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„Gebisslos mit dem Pferd im Straßenverkehr unterwegs ... - VFD

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<strong>„Gebisslos</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Pferd</strong> <strong>im</strong> <strong>Straßenverkehr</strong> <strong>unterwegs</strong> – rechtliche Risiken“<br />

Autoren: Martina Lang, Franziska Schwab, Thomas Litzinger<br />

Zu diesem Thema fand am 21.09.12 ein interessanter Vortrag in Buchloe statt.<br />

Der Referent war Thomas Litzinger - DOSB-Vereinsmanager B (<strong>Pferd</strong>esport), Hippologischer<br />

Sachverständiger, Vereinsberater und Berater für <strong>Pferd</strong>ebetriebe sowie Dozent der VBG für<br />

Unfallverhütung <strong>im</strong> <strong>Pferd</strong>esport.<br />

Gegliedert war der Vortrag in drei Hauptthemen:<br />

- Der Reiter <strong>im</strong> öffentlichen Verkehrsraum<br />

- Gebisslos <strong>unterwegs</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Pferd</strong> <strong>im</strong> <strong>Straßenverkehr</strong><br />

- Rechtliche Risiken<br />

Reiten <strong>im</strong> öffentlichen Verkehrsraum<br />

<strong>Pferd</strong>e sind <strong>im</strong> <strong>Straßenverkehr</strong> den Fahrzeugen gleichgestellt! Die einzig zu benützende Fläche ist<br />

so<strong>mit</strong> die Straße. Das bedeutet z.B. Fußgänger-/Radwege dürfen nicht benutzt werden. Rechts vor<br />

links gilt auch für Reiter(allerdings nicht be<strong>im</strong> Führen von <strong>Pferd</strong>en; diese sind einem Fußgänger <strong>mit</strong><br />

Handkarren gleichgestellt).<br />

Näheres ist <strong>im</strong> § 28 „Tiere“ der <strong>Straßenverkehr</strong>sordnung (StVO) geregelt.<br />

„(1) Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden könnten, sind von der Straße fernzuhalten. Sie<br />

sind dort nur zugelassen, wenn sie von geeigneten Personen begleitet sind, die ausreichend auf sie<br />

einwirken können. Es ist verboten, Tiere von Kraftfahrzeugen aus zu führen. Von Fahrrädern aus<br />

dürfen nur Hunde geführt werden.<br />

(2) Für Reiter, Führer von <strong>Pferd</strong>en sowie Treiber und Führer von Vieh gelten die für den gesamten<br />

Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen sinngemäß. Zur Beleuchtung<br />

müssen mindestens verwenden werden:<br />

1. Be<strong>im</strong> Treiben von Vieh vorn eine nicht blendende Leuchte <strong>mit</strong> weißem Licht und am Ende<br />

eine Leuchte <strong>mit</strong> rotem Licht,<br />

2. Be<strong>im</strong> Führen auch nur eines Großtieres oder von Vieh eine nicht blendende Leuchte <strong>mit</strong><br />

weißem Licht, die auf der linken Seite nach vorn und hinten gut sichtbar <strong>mit</strong>zuführen ist.“<br />

Hinweis: die StVO gilt auf allen Straßen und Wegen (i.d.R. Feldwege) die als „öffentliche gewidmet“<br />

sind.<br />

Das Führen eines <strong>Pferd</strong>es <strong>im</strong> öffentlichen Verkehrsraum <strong>mit</strong> Stallhalfter und Strick ist nach der<br />

aktuellen Rechtsprechung verboten. Auch das gleichzeitige führen von einem <strong>Pferd</strong> links und einem<br />

<strong>Pferd</strong> rechts des Führers ist nicht zulässig. Korrekt wäre die beiden <strong>Pferd</strong>e zusätzlich <strong>mit</strong> einem<br />

Gebiss aufzuzäumen, die Stallhalfter <strong>mit</strong>einander zu koppeln, und beide <strong>Pferd</strong>e rechts vom Führer<br />

jeweils am Zügel zu führen.<br />

Von einem Führen <strong>im</strong> <strong>Straßenverkehr</strong> <strong>mit</strong> Halfter und Führkette wird abgeraten, da es sehr viele<br />

Verschnallungsmöglichkeiten der Führkette <strong>mit</strong> völlig unterschiedlichen Einwirkungsmöglichkeiten<br />

gibt und <strong>im</strong> Falle eines Unfalles Beweisschwierigkeiten drohen, wenn eine sichere Verschnallung der<br />

Führkette nicht nachgewiesen werden kann.<br />

Tierhalterhaftpflichtversicherungen übernehmen die Kosten in <strong>dem</strong> Fall, in <strong>dem</strong> ein <strong>Pferd</strong> einen<br />

Unfall/Schaden verursacht hat und der Reiter/Führer so<strong>mit</strong> haftbar ist (Gefährdungshaftung).


