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Türkenbelagerung und Beschuss von Wien 2004 - Verband ...

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Titelgeschichte ✔ 17<br />

Die Titelgeschichte Text: Michael Hudik<br />

Zur Vergangenheit:<br />

Im Juli 1683 erschien Kara Mustapha, der Grosswesir des<br />

Sultans, mit einer ungeheuren Streitmacht vor <strong>Wien</strong>. Für die<br />

Verteidiger, Graf Ernst Rüdiger <strong>von</strong> Starhemberg, den<br />

Bürgermeister Andreas Liebenberg <strong>und</strong> die 60.000 Bewohner<br />

der Stadt brach eine schwere Zeit an. Das Prunkzelt <strong>von</strong> Kara<br />

Mustapha war in der Vorstadt St. Ulrich aufgestellt <strong>und</strong> die<br />

Kampftruppen lagerten in ungefähr 25.000 Zelten. Die Verteidiger<br />

hatten nach besten Kräften die Befestigungsanlagen<br />

ausgebessert aber das Kräfteverhältnis war zu unausgewogen.<br />

11.000 Mann regulärer Armee <strong>und</strong> 6.000 Mann Bürgerwehr,<br />

grössten teils unausgebildet, stand eine Belagerungstruppe<br />

<strong>von</strong> 300.000 Mann gegenüber. Munitionsknappheit<br />

verschärfte die verzweifelte Lage. Die Stadt brannte an allen<br />

Ecken <strong>und</strong> Enden, die herabstürzenden Trümmer verlegten<br />

die Strassen <strong>und</strong> täglich erhöhte sich die Zahl der Opfer. Am<br />

6. September riss eine gewaltige Mine eine Bresche in die<br />

Befestigungsanlagen <strong>und</strong> um ein Haar wäre es den Angreifern<br />

gelungen, die Stadt zu stürmen. Es war fünf Minuten vor<br />

zwölf als dann am 12. September 1683 das Entsatzheer unter<br />

dem Oberbefehl des Polenkönigs Johann Sobieski auf den<br />

Hügeln der <strong>Wien</strong>erwaldberge auftauchte. Über die <strong>von</strong> den<br />

Türken nicht gesicherte Flanke stürmte das Herr zur Stadt<br />

herab. Kara Mustapha leistete sich einen zu diesem Zeitpunkt<br />

entscheidenden Fehler. Anstatt seine gesamten Truppen dem<br />

Entsatzheer entgegenzustellen, teilte er seine Streitmacht <strong>und</strong><br />

unternahm gleichzeitig mit der Abwehr einen erneuten<br />

Angriff auf die Festung. Die Truppen des Entsatzheeres<br />

konnten so die feindlichen Stellungen durchbrechen <strong>und</strong> vereinigten<br />

sich am Nachmittag mit den Stadtverteidigern, die<br />

einen Ausbruchversuch unternommen hatten. Das war die<br />

Entscheidung. Der Rückzug der Türken verwandelte sich in<br />

eine ungezügelte <strong>und</strong> wilde Flucht.<br />

Mehmet, ein etwa vierzigjähriger Textilkaufmann, steht auf<br />

dem Balkon seiner Wohnung im 18. <strong>Wien</strong>er Gemeindebezirk<br />

<strong>und</strong> sieht zu, wie die Sommersonne an diesem strahlenden<br />

Juli-Tag über der Stadt aufgeht. Was er nicht ahnt: Bereits im<br />

Sommer 1683 war schon einer seiner Vorfahren an fast genau<br />

der gleichen Stelle gestanden <strong>und</strong> hatte begehrlich in<br />

Richtung der damaligen Hauptstadt des Habsburgerreiches<br />

geblickt. Am Schnittpunkt zweier wichtiger Handelswege -<br />

Donau <strong>und</strong> Bernsteinstraße – gelegen, stellte <strong>Wien</strong> als "Tor<br />

nach Westeuropa" das anstrebenswerte Ziel des Eroberungsfeldzuges<br />

unter Kara Mustafa dar.<br />

Wenn Mehmet in diesem Sommer die Heimat seiner Eltern, -<br />

er selbst ist in <strong>Wien</strong> geboren-, besuchen wird, wird er die<br />

Strecke nach Istanbul in weniger als 2 Tagen bewältigen, oder<br />

in weniger als 2 St<strong>und</strong>en mit dem Flugzeug. Das türkische<br />

Heer hatte seinerzeit mehr als sechs Monate bis <strong>Wien</strong> benötigt,<br />

eine Überwinterung in Edirne eingeschlossen.<br />

Mehmets Eltern waren Anfang der Sechziger-Jahre nach<br />

<strong>Wien</strong> gekommen. So wie viele junge Menschen aus den<br />

Regionen des ehemaligen Yugoslawien <strong>und</strong> der Türkei waren<br />

sie der staatlich geförderten Anwerbung ausländischer<br />

Arbeitskräfte für Österreich gefolgt <strong>und</strong> waren schließlich<br />

