<br />
der die betreuenden Ärzte/die betreuenden<br />
Ärztinnen nur über das Ergebnis<br />
in<strong>for</strong>miert werden, wenn die<br />
Nüchternwerte venös 105 mg/dl und<br />
nach zwei Stunden 200 mg/dl überschreiten.<br />
Sollte mit 32 Schwangerschaftswochen<br />
eine zusätzliche postprandiale<br />
Messung einen Wert über<br />
160 mg/dl zeigen, wird die Probandin<br />
in die reguläre Betreuung für Frauen<br />
mit GMD überführt. Als primär kindliche<br />
Outcome-Parameter werden die<br />
Sectiorate, Makrosomierate, fetaler<br />
Hyperinsulinismus, neonatale Hautfaltendicke<br />
und Hypoglykämierate erhoben<br />
und mit der Höhe der mütterlichen<br />
Blutzuckerwerte verglichen. Es<br />
ist aber auch vorgesehen, über Langzeitbeobachtungen<br />
und genetische<br />
Untersuchungen der Kinder die Validität<br />
der erhobenen Grenzwerte in<br />
Bezug auf das spätere Risiko für Adipositas<br />
und Diabetes zu überprüfen.<br />
Mit den Ergebnissen wird frühestens<br />
2004 gerechnet. Es bleibt zu hoffen,<br />
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FRAUENARZT ■ 43 (2002) ■ Nr. 1 59