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„vertreten...“ - San Miguel Caracas

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16 Thema<br />

wird Mensch. Er kommt uns<br />

in allem was dazugehört nahe.<br />

Oder anders formuliert: Nicht<br />

der Mensch versucht, auf<br />

Gott einzuwirken. Das Opfer<br />

wird gerade umgedreht. Gott<br />

handelt, damit wir Menschen<br />

versöhnt werden und<br />

umkehren. Wenn man hier<br />

vom Opfer sprechen möchte,<br />

dann eher: Gott bringt für<br />

mich ein Opfer, damit ich<br />

leben kann. Er selbst nimmt<br />

die Konsequenzen meines<br />

zerstörenden Lebensstils<br />

auf sich, um mir Leben zu<br />

schenken. Wenn nicht nur<br />

reformierte Evangelische<br />

auf die Bezeichnung<br />

„Abendmahlstisch<strong>“</strong><br />

statt „Altar<strong>“</strong> und auf die<br />

Spendeformel „Kelch des<br />

Heils - für Dich zum Segen<strong>“</strong><br />

statt „Christi Blut - für Dich<br />

vergossen<strong>“</strong> großen Wert<br />

legen, dann bringen sie diesen<br />

erweiterten Deutungshorizont<br />

des „Werkes<strong>“</strong> Jesu Christi zur<br />

Geltung.<br />

Also: Da ist der Gedanke der<br />

Stellvertretung auf der einen<br />

Seite, nach dem wir Menschen<br />

wegen unserer Schuld<br />

vertreten werden. Und da sind<br />

noch andere Möglichkeiten<br />

denkbar, auch durch uns<br />

Menschen. Stellvertretung<br />

für Gott, dessen allgemeine<br />

und unumstrittene<br />

Glaubwürdigkeit im Verlauf<br />

von Aufklärung und<br />

Religionskritik hinterfragt<br />

und damit immer mehr in den<br />

Bereich des Privaten und des<br />

Subjektiven gedrängt wurde.<br />

Dorothee Sölle hatte diesen<br />

Gedanken radikalisiert und<br />

war in ihrem Buch mit dem<br />

Titel „Stellvertretung<strong>“</strong> einen<br />

gewagten Weg gegangen:<br />

Wir Menschen kennen den<br />

Gedanken der Stellvertretung.<br />

Wenn wir in den Urlaub<br />

möchten. Oder krank sind.<br />

Dann brauchen wir Vertreter.<br />

Wenn wir allerdings ersetzt<br />

werden - dann sind wir<br />

über�üssig, quasi tot. Und das<br />

Gefühl, das jeder ersetzbar ist,<br />

liegt wie ein trüber Schleier<br />

auf unserer Existenz. Nur für<br />

diejenigen, die wir lieben.<br />

Für die sind wir unersetzlich.<br />

Und für Gott. Darum kann<br />

sie als Protest gegen den<br />

Zeitgeist verstanden werden,<br />

die Bekräftigung: Der<br />

Mensch besitzt seine eigene<br />

vom Schöpfer verliehene<br />

Identität, ist zwar vertretbar,<br />

aber unersetzlich! Jesus<br />

selbst hat sich dem Urteil<br />

Gottes ausgesetzt und<br />

uns Menschen vor ihm<br />

vertreten. Er hat damit das<br />

Risiko auf sich genommen,<br />

für uns leiden zu müssen.<br />

Aber diese Vertretung ist<br />

nicht vollständig. Sie ersetzt<br />

unser eigenes Tun, unser<br />

eigenes Lieben nicht. Sie ist<br />

vorläu�g und bedeutet für uns<br />

genauso wie für die Kirche,<br />

dass wir selbst gerufen sind,<br />

zu vertreten. Für andere<br />

einzustehen. Jesus vertritt<br />

uns vor Gott. Und gleichzeitig<br />

Gott selbst, der in unserer<br />

technisierten Welt von vielen<br />

als abwesend wahrgenommen<br />

und darum eher im Bereich<br />

des Persönlichen lebt<br />

und geglaubt wird. Der<br />

ferne Gott aber kommt in<br />

der Vermittlung und der<br />

Stellvertretung Jesu den

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