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NATO, die EU und der griechisch-türkische Konflikt - HSFK

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Schaffen internationale Organisationen Frieden? 35<br />

Auffällig ist zweitens <strong>die</strong> geringe Erklärungskraft neo-institutionalistischer Ansätze.<br />

Rein zwischenstaatliche Organisationen üben offenbar auch dann keine o<strong>der</strong> nur eine<br />

geringe friedensstiftende Wirkung aus, wenn sie einen breiten Aufgabenbereich <strong>und</strong> ein<br />

sicherheitspolitisches Mandat haben. Und wenn Staaten Organisationen als Instrument<br />

zur tiefen Kooperation nutzen <strong>und</strong> zu <strong>die</strong>sem Zwecke institutionalisieren o<strong>der</strong> <strong>die</strong>selbe<br />

Institution zum Austragen ihres <strong>Konflikt</strong>s gebrauchen <strong>und</strong> entsprechend demontieren<br />

können, ist <strong>der</strong> Institutionalisierungsgrad offenbar von <strong>der</strong> vorherigen Kooperationswilligkeit<br />

abhängig <strong>und</strong> kann <strong>die</strong>se nicht erzeugen. Insgesamt überschätzt <strong>die</strong> Forschung<br />

offenbar in dramatischer Weise <strong>die</strong> transparenzschaffende <strong>und</strong> friedensstiftende Wirkung<br />

traditioneller internationaler Institutionen.<br />

Aus konstruktivistischer Perspektive ließe sich drittens plausibel erklären, warum <strong>die</strong>selben<br />

Institutionen, <strong>die</strong> in Westeuropa stabile Friedensgemeinschaften schufen, in <strong>die</strong>ser<br />

Hinsicht im östlichen Mittelmeer versagten. Danach verhin<strong>der</strong>te <strong>die</strong> mangelnde Anschlussfähigkeit<br />

<strong>der</strong> <strong>griechisch</strong>en <strong>und</strong> <strong>türkische</strong>n Wertesysteme, dass <strong>die</strong> Normen <strong>der</strong><br />

westlichen Sicherheitsinstitutionen auf <strong>der</strong> nationalen Ebene wirksam werden konnten.<br />

Fraglicher erscheint dagegen, ob <strong>die</strong> Annäherung nach 1999 dem sozialisierenden Einfluss<br />

von <strong>NATO</strong> <strong>und</strong> <strong>EU</strong> zu verdanken ist. Der Boden für <strong>die</strong> Kehrtwende <strong>der</strong> <strong>griechisch</strong>en<br />

Außenpolitik wurde mindestens ebenso von endogenen Mo<strong>der</strong>nisierungsprozessen wie<br />

vom Einfluss <strong>der</strong> <strong>EU</strong> bereitet. Für <strong>die</strong> Neujustierung <strong>der</strong> außenpolitischen Strategien bei<strong>der</strong><br />

Seiten selbst sind in erster Linie verän<strong>der</strong>te externe Anreize verantwortlich. Natürlich<br />

könnte <strong>die</strong> Praxis <strong>der</strong> bilateralen Kooperation über Zeit auch <strong>die</strong> Wahrnehmungen <strong>und</strong><br />

Identitäten positiv verän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> zur Bildung einer Sicherheitsgemeinschaft führen. Nur<br />

ist <strong>die</strong> gegenwärtige Zusammenarbeit noch fragil <strong>und</strong> lauert direkt unter <strong>der</strong> Oberfläche<br />

<strong>der</strong> fre<strong>und</strong>schaftlichen Rhetorik <strong>und</strong> Gesten das alte Misstrauen. Je<strong>der</strong>zeit könnte <strong>der</strong><br />

neue kooperative Stil von den traditioneller Identitäten <strong>und</strong> Wahrnehmungsmuster zerrieben<br />

werden. Insgesamt lässt <strong>die</strong>ser Fall keine belastbaren Rückschlüsse auf <strong>die</strong> friedenspolitische<br />

Relevanz <strong>der</strong> Formmerkmale Attraktivität <strong>und</strong> Anschlussfähigkeit <strong>der</strong> Normen<br />

sowie Dichte <strong>der</strong> kommunikativen Kanäle zu.<br />

Schließlich lässt sich mit Hilfe <strong>die</strong>ses Falles zwar nicht <strong>die</strong> Bedeutung <strong>der</strong> interdemokratischen<br />

Formmerkmale „Einbettung“ <strong>und</strong> „transgouvernementale Netzwerke“ nachweisen.<br />

Es lässt sich aber aus liberaler Perspektive plausibel erklären, warum <strong>die</strong> selben<br />

Organisationen in Westeuropa <strong>und</strong> im östlichen Mittelmeer sehr unterschiedlichen Wirkungen<br />

produzierten. In Westeuropa sind <strong>NATO</strong> <strong>und</strong> <strong>EU</strong> in starke transnationale Netzwerke<br />

gesellschaftlicher Akteure eingeb<strong>und</strong>en; hier werden sie wesentlich von sektoralen<br />

transgouvernementalen Netzwerken getragen, <strong>die</strong> nicht von <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Exekutive kontrolliert<br />

<strong>und</strong> zentral gesteuert werden. Im östlichen Mittelmeer verhin<strong>der</strong>n <strong>die</strong> spezifischen<br />

Demokratiedefizite sowohl <strong>die</strong> Einbindung in westliche Institutionen wie <strong>die</strong> Herausbildung<br />

starker bilateraler Kopplungen. In Griechenland beeinträchtigten <strong>die</strong> Beson<strong>der</strong>heiten<br />

des politischen Systems bis Ende <strong>der</strong> 1990er Jahre eine Abschottung <strong>der</strong> Türkeipolitik<br />

selbst gegenüber den Mitsprachewünschen <strong>der</strong> europäischen Partner. In <strong>der</strong><br />

Türkei blieben <strong>die</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> weite Bereiche des politischen Systems vom sicherheitspolitischen<br />

Entscheidungsprozess <strong>und</strong> Informationsfluss abgeschnitten. In dem Maße,<br />

in dem sich <strong>die</strong> Türkei weiter demokratisiert, wäre zu erwarten, dass sich <strong>die</strong> Verknüp-

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