Schweitzers Ethik der Dankbarkeit - Deutsches Albert-Schweitzer ...
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so scheinbar „unbedeutende“ Begegnung mit dem Leben gering schätzen – jede Begegnung<br />
birgt für alle Beteiligten göttliche „Funken“ bzw. geheime Botschaften, die erst<br />
durch die konkrete Begegnung real erlebt und gelebt werden können und die durch<br />
einen Mangel an entsprechen<strong>der</strong> Würdigung und innerer Anteilnahme verpasste Chancen<br />
des Menschen auf dem Weg zu sich selbst und zu Gott bedeuten. Martin Buber,<br />
<strong>der</strong> brillante „Verdeutscher“ <strong>der</strong> Heiligen Schrift, <strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> wortgewaltige<br />
Formulierungen benutzte, um seine Leser und Hörer zur Erkenntnis zu führen, sprach<br />
in diesem Zusammenhang gern von einer „Vergegnung“ – Lapide benutzte den Terminus<br />
„Zergegnung“, um einem die bitteren Folgen solch verpasster Chancen drastisch<br />
vor Augen zu führen. Mit diesem klaren Bekenntnis zum Leben, so wie Gott es geschaffen<br />
und dem Menschen zum Auftrag gegeben, deckt sich Buber mit <strong><strong>Schweitzer</strong>s</strong><br />
charakteristischer Haltung <strong>der</strong> „Ehrfurcht vor dem Leben“: Beide Philosophen waren<br />
durchtränkt von einer immensen Achtung vor <strong>der</strong> gesamten Schöpfung, die den Menschen<br />
herausfor<strong>der</strong>t, durch seinen liebenden Einsatz wohltätig für den an<strong>der</strong>en in Erscheinung<br />
zu treten. Da das menschliche Leben eine Kette von vielen einzelnen Begegnungen<br />
ausmacht, ist <strong>der</strong> Mensch nicht in einem Gespräch mit dem Leben, noch führt<br />
er ein solches mit dem Leben, son<strong>der</strong>n er ist ein Gespräch mit dem Leben.<br />
Für das gelingende Miteinan<strong>der</strong> for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> von Martin Buber gerne zitierte Rabbi<br />
Mendel von Kozk: „Drei Dinge nur: aus sich nicht herausschielen, in den an<strong>der</strong>n nicht<br />
hineinschielen, und sich nicht meinen.“ Buber erklärt dazu: „Das bedeutet: erstens, je<strong>der</strong><br />
soll seine eigene Seele in ihrer eigenen Art und an ihrem Ort bewahren und heiligen, nicht<br />
aber fremde Art und fremden Ort neiden; zweitens, je<strong>der</strong> soll das Geheimnis <strong>der</strong> Seele seines<br />
Mitmenschen ehren und nicht mit frecher Neugier in es eindringen und es gebrauchen;<br />
und drittens, je<strong>der</strong> soll, im Leben mit sich selbst und im Leben mit <strong>der</strong> Welt, sich hüten auf<br />
sich abzuzielen.“ (Martin Buber, Der Weg des Menschen nach <strong>der</strong> chassidischen Lehre,<br />
S. 47/48)<br />
Für solche lebenspraktischen Einsichten waren die Zuhörer des Abends sehr dankbar.<br />
Peter Glitsch<br />
Orgelakademie in<br />
Königsfeld<br />
Ein ausführlicher Bericht ist<br />
nachzulesen im Son<strong>der</strong>heft<br />
„<strong>Albert</strong> <strong>Schweitzer</strong>“ <strong>der</strong> Fachzeitschrift<br />
ORGAN, Journal für die Orgel,<br />
Nr. 3/05 (Autor: Jörg Echtler, mit<br />
Aufsätzen von Michael G. Kaufmann<br />
und Wolfram Adolph.<br />
Vom 24. bis 26. Juni 2005 fand in Königsfeld/Schwarzwald die 1. Europäische Orgelakademie<br />
