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Geschichte der Spritzbetonbauweise, Teil IV - ETH - IGT

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wobei man ihr später nachsagt,<br />

sie stelle das „Gesamtkonzept“<br />

<strong>der</strong> NÖT dar.<br />

Müller reihte sich erst<br />

14 Jahre nach <strong>der</strong> Einführung<br />

<strong>der</strong> NÖT unter ihre<br />

Protagonisten (Müller und<br />

Spaun 1977). Sein Hauptbeitrag<br />

bestand in <strong>der</strong> Trivialisierung<br />

des Tunnelbaus durch<br />

die 22 orakelhaften NÖT-<br />

Grundsätze, von denen bereits<br />

einige zitiert wurden<br />

(Müller und Fecker 1978,<br />

Österreichisches Nationalkomitee<br />

„Hohlraumbau“ <strong>der</strong><br />

ITA 1980). Bei dieser Gelegenheit<br />

hat er die inhaltlich<br />

richtigen Formulierungen dem<br />

Gemeingut des internationalen<br />

Tunnelbaus entlehnt,<br />

während es sich bei den<br />

falschen „Grundsätzen“ um<br />

typische Auswüchse <strong>der</strong><br />

NÖT-Ideologie handelt. So<br />

etwa <strong>der</strong> 6. Grundsatz: „Verbau<br />

nicht zu früh und nicht<br />

zu spät, nicht zu starr, nicht<br />

zu schwach“. Trotz solch<br />

schwammiger Formulierungen<br />

warnt Müller (1979) eindringlich,<br />

dass „eine jede Abweichung<br />

von den Grundsätzen<br />

die Sicherheit <strong>der</strong> Arbeiter<br />

beeinträchtigen kann“. Hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> stets wie<strong>der</strong>holten<br />

Behauptung, „bei <strong>der</strong><br />

NÖT trägt sich das Gebirge<br />

selbst“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />

„Sicherung kraftschlüssig“<br />

(Grundsatz 9) verweisen wir<br />

auf Simms (1844). Eine kritische<br />

Analyse <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Grundsätze und des gesamten<br />

NÖT-Gedankengebäudes<br />

wurde bereits an<strong>der</strong>swo veröffentlicht<br />

(Kovári 1994,<br />

1995).<br />

Zusammenfassend dürfen<br />

wir festhalten, dass sich<br />

die NÖT-Protagonisten erstens<br />

am Gemeingut des<br />

internationalen Tunnelbaus<br />

vergreifen, zweitens das<br />

Fachwissen mit pseudowissenschaftlichen<br />

Postulaten<br />

vermengen und drittens diese<br />

Mischung vermarkten.<br />

20 Tunnel 5/2002<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Spritzbetonbauweise</strong>, <strong>Teil</strong> <strong>IV</strong><br />

History of the Sprayed Concrete Lining Method, P. <strong>IV</strong><br />

Die dadurch in <strong>der</strong> Fachwelt<br />

gestiftete Verwirrung wird in<br />

Kauf genommen ohne zu bedenken,<br />

welch nachteilige<br />

Folgen solches Tun bei <strong>der</strong><br />

Ausbildung des Nachwuchses<br />

im Tunnelbau zeitigt.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Die Ablösung <strong>der</strong> Zimmerung<br />

durch Stahlbögen, Anker<br />

und Spritzbeton gehört<br />

zu den bedeutendsten Leistungen<br />

in <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> des<br />

Tunnelbaus. Die kombinierte<br />

Anwendung dieser drei<br />

Stützmittel führte zu Vortriebsmethoden,<br />

die bereits<br />

in den 50er-Jahren des vergangenen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts als<br />

