BEHINDERUNG - Dorfzytig
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mittlerweile mehr Leute, die<br />
kapitulieren als solche, die schei-<br />
gibt<br />
«Es<br />
tern. Beidem, insbesondere für<br />
Menschen mit Behinderung, gleichermassen<br />
wirkungsvoll zu begegnen ist der Grund<br />
meines Engagements im CDI-HSG.» Diese<br />
Aussage macht Albert Frieder. Er ist Fachrat<br />
und Advisory Board Member des Center for<br />
Disability and Integration (CDI-HSG) an der<br />
Universität St. Gallen und Geschäftsführer<br />
von MyHandicap.<br />
Herr Frieder, Sie sind CEO der Stiftung My-<br />
Handicap mit Sitz in Wil. Können Sie kurz erklären,<br />
was MyHandicap ist?<br />
MyHandicap wird als Facebook und Wikipedia<br />
für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen<br />
bezeichnet. Zudem realisiert die Stiftung<br />
als Social Entrepreneur in der Wirtschaft sogenannte<br />
CSR-Projekte (CSR=Corporate Social Responsibility,<br />
Unternehmerische Sozialverantwortung).<br />
Sie hat ihren Hauptsitz in Wil und einen<br />
Zweitsitz in München.<br />
Wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen<br />
und wie sieht sie aus?<br />
Ich hatte in meiner Laufbahn die Gelegenheit,<br />
grosse internationale Management Consulting<br />
Unternehmen und danach den Dachverband<br />
für Behindertensport und das Paralympic Committee<br />
zu führen. Da kam der Kontakt zum Stifter<br />
von MyHandicap zustande. Die Aufgabe ist<br />
die der Geschäftsführung einer internationalen<br />
Nonprofit-Organisation.<br />
Welchen Bezug haben Sie zu Menschen mit<br />
einer Behinderung?<br />
Einer meiner nahen Schulkollegen in der Sekundar-<br />
und Mittelschule war beinamputiert. Die<br />
zahlreichen Behindertensportler haben mir zudem<br />
gezeigt, was man mit der Fokussierung auf<br />
seine Fähigkeiten alles erreichen kann.<br />
Dahin zielt ja auch MyHandicap. Wie kann die<br />
Internet-Plattform Menschen mit einer Behinderung<br />
konkret helfen und unterstützen?<br />
In den verschiedenen Foren erhalten die Menschen<br />
mit Behinderung, ihre Angehörigen, Institutionen,<br />
Verbände und Arbeitgeber Rat und Auskunft zu sämtlichen<br />
Themen des Lebens. Auskünfte erteilen ihnen<br />
tausende von Fachleuten und Behinderte selbst.<br />
Nebst Informationen soll auch die Integration<br />
von Menschen mit einer Behinderung gefördert<br />
werden. Wie geschieht dies?<br />
MyHandicap ist seit zwei Jahren Drehscheibe<br />
der Kampagne «Jobs für Behinderte – Behinderte<br />
für Jobs», welche sie gemeinsam mit Ringier<br />
und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband<br />
durchführt. Sie hat zum Ziel, Menschen mit Behinderung<br />
ausschliesslich auf Grund ihrer Fähigkeiten<br />
an den ersten Arbeitsmarkt zu bringen.<br />
Die Stiftung redet mehr von «ability», also<br />
von Fähigkeiten, und weniger von «disability»,<br />
Unfähigkeiten oder Einschränkungen.<br />
Trotzdem wird überall von Menschen mit<br />
einer Behinderung gesprochen. Braucht es<br />
eine neue Sprache?<br />
Nein. Menschen ohne irgendwelche Unzulänglichkeiten<br />
gibt es nicht, was aber völlig unerheblich<br />
ist. Wichtig für jeden Menschen ist, seine<br />
Fähigkeiten und Stärken bedarfsgerecht einzusetzen.<br />
Unfähigkeiten und Schwächen darf man<br />
zwar kennen, aber nicht um sie zu sanktionieren,<br />
sondern um sie zu kompensieren.<br />
Menschen mit einer Behinderung sollen vermehrt<br />
in den ersten Arbeitsmarkt integriert<br />
