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Reader - Kritischen JuristInnen an der FU-Berlin

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38 BAKJ-Herbstkongress 2011<br />

Menschenrechte sollen etwas natürliches sein, Kraft des<br />

Menschseins kommen sie einem zu („naturrechtlicher<br />

Charakter“). Im Unterschied zu <strong>an</strong><strong>der</strong>en Rechten sind sie<br />

unverän<strong>der</strong>- und unveräußerlich. Merkwürdig ist dar<strong>an</strong>:<br />

Wenn sie so natürlich wären, besteht doch keine Not, zu<br />

festzuschreiben. Die Not, dass m<strong>an</strong> Augen, Ohren und<br />

eine Nase hat – immerhin wirklich eine natürliche Tatsache<br />

-, in eine Verfassung zu schreiben, gab es bisher<br />

jedenfalls nicht.<br />

Die gleiche Frage stellt sich hinsichtlich <strong>der</strong> Geltung.<br />

Dafür braucht es ein staatliches Gewaltmonopol. Diese<br />

Auffassung soll international <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt sein. Nur: Keine<br />

Naturtatsache <strong>der</strong> Welt braucht so etwas, da die Geltung<br />

aus <strong>der</strong> Tatsache selbst erfolgt. Eine Schwerkraft braucht<br />

nicht erst die Bundesrepublik Deutschl<strong>an</strong>d, um zu gelten.<br />

Und um beim Menschen zu bleiben: Dass <strong>der</strong> als Mensch<br />

selbst eine natürliche Tatsache wird, hat seinen Grund<br />

nicht in einem Hoheits-, son<strong>der</strong>n in einem Geschlechtsakt.<br />

Die Begründung für die Existenz <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

k<strong>an</strong>n d<strong>an</strong>n nicht ihre Natürlichkeit sein. Der Grund<br />

muss dort liegen, wo die Gar<strong>an</strong>tie <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

ihren Ursprung hat: im staatlichen Gewaltmonopol<br />

selbst. Fraglich ist d<strong>an</strong>n aber, was es mit <strong>der</strong> Geltung <strong>der</strong><br />

Menschenrechte verfolgt und wie m<strong>an</strong> dabei wegkommt.<br />

III.<br />

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben<br />

ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch<br />

das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz<br />

gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung<br />

verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer <strong>der</strong>artigen<br />

Diskriminierung.“ (Artikel 7 <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte <strong>der</strong> UN)<br />

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.<br />

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat<br />

för<strong>der</strong>t die tatsächliche Durchsetzung <strong>der</strong> Gleichberechtigung<br />

von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung<br />

bestehen<strong>der</strong> Nachteile hin.<br />

Niem<strong>an</strong>d darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung,<br />

seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat<br />

und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen o<strong>der</strong><br />

politischen Anschauungen benachteiligt o<strong>der</strong> bevorzugt<br />

werden. Niem<strong>an</strong>d darf wegen seiner Behin<strong>der</strong>ung<br />

benachteiligt werden.“ (Artikel 3 des bundesdeutschen<br />

Grundgesetzes)<br />

Die Gesetzestexte räumen freundlicherweise selbst mit<br />

einem verbreiteten Ideal über die Gleichheit als einem<br />

<strong>der</strong> menschenrechtlichen Höchstwerte auf: We<strong>der</strong> ist die<br />

Gleichheit <strong>der</strong> Menschen <strong>an</strong> sich gemeint, die dort ihr<br />

Gesetz gefunden hat – das wäre auch sehr albern, weil<br />

selbst eineiige Zwillinge nicht gleich sind, also augenscheinlich<br />

kein Mensch dem <strong>an</strong><strong>der</strong>en tatsächlich gleicht.<br />

Noch ist eine materielle Gleichheit am Maßstab <strong>der</strong> Partizipation<br />

am gesellschaftlichen Reichtum gemeint.<br />

Vielmehr stellt <strong>der</strong> Gar<strong>an</strong>t <strong>der</strong> Menschenrechte mit dem<br />

Gleichheitsartikel klar, dass er für die Geltung des Gesetzes<br />

gegenüber allen gleichermaßen steht. Da zudem<br />

Gar<strong>an</strong>t <strong>der</strong> Menschenrechte und Gesetzgeber mit dem<br />

staatlichen Gewaltmonopol identisch sind, bedeutet<br />

dies in letzter Konsequenz die Unterwerfung Aller unter<br />

die Gesetzes des Staates und umgekehrt das Bestreiten<br />

irgendwelcher Subgewalten. Der Gar<strong>an</strong>t <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

ist ein Gewaltmonopol.<br />

Noch etwas ist mit den Artikeln klargestellt: Es scheint in<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft, in denen Menschenrechte gelten, jede<br />

Menge Gründe für „Diskriminierungen“ zu geben. Wäre<br />

dem nicht so, bräuchte es diese Klarstellung <strong>der</strong> Ablehnung<br />

schließlich nicht.<br />

Gänzlich abschaffen will m<strong>an</strong> „Diskriminierungen“<br />

freilich nicht, nur g<strong>an</strong>z bestimmte, nämlich die wg. <strong>der</strong><br />

„Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner<br />

Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens“<br />

usw. o<strong>der</strong> allgemeiner wegen „Diskriminierung, die gegen<br />

diese Erklärung verstößt“ - da sollen im gesellschaftlichen<br />

Verkehr keine Unterschiede („benachteiligt o<strong>der</strong><br />

bevorzugt“) gemacht werden. Allgemein gesprochen ist<br />

das merkwürdig, wenn m<strong>an</strong> auf Sprache keine Rücksicht<br />

wegen <strong>der</strong>en Beson<strong>der</strong>heit nehmen soll: Einem<br />

Marokk<strong>an</strong>er in norwegisch zu erklären, wie <strong>der</strong> Weg<br />

zum nächstgelegenen Wirtshaus ist, dürfte vielleicht bei<br />

Mohammed Abdellaoue funktionieren, ist aber sonst ein<br />

untaugliches Unterf<strong>an</strong>gen. Einer Frau ein Kondom zur<br />

Verhütung <strong>an</strong>zubieten - und so vom Geschlecht zu abstrahieren<br />

– ist auch eine selten dämliche Tat.<br />

An<strong>der</strong>s gesagt: Es k<strong>an</strong>n gute Gründe geben, Sprache<br />

o<strong>der</strong> Geschlecht einer Person zu berücksichtigen – das<br />

Menschenrecht <strong>der</strong> Gleichheit scheint so etwas nicht zu<br />

kennen. Wenn dem so ist, d<strong>an</strong>n muss <strong>der</strong> Grund des Absehens<br />

von Unterschieden <strong>der</strong> Leute in den „Gesetzen“<br />

liegen, vor denen alle gleich sein sollen.<br />

IV.<br />

„Je<strong>der</strong> hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit<br />

<strong>der</strong> Person.“ (Artikel 3 <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong><br />

Menschenrechte)<br />

„Je<strong>der</strong> hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner<br />

Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte <strong>an</strong><strong>der</strong>er verletzt<br />

und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung<br />

o<strong>der</strong> das Sittengesetz verstößt.<br />

Je<strong>der</strong> hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.<br />

Die Freiheit <strong>der</strong> Person ist unverletzlich. In<br />

diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen<br />

werden.“<br />

(Artikel 2 des bundesdeutschen Grundgesetzes)<br />

Dieses Gesetz, vor dem alle gleich sind, gilt auch als unbestrittener<br />

Höchstwert. Damit wird lizensiert, dass m<strong>an</strong>

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