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NATO, die EU und der griechisch-türkische Konflikt - HSFK

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Schaffen internationale Organisationen Frieden? 27<br />

teil ventilierten beide Seiten bis 1955 sogar das Projekt einer politischen Union zwischen<br />

beiden Län<strong>der</strong>n. Erst nach 1955 <strong>und</strong> im Zuge <strong>der</strong> Öffnung <strong>der</strong> politischen Systeme wurde<br />

<strong>die</strong> öffentliche Meinung zu einem Hemmschuh für Annäherungsbemühungen, <strong>und</strong> begannen<br />

beide Seiten, ihre Feindbil<strong>der</strong> in Geschichtsschreibungen, Schulbüchern <strong>und</strong> literarischen<br />

Texten zu kultivieren. 85 Warum also konnten <strong>die</strong> Mitgliedschaften in <strong>der</strong> <strong>NATO</strong><br />

<strong>und</strong> später <strong>der</strong> <strong>EU</strong> nicht verhin<strong>der</strong>n, dass sich nach 1955 negative Stereotypen, ein Denken<br />

in Kategorien des schlimmsten Falles <strong>und</strong> konfrontatives Verhalten zu einem Teufelskreislauf<br />

verfestigten. Und verän<strong>der</strong>te bzw. wie verän<strong>der</strong>te <strong>die</strong> Mitgliedschaft in beiden<br />

Organisationen <strong>die</strong> Einstellung <strong>der</strong> <strong>Konflikt</strong>parteien nach 1999?<br />

Die erste Frage lässt sich aus konstruktivistischer Perspektive mit Verweis auf spezifische<br />

Kontextbedingungen beantworten, <strong>die</strong> sozialisierende Effekte verzögerten bzw. blockierten.<br />

Im Fall Griechenlands war <strong>die</strong> Anschlussfähigkeit <strong>der</strong> westlichen <strong>und</strong> nationalen<br />

Wertesysteme zunächst fraglich. Unter an<strong>der</strong>em weil sich ihre Führungsmacht von <strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit diskreditierten Militärjunta nicht genügend abgegrenzt hatte, gilt <strong>die</strong><br />

<strong>NATO</strong> bis heute als wenig attraktiv. Auch <strong>die</strong> Mitgliedschaft in <strong>der</strong> <strong>EU</strong> war zunächst innenpolitisch<br />

umstritten. Im Jahr des Beitritts zur EG war eine PASOK-Regierung unter<br />

Ministerpräsident Andreas Papandreou auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage eines nationalistischen, populistischen<br />

<strong>und</strong> außenpolitisch an <strong>die</strong> Blockfreien-Bewegung anknüpfenden Programms ins<br />

Amt gewählt worden. Erst im Laufe <strong>der</strong> 1980er Jahre nahm <strong>die</strong> Zustimmung zur <strong>EU</strong> zu<br />

<strong>und</strong> machte <strong>die</strong> ursprüngliche Skepsis einer „<strong>EU</strong>phorie“ Platz. 86<br />

Dennoch blieben <strong>die</strong> kommunikativen Brücken nach Europa schwächer entwickelt.<br />

Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> außenpolitischen Bürokratien begünstigte <strong>die</strong> in Griechenland stärker<br />

ausgeprägte Abhängigkeit <strong>der</strong> Verwaltungen von <strong>der</strong> Regierungsspitze <strong>und</strong> <strong>der</strong> damit<br />

zusammenhängende populistische Politikstil <strong>die</strong> Abschottung <strong>der</strong> politischen Bereiche,<br />

<strong>die</strong> dem nationalen sicherheitspolitischen Interesse zugerechnet werden. Zwar versuchte<br />

Athen in <strong>die</strong>sen <strong>Konflikt</strong>en <strong>die</strong> Unterstützung seiner europäischen Partner zu mobilisieren,<br />

begrenzte aber umgekehrt <strong>der</strong>en Mitsprache <strong>und</strong> Einflussmöglichkeiten auf ein Minimum.<br />

87 Im Ergebnis blieben <strong>der</strong> Balkan <strong>und</strong> <strong>die</strong> Türkei lange Zeit Refugien nationaler<br />

Politik, während sich Athen auf an<strong>der</strong>en Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Außenpolitik bereits in den späteren<br />

1980er Jahren an seine europäischen Partner anpasste.<br />

Cass), 2002, S. 17. Umgekehrt musste Griechenland bei einer Einwohnerzahl von ca. 5,5 Millionen 1,1<br />

Millionen Flüchtlinge aus Kleinasien integrieren. Vgl. Richard Clogg, A Concise History of Greece, Cambridge<br />

(Cambridge University Press), 1992, S. 99.<br />

85 Hercules Millas, National Perceptions of the ‚Other’ and the Persistence of Some Images, in: Aydin/Ifantis<br />

(Hg.), a.a.O. (Anm. 36), S. 53-66; Amikam Nachmani, What Says the Neighbour to the West?<br />

On Turkish-Greek Relations, in: Barry Rubin/Kemal Kirisci (Hg.), Turkey in World Politics. An Emerging<br />

Multiregional Power, Boul<strong>der</strong> (Lynne Rienner), 2001, S. 71-93. Zum Zusammenhang von Demokratisierung<br />

<strong>und</strong> öffentlicher Meinung als außenpolitischem Faktor Vgl. Fiona Adamson, Democratisation<br />

and Domestic Sources of Foreign Policy: Turkey in the 1974 Cyprus Crisis, in: Political Science Quarterly,<br />

Jg. 116, Nr. 1, 2001, S. 277-303.<br />

86 Heinz Jürgen Axt, Financial Transfers and Security: Why Greece Favoured the Maastricht Treaty on<br />

European Union, in: Ders. (Hg.), a.a.O. (Anm. 42), S. 99-134.<br />

87 Dimitrios Kavakas, Greece, in: Ian Manners/Richard G. Whitman, The Foreign Policies of European<br />

Union Member States, Manchester (Manchester University Press), 2000, S. 144-161, hier S. 157.

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