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BEHINDERUNG - Dorfzytig

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«Jeder Mensch soll<br />

seinen Platz finden»<br />

Die Christkönigspfarrei will eine behindertenfreundliche<br />

Pfarrei werden. Um<br />

herauszufinden, wo es Hindernisse gibt,<br />

die möglichweise Menschen davon abhalten<br />

könnten, am Pfarreileben teilzunehmen, hat<br />

sich eine Projektgruppe gebildet. Angefangen<br />

hatte alles mit einem Referat von Dorothee<br />

Buschor Brunner beim Dekanatsrat. Sie ist verantwortlich<br />

für die Behindertenseelsorge im<br />

Bistum St.Gallen. «Ein Pfarreiratsmitglied nahm<br />

daran teil und brachte das Thema in der Pfarrei<br />

ein», erzählt Barbara Feichtinger. Darauf habe<br />

der Pfarreirat Dorothee Buschor nochmals eingeladen,<br />

um sich sensibilisieren zu lassen und<br />

die nötigen Schritte zu definieren. «Es war klar,<br />

dass wir mit Betroffenen zusammenarbeiten<br />

wollten», sagt die Seelsorgerin.<br />

Betroffene in der Projektgruppe<br />

Für die Projektgruppe konnte Dominik Müggler<br />

gewonnen werden, der seit einem Töffunfall<br />

querschnittgelähmt ist und seit zehn Jahren im<br />

Rollstuhl sitzt. Paul Lehmann trägt Beinprothesen<br />

und ist Aktuar im Pfarreirat. Radislav Piljic<br />

ist Mesmer in der Pfarrei Niederuzwil, Mitglied<br />

des Pfarreirates und der Praktiker, der einzelne<br />

Massnahmen umsetzt. René Wirth ist das<br />

Bindeglied zur Kirchenverwaltung. Er nimmt<br />

die Anliegen mit in den Rat, die mit baulichen<br />

Massnahmen und grösseren Investitionen im<br />

Zusammenhang stehen. Für Barbara Feichtinger<br />

ist es ein Anliegen, dass alle Menschen, die<br />

der Pfarrei angehören, mitmachen können,<br />

sich dazugehörend fühlen und Teil der Gemeinschaft<br />

sind. «Die Gesunden denken oft<br />

gar nicht daran, dass gewisse Voraussetzungen<br />

Hindernisse bedeuten», ist sich die Gruppe einig.<br />

Dominik Müggler weiss auch, warum die<br />

Anliegen von Menschen mit einer Behinderung<br />

kaum ausgesprochen werden. «Sie bleiben<br />

einfach zu Hause, weil die Bedingungen nicht<br />

stimmen. Wenn es kein behindertengerechtes<br />

WC vorhanden ist, ist es schon passiert. So ist<br />

es auch bei der Stellensuche. Meistens scheitert<br />

es am WC.»<br />

Selbstverständlichkeit<br />

Die Vision von Dorothee Buschor als Behindertenseelsorgerin<br />

ist: «Menschen mit einer Behinderung<br />

sind in ihrer Ortspfarrei beheimatet<br />

und nehmen selbstverständlich am Leben der<br />

Ortskirche teil. Sie sind Mitglieder von Pfarrei-<br />

oder Kirchenverwaltungsrat und setzen sich<br />

dort selbst für ihre Belange ein. Sie gestalten<br />

das Pfarreileben in Gruppen und Vereinen mit.<br />

Jugendliche ministrieren oder sind Mitglieder<br />

von den Jugendorganisationen. Eltern von<br />

Kindern mit einer Behinderung finden in ihrer<br />

Pfarrei eine Gemeinschaft, die ihre Fragen und<br />

Nöte mitträgt. Parallel- oder Sonderstrukturen<br />

für Menschen mit einer Behinderung sind nicht<br />

mehr nötig, weil in den bestehenden Strukturen<br />

Rücksicht auf deren besonderen Bedürfnisse<br />

genommen wird.» Die Realität sieht jedoch<br />

anders aus. Unsicherheiten auf beiden Seiten,<br />

Ängste, unbewusst gewählte Rahmenbedingungen,<br />

die Menschen mit einer Behinderung<br />

von vornherein ausschliessen, aber von niemandem<br />

bemerkt wird, sind Tatsachen. «Die<br />

Umwelt soll so gestaltet werden, dass alle mitmachen<br />

können», betont Barbara Feichtinger.<br />

Dafür will die Projektgruppe etwas tun und<br />

wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hat, soll der Pfarreirat<br />