Sollten an der Eignung der Personen oder der ausreichenden Einwirkung aber Zweifel bestehen,<br />

droht eine strafrechtliche Verurteilung (z.B. bei grober Fahrlässigkeit in Folge Körperverletzung oder<br />

gar Tötung).<br />

Sobald ein Gericht zu einem solchen Urteil kommt, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch die<br />

Versicherung die Kosten nicht mehr übern<strong>im</strong>mt.<br />

Geführte oder gerittene <strong>Pferd</strong>e müssen bei Dämmerung und Dunkelheit kenntlich gemacht werden.<br />

Zur Beleuchtung müssen mindestens verwendet werden: nach vorne eine nicht blendend weiße<br />

Leuchte. Nach hinten eine rote Leuchte. z.B. eine klassische Stiefellampe, die aber besser am linken<br />

Arm des Reiters befestigt sein sollte, da dieser be<strong>im</strong> Abbiegen nicht durch das <strong>Pferd</strong> verdeckt wird.<br />

Das zusätzliche Tragen von reflektierender Warnkleidung/Accessoires (Passivbeleuchtung) ist nicht<br />

verpflichtend, aber zu der eigenen Sicherheit dringend anzuraten. Eine alleinige Passivbeleuchtung<br />

ist nicht ausreichend.<br />

Zusammenfassend ist für das Reiten/Führen <strong>im</strong> <strong>Straßenverkehr</strong> festzuhalten:<br />

Die <strong>Pferd</strong>e und die Führer/Reiter und die Ausrüstung müssen dafür geeignet sein.<br />

Der da<strong>mit</strong> verbundene Aufwand spielt <strong>im</strong> Streitfall vor einem Gericht keine Rolle.<br />

Und man bedenke: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe!<br />

Eine Besonderheit ist das Reiten <strong>im</strong> Verband. Dieses ist in der StVO § 27 „Verbände“ näher geregelt.<br />

Ein Verband ist eine geordnete einheitlich geführte Fahrzeugmehrheit, die auch für andere<br />

Verkehrsteilnehmer deutlich erkennbar ist.<br />

Ein Reiterverband kann ab 6 <strong>Pferd</strong>en gebildet werden. Ab dieser Zahl darf zu zweit nebeneinander<br />

geritten werden. Die Länge eines Verbandes darf max. 25 m betragen, ansonsten muss ein zweiter<br />

Verband gebildet werden, der zwischen den Verbänden einen angemessenen Zwischenraum für den<br />

überholenden Verkehr frei lässt.<br />

Be<strong>im</strong> Reiten <strong>im</strong> Verband sollte die ganze Fahrbahnhälfte in Anspruch genommen werden und der<br />

Verband als solcher kenntlich gemacht sein. In der Dämmerung müssen die beiden vorderen Reiter<br />

<strong>mit</strong> weißen Leuchten, die beiden hintersten Reiter <strong>mit</strong> je einer roten Leuchte gekennzeichnet sein.<br />

Der Verband gilt als ein Verkehrsteilnehmer (vgl. LKW, Bus) und hat da<strong>mit</strong> eine Vorrangregelung (z.B.<br />

muss der Gegenverkehr be<strong>im</strong> Vorbeireiten an einem Hindernis warten, bis der letzte Reiter des<br />

Verbandes wieder auf seiner Fahrbahnhälfte angekommen ist). Aber: die Inanspruchnahme von<br />

Vorrechten des Verbandes nach StVO muss <strong>im</strong>mer unter Vorsicht, Umsicht und Rücksicht geschehen!<br />

Gebisslos <strong>unterwegs</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Pferd</strong> <strong>im</strong> <strong>Straßenverkehr</strong><br />