<strong>Albert</strong> <strong>Schweitzer</strong> statt. Veranstalter waren ORGANpromotion mit seinem Leiter Michael<br />
Grüber, die Gesellschaft <strong>der</strong> Orgelfreunde (GdF) und <strong>der</strong> Deutsche Hilfsverein für das<br />
<strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-Spital in Lambarene e.V. sowie die TouristInfo Königsfeld.<br />
Zum Auftakt spielte <strong>der</strong> Bremer Domorganist und Präsident <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>der</strong><br />
Orgelfreunde, Prof. Wolfgang Baumgratz, an <strong>der</strong> Königsfel<strong>der</strong> Heintz-Orgel Werke von<br />
Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn-Bartholdy, wobei er das Programm eines<br />
Orgelabends von <strong>Albert</strong> <strong>Schweitzer</strong> vom 22. Juli 1928 in Alpirsbach wie<strong>der</strong>holte. Drei<br />
Vorträge standen am zweiten Tag im Vor<strong>der</strong>grund. Zunächst sprach Dr. Karsten Weber,<br />
<strong>der</strong> Vorsitzende des DHV, über „<strong>Albert</strong> <strong><strong>Schweitzer</strong>s</strong> Botschaft heute“. Er sieht sie vor<br />
allem darin, in <strong>der</strong> <strong>Ethik</strong> <strong><strong>Schweitzer</strong>s</strong> einen Weg zu erkennen, um gegen die Trostlosigkeit<br />
einer in vielen Bereichen „schlimmen“ Welt „anzuhoffen“. Dabei verwies er darauf,<br />
dass die Mitarbeiter im Urwaldspital von Lambarene mit ihrem „Ethos des Helfens“<br />
<strong><strong>Schweitzer</strong>s</strong> Botschaft auch heute vorbildhaft leben.<br />
Dr. Wolf Kalipp, Dozent für Kulturwissenschaften und Musikpädagogik, zeigte in<br />
seinem Vortrag „<strong>Schweitzer</strong> und die tiefenpsychologische Dimension seiner Kultur <strong>der</strong><br />
Orgel“ die zu wenig bekannten, von <strong>Schweitzer</strong> schon am Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
geahnten therapeutischen und <strong>der</strong> Individuation des Menschen dienenden Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Orgelmusik auf.<br />
Dr. Harald Schützeichel schließlich verdeutlichte in seinem Beitrag „<strong>Albert</strong><br />
<strong>Schweitzer</strong> und die Orgel“, wie <strong><strong>Schweitzer</strong>s</strong> For<strong>der</strong>ungen an eine ideale „Bach-Orgel“<br />
auf seine Praxis als Organist zurückgehen und durch sein Bach-Bild geprägt sind; Bach<br />
ist für ihn einer <strong>der</strong> großen Architekten in <strong>der</strong> Musik, gleichzeitig aber ein „Tonmaler“,<br />
<strong>der</strong> mit bildhaften Motiven Choral- und Kantatentexte veranschaulicht.<br />
Dr. Michael Gerhard Kaufmann referierte am letzten <strong>der</strong> drei Tage über <strong><strong>Schweitzer</strong>s</strong><br />
Bach-Buch (Erstauflage französisch 1905, deutsch 1908) und wies dabei nach, dass<br />
<strong>Schweitzer</strong> mit dem Abheben auf Bachs malende Tonsprache intuitiv vorwegnahm, was<br />
die Musikwissenschaft als „musikalische Rhetorik des Barock“ erarbeitet hat.<br />
Eine Bereicherung war die Beteiligung von Studierenden <strong>der</strong> Musikhochschule<br />
Trossingen, die nicht nur in einem Orgelkonzert Werke Bachs zu Gehör brachten, son<strong>der</strong>n<br />
auch im sonntäglichen Gemeindegottesdienst mitwirkten.<br />
<strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-Rundbrief Nr. 98<br />
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