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PDF-Datei - Kirchentag 2005

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Bulle, um ihrer Hexenlehre zum Durchbruch zu verhelfen. Mit der Abfassung der<br />

dämonologischen Hetzschrift „Malleus Maleficarum“ (1487), die als so genannter<br />

„Hexenhammer“ Berühmtheit erlangte, setzte Kramer neue Maßstäbe für die<br />

Hexenverfolgung.<br />

Dieses in drei Teile gegliederte Werk, dem zumeist die päpstliche Bulle vorangestellt war,<br />

diente vielen Hexenrichtern als Leitfaden für das Verhör. Es enthielt neben genauen<br />

Anweisungen für das Erkennen von Hexen auch Richtlinien für die Prozessführung. Die<br />

Verbrechen, die den vermeintlichen Hexen darin zur Last gelegt wurden, umfassen alle<br />

Varianten des Schadenszaubers, der Gotteslästerung und des Teufelspaktes. Kramer verlieh<br />

dem Täterprofil ein spezifisch weibliches Gepräge. So erwiesen sich Frauen nach Kramers<br />

Meinung als besonders anfällig für die Einflüsterungen des Teufels, wie bereits das Vorbild<br />

von Urmutter Eva zeigte. Diese frauenfeindliche Einstellung spiegelte sich dann auch in der<br />

Zusammensetzung der Opfer wider, von denen rund drei Viertel Frauen waren.4<br />

Zurück zu den neuen Hexen. Viele dieser Frauen solidarisierten sich nun nicht nur mit den<br />

ehemals als Hexen verfolgten und hingerichteten Frauen, sondern waren und sind bis heute<br />

davon überzeugt, Reinkarnationen, Wiederverkörperungen, Wiedergeburten von diesen zu<br />

sein. Der Glaube an eine Wiedergeburt in späteren Zeiten, oder andersherum gesagt, die<br />

Überzeugung, schon einmal in früheren Zeiten gelebt zu haben, ist ja in vielen Kulturen und<br />

Religionen der Welt bekannt. Mit den Methoden und Quellen der westlich-historischen<br />

Wissenschaft und auch der Naturwissenschaften ist dies aber nicht nachweisbar.<br />

Als ein Beispiel für die Reinkarnationsvorstellungen bei neuen Hexen sei hier aus einem<br />

Forschungsprojekt über Neue Hexen in Hamburg im Jahr 2001 ein Gespräch mit der<br />

Hamburger Neuen Hexe und Diplom-Psychologin Attis Silke Beyn zitiert. Gefragt nach ihrer<br />

Einstellung zu anderen Religionen, war sie in Bezug auf das Christentum vor allem von der<br />

Person Jesus fasziniert:<br />

„Jesus war ein Heiler, darum wird er auch Heiland genannt. Jesus war ein Helfer, er hatte<br />

eine echte Hingabe zu dienen. Liebe vermitteln war seine wichtigste Botschaft. Die Person<br />

Jesus war in ihrer letzten Inkarnation. Er hatte bereits 60 Inkarnationen hinter sich. Er war in<br />

dem Zustand, in dem man in Erleuchtung kommt. (…) Er hatte Inkarnationen bei Kelten,<br />

Germanen, Ägyptern, in Nordafrika, Westafrika, bei den Hindus in Indien, bei den Buddhisten<br />

im Himalaja, in Russland, in Griechenland und in Südamerika durchgemacht. Dadurch hatte<br />

er eine große Toleranz und keine Vorurteile. Er hatte unglaubliche Kräfte, er konnte<br />

rationales und zeitliches außer Kraft setzen. Er befand sich als Mensch auf einer<br />

Schwingungsebene, die nicht viele Menschen oder Seelen ertragen können“.5<br />

Ein ähnlich gelagertes Problem ist das der angenommenen Kontinuität der „uralten<br />

Weisheit“. Auch hierauf berufen sich viele der neuen Hexen. Eine kontinuierliche Weitergabe<br />

von Wissen in Bezug zum Beispiel auf Kräuter und andere Pflanzen, Tiere, Steine,<br />

Heilkunde, Magie, Rituale, etc., durch die Jahrtausende ist nicht nachweisbar. Mit Sicherheit<br />

hat es auch in Europa zu allen Zeiten Expertinnen und Weise mit Spezialkenntnissen in<br />

Hinblick auf Kräuter, Pflanzen, Tiere, Steine, Heilkunde, Magie und Rituale gegeben. Aber<br />

Wissen hat sich zu allen Zeiten auch weiterentwickelt, hat sich verloren und es ist wieder<br />

neues entstanden. Ich halte aber auch die schon so manches Mal von wissenschaftlicher<br />

Seite gegenüber den neuen Hexen erfolgten Angriffe, eine solche Kontinuität hätte es nie<br />

4 Jeanette Kokott, Die Hexenverfolgung der Frühen Neuzeit. In: Jeanette Kokott & Bernd Schmelz (Hg.), Hexen.<br />

Das Hexenarchiv im Museum für Völkerkunde Hamburg. Hamburg 2003, S. 36-37.<br />

5 Aus bisher unveröffentlichten Feldforschungsaufzeichnungen des Referenten aus dem Jahr 2001. Zur neuen<br />

Hexe Attis s. ihre eigene Darstellung Attis Silke Beyn, Wie ich mich in der Ausstellung wieder gefunden und<br />

welche Reaktionen ich erfahren habe. In: Wulf Köpke & Bernd Schmelz (Hg.), Hexen im Museum, Hexen heute,<br />

Hexen weltweit (Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde Hmaburg, N.F. 34), S. 100-108, Hamburg 2004.<br />

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