Jacqueline Lobenstein - Deutsche Kinder und Jugendstiftung
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Bildungsprozesse in <strong>Kinder</strong>garten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule<br />
Sie befürchten, der Schule etwas<br />
vorwegzunehmen. Sie meinen, die<br />
<strong>Kinder</strong> könnten sich in der Schule<br />
langweilen, wenn sie ihnen Anregungen<br />
zu Buchstaben <strong>und</strong> Lauten, zu Mengen<br />
<strong>und</strong> Zahlen geben. Gerade <strong>Kinder</strong>, denen<br />
Anregungen im Elternhaus fehlen,<br />
benötigen gezielte Hilfestellungen. Im<br />
<strong>Kinder</strong>garten ist also übergeordnetes<br />
Ziel, das Interesse an Buchstaben<br />
<strong>und</strong> Lauten, an Mengen <strong>und</strong> Zahlen zu<br />
fördern. Im Anfangsunterricht muss<br />
dann an diese Vorläuferfähigkeiten<br />
angeknüpft werden.« 6<br />
Schauen wir mit dieser Mahnung im Kopf erneut<br />
Klara <strong>und</strong> ihre Fre<strong>und</strong>e in der Wünsdorfer<br />
Rappelkiste an, tauchen doch Zweifel in Bezug<br />
auf die Nützlichkeit des Begriffs »Vorläuferfähigkeiten«<br />
auf. Klara ist gerade dabei, sich mit<br />
der Hilfe ihrer Mutter <strong>und</strong> ihrer Erzieherinnen<br />
selber das Lesen <strong>und</strong> Schreiben beizubringen.<br />
24<br />
Sie findet ein dafür gezielt gestaltetes Lernumfeld<br />
vor. Sie erhält keinen systematischen<br />
Unterricht, auch kein systematisches Training<br />
irgendwelcher vom Lebenskontext abgelöster<br />
Fertigkeiten, wohl aber viel Zuwendung, Beachtung<br />
<strong>und</strong> Ermutigung bei ihren eigenen tastenden<br />
Versuchen auf dem Weg in die Schriftkultur.<br />
Was ist daran »vorläufig«?<br />
Meine These lautet: Es gibt in der Lebenspraxis<br />
lernender <strong>Kinder</strong> weder »Vor-Erfahrungen«<br />
noch Vorläuferfähigkeiten. Es gibt nur Erfahrungen,<br />
die allerdings, im Sinne der Lerntheorie<br />
John Deweys, in permanenter Wechselwirkung<br />
miteinander stehen <strong>und</strong> vom lernenden Subjekt<br />
fortwährend differenziert werden. Vorläuferfähigkeiten<br />
existieren nur als theoretisches<br />
Konstrukt im Kopf von Gr<strong>und</strong>schulforschern,<br />
die die historisch gewachsene Trennung der<br />
Institutionen <strong>Kinder</strong>garten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schule als<br />
weiterhin gegeben unterstellen. Diese Unterstellung<br />
mag mit der Realität unseres Bildungs-<br />
Vielfältige<br />
Materialien<br />
machen Lust<br />
auf Schrift.