Kapitel 2: Zur Theorie der Borderline-Störungen 2.1 ...
Kapitel 2: Zur Theorie der Borderline-Störungen 2.1 ...
Kapitel 2: Zur Theorie der Borderline-Störungen 2.1 ...
- TAGS
- kapitel
- theorie
- diepold.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>2.1</strong> Forschungsgeschichte 24<br />
verlässiger als bei Psychosen. Die vorhandene Fähigkeit zur Unterscheidung<br />
von Selbst- und Objektrepräsentanzen kann regressiv verlorengehen. Die Kin<strong>der</strong><br />
haben häufig ein großes Kontaktbedürfnis, können aber die Sprache als<br />
Medium zum Kontakt nur begrenzt nutzen. FRIYLING-SCHREUDER hält die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Sprache für ein Prognosekriterium, das die Abgrenzung von<br />
psychotischen Kin<strong>der</strong>n ermöglicht. Das "innere Gespräch" (inner speech) und<br />
das Denken in Wörtern (thinking in words) helfe, ein sekundärhaftes Niveau<br />
herzustellen o<strong>der</strong> zu bewahren, Impulse zu meistern und die Angst vor dem<br />
Verschlungenwerden zu bewältigen. Bei den Kin<strong>der</strong>n sind unrealistische<br />
Größenphantasien zu beobachten, sie haben jedoch keine durchgängigen<br />
Wahnvorstellungen. Sekundärprozeßhaftes Denken wird defensiv verwandt.<br />
Die Angst <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> bezieht sich auf den Verlust <strong>der</strong> Integrität und Identität<br />
und ist im Vergleich zu psychotischen Kin<strong>der</strong>n eine relativ weit entwickelte<br />
Ich-Funktion. Bei Streß regredieren sie kurzfristig auf psychotisches Niveau<br />
(micropsychotic states). Sie leiden an extremer Einsamkeit und Isolation.<br />
Verursachend ist eine mangelhafte Bemutterung, und es kommt zu raschen<br />
Besserungen des Zustandes, wenn das Kind sich verstanden fühlt und die<br />
Fürsorge <strong>der</strong> Mutter sich verbessert.<br />
Etwa zur gleichen Zeit fragen CHETHIC und FAST (1970) nach den Ursprüngen<br />
<strong>der</strong> Entwicklungshemmung bei Kin<strong>der</strong>n mit Bor<strong>der</strong>line-<strong>Störungen</strong>. Sie<br />
konstatieren, daß diese Kin<strong>der</strong> sich in ihrer Entwicklung zwischen neurotischen<br />
Kin<strong>der</strong>n, die in <strong>der</strong> äußeren Realität leben, und psychotischen Kin<strong>der</strong>n,<br />
die in <strong>der</strong> narzißtischen Welt des Lustprinzips leben, befinden. Narzißtische<br />
Phantasien sind eine Quelle unmittelbarer Befriedigung, mit <strong>der</strong>en Hilfe sie<br />
Schmerz abwehren können. Die Phantasien bieten eine Basis, von <strong>der</strong> aus die<br />
äußere Welt als eine Quelle von Befriedigung getestet werden kann. Die<br />
Autoren halten die Entwicklungsphase, in <strong>der</strong> das Kind das Stadium des<br />
Narzißmus verläßt, für den entwicklungsgeschichtlichen Ursprung <strong>der</strong><br />
Pathologie.<br />
Ähnlich wie GELEERD und WEIL sieht auch PINE (1974), ein ehemaliger Mitarbeiter<br />
MAHLERs eine ernste primäre Entwicklungsstörung bzw. ein Entwicklungsversagen<br />
im Bereich <strong>der</strong> Ich-Funktionen und <strong>der</strong> Objektbeziehungen als<br />
die Ursache und Grundlage einer Bor<strong>der</strong>line-Störung bei Kin<strong>der</strong>n. Er hat als<br />
erster herausgearbeitet, daß das breite Feld dieser Störung zwischen Neurose<br />
und Psychose in Untergruppen aufzuteilen ist, bei denen das Erscheinungsbild<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> z. T. erhebliche Unterschiede aufweist, und daß es unterschiedliche<br />
Schweregrade <strong>der</strong> Erkrankung gibt. Er unterscheidet eine "upper bor<strong>der</strong>" und<br />
eine "lower bor<strong>der</strong>" und differenziert in folgende Grundtypen: