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teil6_vorort2003.pdf - 2 MB - Hohenstein

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>Labyrinth und Prärie<<br />

Die Erkundungen<br />

Am Nachmittag begegnete ich Frau G., als ich mich gerade<br />

über ihren Hof zu dem verlockenden Treppchen am<br />

Ende des Grundstücks stehlen wollte. Sie saß lesend in<br />

einem Sonnenflecken hinter der Garage, auf einem Stück<br />

Wiese vor dem Haus, neben dem rasengepflasterten<br />

Abstellort für das Auto und dem Blumen- und<br />

Gemüsegarten. Ein ungewöhnlicher Ort, Vor- und Rückzone<br />

des Hauses zugleich, etliche Funktionen gleichzeitig<br />

erfüllend, jede ablesbar und alle recht lose angeordnet,<br />

ohne harte Grenzen. Es war ein schönes Bild gewesen<br />

und hatte mich auf die Idee gebracht, dass die Terrasse,<br />

der Leseplatz, der Mittagstisch im Freien nicht durch<br />

Pflasterung oder festes Mobiliar bestimmt werden, sondern<br />

durch Sonne und Schatten. Der wertvolle Freiraum<br />

ohne festen Platz, sondern wandernd mit der Sonne, eine<br />

wunderbare Entsprechung der informellen räumlichen<br />

Qualitäten in der Zeit. Im Hochsommer würde es wohl<br />

der Schatten sein, der Teile des Territoriums wechselnd<br />

zu bevorzugten Orten werden lässt.<br />

Die Ortsbegehungen<br />

Ausschnitte aus dem Protokoll der ersten Ortsbegehung<br />

am 20. März 2003<br />

Beginn der Begehung rechts neben dem Bürgerhaus.<br />

Boris: „Es könnte jetzt der Eindruck entstehen, dass wir<br />

eine Besichtigung der problematischen Stellen des<br />

Dorfes machen mit der Zielsetzung: „Da müsste man mal<br />

was machen“. Das ist nicht der Fall, aber erstens ist das<br />

hier der Einstieg in die Gasse, die ich euch zeigen möchte<br />

und zweitens zeigt sich hier sehr deutlich eine der Eigenarten<br />

vieler Zwischenräume in Ödenwaldstetten, nämlich<br />

ihr kryptischer (rätselhafter) Charakter. Dieser kryptische<br />

Charakter ergibt sich häufig daraus, dass dort Dinge in Bezug<br />

zu anderen Dingen waren, die nicht mehr da sind. So<br />

wie hier, nehme ich an. Oder kann mir jemand erklären, wie<br />

diese Ecke unter den aktuellen Umständen gedacht ist?“<br />

Herr G.: „Der alte Eingang zum Feuerwehrhaus und zur<br />

St. Florianstube war hier an der Seite. Da war das hier die<br />

Zugangszone.“<br />

Boris: „Aha, da hat also das Mäuerchen und der Höhenvorsprung<br />

das Nachbarhaus von der Zugangszone zur St.<br />

Florianstube getrennt. Etwas rätselhaft bleibt es doch,<br />

denn die Beschaffenheit der abgetrennten Zone des<br />

Nachbarhauses erklärt sich dadurch […] nicht. (Es gibt<br />

dort eine Tür unter einem Balkon in eine Art Betonwanne<br />

ohne Zufahrt von außen. Wofür könnte man diesen<br />

ungastlichen Raum nutzen? Selbst zum Wäscheaufhängen<br />

erscheint er zu usselig.“<br />

Frau S.: „Da ist ein Vorsprung im Mauerwerk des linken<br />

Gebäudeteils. […] Vermutlich hat das Haus eine komplizierte<br />

Um- und Anbaugeschichte, die diesen eigenartigen<br />

Ort hervorgebracht haben könnte.“<br />

Wir gehen weiter in die Tiefe dieser Lücke, schauen um die<br />

Ecke und befinden uns im nächsten Abschnitt dieser<br />

Labyrinthsequenz. Der Anblick löst Erstaunen aus. […] Mit<br />

so einem räumlichen Raum hatte hier niemand gerechnet.<br />

Boris: „Das ist zwar auch ein unwirtlicher Ort, aber ab<br />

hier kann man sagen, das hat was. Interessant ist die<br />

Form dieser aufgeweiteten Gasse. Sie bildet ein sehr<br />

längliches Dreieck, aus dem hinten optisch ein schmaler<br />

Schacht wieder heraus führt.“<br />

Wir begeben uns von der Spitze des Dreiecks an sein<br />

stumpfes Ende. Dort tut sich zur allgemeinen Überraschung<br />

rechter Hand ein weiterer schmaler Schacht auf,<br />

durch den wir, dicht vorbei am Steingarten von Hausnummer<br />

3, auf´s Gässle treten. Herr B. und Herr K., die<br />

gerade ein Schwätzchen unter Nachbarn halten, staunen<br />

nicht schlecht, als sie uns aus dem Dunkel der schmalen<br />

Lücke zwischen den Häusern treten sehen. Als es immer<br />

mehr werden, die da hervorquellen, wendet sich die<br />

anfängliche Skepsis in Amüsement und unsere Gruppe<br />

wird herzlich empfangen.<br />

Herr B.: „Da, wo Ihr gerade hergekommen seid, da bin ich<br />

nur vor Jahren einmal durchgegangen. Da war früher die<br />

Güllegrube. Und deshalb war da […] ein Gatter – dass da<br />

keiner reinfiel.“<br />

Frau B.: „Das war keine Güllegrube, sondern die Grube<br />

vom Klo. Aber reinfallen konnte man da nicht, da war ein<br />

Deckel drauf.“<br />

Herr Breuer: „Erst seit das Spritzenhaus neu gemacht ist,<br />

kommt man da durch. Die Kinder hier nutzen das regelmäßig.“<br />

(Uns waren beim Betreten dieser engen<br />

„Raumsequenz“, Einstieg neben der Bushaltestelle, auch<br />

drei Kinder entgegengekommen.)

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