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PDF-Datei - Kirchentag 2005

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ich z.B. bei einem Aufenthalt in Guatemala im März <strong>2005</strong> in Buchläden problemlos<br />

Bilderbuchversionen des Märchens unter dem Titel „Hansel y Gretel“ finden.2<br />

Der Begriff der „Neuen Hexen“ entstand in Deutschland, als in den 70er Jahren, zunächst in<br />

Italien und dann auch in Deutschland, Frauen mit dem Slogan „Zittert, zittert, die Hexen sind<br />

wieder da!“ durch die Strassen zogen. Demonstriert wurde gegen Vergewaltigung,<br />

Unterdrückung und für die Emanzipation der Frau. Das Buch von Judith Jannberg, „Ich bin<br />

eine Hexe“, wurde in den 80er Jahren zum Kultbuch nicht nur für die Frauenbewegung,<br />

sondern für die gesamte Alternativszene.3<br />

„Hexe“ war für viele nun etwas Positives geworden, ein Symbol für Stärke und<br />

Unabhängigkeit. Wie wir heute wissen, war dies damals nicht nur eine Modeerscheinung,<br />

sondern der Anfang eines Booms, der bis heute anhält. In der Gegenwart wird die Hexe in<br />

vielen Kreisen als eine weise und starke Frau, als eine Frau mit magischen Fähigkeiten, als<br />

eine Vermittlerin zu den magischen Mächten der Natur, als Heilerin und als Helferin in allen<br />

Lebenslagen angesehen. So kam es sowohl zu einer eher politisch orientierten Entwicklung<br />

(die sog. „Politfrauen“), als auch zu einer eher religiös motivierten Entwicklung (die sog.<br />

„Spirifrauen“). Und als weitere wichtige Entwicklung ist der Zweig der heilerisch und der<br />

naturorientierten Hexen und Ritualfrauen zu nennen. Dennoch kann man nicht von<br />

Kategorien sprechen, da die Übergänge jeweils fließend sind.<br />

In Deutschland kam es zu einer zunehmenden Solidarisierung mit den in der Geschichte als<br />

Hexen verfolgten und hingerichteten Frauen. Viele Feministinnen sahen in den Verfolgungen<br />

einen Vernichtungsfeldzug gegen die weisen, heilkundigen und magiefähigen Frauen sowie<br />

eine allgemeine Unterdrückungskampagne gegen alle Frauen. Frauen benutzten nun<br />

bewusst den historischen Begriff „Hexe“, um sich mit den verfolgten Frauen zu solidarisieren<br />

und eine Kontinuität der außergewöhnlichen Fähigkeiten von Frauen bis heute zu<br />

demonstrieren. Und so manche Frau sah bei Zusammenkünften mit Gleichgesinnten die<br />

eigene Vergangenheit, in der man unter Folter und Verbrennung Ängste und Schmerzen<br />

ausstand.<br />

Nun ein kleiner Exkurs zu den Hexenverfolgungen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert.<br />

Zwischen 1430 und 1780 brannten in vielen Teilen Europas die Scheiterhaufen. Man<br />

verbrannte Frauen, Männer und Kinder, die von der weltlichen Gerichtsbarkeit als Hexen<br />

verurteilt worden waren. Die in den letzten 20 Jahren sehr intensiv betriebene historische<br />

Hexenforschung hat gezeigt, dass die Mehrzahl der Opfer keine „weisen“ oder magiefähigen<br />

Frauen waren, sondern die große Masse eigentlich relativ beliebig war, es konnte jeden<br />

treffen, und die Betroffenen entstammten allen Berufen, allen gesellschaftlichen Schichten,<br />

sie waren arm und reich, es waren bekannte Persönlichkeiten oder nur im eigenen Dorf oder<br />

in der Nachbarschaft gekannte Menschen, sie waren katholisch und evangelisch, sie waren<br />

beiderlei Geschlechts und sie waren beliebigen Alters – auch viele Kinder wurden der<br />

Hexerei angeklagt und verbrannt.<br />

Den offiziellen theologischen Rückhalt der großen Hexenverfolgungen lieferte ursprünglich<br />

ein 1484 von Papst Innozenz VIII. verfasster Erlass (Bulle) mit dem Titel „Summis<br />

desiderantis affectibus“, der unter dem Schlagwort „Hexenbulle“ bekannt wurde. Er<br />

autorisierte die Dominikaner Heinrich Kramer (genannt Institoris, 1430-1505) und Jakob<br />

Sprenger (ca. 1436-1495) als päpstliche Inquisitoren, um in Deutschland die ketzerischen<br />

Umtriebe von „Hexensekten“ zu bekämpfen. Kramer und Sprenger beriefen sich auf diese<br />

2 Die in Antigua/Guatemala für das Hexenarchiv im Museum für Völkerkunde Hamburg erworbene Ausgabe<br />

„Jacob y Wilhelm Grimm, Hansel y Gretel, Bogotá 2001“, ist allerdings nicht in Guatemala, sondern in Kolumbien<br />

erschienen.<br />

3 Judith Jannberg, Ich bin eine Hexe. Erfahrungen und Gedanken. 6. Auflage. Bonn 1986.<br />

Text wie von Autor/in bereitgestellt. Es gilt das gesprochene Wort.<br />

Veröffentlichung nur mit Genehmigung der Verfasserin/des Verfassers.

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