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Reader - Kritischen JuristInnen an der FU-Berlin

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40 BAKJ-Herbstkongress 2011<br />

ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen<br />

und unparteiischen Gericht.“<br />

„1. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> einer strafbaren H<strong>an</strong>dlung beschuldigt<br />

wird, hat das Recht, als unschuldig zu gelten, sol<strong>an</strong>ge<br />

seine Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in<br />

dem er alle für seine Verteidigung notwendigen Gar<strong>an</strong>tien<br />

gehabt hat, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.<br />

2. Niem<strong>an</strong>d darf wegen einer H<strong>an</strong>dlung o<strong>der</strong> Unterlassung<br />

verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach<br />

innerstaatlichem o<strong>der</strong> internationalem Recht nicht strafbar<br />

war. Ebenso darf keine schwerere Strafe als die zum<br />

Zeitpunkt <strong>der</strong> Begehung <strong>der</strong> strafbaren H<strong>an</strong>dlung <strong>an</strong>gedrohte<br />

Strafe verhängt werden.“<br />

„Niem<strong>an</strong>d darf willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben,<br />

seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr<br />

o<strong>der</strong> Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines<br />

Rufes ausgesetzt werden. Je<strong>der</strong> hat Anspruch auf rechtlichen<br />

Schutz gegen solche Eingriffe o<strong>der</strong> Beeinträchtigungen.“<br />

(Artikel 5, 9-12 <strong>der</strong> allg. Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

– die entsprechenden Vorschriften in Deutschl<strong>an</strong>d haben<br />

einen ziemlich ähnlichen Tenor)<br />

Richtig rund wird das Lob von Menschenrechtsf<strong>an</strong>s<br />

d<strong>an</strong>n noch mit dem Hinweis, dass die Menschenrechte<br />

die Staatsgewalt begrenzen und so „Schutz vor staatlichen<br />

Übergriffen“ gewähren.<br />

Zwei Aufmerker dazu:<br />

1.<br />

Objekt und Subjekt des Satzes identisch. O<strong>der</strong> <strong>an</strong><strong>der</strong>s<br />

gesagt: Täter und Beschützer sind gleich. Einerseits ist<br />

<strong>der</strong> demokratische Staat Täter von Übergriffen und soll<br />

<strong>an</strong><strong>der</strong>erseits Beschützer davor sein. Das k<strong>an</strong>n d<strong>an</strong>n nicht<br />

die Wahrheit über die Tatsache sein, die <strong>an</strong>gesprochen<br />

sein soll. Dieselbe Inst<strong>an</strong>z, die offenkundig Gründe haben<br />

k<strong>an</strong>n, einem das Leben zur Hölle zu machen, soll<br />

gleichzeitig die Inst<strong>an</strong>z sein, welche die Hölle verhin<strong>der</strong>t?<br />

Wenn das tatsächlich so ist, d<strong>an</strong>n ist <strong>der</strong> Schluss <strong>an</strong><strong>der</strong>s:<br />

D<strong>an</strong>n sind die Menschenrechte keine Eingrenzung <strong>der</strong><br />

Staatsgewalt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en Klarstellung, dass bestimmte<br />

– grundsätzlich vielleicht zielführende! - Maßnahmen<br />

von den Funktionären des Gewaltmonopols nicht<br />

erlaubt und zu unterlassen sind. Das Folterverbot ist<br />

d<strong>an</strong>n aber keine Vorschrift <strong>an</strong> den Staat her<strong>an</strong>getragene,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Befehl <strong>an</strong> die Funktionäre, auf Folter bei<br />

ihrer Arbeit zu verzichten. Gleiches gilt für Haft und<br />

Hausdurchsuchung. Da soll es gute Gründe geben, bevor<br />

die Funktionäre des Staates diese Mittel <strong>an</strong>wenden.<br />

Ein Polizist soll seinem Nachbarn nicht die Wohnung<br />

durchsuchen, weil <strong>der</strong> Nachbarsjunge die Zeitung aus<br />

dem Briefkasten gestohlen hat.<br />

2.<br />

Apropos Haft und Hausdurchsuchung: An diesen<br />

Vorschriften <strong>der</strong> Menschenrechte sieht m<strong>an</strong> auch sehr<br />

deutlich, wie „Begrenzung <strong>der</strong> Staatsgewalt“ ihren<br />

Verlauf hat. „Willkür“ soll damit ausgeschlossen sein.<br />

Umgekehrt bedeutet das d<strong>an</strong>n aber, dass we<strong>der</strong> Haft<br />

noch Hausdurchsuchung verhin<strong>der</strong>t werden sollen. Sie<br />

sollen nur nicht mit staatsfremden Interessen vollzogen<br />

werden – s. das Beispiel mit dem Nachbarjungen. So<br />

werden die Funktionäre verpflichtet, den dem demokratischen<br />

Gewaltmonopol zugrundeliegenden Zweck zu<br />

dienen und letzteres nicht für sachfremde Interessen zu<br />

benutzen. Und da <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Menschenrechte keiner<br />

ist, <strong>der</strong> den Unterworfenen dieser Normen nützt, wird<br />

so ein schädlicher Zweck unhintergehbarer Maßstab des<br />

H<strong>an</strong>delns <strong>der</strong> Staatsfunktionäre.<br />

Von wegen „Begrenzung“ bzw. aber wie! Es wäre ja auch<br />

noch schöner: Da regiert ein Gewaltmonopol souverän<br />

über L<strong>an</strong>d und Leute und gleichzeitig soll es diese Souveränität<br />

zugunsten von aufgeschriebenen Paragraphen<br />

aufgeben? Da braucht es normalerweise einen Krieg <strong>an</strong><strong>der</strong>er<br />

Staaten und kein bedrucktes Papier.<br />

--<br />

Wir wollen die <strong>an</strong>gedeutete Kritik <strong>an</strong> den Menschenrechten<br />

weiter entfalten und diskutieren. Sollten wir schneller<br />

zu einem Ergebnis bei den <strong>an</strong>gedachten Menschenrechten<br />

<strong>der</strong> Freiheit und Gleichheit kommen, als erwartet,<br />

sind als bonus tracks die Erörterung <strong>der</strong> politischen<br />

Menschenrechte (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit,<br />

Wahlfreiheit, Parteiengründung) und die beson<strong>der</strong>e<br />

Durchsetzung <strong>der</strong> Menschenrechte durch einen Rechtsstaat<br />

programmatisch möglich.<br />

Zum Einlesen:<br />

Albert Krölls „Das Grundgesetz - ein Grund zum Feiern?<br />

Eine Streitschrift gegen den Verfassungspatriotismus“,<br />

Hamburg 2009<br />

Ders. „Freiheit, Gleichheit, Eigentum, Sozialstaat - So gut<br />

wie ihr Ruf?“ Broschüre des AStA Uni Bremen – zu finden<br />

auch als pdf im WWW<br />

Zum Einhören:<br />

Rolf Röhrig<br />

„Die Menschenrechte – Heiligenschein und diplomatische<br />

Waffe <strong>der</strong> Staatsgewalt“<br />

-> http://tinyurl.com/3jn7vue<br />

Peter Decker<br />

„Die Menschenrechte – Was sie sind und was sie wert<br />

sind“<br />

-> http://tinyurl.com/3sbnsnb

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