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Regionen rasierte Männer suchen. Die Römer betrachteten<br />
Bärte hingegen als barbarisch.<br />
Aber es gab auch immer Moden: Von den 44 US-<br />
Präsidenten zum Beispiel waren die ersten 15 glattrasiert.<br />
Dann kam Abraham Lincoln (1809-1865), der bartlos<br />
gewählt, aber schon mit Bart vereidigt wurde. Fortan<br />
wurden, mit nur einer Ausnahme, nur noch Bärtige gewählt,<br />
bis diese Periode genau ein halbes Jahrhundert später wieder<br />
endete. Seitdem hatte kein bärtiger Bewerber eine Chance.<br />
Hier nun tritt unser Landsmann BRÜCKER auf die Bühne.<br />
Dieser wanderte bereits 1907 vom evangelischen Alt-Pasua<br />
im Alter von 27 Jahren nach Glendale in Amerika aus. Dort<br />
in Kalifornien bestand bereits eine ansehnliche Gemeinde<br />
von ausgewanderten Donauschwaben, welche dem gelernten<br />
Schlosser eine neue Heimat bot.<br />
Das Problem des täglichen Kampfes mit den Bartstoppeln<br />
ließ den Schwaben nicht ruhen. Ganze zehn Jahre tüftelte er<br />
an der Idee eines motorisierten Rasierers, um sich so den<br />
täglichen Gang zum Barbier zu ersparen. Sein größtes<br />
Problem: die Elektro-Motoren sind zu seiner Zeit noch viel<br />
zu groß und wiegen gut zwei Kilo. Er versucht es mit einem<br />
Aufziehmotor, was aber nicht sehr befriedigend war.<br />
Und so bringt ein anderer den ersten elektrischen Rasierer<br />
1931 auf den Markt. Colonel Schick, ein US-Amerikaner<br />
wie Johann Bruecker. Allerdings hatte dieser Apparat auch<br />
seine Tücken.<br />
Im Jahre 1937 schließlich ist es soweit, Brueckers erster<br />
Rasierer kommt auf den Markt: der "Sunbeam<br />
Shavemaster". Das Gerät wird in 27 Ländern patentiert und<br />
verkauft sich jährlich rund eine Million mal. Bruecker, der<br />
ewige Tüftler, wie ihn Freunde und Verwandte beschreiben,<br />
entwickelt sich jetzt zum "Bonvivant". Er hat es geschafft,<br />
ist ein gemachter Mann und kann die nächsten 20 Jahre gut<br />
von seinen Tantiemen leben. Zumal der Elektrorasierer nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg einen wahren Boom erlebt. Das<br />
viele Geld, das er mit diesem Patent verdiente, war für<br />
Johann Bruecker allerdings nie ein erstrebenswertes Gut.<br />
Der aktive Christ, mit der Pfeife im Mund als<br />
Markenzeichen, fühlte sich erst wohl, wenn er sich der<br />
Tüftelei hingeben und anderen helfen konnte. Junge<br />
Menschen, auch aus Schönaich, erhielten durch ihn die<br />
Möglichkeit, zu studieren, die lutherische Kirche im<br />
kalifornischen Glendale, seinem langjährigen Wohnort,<br />
profitierte ebenso von den Wohltaten Brueckers.<br />
Inzwischen wirkte sich der Schrecken des Krieges und<br />
seiner grausamen Folgen auch in seiner ehemaligen Heimat<br />
aus und auch sein Bruder Peter musste 1944 seinen<br />
Heimatort in Syrmien zusammen mit Zig-Tausenden<br />
anderen verlassen. Johann Brücker machte sich deshalb<br />
1953 auf den Weg, um Peter Brücker in Süddeutschland zu<br />
suchen. Diesen fand er auch tatsächlich in Schönaich bei<br />
Stuttgart.<br />
Als er dort das Elend der Massenunterkünfte sah, in dem<br />
seine donauschwäbischen Landsleute untergebracht waren,<br />
so entschloss er sich, tatkräftig zu helfen. Wenige Tage nach<br />
dem Wiedersehen stand Brücker bereits bei Schönaichs<br />
Bürgermeister Fritz Übele im Büro. Im Kopf hatte er den<br />
Plan zum Bau zweier Mehrfamilienhäuser für die<br />
Unterbringung seiner Verwandtschaft, in der Tasche das<br />
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hierfür notwendige Geld, mit dem die Gemeinde diese<br />
Schenkung auf die Beine stellen sollte - "als Beitrag zur<br />
Linderung der Wohnungsnot<br />
der Vertriebenen in<br />
Deutschland", wie es im<br />
Vertrag der hierfür<br />
gegründeten Stiftung hieß.<br />
Drei Tage später (!) war<br />
Spatenstich und Schönaich<br />
hatte seinen Gönner, der bis<br />
heute Spuren hinterlässt. Das<br />
war die Initialzündung für die<br />
Wohnungspolitik Schönaichs.<br />
Mittlerweile besitzt die<br />
Gemeinde über 200<br />
Wohnungen, verfügt über ein<br />
Seniorenheim am<br />
Eisenbahnweg und betreute<br />
Altenwohnungen im "Hasenbühl", die von der Bruecker-<br />
Stiftung finanziert worden sind. Längst haben Senioren die<br />
Vertriebenen als Stiftungsadressaten abgelöst. An den<br />
Erfinder und Wohltäter, der 1954 zum Ehrenbürger der<br />
Gemeinde ernannt wurde, erinnern die Johann-Bruecker-<br />
Schule und die Johann-Bruecker-Straße in Schönaich.In den<br />
folgenden Jahren übernahm die Bruecker-Stiftung den Bau<br />
von weiteren Neubauten in der Gemeinde. Nach wenigen<br />
Jahren war das Modell der Mietfreiheit auf Lebenszeit<br />
freilich von der Gemeinde, die offenbar Geld benötigte, für<br />
beendet erklärt worden. Die Bewohner wurden ausbezahlt<br />
und die Gemeinde vermietete die Wohnungen "an gut<br />
bezahlende Mieter", wie sich Zeitzeugen erinnern. Der<br />
Ertrag kam dann den Stiftungszwecken zugute.<br />
Als 1958 die Lizenz für seinen Rasierapparat auslief, so<br />
gingen auch die Einnahmen drastisch zurück. Die fehlenden<br />
Einkünfte und der Kontakt mit Menschen, die Bruecker<br />
nicht immer nur Gutes tun wollten, ließen den Mann mit<br />
dem großen Herzen langsam verarmen und als letzte<br />
Zufluchtsstätte 1962 Aufnahme in einer seiner Wohnungen<br />
in Schönaich fand, wo er nach längerer Krankheit und<br />
Fußamputation 1965 verstarb.<br />
Am 17.06.2010 strahlte der Fernsehsender SWR Baden-<br />
Württemberg einen Film aus über die Geschichte unseres<br />
Landsmannes Johann BRUCKER unter dem Titel "Der<br />
Rasierer des Herrn Bruecker".<br />
Quellen: Die Zeit<br />
Wikipedia<br />
Handelsblatt<br />
Kreiszeitung / Böblinger Bote<br />
Verein für Heimatgeschichte Schönaich