weiterhin ein Auge darauf werfen und<br />

Menschen dafür sensibilisieren. «Wenn sich<br />

alle mit Rädern bewegen würden, wäre alles<br />

angepasst», wirft Dominik Müggler ein. Auf der<br />

Strasse, wo sich alle mit dem Auto bewegen, ist<br />

es bereits so. Wo Fussgänger und Rollstuhlfahrer<br />

unterwegs sind, allerdings noch bei weitem<br />

nicht.<br />

Beschilderung forcieren<br />

Die Projektgruppe für eine behindertenfreundliche<br />

Pfarrei steht an der Nordseite der katholischen<br />

Kirche. Seit vielen Jahren gibt es vom<br />

Parkplatz her bereits eine Rampe, die zum<br />

BEHINDERTENFREUNDLICHE PFARREI > 9<br />

Wer im Rollstuhl sitzt und ins katholische Pfarrhaus Niederuzwil will, steht vor einer unüberwindbaren<br />

Treppe ohne sich bemerkbar machen zu können. Solche und andere Hindernisse<br />

hat eine Projektgruppe um Pastoralassistentin Barbara Feichtinger aufgespürt,<br />

erfasst, Massnahmen dazu formuliert und teilweise bereits umgesetzt.<br />

Text & Fotos > CECILIA HESS-LOMBRISER<br />

> «Die Umwelt soll so<br />

gestaltet werden, dass alle<br />

mitmachen können.»<br />

Seiteneingang führt. Eine Hilfe wäre eine sich<br />

automatisch öffnende Türe. Das ist auf der Liste<br />

in der Spalte «mittelfristige Massnahmen» notiert.<br />

Der Mesmer hat einstweilen die Feder entfernt,<br />

die für die automatische Schliessung der<br />

Türe sorgte. Entlang der Kirchenmauer sollen<br />

Parkfelder für gehbehinderte Menschen eingezeichnet<br />

werden, Schilder auf den rollstuhlgängigen<br />

Kircheneingang aufmerksam machen<br />

und im Pfarreizentrum auf das behindertengerechte<br />

WC hinter der Kirche. Dieses soll mit<br />

einem Euroschloss ausgerüstet werden, damit<br />

Menschen mit einer Behinderung mit dem<br />

entsprechenden Schlüssel jederzeit Zugang<br />

haben. Im Pfarreizentrum sind die Toiletten nur<br />

über Treppen erreichbar. «Geändert werden<br />

kann das erst, wenn sowieso eine bauliche Sanierung<br />

ansteht», stellt Paul Lehmann fest. Er<br />

zählt die Massnahmen auf, die teilweise umgesetzt<br />

worden sind oder nächstens realisiert werden<br />

sollen und die Wünsche, die zurückgestellt<br />

werden müssen. Ein aufklappbarer Treppenlift<br />

ist in der Spalte «langfristig planbar» zu finden.<br />

Wege bereiten<br />

Die Christkönigspfarrei Niederuzwil will daran<br />

arbeiten, dass sich alle Menschen darin beheimatet<br />

fühlen. Der Seiteneingang auf der Südseite<br />

soll ebenfalls rollstuhlgängig umgebaut<br />

werden, am Pfarrhaus eine Glocke installiert<br />

werden, die vom Platz aus betätigt werden<br />

kann. Für Menschen mit einer Sehschwäche<br />

liegen Kirchenbücher mit grösserer Schrift auf<br />

und für solche mit einem Hörgerät ist die Kirche<br />

mit einer Induktionsschleife ausgerüstet.<br />

Wer trotzdem Mühe hat, kann ein biblisches<br />

Sonntagsblatt mit dem Tagesevangelium und<br />

Impulsen zum Nachdenken an den Platz mitnehmen.<br />

An den Eingangstüren werden die<br />

Gottesdienstbesuchenden auf diese Möglichkeiten<br />

aufmerksam gemacht. Intern sollen die<br />

Mitgestaltenden eingeladen werden, am Mikrofon<br />

langsam und deutlich zu sprechen. «Das<br />

hilft auch Menschen mit einer geistigen Behinderung»,<br />

betont Barbara Feichtinger. Auch<br />

sie sollen Teil der Pfarrei sein und ihren Platz<br />

haben. Ein entsprechender Austausch passiert<br />

bereits mit der Institution Buecherwäldli.

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