„<strong>Spritzbetonbauweise</strong>“ o<strong>der</strong><br />

„Spritzbetonmethode“ bezeichnet<br />

wurden. Dies ist<br />

umso verständlicher, als <strong>der</strong><br />

Spritzbeton (im Gegensatz zur<br />

Zimmerung) das Erscheinungsbild<br />

des Tunnelbaus<br />

am schärfsten geprägt hat.<br />

Die <strong>Spritzbetonbauweise</strong> ist<br />

somit das Ergebnis einer langen<br />

Entwicklung auf breiter<br />

internationaler Front, die<br />

anfänglich teils in Schüben,<br />

teils kontinuierlich mit unvermeidbaren<br />

Rückschlägen<br />

erfolgte.<br />

Die wissenschaftlichen<br />

und technologischen Errungenschaften<br />

standen hierbei<br />

stets in enger Wechselbeziehung<br />

und haben sich nachweislich<br />

des öfteren räumlich<br />

und zeitlich überschnitten.<br />

Durch die Lektüre <strong>der</strong><br />

weltweit gestreuten Primärliteratur<br />

im Tunnelbau gewinnt<br />

man einen guten Einblick<br />

in das Ringen schöpferischer<br />

Menschen von den<br />

Anfängen bis zu den Entdeckungen<br />

und Erstanwendungen.<br />

All diese Fortschritte<br />

beruhen selbstredend auch<br />

auf Beiträgen einer großen<br />

Zahl von Ingenieuren im<br />

Bergbau und im übrigen<br />

Bauwesen, die wesentliche<br />

„Kleinarbeit“ geleistet haben.<br />

Ein verstärkte Pflege <strong>der</strong><br />

<strong>Geschichte</strong> des Tunnelbaus<br />

würde helfen, das bestehende<br />

Wissen weiter zu vertiefen<br />

und den Zusammenhalt innerhalb<br />

<strong>der</strong> internationalen<br />

Tunnelbaugemeinschaft zu<br />

för<strong>der</strong>n.<br />

Literatur<br />

[1] Anonymous (1957). Guniting at<br />

the McIntyre Porcupine Mines, Limited.<br />

Mining in Canada: 349–355.<br />

[2] Brunner, A. (1955). Verfahren zum<br />

Bau von Stollen, Tunneln und<br />

Schächten in druckhaftem Gebirge.<br />

Patentschrift Nr. 197851, Österreichisches<br />

Patentamt (ausg. 27. 5. 1958).<br />

[3] Curzio, P. Q. (1963). Nuovi sistemi<br />

di costruzione di gallerie, Impresa S.<br />

Quadrio Curzio Milano.<br />

[4] Darling, P. (1990). What is the<br />

NATM. Tunnels & Tunnelling (Summer,<br />

Special Issue): 7.<br />

[5] Frey-Bär, O. (1956). Sicherung des<br />

Stollenvortriebes. Schweiz. Bauzeitung:<br />

567–572.<br />

[6] Health & Safety Executive (1996).<br />

Safety of New Austrian Tunnnelling<br />

Method (NATM) Tunnels, A review of<br />

Sprayed Concrete Lined tunnels with<br />

particular reference to London Clay.<br />

HSE Books.<br />

[7] Keeley, D. E. (1934). Guniting at<br />

the McIntyre Mine. The Canadian Institute<br />

of Mining and Metallurgy 37.<br />

[8] Kolymbas, D. (1998): Geotechnik<br />

– Tunnelbau und Tunnelmechanik.<br />

Springer.<br />

[9] Kovári, K. (1994). Erroneous Concepts<br />

behind the New Austrian Tunnelling<br />

Method. Tunnel 1.<br />

[10] Kovári, K. (1994). Sulla esistenza<br />

del NATM: concetti erronei del nuovo<br />

metodo austriaco per la costruzione<br />

di gallerie. Gallerie e grandi opere sotterranee.<br />

Dicembre, No 44.<br />

[11] Kovári, K. (1995). Concepts erronés<br />

de la “Nouvelle méthode autrichienne”<br />

de construction de tunnels.<br />

Revue Française de Géotechnique,<br />

No. 70.<br />

[12] Mayr, M. (1994). NATM: Bankruptcies,<br />

Bad luck and Breakdowns.<br />

a3 BAU, Wien, Vol. 21 (12): 82–88 (in<br />

German).<br />

[13] Müller, L. and G. Spaun (1977).<br />

Soft Ground Tunnelling un<strong>der</strong> Buildings<br />

in Germany. Softground Tunnellings<br />

un<strong>der</strong> Buildings. Proc. 9th<br />

Int. Conf. on Soil mech. Found. Engn.,<br />

Tokyo.<br />

[14] Müller, L. (1978). Der Felsbau.<br />

Ferdinand Enke Verlag Stuttgart.<br />

[15] Müller, L. and E. Fecker (1978).<br />

Grundgedanken und Grundsätze zur<br />

„Neuen Österreichischen Tunnelbauweise“.<br />

Grundlagen und Anwendung<br />

<strong>der</strong> Felsmechanik. Felsmechanik<br />

Kolloquium Karlsruhe, Trans Tech<br />

Publications, Clausthal, Germany.<br />

Concluding<br />

Remarks<br />

The replacement of timber<br />

supports by steel arches, rock<br />

bolts and sprayed concrete is<br />

one of the greatest achievements<br />

in the history of tunnelling.<br />

The combined use of<br />

these three means of support<br />

led to methods of excavation,<br />

which already in the 1950s<br />

were labelled the “sprayed<br />

concrete” or “shotcrete” construction<br />

method. This is<br />

quite un<strong>der</strong>standable, because<br />

sprayed concrete (in<br />

contrast to timbering) has influenced<br />

the appearance of<br />

tunnelling most of all. Thus,<br />

the sprayed concrete lining<br />

method is the result of a long<br />

development on a broad international<br />

front, which in the beginning<br />

moved forward partly<br />

in stages and partly with continuity<br />

experiencing unavoidable<br />

setbacks.<br />

This development involved<br />

a close inter-relationship between<br />

scientific and technological<br />

achievements, which<br />

as can be proved often overlapped<br />

in space and time. By<br />

perusing the primary literature<br />

in the field of tunnelling<br />

from all four corners of the<br />

globe, a good insight can be<br />

gained of the struggle of creative<br />

people from the very beginnings<br />

to the discoveries<br />

and first applications.All these<br />

advances depend of course,<br />

on the contributions of a large<br />

number of engineers in mining<br />

and in other branches of<br />

civil engineering, who have<br />

performed the essential “nitty-gritty”.<br />

Greater concern for the<br />

history of tunnelling would<br />

help us to further deepen our<br />

existing knowledge and promote<br />

cooperation within the<br />

international tunnelling community.

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