Gerade bei den Freizeitreitern sind gebisslosen Zäumungen sehr beliebt.<br />

Herr Thomas Litzinger bestätigte, dass bei einer gebisslosen Zäumung wie z.B. <strong>dem</strong> Bosal oder <strong>dem</strong><br />

mechanischen Hackamore (nicht jedoch merothisches Reithalfter, LG-Zaum o.ä.) eine Einwirkung auf<br />

das <strong>Pferd</strong> durchaus möglich ist. Allerdings geht be<strong>im</strong> Führen des <strong>Pferd</strong>es die Hebelwirkung verloren<br />

und ist so<strong>mit</strong> nicht dafür geeignet.<br />

Um sich <strong>im</strong> <strong>Straßenverkehr</strong> auf der rechtlichen Seite in diesem Punkt abzusichern, empfiehlt Herr<br />

Litzinger aber dringend die Nutzung einer Zäumung <strong>mit</strong> Gebiss (größtmögliche Einwirkung).<br />

Es gibt es zu diesem Thema bis heute kein höchstrichterliches Urteil, auf das man sich berufen<br />

könnte.


Zusammenfassend kann man sagen: Wer gebisslos <strong>im</strong> Gelände <strong>unterwegs</strong> ist, trägt (auch wenn die<br />

Haftpflichtversicherung etwaige Schäden abdeckt) <strong>im</strong> Falle eines Unfalles das volle strafrechtliche<br />

Risiko für diese Entscheidung, sollte das Gericht zu einem entsprechenden Urteil kommen.<br />

N<strong>im</strong>mt ein Rittführer, Ausbilder oder Prüfer Reiter <strong>mit</strong> gebissloser Zäumung <strong>mit</strong> ins Gelände, trägt<br />

der Rittführer, Ausbilder oder Prüfer (wie in allen anderen Fällen auch) dafür die Verantwortung,<br />

dass der jeweilige Reiter da<strong>mit</strong> auch ausreichend auf sein <strong>Pferd</strong> einwirken kann. Ob man diese<br />

Verantwortung übernehmen möchte, muss jeder Rittführer, Ausbilder oder Prüfer selbst<br />

entscheiden, diese Verantwortung kann ihm/ihr niemand abnehmen.<br />

Rechtliche Risiken<br />

Das <strong>Pferd</strong> ist ein Fluchttier, und eine Gefahr so<strong>mit</strong> nicht ausschließbar.<br />

Der Gesetzgeber spricht hier von einer Gefährdungshaftung. Dies bedeutet, dass „von diesem Tier<br />

permanent eine Gefahr ausgeht“.<br />

Haftung <strong>im</strong> alltäglichen Leben ist jedoch an zwei Voraussetzungen gebunden:<br />

1. Kausalität<br />

das persönliche Verursachen durch Tun oder Unterlassen<br />

2. Schuld<br />

sie setzt Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus<br />

Auch ein Rittführer haftet, wenn ihm eine Schuld nachgewiesen werden kann (Garantenstellung).<br />

Eine Absicherung könnte z.B. sein, die Gruppe für den Geländeritt vorab auf <strong>dem</strong> Reitplatz zu sichten,<br />

alle Grundgangarten auch in der Gruppe auf <strong>dem</strong> Reitplatz abzufragen, korrektes Abbiegen/Reiten <strong>im</strong><br />

Verband zu üben usw. und ggf. Teilnehmer auszuschließen.<br />

Eine Haftungsausschluss ist nur dann möglich, wenn dieser Umfang und Auswirkung des Ausschlusses<br />

<strong>dem</strong> Betroffenen direkt vor Augen geführt. Wirksam ist dieser nur wenn beide Parteien alle Details<br />

durchsprechen und gemeinsam aushandeln. Dies ist praktisch kaum möglich. Ein pauschaler<br />

Haftungsausschluss (Formular) für Personenschäden ist juristisch äußerst schwierig.<br />

„Ein Veranstalter haftet nur für die Fälle, für die er über seine Haftpflichtversicherung versichert ist“,<br />

ist eine empfehlenswerte Formulierung in einer Ausschreibung. Bei einem allgemeinen<br />

Haftungsausschluss wird auch die Haftpflichtversicherung außer Kraft gesetzt.<br />

Bei einer Diskussion über Vorschriften zu Zaunhöhen, <strong>Pferd</strong>etransportern usw., die uns weit über das<br />

eigentliche Thema hinausführte, endete der interessante und informative Abend <strong>mit</strong> Herrn Thomas<br />

Litzinger.

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