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PREMIEREN - Piper Verlag GmbH

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<strong>PREMIEREN</strong> SACHBUCH<br />

Denkerin des Dennoch<br />

Auch in barbarischen Zeiten wollte Hannah Arendt die Hoffnung<br />

auf eine humane Welt nicht aufgeben. Am 14. Oktober wäre die<br />

Philosophin 100 Jahre alt geworden.<br />

Alles beginnt mit einer groben Beleidigung.<br />

Schauplatz ist das<br />

Gymnasium im ostpreußischen<br />

Königsberg. Das Jahr: 1921. Ein<br />

Lehrer stellt eine seiner Schülerinnen<br />

bloß. Ihr Name: Hannah<br />

Arendt. Wahrscheinlich ist es eine<br />

antisemitische Bemerkung, die<br />

die 1906 in Hannover geborene<br />

Tochter wohlhabender jüdischer<br />

Eltern so empört. Sie verläßt den<br />

Unterricht. Aber nur, um danach<br />

ihre Mitschüler zu einem Boykott<br />

des Lehrers zu überreden.<br />

Aufbegehren gegen Unrecht.<br />

Sich nichts gefallen zu lassen,<br />

gegen Ungerechtigkeit aufzustehen,<br />

so hat es die Halbwaise – ihr<br />

Vater ist bereits 1913 gestorben –<br />

von der Mutter gelernt. Daß<br />

Hannah Arendt nach diesem<br />

Zwischenfall in Königsberg von<br />

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der Schule verwiesen wird, stört<br />

sie nicht wirklich. In Berlin bereitet<br />

sie sich auf eigene Faust aufs<br />

Abitur vor, das sie als Externe sogar<br />

ein Jahr vor ihren Altersgenossen<br />

mit ausgezeichneten Ergebnissen<br />

besteht.<br />

Weitermachen trotz aller Widrigkeiten,<br />

auch wenn man dabei aneckt<br />

– das wird zum persönlichen<br />

Motto von Hannah Arendt. Und<br />

zum Kennzeichen ihres Denkens:<br />

als eine der wichtigsten Philosophinnen<br />

und eine der einflußreichsten<br />

Politiktheoretikerinnen<br />

des 20. Jahrhunderts.<br />

Verhältnis mit dem Professor.<br />

Als 18jährige beginnt Hannah<br />

Arendt in Marburg bei dem jungen<br />

Philosophieprofessor Martin<br />

Heidegger zu studieren, mit dem<br />

sie bald eine leidenschaftliche<br />

Gebunden € 22.90 (D) / € 23.60 (A) / sFr 39.60<br />

Hannah Arendt, geboren<br />

1906 in Hannover, gestorben<br />

1975 in New York, studierte bei<br />

Martin Heidegger und Karl Jaspers.<br />

Sie emigrierte 1933 nach<br />

Paris. Ab 1941 lebte sie in New<br />

York, zuletzt als Professorin an der<br />

New School for Social Research.<br />

Ihr Werk liegt im <strong>Piper</strong> <strong>Verlag</strong> vor.<br />

Liebe verbindet. Edmund Husserl,<br />

dessen Vorlesungen sie 1925<br />

in Freiburg besucht, und ab 1926<br />

der in Heidelberg lehrende Karl<br />

Jaspers werden ihre weiteren philosophischen<br />

Ziehväter. Bei Jaspers<br />

promoviert sie 1928 mit einer<br />

Arbeit über Augustinus.<br />

Dann legen sich die dunklen<br />

Schatten des Nationalsozialismus<br />

über Deutschland. Hannah<br />

Arendt, inzwischen mit Günther<br />

Stern (Anders) verheiratet, gelingt<br />

1933 die Flucht nach Paris. Sicher<br />

ist sie auch dort nicht. 1940 wird<br />

sie zusammen mit ihrem zweiten<br />

Mann Heinrich Blücher in Südfrankreich<br />

interniert. Nur mit<br />

Glück gelingt ihnen über Lissabon<br />

die Flucht in die USA.<br />

Wege zum Ruhm. Dort schreibt<br />

Arendt – in englischer Sprache<br />

übrigens – die Werke, die sie weltberühmt<br />

machen sollen: »Elemente<br />

und Ursprünge totaler Herrschaft«<br />

(1951) und »Vita activa«<br />

(1958). Dort arbeitet sie für verschiedene<br />

jüdische Organisationen<br />

und als Lektorin, schreibt für<br />

Zeitungen und wird schließlich<br />

Professorin an Universitäten in<br />

Chicago und New York. In den<br />

Vereinigten Staaten wird sie aber<br />

auch zu einer der engagiertesten<br />

Stimmen, wenn es gilt, Stellung<br />

zu beziehen. Am augenfälligsten<br />

beim Prozeß gegen Adolf Eichmann,<br />

den Organisator der »Endlösung<br />

der Judenfrage«, an dem<br />

sie 1961 in Jerusalem als Reporterin<br />

teilnimmt.<br />

Die Banalität des Bösen. Das<br />

Buch, das daraus hervorgeht,<br />

wird zum Skandal. Daß Arendt es<br />

wagt, angesichts des Holocaust<br />

von der »Banalität des Bösen« zu<br />

sprechen, will vielen Linken, vor<br />

allem aber den meisten Juden<br />

nicht in den Sinn. Für Arendt<br />

kann das jedoch kein Grund sein,<br />

ihrem oft unkonventionellen<br />

Denken Zügel anzulegen. Gerade<br />

in der Pluralität der Meinungen<br />

sieht sie die Chance der Menschheit.<br />

Nur wenn gegenteilige Ansichten<br />

aufeinandertreffen und<br />

dies toleriert wird, entsteht ein<br />

Raum des Humanen, lautet ihre<br />

Überzeugung. Sie hat sie gelebt.<br />

Bis sie am 4. Dezember 1975 in<br />

New York nach einem Herzinfarkt<br />

stirbt. ■<br />

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58 PIPER <strong>PREMIEREN</strong><br />

PIPER <strong>PREMIEREN</strong> 59<br />

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