Integration anno 1683<br />

Bei der Verfolgung der flüchtenden Türken wurden auch<br />

zahlreiche Gefangene gemacht <strong>und</strong> es wurde in <strong>Wien</strong> geradezu<br />

Mode <strong>und</strong> es galt als religiöse Übung, einen getauften<br />

Türken zum Diener zu haben. Diese "Beutetürken" wurden in<br />

<strong>Wien</strong> bald zu einem Alltagsbild. Allein in <strong>Wien</strong> wurden 651<br />

Türken getauft. Da sie bei der Taufe gute österreichische<br />

Namen erhielten, sind ihre weiteren Spuren in der Stadtgeschichte<br />

nicht mehr zu verfolgen. Wer weiss, ob nicht auch<br />

Sie einen türkischen Ur-Ur-Urgroßvater haben.<br />

Was <strong>von</strong> den Türken blieb:<br />

Von den Türken blieben in <strong>Wien</strong> viele Spuren zurück. Eines<br />

der immer wieder zitierten Andenken ist das Kipferl, das<br />

angeblich in Anlehnung an die Form des türkischen<br />

Halbmondes geschaffen wurde. Zur Mode wurde es, sich bei<br />

Damenkopfbedeckungen des Turbans zu bedienen beziehungsweise<br />

Spielkarten mit türkischen Motiven oder türkische<br />

Pfeifenköpfe zu kreieren. Auch die Komposisten schufen<br />

zahlreiche Musikstücke mit der Bezeichnung “alla turca”.<br />

Was <strong>von</strong> den Türken nicht blieb:<br />

Was mit Sicherheit nicht <strong>von</strong> den Türken blieb, obwohl es<br />

ihnen immer wieder zugeschrieben wird, ist das <strong>Wien</strong>er<br />

Kaffeehaus. Wohl waren es die Türken, die den Kaffee in<br />

Südost-Europa bekannt machten, in <strong>Wien</strong> waren es aber<br />

armenische Kaufleute, die die ersten Kaffeehäuser in der<br />

Stadt eröffneten. 1697 begründete ein Armenier aus Erewan<br />

in <strong>Wien</strong> das bürgerliche Gewerbe der Kaffeesiederei <strong>und</strong><br />

noch viele Jahrzehnte blieben die Armenier in diesem<br />

Geschäft führend.<br />

Zur Gegenwart: Die Türken hier <strong>und</strong> in ihrer Heimat sind ein wesentlicher Faktor für die heimische Wirtschaft.<br />

mit Sack <strong>und</strong> Pack nach Österreich übersiedelt. Hatten sie in<br />

den ersten Jahren noch eifrig jeden ersparten Groschen für<br />

die geplante Rückkehr in die alte Heimat zurückgelegt,<br />

änderte sich nach der Geburt ihrer drei Kinder, -Mehmet, sein<br />

Bruder Agca <strong>und</strong> die Schwester Edis-, die Situation. Von dem<br />

als Bauarbeiter <strong>und</strong> später Schlossergehife Ersparten wurde<br />

erst ein kleiner Laden erstanden, der an andere Türken heimische<br />

Lebensmittel <strong>und</strong> Hausrat verkaufte, die Kinder gingen<br />

in Österreich zur Schule, Edis besuchte eine<br />

Haushaltsschule, Agca wurde Textilkaufmann <strong>und</strong> begann<br />

bald, aus der Türkei Bekleidung zu importieren. Aus dem<br />

kleinen Laden entwickelte sich dadurch bald ein<br />

Modengeschäft, das auch österreichische K<strong>und</strong>en anzog <strong>und</strong><br />

<strong>von</strong> einer Rückkehr der Familie in die Türkei war kaum mehr<br />

die Rede. Österreich war, -vor allem den hier geborenen<br />

Kindern- zur Heimat geworden.<br />

Die fünfköpfige Familie stellt somit einen Teil der etwa<br />

127.000 in Österreich lebenden türkischen "Migranten" dar.<br />

Unter Migranten versteht man jene in Österreich lebenden<br />

Menschen, die entweder im Ausland geboren sind, oder die<br />

als Kinder <strong>von</strong> aus dem Ausland zugewanderten Eltern in<br />

Österreich geboren sind. Dies trifft derzeit auf etwa 711.000<br />

in Österreich lebende Menschen zu. Der türkische Anteil

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