Grenzen demokratischen Rechts? Die ... - eDoc
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<strong>Grenzen</strong> <strong>demokratischen</strong> <strong>Rechts</strong>? 13<br />
mit dem Abzug irakischer Truppen aus Kuwait jedoch gegenstandslos geworden. Das<br />
ändert sich auch nicht, wenn man die Folgeresolutionen, d.h. 687 vom 3. April 1991 und<br />
1441 vom 8. November 2002 in die Normkette zur Rechtfertigung von Gewalt integriert.<br />
Denn diese beiden Resolutionen gehen vom Gefahrenszenarium der Massenvernichtungswaffen<br />
aus. Beide beinhalten keine eigene Gewaltautorisationen. Beide haben eine<br />
völlig andere <strong>Rechts</strong>grundlage als den ursprünglichen Friedensbruch durch die rechtswidrige<br />
Invasion in Kuwait. Resolution 678 kann darum nach dem Wegfall des <strong>Rechts</strong>grunds<br />
der Kuwait-Invasion keine Grundlage mehr für militärische Maßnahmen gegen den Irak<br />
bilden. <strong>Die</strong> „Revitalisierungsthese“ scheitert an der kategorialen Verschiedenheit der jeweiligen<br />
rechtlichen causa. Sie scheitert aber auch daran, dass selbst der Text der Resolution<br />
660 keine Ermächtigung zu einem Regimewechsel enthielt. Der mit Resolution 1441<br />
verbundene Revitalisierungsversuch kann darum nicht gelingen, mit anderen Worten:<br />
„<strong>Die</strong> <strong>Rechts</strong>grundlage, auf die sich die Vereinigten Staaten und Großbritannien stützen,<br />
besteht nicht mehr. Damit ist der Angriff auf den Irak eine nicht gerechtfertigte Verletzung<br />
des Gewaltverbots“. 74<br />
3.2 Undemokratische militärische Entsendeentscheidungen<br />
Wie, so lautet die hier in rechtsvergleichender Perspektive zu beantwortende Frage, kam<br />
es mit der Invasion in den Irak zum (Völker-)<strong>Rechts</strong>bruch durch die Demokratien Großbritannien,<br />
USA und Spanien? Dazu soll der Zustand der <strong>demokratischen</strong> Verrechtlichung<br />
der Kriegsentscheidung in Großbritannien, den USA und Spanien an Kants Kriterien<br />
gemessen werden, indem drei Dimensionen der Entfaltung des ius contra bellum in<br />
nationalen <strong>Rechts</strong>ordnungen folgendermaßen vertieft werden: (1) materielle völkerrechtliche<br />
Vorgaben für Entsendeentscheidungen (Komponente Völkerrecht); (2) das demokratische<br />
Prozedere der Entscheidungen (Komponente Demokratie); (3) die rechtliche<br />
Kontrolldichte für das Handeln der Exekutive im Hinblick auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften<br />
und völkerrechtlichen Normen (Komponente Verrechtlichung).<br />
3.2.1 Großbritannien<br />
Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland verfügt über kein einheitlich<br />
vertextetes Verfassungsdokument. Dennoch haben sich in diesem <strong>Rechts</strong>system bestimmte<br />
Regeln mit verfassungsrechtlicher Funktion herauskristallisiert, deren wichtigste<br />
die sogenannte Parlamentssouveränität ist. <strong>Die</strong> Souveränität des britischen Unterhauses<br />
(House of Commons) zum Erlass von Gesetzen 75<br />
hat zur Konsequenz, dass völkerrechtliche<br />
Verträge in Großbritannien eines gesetzlichen Inkorporationsakts durch das Parlament<br />
bedürfen. Als Völkervertragsrecht kann das so inkorporierte Völkerrecht von anderem<br />
parlamentarischem Statute Law verdrängt werden, sofern dieses später erlassen wurde<br />
(sog. lex posterior-Regel). <strong>Die</strong> gerichtliche Kontrolldichte der Völkerrechtskonformität ist<br />
74 Bothe, a.a.O. (Anm. 72), S. 265.<br />
75 Zu den Dimensionen dieser Parlamentssouveränität: Franz L. Neumann, <strong>Die</strong> Herrschaft des Gesetzes,<br />
Frankfurt am Main, 1980, S. 207 ff.