Grenzen demokratischen Rechts? Die ... - eDoc
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<strong>Grenzen</strong> <strong>demokratischen</strong> <strong>Rechts</strong>? 23<br />
ginn reichten mehrere Angehörige der US-Streitkräfte, Eltern von Armeeangehörigen und<br />
mehrere Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses beim District Court of Massachusetts<br />
eine Klage gegen die Bush-Regierung ein. 100.000 US-Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits am Persischen Golf stationiert. <strong>Die</strong> Begründung der Klage lautet in ihrem<br />
Kern, dass eine Kriegsentscheidung durch den US-Präsidenten ohne vorherige konstitutive<br />
Kongressentscheidung rechts- und verfassungswidrig sei: „By waging war against Iraq<br />
absent a Congressional declaration of war, Defendants will endanger the lives of Plaintiffs<br />
[…], and tens of thousands of similarly situated United States soldiers in an illegal and<br />
unconstitutional war”. 122 Um diese Vorwürfe zu überprüfen, hätte das Gericht eine verfassungs-<br />
und völkerrechtliche Analyse vornehmen müssen. Nach beiden <strong>Rechts</strong>normkomplexen<br />
ist die Kriegsentscheidung von George W. Bush als Oberbefehlshaber der US-<br />
Truppen äußerst zweifelhaft.<br />
Zunächst zur verfassungsrechtlichen Situation. <strong>Die</strong> US-amerikanische Verfassung legt<br />
die Kriegserklärungskompetenz in die Hände des Kongresses und beauftragt ihn mit der<br />
konstitutiven Entscheidung über Krieg und Frieden. <strong>Die</strong>se Entscheidung ist unter Berücksichtigung<br />
der konkreten Situation, der konkreten Bedrohungs- bzw. <strong>Rechts</strong>- und Resolutionslage<br />
zu fällen. Sie kann nicht in Unkenntnis entscheidender Fakten und <strong>Rechts</strong>voraussetzungen<br />
als unbestimmter Vorratsbeschluss getroffen werden. 123 Eine Analyse der<br />
October Resolution führt daher in eine einfache Alternative: Entweder (1) die Kongress-<br />
Resolution hat die Kriegsentscheidung an den Präsidenten delegiert. In diesem Fall hat<br />
man es mit zwei Staatsorganen zu tun, die in komplizenhaftem (juristisch gesprochen:<br />
kollusivem) Zusammenwirken das verfassungsrechtliche Kompetenzgefüge verletzt und<br />
verfassungsrechtliche Kontroll-, Transparenz- und Partizipationspflichten ausgehebelt<br />
haben. <strong>Die</strong> Pflicht der Verfassungsorgane, durch eine ereignisnahe Parlamentsdebatte<br />
öffentliche Kontrolle, Debatte und Verantwortungsattribution zu ermöglichen, wäre desavouiert.<br />
Oder (2) die Kongressresolution hat die Kriegsentscheidung nicht an den Präsidenten<br />
delegiert, sondern lediglich einen Entscheidungsrahmen abgesteckt und die entscheidende<br />
Kriegserklärung weiterhin von einer gesonderten Zustimmung des Kongresses<br />
abhängig gemacht. In diesem Fall verletzt die Exekutive durch ihre autonom getroffene<br />
Kriegsentscheidung verfassungsrechtlich garantierte Mitwirkungsrechte des Parlaments.<br />
In beiden Fällen fehlt eine rechtswirksame Parlamentsentscheidung über den Irakkrieg.<br />
Sodann zur davon unabhängigen Frage, wie sich die skizzierte Völkerrechtswidrigkeit<br />
des Militäreinsatzes im nationalen Recht auswirkt: <strong>Die</strong> dualistisch angelegte US-<br />
Verfassung inkorporiert Verträge nach Art. VI. Über die innerstaatliche <strong>Rechts</strong>träger ver-<br />
sity Defense for Some of the Bay State’s Civilly Disobedient, in: Western New England Law Review, Jg.<br />
27, Nr. 2, 2005, S. 299 ff.<br />
122 So die Klageschrift vom 13.2.2003, abrufbar unter news.findlaw.com/hdocs/docs/iraq/doebush21303<br />
cmp.pdf.<br />
123 Siehe auch die Kritik bei Louis Fisher, Deciding on War Against Iraq: Institutional Failures, in: Political<br />
Science Quarterly, Jg. 118, Nr. 3, 2003, S. 389 ff. und bei Deiseroth, a.a.O. (Anm. 70), S. 36; gegen Versuche<br />
zeitlich noch weiter zurückliegende Resolutionen als Legitimationsressource zu missbrauchen: The<br />
Committee on International Security Affairs of the Association of the Bar of the City of New York, The<br />
Legality and Constitutionality of the President’s Authority to Initiate an Invasion of Iraq, Columbia<br />
Journal of Transnational Law, Jg. 41, Nr. 1, 2002, S. 15 ff.