werden. Welche Voraussetzungen braucht es<br />
dafür?<br />
Keine anderen, als im übrigen Arbeitsmarkt auch:<br />
Die Fähigkeiten der Stellensuchenden müssen<br />
zu den Aufgabenkatalogen der zu besetzenden<br />
Stellen passen und die Arbeitgeber müssen mit<br />
geeigneten Bewerbern zusammenfinden.<br />
Sie vertreten die Meinung, dass es nicht zu<br />
wenige Arbeitgeber gibt, die Menschen mit<br />
einer Behinderung einstellen, sondern zu wenige<br />
Behinderte für den ersten Arbeitsmarkt.<br />
Wie kommen Sie zu dieser Aussage?<br />
Die Institutionen im zweiten Arbeitsmarkt leisten<br />
eine hervorragende Arbeit. Sie und viele Behindertenverbände<br />
schaffen dadurch aber unge-<br />
MYHANDICAP > 9<br />
«Der Erfolg macht Freude»<br />
Die Stiftung MyHandicap will die Lebenssituation behinderter Menschen und deren Angehörigen<br />
verbessern. Sie hat sich beispielsweise mit dem führenden Stellenportal der<br />
Schweiz zusammengetan, um Menschen mit einer Behinderung den besten Zugang zum<br />
Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Albert Frieder ist CEO der Stiftung MyHandicap.<br />
Interview &Fotos > CECILIA HESS-LOMBRISER<br />
> «Unfähigkeiten und<br />
Schwächen darf man zwar<br />
kennen, aber nicht um sie zu<br />
sanktionieren, sondern um<br />
sie zu kompensieren.»<br />
wollt wenig Anreiz, sich dem ersten Arbeitsmarkt<br />
zu stellen. Ob die letzten beiden IV-Revisionen da<br />
Abhilfe schaffen werden, muss sich erst noch zeigen.<br />
Arbeitgeber, die die verschiedenen Vorteile<br />
einer Anstellung behinderter Menschen erkannt<br />
haben, gibt es ausreichend.<br />
Braucht es grundsätzlich ein Umdenken in<br />
Bezug auf Menschen mit einer Behinderung?<br />
Ein Umdenken in Bezug auf Menschen – hin zur<br />
Ermöglichung von Erfolgen. Nicht der Beruf oder<br />
die Tätigkeiten machen Freude, sondern der Erfolg<br />
bei deren Ausübung. Jeder Golfer hat sein<br />
Handicap – ist er deswegen behindert?<br />
Sie sind auch Advisory Board Member und<br />
Fachrat am CDI-HSG. Welche Ziele verfolgt<br />
das Center?<br />
Das CDI-HSG ist die wissenschaftliche Basis<br />
der Stiftung und hat denselben Stifter. Dass wir<br />
das Thema Disability an einer renommierten<br />
Wirtschaftsuniversität adressieren und den ehemaligen<br />
US-Präsidenten Bill Clinton für dessen<br />
Eröffnung begeistern konnten, ist weltweit einzigartig.<br />
Meine Aufgabe ist mit jener eines Verwaltungsrates<br />
in der Wirtschaft vergleichbar.<br />
Es scheint einiges im Bereich Akzeptanz, Integration<br />
und Förderung von Menschen mit<br />
einer Behinderung in Bewegung zu sein. Wie<br />
ist es dazu gekommen?<br />
Ressourcen werden knapp, vor allem die personellen.<br />
Fähigkeiten von engagierten Menschen<br />
sind gesucht. Es geht nun darum, bedarfs- und<br />
fähigkeitsgerechte Ausbildung und Anstellung<br />
zu ermöglichen. Eine Hypothek bleibt die enorme<br />
strukturelle Ineffizienz in Behörden und Verwaltungen.<br />
Welche Vision habe Sie von einer Gesellschaft,<br />
zu der Menschen mit unterschiedlichen Möglichkeiten<br />
und Fähigkeiten gehören?<br />
Ich brauche hierzu keine Visionen, ich lebe in der<br />
Realität. Und diese zeigt mir, dass die Lehrkräfte<br />
hierzulande endlich Stärkenförderung der Schülerinnen<br />
und Schüler und die Führungskräfte<br />
endlich «Ability Management» im Unternehmen<br />
praktizieren sollten. Die Erfolgreichsten tun dies<br />
längst – nicht zuletzt mit fokussierten Menschen<br />
mit Behinderung als Vorbild.<br />
www.myhandicap.ch